Wolfgang Neskovic
Overbeckstraße 12
23564 Lübeck
Tel.: 0451/79 68 32
Fax: 0451/79 68 32

Lübeck, 27.05.2000


An die
Landesschlichtungskommission
GAL Landesverband Hamburg
c/o Carmen Gensler-Schaar
Maike-Harder-Weg 41

22399 Hamburg

 


In dem Schiedsgerichtsverfahren

des Landesvorstandes Bündnis 90/ Die Grünen Schleswig-Holstein
vertreten durch
seine Sprecherin Monika Obieray,
sein Sprecher Peter Swane und
seinen Schatzmeister Klaus Siebert
Wilhelminenstraße 18
24103 Kiel

- Antragsteller -

g e g e n

das Parteimitglied Wolfgang Neskovic,
Kreisverband Lübeck,
Overbeckstraße 12, 23564 Lübeck

- Antragsgegner -


wird beantragt,

1) den Beschluß des Antragstellers vom 29.02.2000 über die Einleitung
eines Ausschlußverfahrens gegen den Antragsgegner aufzuheben.

2) Den Antrag des Antragstellers vom 13.04.2000 als

a) unzulässig, hilfsweise
b) als unbegründet

zurückzuweisen.

 

Begründung:

Der Antragsteller geht von einem falschen Sachverhalt aus (A). Er hat bei der Beschlußfassung rechtswidrig gehandelt, indem er gegen das Parteiengesetz und die Satzung des Landesverbandes bzw. des Bundesverbandes von Bündnis 90/ Die Grünen verstoßen hat.


Darüber hinaus mißversteht der Antragsteller die Ausschlußvoraussetzungen, subsumiert in unzutreffender Weise und verkennt das ihm durch die Satzung eingeräumte Ermessen (B).

Im einzelnen:

(A) Zum Sachverhalt:

1) Der Antragsgegner war von 1979 bis 1995 Mitglied der SPD. Er hat dort unterschiedlichste Funktionen wahrgenommen (Mitglied des Landesvorstandes der SPD in Schleswig-Holstein, 12 Jahre Landesvorsitzender der ASJ in Schleswig-Holstein und Mitglied des Bundesausschusses der ASJ, 15 Jahre Mitglied in den Kreisvorständen in Lübeck und Ostholstein, Kreisvorsitzender der Jungsozialisten). Er hat die SPD insbesondere wegen der Asylpolitik, der sich damals abzeichnenden Zustimmung zum „Großen Lauschangriff“ und wegen der Bereitschaft, auch Militäreinsätze außerhalb des NATO-Gebietes zuzustimmen, verlassen.

Vor der Landtagswahl im Jahre 1996 ist der Antragsgegner im Januar bei Bündnis 90/ Die Grünen mit der Hoffnung eingetreten, dort eine Alternative zu den Austrittsgründen vorzufinden. Die Programm- und Beschlußlage entsprach dieser Vorstellung. Der Antragsgegner hat im Landtagswahlkampf den Antragsteller nachhaltig unterstützt. Der Antragsteller hat dementsprechend den Antragsgegner öffentlichkeitswirksam im Wahlkampf eingesetzt. Nachdem die Grünen mit einem guten Wahlergebnis erstmals in den Schleswig-Holsteinischen Landtag eingezogen sind, hat der Antragsgegner bei den sich anschließenden Koalitionsverhandlungen den innen-, rechts- und justizpolitischen Teil der Verhandlungen maßgeblich und verantwortlich mitverhandelt und gestaltet. Insbesondere der rechts- und justizpolitische Teil des Koalitionsvertrages hat in Fachkreisen bundesweite Anerkennung erfahren.

Der Antragsgegner hat danach mit anderen die bis dahin nicht existierende „Landesgemeinschaft Demokratie und Recht“ wieder ins Leben gerufen und war von 1996-1999 deren Sprecher. Darüber hinaus hat der Antragsgegner weitere Funktionen bei Bündnis 90/ Die Grünen übernommen: Er war Vorsitzender des Landesschiedsgerichtes, Delegierter zur Bundesarbeitsgemeinschaft „Demokratie und Recht“ und dort Koordinator für die Justizreform. Im Kreisverband vom Bündnis 90/ Die Grünen hat er darüber hinaus für die Bürgerschaft kandidiert, und er hat als einziger Grüner in Schleswig-Holstein bei der Kommunalwahl, bei denen die Grünen fast die Hälfte ihrer Stimmen landesweit verloren hatten, Stimmen dazugewonnen. In den beiden wohnortsnächsten Wahllokalen waren es zwischen 3,5 bis 4,5%. Im Anschluß hieran war der Antragsgegner bei aufwendigen Koalitionsverhandlungen sowohl mit der SPD als auch mit der CDU beteiligt.

