Quelle: Berliner
Zeitung, Montag, 19. Februar 2001 BUNDESGERICHTSHOF Richter Neskovic ante portas Merkwürdig, dass ihn noch nie jemand "Querdenker" nannte, "Fundamentalkritiker" oder zumindest "Nestbeschmutzer". Merkwürdig ist das nicht nur, weil in Deutschland jeder, der einen selbstständigen Gedanken zu fassen und zu formulieren vermag, beste Chancen hat, unverzüglich eines dieser Etiketten zu erwerben. Merkwürdig ist es auch deshalb, weil kaum ein deutscher Richter seine Zunft so unverdrossen nervt wie Wolfgang Neskovic. Und weil sich Neskovic nie darauf beschränkte, nur von Amts wegen
für Aufsehen zu sorgen, sondern auch seine - wechselnden - politischen
Freunde gerne öffentlich beschimpfte, hätte ihm eigentlich der
Ruf als erster Nestbeschmutzer im Land und vaterlandslosester Geselle
weit und breit gebührt. Damit ist es vorbei: Der Bundesrichterwahlausschuss
hat Die Wahl des 51-jährigen Neskovic ist eine Überraschung. Vor neun Jahren wäre sie für viele ein handfester Skandal gewesen. Damals hatte eine Kammer des Landgerichts Lübeck unter Vorsitz Neskovics Alkohol und Cannabis miteinander in Beziehung gesetzt, behauptet, ein Rausch sei wie der andere, und damit erstmals ein "Recht auf Rausch" postuliert. Das Echo darauf war ein Donnerhall, doch hatte Neskovic - im Kern zumindest - durchaus Erfolg: Mochte das Bundesverfassungsgericht zwei Jahre später im Grundgesetz auch kein Recht auf Rausch erkennen, lockerte es doch wesentlich den Strafverfolgungszwang beim Umgang mit Haschisch. Seither ist Neskovic der schlechte Ruf bei konservativen Juristen nicht
mehr zu nehmen. Immer wieder beklagte er die "Arroganz" seiner
Richterkollegen "im Umgang mit dem Recht suchenden Bürger"
und die "Vielzahl frauen- und Gegen Neskovics Positionen ist manches einzuwenden - bis heute bilden
die Einwände in der Justiz die so genannte herrschende Meinung -,
doch wäre jedenfalls der Vorwurf mangelnden Mannesmuts vor Fürstenthronen
ungerecht. Unbeugsam trat er 1994 dem BGH entgegen, nachdem der ein Urteil der
Kammer Neskovics als "unvertretbar milde" aufgehoben hatte:
Die Kammer am Lübecker Landgericht wollte zwei Dealer, die mit fünf
Kilo Kokain gehandelt hatten, Niemand kennt die Zahl der Bundesrichter, die ihren Karrieresprung nicht
ihrer Qualifikation, sondern dem Parteibuch verdankten - Neskovic, vormals
SPD, heute ein unzufriedener Grüner, gehört nicht zu ihnen.
Keiner muss seine - juristisch nie unsubstantiierten, häufig provozierenden
- Haltungen teilen, aber an seiner Haltung könnten sich etliche Bundesrichter
durchaus ein Beispiel nehmen |