Bericht der Abgeordneten Nach ersten Berichten und Zeitungsmeldungen über die Festnahmen
in Genua nach dem G8-Gipfeltreffen am Montag, den 23. Juli 2001 hatten
die Abgeordneten Cem Özdemir und Hans-Christian Ströbele am
Vormittag des 24. Juli eine Pressemitteilung
herausgegeben, in der die Aufklärung der Ereignisse in Genua, insbesondere
der Umstände der Festnahmen und die Einsetzung einer internationalen
unabhängigen Untersuchungskommission gefordert wurde. Bereits am Sonntag, den 22. Juli erhielt MdB Buntenbach erste Anrufe,
in denen Sorge über Verbleib und Gesundheitszustand von FreundInnen
und Angehörigen geäußert wurde, die zu den Protesten gegen
den G8-Gipfel nach Genua gereist waren. Insbesondere die Nachrichten über
die blutigen Festnahmen in der Diaz-Schule hatten Anlass zu Befürchtungen
gegeben. Trotz der Versuche des Auswärtigen Amtes, Informationen
von der Polizei aus Genua zu erhalten, wurde die Lage am Montag, den 23.
Juli eher unübersichtlicher. Gespräche in Genua Am Mittwochmittag (25. Juli) gegen 12.00 Uhr kam MdB Ströbele in Begleitung eines Journalisten und des Bruders des Gefangenen Herrn A. in Genua an. Die Mutter dieses Gefangenen hatte noch in der Nacht telefonisch den MdB Ströbele darum gebeten, ihren Sohn aufzusuchen. MdB Ströbele wurde von der deutschen Generalkonsulin Mayer-Schalburg empfangen. Noch am Flughafen trafen sie mit einer Delegation von Deutschen aus der Koordinierungsstelle für die inhaftierten DemonstrantInnen zusammen, die von Mailand angereist waren. Diese berichteten, sie seien in der Nacht zum Sonntag im Social Forum in Genua anwesend gewesen, als eine Durchsuchung durch die Polizei stattgefunden habe. Im Social Forum sei ein Presse- und Kommunikationszentrum anläßlich des G8-Treffens eingerichtet gewesen. Es sei auch versucht worden, von dort aus die Demonstrationen zu koordinieren. In der Nacht zum Sonntag, also viele Stunden nach Ende der letzten Demonstration, sei die Polizei in die Räume des Forums eingerückt. Alle Personen, die sich dort aufhielten, hätten sich auf den Boden legen müssen. Der Intervention eines Abgeordneten aus den Europäischen Parlament sei es zu verdanken gewesen, daß die Polizei die Räume lediglich durchsucht habe und nichts Schlimmeres passiert sei. Bei den Leuten von Social Forum war eine Journalistin anwesend. Sie berichtete, sie sei mit einem befreundeten Journalisten ins Polizeipräsidium in Genua gebracht worden. Im obersten Stock gleich rechts neben der Treppe seien sie in einen Raum gebracht worden, an der Tür sei ein Schild gewesen mit der Aufschrift, "Narkotraffic" oder ähnliches. Im Raum mußten sie sich an die Wand stellen. Sie seien von Polizisten bedroht worden. Sie hätten ihre JournalistInnenausweise vorgehalten. Während diese überprüft wurden, seien sie bespuckt und gedemütigt worden. Die Polizisten hätten die Fäuste an ihren Kopf gehalten und mit den Gelenken geknackt. An der Wand habe ein Pornokalender gehangen. Dieser sei beiseite geschoben worden, dahinter habe ein Bild von Mussolini gehangen und faschistische Zeichen. Als ihre Ausweise überprüft waren, seien sie freigelassen worden. Im Anschluß an die Durchsuchung des Social Forum Zentrums habe die Polizei die auf der anderen Straßenseite liegende Diaz-Schule gestürmt. Die Leute aus dem Social Forum Zentrum hätten dies beobachten können. Die Polizei habe das Gittertor auf den Vorhof zur Schule mit einem Fahrzeug eingedrückt. Dann sei eine große Anzahl von Polizisten in die Schule eingedrungen. Über der Schule kreisten zwei Hubschrauber. Vom Social Forum oder der Schule sei vorher keinerlei Gewalt ausgegangen. Die Schule habe Demonstranten zur Übernachtung gedient. Kurz nach dem Eindringen der Polizei habe man Schreie und Gebrüll