Bis zum Kosovo-Krieg hat der Antragsgegner engagiert und konfliktfrei in der Partei Bündnis 90/ Die Grünen auf den zuvor beschriebenenen Ebenen gearbeitet. Dabei hat er insbesondere die rechts- und innenpolitische Arbeit von Bündnis 90/ Die Grünen auf Landesebene intensiviert und eine gut funktionierende LAG am Laufen gehalten, die beim Justiz- und Innenministerium als ernsthafte Gesprächspartnerin akzeptiert gewesen ist.
Der Antragsgegner hat auch die Arbeit der Fraktion und der Minister von Bündnis 90/ Die Grünen im Rahmen der Regierungsarbeit solidarisch mitgetragen und von öffentlicher Kritik Abstand genommen, obwohl hierzu vielfältig Anlaß bestand.

2) Diese Situation hat sich mit dem Kosovo-Krieg grundlegend geändert. Die Haltung von Bundesaußenminister Fischer und weiter Teile der Grünen-Führung haben den Antragsgegner enttäuscht. Dies ist vor dem Hintergrund des Austritts der SPD und den damit verbundenen Gründen sowie den entsprechenden Erwartungen vor dem Eintritt bei Bündnis 90/ Die Grünen nachvollziehbar und wird besonders deutlich, wenn man sich die eindeutige Beschlußlage der Partei und die entsprechenden
Wahlkampfaussagen im Bundestagwahlkampf 1998 vor Augen führt. So heißt es auf Seite 135 des Bundestagswahlprogramms unmißverständlich knapp:

„Militärische Friedenserzwingung und Kampfeinsätze lehnen wir ab.

Weiter auf Seite 142:

„Ihre Doktrin (die der NATO), weltweit Schutz vor „Destabilisierung“ zu bieten, programmiert bewaffnete Abenteuer, in die auch Deutschland hineingezogen werden könnte. Bündnis 90/ Die Grünen akzeptieren nicht, dass die NATO ihre Rolle zu Lasten der UNO und der Organisation für Sicherheit und Zusammenhalt in Europa (OSZE) um ihre eigene militärische Dominanz durchzusetzen.“

Genau dies ist mit dem Kosovo-Einsatz geschehen. Deutschland hat sich in ein bewaffnetes Abenteuer hineinziehen lassen. Dabei hat die NATO ihre Rolle zu Lasten der UNO und der OSZE ausgeweitet.

Auf Seite 143 ist zu lesen:

„Die langfristig angelegte antimilitaristische Strategie von Bündnis 90/ Die Grünen zielt darauf ab, Militärbündnisse und nationale Armeen in eine gesamteuropäische Friedens- und Sicherheitsordnung aufzulösen. Sie muß auch die NATO ablösen und bietet die Voraussetzung für umfassende Abrüstungen und der Entmachtung des militärisch-industriellen Komplexes in allen Staaten.

Auch hiergegen hat der Einsatz klar verstoßen. Er hat die Stellung der NATO gefestigt und keinen Beitrag zu ihrer Ablösung im Rahmen einer gesamteuropäischen Friedens- und Sicherheitsordnung geleistet.

Schließlich heißt es auf Seite 148 nochmals unmißverständlich:

„Bündnis 90/ Die Grünen tragen militärische Friedens- und Kampfeinsätze nicht mit.“

Mit vielen anderen Grünen hat der Antragsgegner sich gegen diesen Bruch von Wahlversprechungen gewandt und dafür gestritten, dass diese Wahlversprechen auch eingehalten werden. Dabei war auch klar, dass der Bruch dieser Wahlversprechungen eine Existenzkrise der Grünen auslösen könnte und die Idee der „Entmilitarisierung und Zivilisierung“ als Schlüssel der „Friedenspolitik“ politisch heimatlos machen könnte. Für den Antragsgegner war es nicht hinnehmbar, dass letztlich die im Programm niedergelegten Ideen mit ihrer identitätsstiftenden Wirkung für die Grünen wegen der Aufrechterhaltung der Regierungsbeteiligung verlassen worden sind. Bezeichnend für diese Motivlage war die Äußerung der langjährigen „Linken" Angelika Beer, die unmittelbar nach dem Bielefelder Parteitag in der Zeitung „Die Welt“ auf die Frage, ob sie mit dem Parteitagsbeschluss zufrieden sei, nicht etwa erklärte, dass dieser Beschluß die Menschenrechte der Kosovoalabaner sichere, sondern unumwunden mitteilte, dass mit diesem Beschluß die Regierungskoalition gerettet worden sei.
Diese Haltung hat den Antragsgegner wie viele andere Grüne nachhaltig empört.

