FOCUS, Nr. 43, 18.10.99

NRW

Gruener Dressurakt

Ueber die Landesliste domistiziert die Spitze der Oekopartei
ihren linken Fluegel

In Briefen an die Fraktionskollegen bezeichnet Daniel Kreutz Ministerpraesident Wolfgang Clement schon mal gern als "WC". Auch sieben Monate vor der Landtagswahl haelt der Linksaussen der Duesseldorfer Gruenen mit seiner tiefen Verachtung fur den SPD-Regierungschef nicht hinterm Berg. "Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen", kanzelte der Gruene vor zwei Wochen den Sozialdemokraten ab. Dabei hatte Clement nichts anderes getan, als Oskar Lafontaine wegen dessen Kritik an Schroeder & Co. Anktionen anzudrohen. Eine SPD-interne Debatte. Diese Art des Konfrontationskurses will die Gruenenfuehrung nun beenden. Linke und Fundis werden ausgegrenzt.

Verlorener Machtkampf. Daniel Kreutz steht bei den Gruenen in NRW auf dem Abstellgleis. Die Linken im frueher stramm fundamentalistischen Landesverband, die sich als Fundis mit dem Regierungskurs arrangiert haben, fuehren ihr letztes Gefecht. Selbst die streitbare Umweltministerin Baerbel Hoehn schwenkte inzwischen auf einen regierungs- und koalitionsfreundlichen Kurs ein. Wie der Realo und gruene Bauminister Michael Vesper weiss auch Baerbel Hoehn, dass eine Fortsetzung des rot-gruenen Buendnisses im Mai naechsten Jahres nur mit gemaessigtem gruenen Personal moeglich ist. "Sonst macht der Clement das nicht", glaubt die gruene Chefetage.

Vesper beschreibt angesichts schwerer Wahlniederlagen der Alternativen ein reales Krisenszenario: "Alle haben kapiert, das es bei der NRW-Wahl um hopp oder topp fuer die Gruenen geht".

In internen Runden wird immer oefter offen von der "Existenzfrage" gesprochen. Das gruene Konzept lautet deshalb nach viereinhalb Jahren rot-gruener Regierung an Rhein und Ruhr: Nach aussen "inhaltliche und personelle Geschlossenheit" dokumentieren.

Die drei Parteifluegel – Realos, Fundis und Regierungslinke – verstaendigten sich inzwischen sogar intern auf eine abgestimmte Personalliste fuer die Landtagswahl. Von Spitzenleuten (Hoehn, Vesper) bis hin zu Platz 14 sind auf dem Landesparteitag in vier Wochen die Kandidatenplaetze "gesetzt". Es fehlt freilich der Name Daniel Kreutz. Auch der zum linken Fluegel gehoerende Fraktionschef Roland Appel, der gern Polizeichef in Bonn oder Koeln geworden waere, hat noch keinen sicheren Platz. Seinen Job als Chef in der neuen Fraktion soll ohnehin Parteichef Reiner Priggen – ein Realo – uebernehmen.

Sein weibliches und linkes Pendant, Barbara Steffens, scheint vom neuen gruenen SPD-Schmusekurs noch nicht viel gehoert zu haben. In der vergangenen Woche bezeichnete sie Wolfgang Clement als jemanden, der wie der Transrapid endgueltig auf dem "Abstellgleis" stehe. Ein Vokabular, das nur noch ganz wenige Gruene in NRW verwenden.

Karl-Heinz Steinkuehler

Fotos und Texte

Garzweiler II: loeste bei den Gruenen eine Zerreissprobe aus. Den Streit gewannen die Realos

Fundis kaltgestellt: Die gruenen NRW-Minister Baerbel Hoehn (Umwelt) und Michael Vesper (Bauen) haben ueber die Wahlliste zur Landtagswahl den fundamentalistischen Fluegel der Partei kaltgestellt. Sie unterstuetzen so den bundespolitischen Kurs.

Zufrieden: Wolfgang Clement (SPD) muss auf die Staerke der Gruenen bauen. Mit deren Personalentscheidungen kann er gut leben.