gehört. Schon bald seien Personen auf Krankentragen herausgebracht
worden. Mit der Polizei seien bereits Krankenwagen gekommen, die auf der
Straße vor der Schule standen. In diese Krankenwagen seien die Verletzten
getragen worden. Alle anderen Personen aus der Schule seien abgeführt
und mit Polizeifahrzeugen weggebracht worden. Es habe sich um mehrere
Dutzend Personen gehandelt. Die Leute vom Social Forum berichteten auch, in den letzten Tagen seien in Genua immer wieder junge Leute aus Autos heraus ohne ersichtlichen Grund verhaftet und auf Polizeistationen geschlagen worden. Die Generalkonsulin bestätigte, daß am Montag und Dienstag (23. und 24. Juli) noch junge Deutsche aus Autos heraus verhaftet worden seien und sich jetzt in Gefängnissen in Genua befinden. Die Leute vom Social Forum fühlten sich deshalb in Genua nicht mehr sicher. Sie seien nach Mailand umgezogen und versuchten von dort aus, Hilfe für die Gefangenen zu organisieren. Bisher sei es nicht möglich gewesen, zu den Gefangenen Kontakt aufzunehmen. Auch nächsten Angehörigen, Müttern, Eltern, Geschwistern würde der Besuch verweigert. Die Angehörigen hätten lediglich von den ÄrztInnen erfahren können, daß die Gefangen versorgt würden und es ihnen den Umständen entsprechend gut gehe. Die vor den Krankenzimmern postierte Polizei würde jeden Kontakt der Gefangenen mit den Angehörigen verhindern. Auch RechtsanwältInnen hätten bisher mit den Gefangen nicht sprechen können. Krankenhaus San Martino in Genua MdB Ströbele fuhr mit der Generalkonsulin zunächst ins Krankenhaus San Martino in Genua, um die dort inhaftierten schwerverletzten Frauen zu besuchen. Die Leute aus Mailand baten, mit dem Fahrzeug immer in Sichtweite zu bleiben, denn sie fürchteten, angehalten und festgenommen zu werden. Im Krankenhaus San Martino traf MdB Ströbele mit einer Krankenschwester zusammen, die in der Nacht der Einlieferung der verletzten jungen Leute anwesend war. Sie berichtete, die Verletzten hätten in vielen Sprachen geweint und gestöhnt. Es sei schrecklich gewesen. Die Verletzten seien noch im Krankenhaus von Polizisten drangsaliert und geschlagen worden. Am Sonntag, den 22. Juli hätten bei mehreren Notoperationen stattfinden müssen. Die Krankenschwester ist bereit, dem Abgeordneten ihre Telefonnummer für Nachfragen zur Verfügung zu stellen. Im Krankenhaus erschienen zwei italienische Parlamentsabgeordnete, Graziella Mascia und Vinzenzo Marco. Mit ihnen wurde Zusammenarbeit und laufende gegenseitige Unterrichtung vereinbart. Zunächst wurden MdB Ströbele und die Generalkonsulin zu den
gefangenen Kranken nicht vorgelassen. Von einem Anwalt wurde mitgeteilt,
die Gefangenen würden derzeit von einer Richterin vernommen. Diese
werde auch über die Haft entscheiden. Frau B. berichtete, es gehe ihr inzwischen relativ gut. Sie habe noch
Kopfschmerzen. In der Nacht zum Sonntag habe sie sich in der Schule aufgehalten,
um dort bis zur Abfahrt der Eisenbahn zu übernachten. Völlig
überraschend seien Polizisten in die Schule eingedrungen. Es seien
Polizisten der Einheit Digos gewesen. Sie habe die Hände gehoben
und gerufen: "Okay, Okay" und "Peace, Peace". An Gegenwehr
sei überhaupt nicht zu denken gewesen. Sie habe niemanden gesehen,
der Widerstand geleistet oder Gewalt ausgeübt habe. Die Leute hätten
versucht, aus der Halle die Treppe hoch zu flüchten. Sie habe ein
oder mehrere Schläge mit dem Knüppel auf den Kopf erhalten.