Von einem Austritt hat der Antragsgegner im Hinblick darauf, dass er vor 4 Jahren aus der SPD ausgetreten und ihm dieser Austritt schwergefallen ist, Abstand genommen. Dabei war auch bedeutsam, dass viele Grüne, die in der Rechts- und Innen- aber auch insbesondere in der Drogenpolitik auf die Kenntnisse und das Engagement des Antragsgegners setzten, ihn baten, sich einen Austritt zu überlegen. Der Antragsgegner hat daraufhin sämtliche Ämter , die er bei den Grünen hatte, aufgegeben, bzw. hat für zum damaligen Zeitpunkt anstehende Neuwahlen nicht wieder kandidiert. Er hat auch darauf verzichtet, in Lübeck als Bürgermeisterkandidat anzutreten, obwohl er nach Auffassung vieler Beobachter eine reelle Chance gehabt hätte, zumindest in den zweiten Wahlgang zu gelangen. Der Antragsgegner
war zum damaligen Zeitpunkt der Auffassung, dass die friedenspolitischen Ideen der Grünen so wie sie im Bundestagswahlprogramm 1998 ihren Niederschlag gefunden hatten, auf keinen Fall parteipolitisch verloren gehen durften und hat deshalb mit anderen Grünen gehofft, dass ein Denkzettel bei der Europawahl die Erkenntnisprozesse in Gang setzen würden, die offensichtlich mit Sachargumenten nicht herbeizuführen waren. Deswegen hat der Antragsgegner in dieser emotionalen Situation zusammen mit anderen Parteimitgliedern einen Aufruf unterzeichnet, der dazu aufforderte bei der Europawahl Bündnis 90/ Die Grünen nicht zu wählen. Der
Antragsgegner hat dies auch in öffentlichen Veranstaltungen deutlich gemacht. Er hat dabei zur Begründung darauf verwiesen, dass nur eine Wahlniederlage die Grünen zur politischen Vernunft und zur Rückkehr einmal gefaßter und formulierter Überzeugung bringen könnte.

Der Landesvorstand hat auf diese Initiativen des Antragsgegners nicht mit der Androhung von Ordnungsmaßnahmen geschweige denn mit einem Ausschlußverfahren gedroht. Es hat lediglich ein Anschreiben der Landessprecherin Monika Obieray gegeben, in dem einerseits um ein Gespräch gebeten und andererseits der Vorwurf erhoben wurde, dass der Antragsgegner seine rhetorischen und intellektuellen Fähigkeiten mißbrauchen würde. Der Antragsgegner war zu einem solchen Gespräch bereit. Er sah sich jedoch zweimal aus triftigen persönlichen (familiären) Gründen gezwungen, die getroffenen Gesprächstermine abzusagen. Dies war auch jeweils akzeptiert worden. Es war vereinbart, dass nach den Ferien ein erneuter Gesprächstermin abgesprochen werden sollte. Eine solche Absprache kam jedoch nicht zustande, wobei zwischen den Parteien streitig ist, wer nach den getroffenen Vereinbarungen auf den anderen zukommen sollte, um einen neuen Gesprächstermin zu vereinbaren.

In der Folgezeit hat der Antragsgegner sich aus der Parteiarbeit zurückgezogen und nur noch gelegentlich Mitgliederversammlungen des Kreisverbandes besucht. Seine Arbeit im Kulturausschuß der Hansestadt Lübeck hat er jedoch regelmäßig wahrgenommen.

Am 21.02.2000 hat Gregor Gysi im Rahmen einer Wahlkampfveranstaltung Lübeck besucht. Der Antragsgegner und Gregor Gysi kennen sich seit vielen Jahren. Beide verbindet eine wechselseitige persönliche Wertschätzung. Dies hat zu gelegentlichen Treffen geführt, bei denen der persönliche Kontakt im Vordergrund stand. Auf dieser Grundlage hat Gregor Gysi den Antragsgegner gefragt, ob er vor der Veranstaltung für ein persönliches Gespräch zur Verfügung stehe. Dabei war - wie in der Vergangenheit auch - klar, dass dieses Gespräch keine Öffentlichkeitswirkung haben sollte. Die örtliche PDS hat dann jedoch aus eigener Initiative eine Presseerklärung herausgegeben und damit das Interesse von Journalisten geweckt. Der Antragsgegner hat, nachdem ihn zwei Journalisten um entsprechende
Gespräche gebeten haben, keine Einwände gegen Interviewwünsche erhoben. Er hatte diese Interviews weder gewollt noch initiiert. Er war bei aber der
gegebenen Sachlage aber auch nicht bereit, seine Einschätzung der Situation von Bündnis 90/ Die Grünen in Schweigen zu hüllen. Er hat dann, nachdem die Situation so war wie sie war, seine Sicht der Lage der Grünen in zwei mehr als eine Stunde andauernden Gesprächen dargelegt. Der Inhalt dieser Gespräche ist leider in sehr verkürzter und damit entstellender Weise wiedergegeben worden. Der Antragsgegner hat bei beiden Interviewpartnern, die sich aus der Anlage 1 ergebenen Gedanken dargestellt und sich um die politische Zukunft von Bündnis 90/ Die Grünen gesorgt. Er hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass der Glaubwürdigkeitsverlust, den die Grünen in erster Linie durch den Kosovo-Krieg, aber auch in ihrer Regierungsarbeit - auch bezogen auf Schleswig-Holstein - erlitten, längerfristig dazu führen könnte, dass die Grünen von der politischen Landkarte verschwinden. Dabei hat er auch das Verhalten der drei Hauptrepräsentanten von Bündnis 90/ Die Grünen in
Schleswig-Holstein kritisiert und deren Ablösung gefordert (Fraktionschefin, beide Minister). Teil der vom Antragsgegner vorgenommen Analyse war die Einschätzung, dass die Grünen offensichtlich den Gefahren, die der Antragsgegner in den beiliegenden Artikeln des Flensburger Tagesblattes und der FAZ beschrieben hatte, nicht nachhaltig begegnen würden.

