Netzwerk-Initiative für eine andere Politik


Erklärung des TrägerInnenkreises der Konferenz
Politik braucht Einmischung am 22./23. September 2000

Politik braucht Einmischung!

Aus der Sicht derjenigen, die sich vor der Bundestagswahl 1998 für eine andere, soziale und zukunftsfähige, friedliche und humane Politik eingesetzt haben, fällt die Zwischenbilanz der rot-grünen Bundesregierung nach zwei Jahren düster aus.

Nach ersten positiven Ansätzen blieben angekündigte Reformen wie die Ökosteuer oder ein neues Staatsbürgerschaftsrecht in Ansätzen stecken oder wurden ganz aufgegeben, wie die Vermögenssteuer oder die Umlagefinanzierung der beruflichen Bildung. Statt neuer Friedenspolitik beteiligte sich die rot-grüne Bundesregierung an dem völkerrechtswidrigen Krieg der NATO gegen Jugoslawien und plant den Umbau der Bundeswehr zu einer kriegführungsfähigen Interventionsarmee.

Der "Atomaustieg" ist eher eine Garantieerklärung für den ungestörten Weiterbetrieb der bestehen den Kraftwerke. Statt aktiver Beschäftigungspolitik und sozialer Gerechtigkeit steht mittlerweile eine rücksichtslose Sparpolitik zu Lasten sozialer Leistungen im Mittelpunkt und die Umverteilung von unten nach oben wird durch umfangreiche Steuersenkungen für Unternehmen und Großverdiener fortgesetzt.
Die geplante Senkung des Rentenniveaus und der Einstieg in die Privatisierung der Alterssicherung sind sozialpolitisch unvertretbar.

Die staatliche Diskriminierungs- und Ausgrenzungspolitik gegenüber Flüchtlingen und Minderheiten verletzt nicht nur die Menschenrechte und die Würde der Betroffenen, sie ist auch Nährboden für Fremdenfeindlichkeit und rechtsextreme Gewalt. Deshalb brauchen wir ein starkes gesellschaftliches Bündnis, das die strukturellen Ursachen des Rassismus bekämpft und den Schutz der Menschenwürde in den Mittelpunkt seines Handelns stellt.

Im internationalen Rahmen betreibt die Bundesregierung statt politischer Gestaltung der Globalisierung die weitere Liberalisierung und die Stärkung der internationalen Konzerne und Finanzmarktakteure. Dadurch wird die Ungleichheit zwischen den Industrieländern und den Entwicklungsländern sowie dieser Länder untereinander weiter vertieft.

Soziale und ökologische Ziele sind in den Hintergrund getreten, angebliche Sachzwänge regieren.
Der Druck der wirtschaftlich und gesellschaftlich Mächtigen und der von ihnen geprägten veröffentlichten Meinung hat sich durchgesetzt. Ihre Mehrheitsfähigkeit versucht die rot-grüne Koalition durch Abgabenentlastungen für die ,,neue Mitte" zu sichern. Dahinter steht die Erwartung, dass die sozial Benachteiligten sich nicht wehren werden und dass die Reformkräfte entmutigt und ohne politische Alternative resignieren werden.

Bisher scheint die Rechnung aufzugehen. Wir wollen und werden dafür sorgen, dass es dabei nicht bleibt. Als wir 1998 ,,Kohl muss weg!" forderten, wollten wir nicht nur eine andere Regierung, wir wollten und wollen eine andere Politik. Wir müssen zeigen, dass wir uns diese Politik nicht gefallen lassen.
Wir haben Alternativen. Wir müssen uns die Politik zurückholen, müssen selbst aktiv werden, uns einmischen und Druck machen. Einen Politikwechsel, wie wir ihn uns vorstellen und fordern, wird es nur mit einer starken ausserparlamentarischen Bewegung geben.