Sie habe das Bewußtsein verloren und sei erst am Montag im Krankenhaus
wieder aufgewacht. Sie habe eine schwere Gehirnerschütterung erlitten
und eine erhebliche Verletzung am Kopf. Sie fühle sich aber besser.
Die Behandlung im Krankenhaus sei ausreichend und in Ordnung. Ihr sei
keinerlei Kontakt mit Verwandten erlaubt worden. In der Vernehmung habe
sie der Richterin dieselben Angaben gemacht. Während des Gesprächs wurde die deutsche Gefangene Frau C.,
auf einem Rollbett ins Zimmer gefahren. Sie konnte zunächst nicht
sprechen. Ihre richterliche Vernehmung hatte die Richterin abgebrochen,
weil die Frau vor Schmerzen nicht mehr sprechen konnte. Sie erhielt schmerzlindernde
Spritzen. Sie konnte nach einiger Zeit sprechen. Sie erzählte, sie
sei in der Diaz-Schule von Polizisten zusammengeschlagen worden. Sie zeigte
eine handtellergroße Platzwunde am Kopf. Außerdem sei sie
von einem Polizisten mit Stiefeln in die Brust getreten worden. Blut sei
in die Lunge gelaufen. Während sie sprach, rann durch einen Schlauch
Blut aus der Lunge in ein Auffanggefäß. Sie klagt über
erhebliche Schmerzen in der Brust. Sie ist sehr schwach. Auch diese Frau
hat eine zierliche Figur. Sie berichtet, Widerstand oder Gewalt von Seiten
der Überfallenen habe es nicht gegeben. Alle hätten nur Angst
gehabt und versucht, sich zu verstecken. Nach Verlassen der Krankenstation wurde MdB Ströbele nochmals vorgelassen und hatte Gelegenheit, einen schwerverletzten jungen Mann aus England in derselben Station kurz zu sehen. Ein Gespräch wurde nicht erlaubt. Im Krankenhaus San Martino suchten die Generalkonsulin und MdB Ströbele
danach den schwerverletzten Herrn D. aus Deutschland auf. Er liegt in
einem anderen Gebäude in einem separaten Raum für frisch Operierte.
Die kleine Zelle grenzt an einen Flur, von dem durch ein breites Fenster
der ganze Raum eingesehen werden kann. Am Fenster stehen oder sitzen ständig
zwei Polizeibeamte, die stets ein Auge auf den Gefangenen im Bett haben.
Mindestens drei weitere Polizisten halten sich im Flur vor dem Zimmer
auf. Im Flur wartet die Mutter des Verletzten darauf, zu ihrem Sohn vorgelassen
zu werden. Zum Betreten des Krankenzimmers muß Krankenhausbekleidung
übergezogen werden. Die Vorbereitung dauert wieder fast eine Stunde. Krankenhaus Galleria in Genua Anschließend fahren die Besucher ins Krankenhaus Galleria. Nach
längerem Warten werden sie vorgelassen zu dem schwerverletzten Herrn
A. aus Süddeutschland. Dieser hatte am selben Tag Besuch von seinem
Bruder, der mit MdB Ströbele aus Deutschland gekommen war. Vor seiner
Tür wachen drei Polizisten. Während des Besuchs darf die Tür
nicht geschlossen werden. Als letzter Gefangener wurde am Mittwoch Herr E. im Krankenhaus Galleria besucht. Er liegt in einem Zimmer mit zwei anderen Patienten, abgeschirmt durch eine Stellwand. Am Bett sitzen zwei Polizisten. Auch er wurde in der Schule festgenommen. Er habe versucht zu flüchten. Gegenwehr oder Gewalt gegen die Polizisten habe es in der Schule nicht gegeben. Er sei am Kopf getroffen worden und zu Boden gegangen. Er erlitt eine große Platzwunde am Kopf. Er berichtet, daß er an den ersten Tagen im Krankenhaus mit Handschellen