Weiter hat der Antragsgegner ausgeführt, dass es der politischen Erfahrung entspreche, dass die Einsichten, die nicht kraft Verstandes gewonnen würden, gelegentlich durch das Wahlverhalten der BürgerInnen erzwungen würden. So hätten in der Vergangenheit häufig Wahlniederlagen auch zu Verhaltensänderungen geführt, die bei vernünftiger und vorausschauender Betrachtung auch ohne Wahlniederlagen möglich gewesen wären. Vor diesem Hintergrund erklären sich die Äußerungen, „wer grüne Ideen will, darf die Grünen nicht wählen“ und „ es wäre gut für die grünen Ideen, wenn die Grünen nicht in den Landtag kämen“.

Liest man diese Äußerungen in dem hier dargestellten Sinnzusammenhang, dann kann ihnen weder die Aufforderung entnommen werden, die Grünen nicht
zu wählen, noch ist aus ihnen zu schlußfolgern, dass der Antragsgegner den Grünen die Berechtigung abspricht, sich an Landtagswahlen zu beteiligen
(vergl. dazu noch in den Rechtsausführungen).

Im Anschluß an diese Zeitungsartikel hat es für den Antragsgegner erkennbar keine Reaktionen seitens des Antragstellers gegeben. Am 14.04.2000 erhielt der Antragsgegner völlig überraschend die Mitteilung über die Beschlußlage des Landesvorstandes und die darauf beruhende Einleitung von Verfahrensmaßnahmen.


B Zum Rechtlichen

Die Beschlußfassung des Landesvorstandes über die Einleitung eines Parteiausschlußfahrens leidet an erheblichen verfahrensrechtlichen Mängeln, die zu ihrer Aufhebung führen und damit zur Unzulässigkeit des Antrages vom 13.04.2000 (1).

Darüber hinaus verkennt der Antrag und die ihn tragende Begründung die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Parteiausschluß. Auch die
Subsumtion des Sachverhaltes wird den tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Ausschluß nicht gerecht (2).

Schließlich ist der Beschluß rechtswidrig, weil der Vorstand bei seiner Entscheidung offensichtlich das ihm eingeräumte Ermessen nicht erkannt hat (3).


1) Verfahrensfehler

Der Landesvorstand hat den Anspruch des Antragsgegners auf rechtliches Gehör verletzt (a). Desweiteren hat er gegen den aus der Satzung sich
ergebenen Öffentlichkeitsgrundsatz verstoßen (b). Diese vorgenannten Verstöße führen zur Aufhebung des Beschlusses vom 29.02.2000 mit der
Folge, dass der Antrag vom 13.04.2000 als unzulässig zurückzuweisen ist (c).

(a) Anspruch auf rechtliches Gehör

Im Ausschlußverfahren hat das Parteimitglied Anspruch auf rechtliches Gehör. Dies ergibt sich aus § 14 Abs. 4 des Parteiengesetzes. Gem. Ziffer
3a der Landesschiedsordnung vom Bündnis 90/ Die Grünen Schleswig-Holstein wird das Verfahren vor dem Landesschiedsgericht u. a. auf Antrag eines
Parteiorganes eingeleitet. Diese verfahrenseinleitende Maßnahme ist konstitutiver, das Verfahren bedingender Teil des Schiedsverfahrens. Deswegen unterliegt die Entscheidung hierüber auch schon dem Anspruch auf rechtliches Gehör. Adressat dieses Anspruches ist nicht nur das Schiedsgericht sondern auch das Parteiorgan, das über die Verfahrenseinleitung beschließt.

Die Verfahrenseinleitung stellt für sich gesehen schon eine das Parteimitglied beschwerende Maßnahme dar. Insbesondere bei dem Antrag auf Ausschluß aus der Partei sind im Hinblick auf die Ausschlußvoraussetzungen schwere Vorwürfe mit der Antragstellung verbunden, die in der öffentlichen Diskussion für das Parteimitglied politische, persönliche oder sogar berufliche Nachteile haben können. Sie bedürfen deswegen einer besonders sorgfältigen Abwägung, bei der dem Betroffenen die Gelegenheit gegeben werden muß, sich mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen, um durch seine Stellungnahmen ggf. die mit dem Antrag verbundenen politischen,
persönlichen oder auch beruflichen Nachteile verhindern zu können. Der Anspruch auf rechtliches Gehör, der in Art. 103 Abs. 1 GG für staatliche Gerichte seine verfassungsrechtliche Verankerung gefunden hat, gilt für alle Verfahrensarten. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist ein prozessuales Urrecht des Menschen (BVerfG NJW 1980, 2698), das in jedem Verfahren gilt z. B. auch bei Vereinsausschlußverfahren). Es ist als Gebot natürlicher Gerechtigkeit (BGH NJW 1959, 1982) zu ge-währen und ist durch die Achtung vor der Menschenwürde des Betroffenen gefordert (BayObLG NJW 1997, 1235,1236). Dabei ist leitender Gedanke die Gewährleistung eines fairen Verfahrens (vergl. Sauter-Schweyer, Der eingetr. Verein, 16. Auflage, Seite 17, Rd-Nr. 100).

Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist gewahrt, wenn dem Mitglied eröffnet wird, welche Vorwürfe erhoben werden und ihm die Gelegenheit gegeben wird,
sich dazu zu äußern (vergl. OLG Köln, NJW - RR 1993, 891).

Gegen diese Grundsätze hat der Antragsteller verstoßen. Er hat dem Antragsgegner vor der Entscheidung über die Stellung eines Ausschlußantrages keine Gelegenheit gegeben, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Im Gegenteil, er hat es planmäßig darauf angelegt, eine eventl. Stellungnahme oder eine Auseinandersetzung oder Fürsprache anderer Parteimitglieder zu verhindern. So hat er den Tagesordnungspunkt (TOP), der den Ausschluß des Antragsgegners betraf, satzungswidrig (vergl. dazu die nachstehenden Ausführungen) als TOP „03.HL“ gekennzeichnet. Hätte der Antragsteller -wie es satzungsgemäß erforderlich gewesen wäre-, den TOP
ordnungsgemäß mit „Ausschlußverfahrensantrag gegen Wolfgang Neskovic gekennzeichnet, hätte der Antragsteller damit rechnen müssen, dass der Antragsgegner oder andere die Auffassung des Antragsgegners vertretene Parteimitglieder zu der Sitzung gekommen und u. U. die eingetretene Beschlußfassung verhindert hätten. Es liegt auf der Hand, dass dieses Verhalten einen besonders schweren Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens und den Anspruch auf rechtliches Gehör darstellt. Auf eine politische Interpretation dieses Verhaltens soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden.

(b) Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz

Gem. § 6 Abs. 1 Ziffer 6 der Bundessatzung hat jedes Mitglied das Recht, an allen Sitzungen von Arbeitsgruppen, Ausschüssen und Parteiorganen teilzunehmen. Die Landessatzung vom Bündnis 90/ Die Grünen Schleswig-Holstein enthält eine entsprechende Bestimmung nicht. Die Bestimmung der Bundessatzung gilt jedoch auch für Schleswig-Holstein. Gem. § 16 Abs. 1 der Satzung gelten die Bestimmungen der Bundessatzung „im übrigen“.

§ 6 Abs. 1 Ziffer 6 soll den Grundsatz der Parteiöffentlichkeit sichern. Mit der vorstehenden unter Ziffer (a) beschriebenen Verhaltensweise bei der Abfassung der Tagesordnung hat der Antragsteller gegen diesen Grundsatz verstoßen. Der Grundsatz der Öffentlichkeit wird nicht nur durch den ausdrücklichen Ausschluß der Öffentlichkeit von einer Sitzung verletzt, sondern auch dann, wenn durch eine irreführende Bezeichnung der Ansporn, an einer Sitzung teilzunehmen, genommen wird. Diese auf „Tarnung“ ausgerichtete Verhaltensweise des Landesvorstandes stellt eine besondere Spielart der Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit dar. Im
Ergebnis macht es keinen Unterschied, ob die Nichtteilnahme von Mitgliedern an einer Sitzung durch einen Ausschluß oder durch irreführende Angaben über die Tagesordnung herbeigeführt wird.

 

(c) Rechtsfolgen der vorgenannten Verstöße zu (a) und (b)

Wenn der Beschluß vom 29.02.2000 über die Einleitung eines Ausschlußverfahrens gegen den Antragsgegner aus den Gründen zu (a) und (b) satzungswidrig ist, ist dieser Beschluß entweder aufgrund der in diesem Schriftsatz vorgenommen Anfechtung aufzuheben, oder der Beschluß ist wegen der Schwere der Verstöße nichtig. In beiden Fällen führt der Wegfall des Antrages als notwendige verfahrenseinleitende Maßnahme dazu, dass der Antrag auf Aufschluß als unzulässig zurückzuweisen ist, weil die Einleitung eines Verfahrens vor dem Schiedsgericht einen gültigen Antrag voraussetzt.


2) Materielle Rechtsfehler

Wenn der Antrag vom13.04.2000 nicht schon als unzulässig zurückzuweisen ist (vergl. vorstehend 1(c)), so ist er in jedem Fall als unbegründet zurückzuweisen.

Der Antragsteller hat die satzungsgemäßen Voraussetzungen für seinen Ausschlußantrag verkannt. Gem. Ziffer 2) der Landesschiedsordnung kann ein Mitglied, dass

- vorsätzlich gegen die Satzung oder
- erheblich gegen Grundsätze oder die Ordnung der Partei verstößt und - damit der Partei schweren Schaden zufügt,

aus der Partei ausgeschlossen werden.

Es reicht demnach nicht aus, dass der Partei durch ein Verhalten schwerer Schaden zugefügt wird. Vielmehr ist darüber hinaus ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Satzung oder gleichwertig ein erheblicher Verstoß gegen Grundsätze oder die Ordnung der Partei erforderlich.

(a) Nach der Antragsbegründung wirft der Antragsteller dem Antragsgegner einen Verstoß gegen die Satzung des Landesverbandes vor. Er beruft sich
hierbei auf die Präambel und auf §2 Satz 1 der Satzung, in der u. a. die Aufgabe der Partei dahin bestimmt ist, sich an Wahlen zu beteiligen.