Wir fordern von Bundestag und Bundesregierung

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Eine Politik neuer Vollbeschäftigung durch Umverteilung der Arbeit, auch zwischen Männern und Frauen, und die soziale Absicherung aller Formen der Erwerbsarbeit und der Unterbrechung der Erwerbsarbeit durch Arbeitslosigkeit, für Weiterbildung oder Kindererziehung
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Ein Zukunftsinvestitionsprogramm für Arbeit und ökologischen Umbau, den Ausbau öffentlich geförderter gemeinwohlorientierter Beschäftigung und Ausbildung für alle durch eine Umlagefinanzierung der beruflichen Bildung. Ein Schwerpunkt müssen hier verstärkte Anstrengungen zum wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auf- und Umbau Ostdeutschlands sein
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Die zügige Stilllegung der Atomanlagen und die massive Förderung von Energieeinsparung und Umstieg auf eine Energieversorgung auf Basis regenerativer Energiequellen, eine Verkehrswende zu einer nachhaltigen, umweltverträglichen Mobilität durch Verkehrsvermeidung und Förderung des öffentlichen Nah- und Bahnverkehrs, aktive Politik für einen ökologisch-solidarischen Umbau der gesamten Wirtschafts- und Lebensweise
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Ausbau und Stärkung der sozialen Sicherungssysteme durch Einbeziehung aller Erwerbstätigen und Einkommen; und die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe der Unternehmen, eigenständige soziale Sicherung von Frauen, Rücknahme verschärfter Zumutbarkeitsregelungen und Leistungskürzungen gegen Arbeitslose und Sozialhilfeempfängerlnnen
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Umverteilung der Einkommen und Vermögen durch progressive Besteuerung aller Einkommen, Wiedererhebung der Vermögenssteuer und höhere Besteuerung großer Erbschaften, massive Erhöhung des Kindergeldes und Abbau des Ehegattensplittings, Einführung von existenzsichernden Mindestlöhnen und einer bedarfsorientierten Grundsicherung
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Aktiven Einsatz für eine europäische Grundrechtscharta, in der soziale und demokratische Mindeststandards verbindlich festgeschrieben und in die EU-Verträge integriert werden
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Aktiven Einsatz für die Begrenzung der Macht internationaler Konzerne, für eine demokratische Regulierung von Direktinvestitionen und der Finanzmärkte und für eine Demokratisierung internationaler Organisationen
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Mehr Demokratie durch Volksinitiativen, -begehren und entscheide, die Stärkung der Mitbestimmung der Arbeitenden und ihrer Gewerkschaften in Betrieben, Unternehmen und Regionen, und die Demokratisierung von Schulen, Hochschulen und Forschung
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Aktiven Einsatz für eine weltoffene Demokratie, in der die Menschen- und Grundrechte für alle hier lebenden Bürgerinnen und Bürger, d.h. auch für MigrantInnen und Flüchtlinge, gelten und gestärkt werden. Dafür ist die Rückkehr zu den internationalen Standards des Flüchtlingsrechts eine Voraussetzung
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Aktiven Einsatz für internationale Abrüstung und gegen neue Rüstungsrunden, etwa im Weltraum, statt Auf- und Umrüstung der Bundeswehr, massive Senkung der Rüstungsausgaben! Abschaffung der Wehrpflicht. Schwerpunktsetzung auf die rechtzeitige Verhinderung kriegerischer Gewalt, dazu Einrichtung eines Ministeriums für Kriegsprävention.

 

Wir rufen alle Menschen, Initiativen und Organisationen, die sich für sozialen und demokratischen Fortschritt, für Frieden und den Erhalt der Natur einsetzen auf: Lasst uns aktiv werden und unsere Kräfte bündeln, um gemeinsam für eine andere, zukunftsfähige Politik zu kämpfen. Wir fordern insbesondere die Gewerkschaften, die Kirchen und die Sozialverbände auf, Ihren Druck in diesem Sinne zu verstärken. Wir werden da, wo wir tätig sind, in diesem Sinne wirken und Kräfte sammeln. Wir werden uns weiter verständigen und vernetzen, unsere Forderungen und Argumente in die Öffentlichkeit tragen und Aktionen durchführen.

 

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