ans Bett gefesselt worden sei. Er sei auch auf dem Weg ins Krankenhaus noch geschlagen worden. Entsprechendes gaben andere bei späterer Befragung an. Gefängnis in Vercelli Danach fuhr die Delegation zu der eineinhalb Autostunden entfernten Stadt Vercelli. In dem Gefängnis dieser Stadt sind die zwei deutsche Frauen F. und G. inhaftiert. Noch unterwegs kommt die Nachricht, die Frauen und andere Gefangene seien soeben entlassen worden. Mdb Buntenbach, die inzwischen über Mailand aus Deutschland eingetroffen ist und vor dem Gefängnis wartet, bestätigt dies. Die Gruppe fährt trotzdem hin in der Hoffnung, die entlassenen Frauen noch anzutreffen und sprechen zu können. Die Nachricht von der Entlassung der beiden Frauen erreicht die Generalkonsulin und MdB Ströbele noch unterwegs nach Vercelli. Als sie dort ankamen, trafen sie die Frauen jedoch nicht mehr an. Im Gefängnis in Vercelli waren die beiden deutschen Frauen F. und G. inhaftiert. Als MdB Buntenbach dort kurz nach 17.00 Uhr ankam, war die Haftprüfung soeben erfolgt. Vor dem Gefängnis befand sich eine Gruppe von 10-15 Personen, darunter AnwältInnen, JournalistInnen, Angehörige und FreundInnen, die auf die unmittelbar bevorstehende Entlassung von Inhaftierten warteten, welche zuvor in der Diaz-Schule festgenommen worden waren. Polizeifahrzeuge standen bereit, um die Entlassenen sofort abzutransportieren. Die Polizei versuchte den Kontakt zu den Wartenden nach Möglichkeit zu unterbinden. Erst nachdem sich MdB Buntenbach als Mitglied des deutschen Bundestages ausgewiesen hatte und nach Intervention des inzwischen hinzugekommenen Gefängnisdirektors war es möglich, wenigstens für zwei Minuten mit den beiden deutschen Frauen zu sprechen, die bereits in einem Polizeifahrzeug saßen. Sie sagten, sie seien soweit in Ordnung. Sichtbare Verletzung war ein
abgerissenes Nasen-Piercing, das sich inzwischen entzündet hatte.
Die beiden Frauen teilten mit, sie würden gegen ihren Willen per
Flug nach Hamburg abgeschoben. Eine der Frauen wollte zu Freunden, die
sich noch in Mailand aufhielten, die andere wollte zwar nach Deutschland
ausreisen, jedoch nicht nach Hamburg, sondern nach Süddeutschland.
Es gelang MdB Buntenbach nicht, den Abtransport durch die Polizei zum
Mailänder Flughafen aufzuhalten. Bei dem Versuch, die rechtliche
Grundlage für diese Abschiebung herauszufinden, teilte eine Anwältin
aus Vercelli mit, daß alle Freigelassenen, die nicht die italienische
Staatsbürgerschaft besaßen, nach ihrer Freilassung durch den
Haftrichter über die Grenze verbracht würden. Die Anwältin
berichtete von dem Fall einer Person mit doppelter Staatsbürgerschaft,
eine davon die italienische, die ebenfalls außer Landes gebracht
wurde, obwohl sie von den Eltern vor dem Gefängnis abgeholt werden
sollte. Die rechtliche Grundlage, auf die sich diese "Ausweisungen"
bezogen, konnte erst im Verlauf des Donnerstag mit Hilfe des Generalkonsulats
geklärt werden. Es handelt sich um ein Dekret aus dem Jahr 1965,
aktualisiert durch das Schengen-Durchführungsabkommen, wonach das
"alontoneamento" (die Entfernung) rechtmäßig ist,
wenn eine besondere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit besteht.