Dieser Vorwurf geht in zweifacher Hinsicht ins Leere:

Zum einen stellen die Äußerungen des Antragstellers in dem unter A) geschilderten Sinnzusammenhang keinen Verstoß gegen die vorstehende
Satzungsbestimmung dar, zum anderen steht der objektive Erklärungswert dieser Aussagen nicht im Widerspruch zu den entsprechenden Satzungsbestimmungen.

(aa) Der Antragsteller meint, dass die in der Presse wiedergegebenen Äußerungen einen Aufruf zur Nichtwahl der Partei beinhaltet. Dies stellt eine Fehlinterpretation der Äußerung des Antragsgegners in dem unter A) geschilderten Sinnzusammenhang dar. Wie bereits unter A) dargelegt, hat der Antragsgegner in den Gesprächen mit den Journalisten eine Situationsanalyse der Grünen vorgenommen und bestimmte Wirkungszusammenhänge dargestellt. Man mag über die Richtigkeit der vom Antragsgegner dargestellten Wirkungszusammenhänge streiten, jedoch stellt es eine Unterstellung dar, wenn der Situationsanalyse des Antragsgegners der Erklärungswert eines Aufrufes zur Nichtwahl der Grünen entnommen wird. Wie bereits unter A) beschrieben, hat der Antragsgegner lediglich seine Einschätzung dargestellt, dass die Grünen, wenn sie bei der gegebenen strukturellen Situation, in der sie sich befinden, so weiter machen, über kurz oder lang eine Episode der Parteigeschichte bleiben würden.

Nur ein „heilsamer Schock“ könne sie nach seiner Situationsanalyse vor dem endgültigen Untergang bewahren. Deswegen sei eine Wahlniederlage als „heilsamer Schock“ nicht der Anfang vom Ende, sondern der Anfang eines Neubeginns, der in einer längerfristigen Betrachtung das Überleben der politischen Ideen der Grünen sichern könnte. Es ist nicht erkennbar, dass eine solche Meinungseinschätzung mit einem Aufruf gleichzusetzen ist. Ein Aufruf stellt die Aufforderung an die Adressaten dar, ein bestimmtes Verhalten an den Tag zu legen. Die Situationsanalyse des Antragsgegners hingegen enthält schlichtweg die Feststellung von Wirkungszusammenhängen und überläßt es den Adressaten, ob er sich der Analyse anschließt und welche Konsequenzen er daraus zieht.

(bb) Unabhängig von diesen Überlegungen ist auch nicht zu erkennen, warum die vorstehend getätigten Äußerungen einen Satzungsverstoß darstellen sollen. Abgesehen davon, dass die Präambel nicht Teil der Satzung ist, sondern wie es der Wortlaut gebietet, lediglich ein Vorwort zur Satzung darstellt, ist nicht nachvollziehbar, wie der Antragsteller auf die Idee kommt, aus den Darlegungen des Antragsgegner abzuleiten, dass dieser die Beteiligung von Bündnis 90/ Die Grünen an Wahlen ablehnt. Die Äußerungen des Antragsgegners haben sich nicht gegen die Beteiligung der Grünen an Wahlen - und nur darauf bezieht sich die entsprechende Satzungsbestimmung - gewandt, sondern sie haben sich nur auf die Wirkungen von Wahlergebnissen (hier eines ungünstigen Wahlergebnis) bezogen.

(cc) Schließlich kann den Äußerungen des Antragsgegners auch kein „Verstoß gegen Satzungsbestimmungen entnommen. Selbst wenn der Antragsgegner der Auffassung wäre, die Grünen sollten sich an Landtagswahlen nicht beteiligen, hätte er lediglich eine andere Meinung zu den in der Satzung festgelegten Zielen. Da jede Satzungsbestimmung abänderbar ist, kann eine einer Satzungsbestimmung widersprechende Meinung keinen Satzungsverstoß darstellen, da es legitim ist, die Satzung im Rahmen des Parteiengesetzes zu verändern. Selbst eine Meinungsäußerung, die sich gegen den Grundkonsens der Bundessatzung wendet, könnte nicht die Grundlage eines Ausschlußverfahrens sein, weil auch der Grundkonsens mit 2/3-Mehrheit abänderbar ist. Dies setzt logisch voraus, dass jede Meinung,
die auf Satzungsänderung ausgerichtet ist, keinen „Verstoß“ gegen die Satzung darstellt. Anders ist ein Verhalten einzustufen, dass der Satzung jenseits einer Meinungsäußerung zuwiderläuft.

Wenn z. B. - wie im Bielefeld geschehen - ein Parteitagsbeschluß herbeigeführt wird, der gegen Ziffer 48 des Grundkonsenses verstößt und darauf politische Verhaltensweisen durch Parteimitglieder durchgeführt werden, dann stellt das ein Satzungsverstoß dar, der auch zu einem Parteiausschlußverfahren führen kann - es sei denn, das Parteimitglied ist Bundesaußenminister.