Wie die MdBs Buntenbach und Ströbele am Donnerstag beim Polizeipräsidenten
erfuhren, wurde die Maßnahme direkt vom Innenministerium angeordnet
und vom Präfekten von Genua umgesetzt. Vermutlich sollte mit dieser
Maßnahme verhindert werden, daß die Inhaftierten vor Ort für
Berichte und Interviews zur Verfügung stehen. Im Laufe des Abends und in der Nacht zum 26. Juli wird von den Leuten des Koordinierungsausschusses in Mailand und dem deutschen Generalkonsulat berichtet, sämtliche Frauen aus dem Gefängnis in Voghera und die männlichen Gefangenen des Gefängnisses in Pavia, die in der Schule in der Nacht zum Sonntag, den 22. Juli festgenommen worden waren, seien freigelassen worden. Auch die im Krankenhaus Besuchten seien frei. Die RichterInnen hätten keinen Grund für die Inhaftierung feststellen können. Die Polizei sei abgezogen. Aus Gesundheitsgründen müßten die verletzten Personen aber weiter im Krankenhaus bleiben. Auch MdB Ströbele wird in der Nacht in stündlichen Anrufen davon unterrichtet, daß die Freigelassenen in einen Bus verbracht und unter Polizeibegleitung nach Deutschland abgeschoben wurden. Gespräch mit dem Questor von Genua Am Mittwochnachmittag (25. Juli) war es der Generalkonsulin über
Handy aus dem Auto heraus gelungen, ein Treffen mit dem Questor (Polizeipräsidenten)
von Genua für den nächsten Morgen zu vereinbaren. Gefängnis in Pavia Nach dem Gespräch mit dem Questor fahren die Abgeordneten mit der Generalkonsulin ins eineinhalb Autostunden entfernte Gefängnis in Pavia. Dort befinden sich nach den Haftentlassungen vom Vortag noch vier junge deutsche Gefangene. Die Abgeordneten treffen den Beamten des Konsulats, der am Vortage fünf Stunden vor dem Gefängnis gewartet hatte, um die deutschen Gefangenen zu sprechen, aber nicht vorgelassen wurde. Es gelingt nur mühsam, die beiden Direktorinnen des Gefängnisses zu überzeugen, daß die Abgeordneten Zutritt erhalten sollen. Nur nach längerem Warten und Rücksprache mit dem Generalstaatsanwalt wird MdB Buntenbach auch zugelassen. Der Gefangene Herr H. berichtet, er sei mit Herrn I. und Herrn J. seit einer Woche auf Campingtour gewesen. Sie seien zur Demonstration nach Genua gekommen. Am Sonntagmittag gegen 12.30 Uhr hätten sie sich auf dem Weg aus der Stadt verfahren. An einer Autobahnabfahrt seien sie von der Polizei angehalten und das Fahrzeug durchsucht worden. Man habe eine umwickelte Eisenstange, Messer und Gesichtsmasken im Fahrzeug gefunden. Sie seien zur Polizeistation begleitet worden, ein Polizeiauto hinter ihrem Wagen und eines davor, mit der Drohung: "Wenn Sie abhauen wollen, schießen wir." In der Polizeistation seien sie mit Knüppeln ohne erkennbaren Anlaß verprügelt worden. Er wies auf Schlagspuren in seinem Gesicht hin. Die Polizei habe sie aufgefordert, ein Schriftstück in italienischer Sprache zu unterschreiben. Sie hätten sich geweigert, weil sie Italienisch nicht lesen können. Man habe sie mit dem Knüppel bedroht und geschlagen, bis sie unterschrieben haben. Man habe ihnen dann mit dem Messer die langen Haare abgeschnitten und alle Papiere weggenommen. Danach wurden sie ins Gefängnis nach Pavia gebracht. Sie seien dort isoliert untergebracht. Bisher hätten sie nicht einmal zum Hofgang gedurft. Sie hätten keinen Kontakt zu ihren Angehörigen oder dem deutschen Konsulat aufnehmen dürfen. Telefonieren durften sie nicht mit der Begründung, sie hätten kein Geld in italienischer Währung. Am Vortag (25. Juli) seien sie einer Richterin vorgeführt worden.
Sie seien vernommen worden. Ein Anwalt sei anwesend gewesen, mit dem sie
sich aber nicht hätten verständigen können. Dieser habe
kein Wort deutsch verstanden. Bei der Richterin habe er auch nichts gesagt.
Es sei bei der Vernehmung zwar ein Dolmetscher anwesend gewesen, doch
der habe nur schlecht deutsch gesprochen. Sie hätten auch den Eindruck
gehabt, er habe nicht alles übersetzt, was sie gesagt haben. Der Gefangene Herr I. war zugegen, als mit Herrn H. gesprochen wurde. Er bestätigte dessen Darstellung und ergänzte, im Fahrzeug sei auch ein Stadtplan von Genua sichergestellt worden, auf dem die rote Zone während des G8-Treffens eingezeichnet war. Diese sei von Social Forum zur Orientierung ausgegeben worden. Insbesondere den Plan habe man ihnen zu Last gelegt. Er wies auch auf Schlagspuren unter seiner Kleidung hin. Er erwähnte, sie müßten Hemden der Anstalt tragen und hätten nicht einmal eine Zahnbürste, weil ihnen alles abgenommen worden sei. Die Abgeordneten sind die ersten BesucherInnen seit der Festnahme am Sonntag (22. Juli) und der erste Kontakt nach draußen. Danach werden die Gefangenen Herr J. und Herr K. aus Süddeutschland
gebracht. Während dieses Besuchs erschien ein Abgeordneter des italienischen Parlaments von der grünen Partei. Man verabredete sich für später. Ein Anruf bei der Freundin von Herrn K. am Freitag, den 27. Juli ergibt, daß sie tatsächlich im Gefängnis in Voghera war, bis sie am Mittwochabend freigelassen wurde. Sie gibt an, nach ihrer Festnahme in der Schule sei sie mit anderen festgenommenen Frauen in eine Polizeistation nahe Genua gebracht worden. Dort mußten die Frauen die ganze Nacht mit erhobenen Händen an der Wand stehen. Die Räume seien leer gewesen. Blutspritzer waren auf dem Boden und an den Wänden. Die Polizisten hätten sie gezwungen, breitbeinig und mit erhobenen Händen an der Wand stehenzubleiben. Sie seien beleidigt und bespuckt worden. Mit Knüppeln seien ihre Beine gespreizt und auseinandergehalten worden. Das Fahrzeug gehöre ihr. Die darin gefunden Rucksäcke gehörten weder ihr noch ihrem Freund K., sondern zwei Personen, die sie in ihrem Fahrzeug mitgenommen hätten. Ortstermin an der Diaz-Schule Vor dem Abflug von MdB Ströbele nach Deutschland besichtigten die
Abgeordneten und die Generalkonsulin noch den Ort des Geschehens von Sonntagnacht. Gefängnis Ponte decimo in Genua In Genua gibt es zwei Gefängnisse, in denen Deutsche inhaftiert
sind: Ponte Decimo, wo acht Frauen und drei Männer einsitzen und
Marassi, wo weitere sechs Männer gefangengehalten werden. Letzteres
konnten die MdBs Buntenbach und Ströbele aus Zeitgründen nicht
mehr aufsuchen. Als MdB Buntenbach gemeinsam mit einem Beamten des Generalkonsulats
gegen 16.30 Uhr in Ponte Decimo eintraf, wurde gerade der Haftprüfungstermin
für die acht Frauen durchgeführt. Sieben (L., M., N., O., P.,
Q., und R.) waren am Montag gemeinsam mit drei Männern verhaftet
worden, die in derzeit in Marassi einsitzen, als sie mit zwei Wohnmobilen
auf dem Weg aus Italien heraus waren. Die achte, Frau S., wurde zwar wegen
ähnlicher Vorwürfe inhaftiert, wurde aber an anderer Stelle
festgenommen. Schlußfolgerungen
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