(b) Darüber hinaus hat der Antragsteller - wenn hier ein Satzungsverstoß unterstellt werden sollte - nicht dargelegt, worin der „schwere Schaden liegen soll, der durch die Äußerungen des Antragsgegners entstanden sein soll. Wenn der Begriff des „schweren Schadens“ nicht zur inhaltsleeren rhetorischen Floskel verkommen soll, dann ist der Antragsteller gehalten, den vom Antragsgegner verursachten Schaden konkret zu belegen. Der empirische Nachweis, dass Parteimitglieder wegen der Äußerungen aus der Partei ausgetreten sind oder Wählerinnen und Wähler die Partei deswegen bei der Landtagswahl nicht gewählt haben, dürfte nicht zu erbringen sein und ist auch sachlich unhaltbar.

Die schweren Wahlverluste, die Bündnis90/ Die Grünen in Schleswig-Holstein erlitten haben, sind ganz offensichtlich die Folge des Glaubwürdigkeitsverlustes, den der Antragsgegner gerade durch sein politisches Verhalten verhindern wollte. Es liegt auf der Hand, dass der Kosovo-Krieg und viele andere Verhaltensweisen von Bündnis 90/ Die Grünen im Rahmen von Regierungsbeteiligungen zu erheblichen Glaubwürdigkeitsverlusten geführt haben.

Das ist offensichtlich und zwischen allen Beteiligten unstreitig.

Es ist abwegig, den Verlust von Wählerinnen und Wählern, die große Austrittswelle bei den Grünen und den Motivationsverlust vieler noch verbleibender Mitglieder dem Antragsgegner zuzuordnen. Wenn der Begriff des „schweren Schadens“ eine plausible Zuordnung erfahren sollte, dann müßte gegen all diejenigen ein Ausschlußverfahren eingeleitet werden, die für die vorstehend beschriebenen Folgen verantwortlich sind. Die Verantwortung für die politische Arbeit im Landesverband Schleswig-Holstein trägt der Antragsteller und nicht der Antragsgegner. Wie aus der Anlage ersichtlich hat der Kreisverband Rendsburg/Eckernförde diesen für jede Frau und für jeden Mann einsichtigen Ursachenzusammenhang auch erkannt und deswegen die Vorgehensweise des Landesvorstandes einstimmig mißbilligt. Das Verhalten des Landesvorstandes folgt dem Motto „Haltet den Dieb“.

Der Antrag des Landesvorstandes richtet sich deswegen auch nicht gegen die Äußerungen des Antragsgegners, sondern in Wahrheit gegen die in der Vergangenheit erlebte Unabhängigkeit des Antragsgegners gegenüber Meinungsführern des Landesverbandes.

Dies findet sinnfällig Ausdruck in dem bereits zitierten Schreiben der Landessprecherin Monika Obieray, in dem dem Antragsgegner vorgeworfen wird, seine rhetorischen intellektuellen Fähigkeiten zu „mißbrauchen“. Dieser Vorwurf kann in dem hier maßgeblichen Zusammenhang nur dahin verstanden werden, dass der Antragsgegner seine „Fähigkeiten“ nicht im Sinne des Landesvorstandes und der Meinungsführer „gebraucht“. Der Antragsgegner hat in den Jahren seiner Mitgliedschaft nur in zwei Fällen gegen Anträge prominenter Meinungsführer opponiert und auch bei entsprechenden Landesausschußsitzungen für seine Argumentation Mehrheiten gefunden. Da der Antragsgegner sich ansonsten in die üblichen Kungeleien und Personalquerelen nicht hat einbinden lassen, er aber aufgrund seiner Unabhängigkeit ein ständiger Unsicherheitsfaktor war, ist er vielen (nicht allen) Meinungsführern als ein unkalkulierbares Risiko erschienen. Die
Äußerungen des Antragsgegners, die Grundlage des Antrages auf Ausschluß sind, boten demnach diesen Kräften augenscheinlich Gelegenheit, das
Problem der Unberechenbarkeit des Antragsgegners zu beseitigen.

3) Verkennung des satzungsgemäß eingeräumten Ermessens

Der Antrag des Antragstellers leidet auch unter einem weiteren Rechtsfehler.

Der Antragsteller hat offensichtlich verkannt, dass selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen für einen Parteiausschluß die Entscheidung hierüber eine Ermessensentscheidung darstellt. Es ist allgemein anerkannt, dass eine Ermessensentscheidung rechtswidrig ist, wenn der Rechtsanwender das ihm eingeräumte Ermessen verkennt. Das Protokoll der Landesvorstandsitzung vom 29.02.2000 verzeichnet keine Diskussion über den Ausschlußantrag. Damit ist davon auszugehen, dass der Antragsteller die Voraussetzungen für ein Ausschlußverfahren angenommen hat, nicht jedoch gesehen hat, dass er zu dieser Entscheidung nicht verpflichtet ist, sondern dass die Satzung durch die Verwendung des Wortes „kann“ dem Landesvorstand für seinen Antrag Ermessen einräumt. Der Landesvorstand hat es demnach bei seiner Beschlußfassung unterlassen, die im Rahmen der Ermessensausübung notwendigen Abwägungen vorzunehmen. Dies wird auch durch die
Antragsbegründung belegt, die mit keinem Wort, den Versuch unternimmt, die bei einer Ermessensausübung üblicherweise anzustellenden Erwägungen darzulegen. Der Antragsteller hätte das Gesamtverhalten des Antragsgegners während seiner gesamten Mitgliedschaft, sowie auch sein Verhalten nach Einreichung des Antrages in seine Ermessensausübung einfließen lassen müssen.

Sollte das Gericht den Antrag für zulässig halten und auch die Voraussetzungen für den Ausschluß als gegeben ansehen, so wird es die entsprechende Ermessensausübung selbst vornehmen.

Hierzu soll vorsorglich ausgeführt werden:

(a) Der Antragsgegner verkennt nicht, dass der Landesvorstand in einem politischen Kraftakt die bisherigen drei Hauptrepräsentanten der Partei nach der Landtagswahl ausgewechselt hat (Fraktionsvorsitzende, beide Minister). Damit hat der Landesvorstand die vom Antragsgegner in den beiden Gesprächinterviews angesprochene Kritik des Antragsgegners offensichtlich geteilt und genau die Konsequenzen gezogen, die der Antragsgegner in den beiden Gesprächen mit den Journalisten gefordert hat. Die nunmehr in diesen Positionen tätigen Personen sind erheblich qualifizierter und haben bei dem Antragsgegner die Bereitschaft geweckt,
wieder aktiv die politische Arbeit bei Bündnis 90/ Die Grünen aufzunehmen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die neue Justizministerin. Der Antragsgegner hat mehr als 20 Jahre in Schleswig-Holstein Justiz- und Rechtspolitik für die SPD und Bündnis 90/ Die Grünen betrieben. Er ist Bundessprecher der Neuen Richtervereinigung und Mitglied des Sprecherrates der Neuen Richtervereinigung in Schleswig-Holstein. Er kann mit seinen Kenntnissen, Erfahrungen und Verbindungen, die Grüne Landesjustizministerin stützen und beraten. Die erste persönliche Begegnung mit der neuen Justizministerin hat hierzu ausreichend Ansporn
verliehen, so dass der Antragsgegner bereit ist, der Justizministerin zu helfen, eine fortschrittliche Rechts- und Innenpolitik für Schleswig-Holstein zu gestalten.

Auch ein im Vorfeld des Ausschlußverfahrens stattgefundenen Gespräch mit den beiden Landessprechern hat bei dem Antragsteller die Bereitschaft verstärkt und das Vertrauen geschaffen, bei Bündnis 90/ Die Grünen wieder aktive Parteiarbeit leisten zu wollen.

(b) Bei der Ermessensentscheidung des Schiedsgerichts wird auch zu berücksichtigen sein, daß der Antragssteller bei der Europawahl 1999 das Verhalten des Antragsgegners nicht zum Anlaß nahm, ihn (arbeitsrechtlich gesprochen) „abzumahnen“.

Er hat, obwohl damals der Tatbestand der Aufforderung zur Nichtwahl vom Bündnis 90/Die Grünen erfüllt war, weder ein Ausschußverfahren eingeleitet noch ein selbiges für den Fall der Wiederholung angedroht. Er hat kein verfahrensrechtliches Warn- oder Stoppsignal gesetzt. Es stellt ein treuwidriges widersprüchliches Verhalten dar, wenn nunmehr Äußerungen von deutlich geringerem Gewicht zum Anlaß für ein Parteiausschlußverfahren genommen werden. Der Vorstand wäre aus Fürsorgegründen verpflichtet gewesen, den Antragsgegner schon damals mitzuteilen, daß er sein Verhalten als geeignet ansieht, ein Antrag auf Parteiausschluß zu stellen.

Das Unterlassen dieses Hinweises verwehrt dem Antragsteller nunmehr die Möglichkeit, auf die Äußerung des Antragsgegners einen Ausschlußantrag zu
gründen – selbst wenn man in ihnen – entgegen den vorstehenden Ausführungen – eine „Wiederholung“ der Äußerungen im Europawahlkampf sehen würde.


C Zum Verfahren

1) Der Antragsgegner verweist zum Verfahren auf Ziffer 3f der Landesschiedsordnung Schleswig-Holstein. Danach besteht die Möglichkeit, ohne mündliche Verhandlung, einen offenbar unzulässigen oder unbegründeten Antrag zurückzuweisen. Es wird gebeten, zu überprüfen, ob diese Voraussetzungen angesichts des Sachvortrages des Antragsgegners vorliegen und einen entsprechenden Vorbescheid zu erlassen.

2) Der Antragsgegner benennt als Beisitzerin gem. Ziffer 1) der Landesschiedsordnung die Rechtsanwältin

Frau Gunda Diercks-Elsner, Königstraße 91, 23552 Lübeck, Tel.:
0451/7988101

RAin Diercks-Elsner steht für eine Schiedsgerichtsverhandlung erst ab Anfang Juli zur Verfügung. Nach ihrem Terminkalender wäre eine Sitzung in der Zeit vom 10. - 14.07.2000 am ehesten geeignet. Sie bittet um baldmöglichste Terminabstimmung, sofern das Schiedsgericht nicht durch Vorbescheid den Antrag zurückweisen sollte.