Für eine soziale, ökologische und emanziptorische Zivilisation

Programmatische Erklärung von grünen Linken in NRW

Seit der Europawahl sind alle Wahlen in Deutschland zu Plebisziten gegen die rot-grüne Bundesregierung geraten. Große Teile der rot-grünen Stammwählerschaft protestieren durch Wahlabstinenz vor allem dagegen, dass an die Stelle des erhofften Politikwechsels für soziale Gerechtigkeit die Fortsetzung jener Politik getreten ist, die den Schwachen nimmt und den Starken gibt, aber auch gegen die Hinwendung zu einer militärischen Außenpolitik und den Ausfall eines ökologischen Politikwechsels.

Während sich in Ostdeutschland die PDS des von Rot-Grün verlassenen Terrains der sozialen Gerechtigkeit bemächtigen kann, verwaist es im Westen. Während der sozialen Gerechtigkeit die bisher schon unzureichende parlamentarische Vertretung abhanden kommt, lässt die steigende Zahl der Nichtwählerinnen die Ergebnisse von Wahlen zu Minderheitenvoten werden. Als Gipfel des Absurden kann sich die CDU nach 16 Jahren Kohl plötzlich demagogisch als "sozialere" Alternative zu Rot-Grün gerieren. Die parlamentarische Demokratie erfährt einen neuen Erosions-Schub. Dass neofaschistische Strömungen von diesem Szenario bisher nicht stärker profitieren konnten, kann sich ändern.

Die politische Linke identifiziert sich von jeher über das Ziel sozialer Gerechtigkeit, der Parteinahme für die wirtschaftlich Schwachen im gesellschaftlichen Verteilungs- und Gestaltungskampf gegenüber den Starken. Dies gilt für die ökologische und feministische "neue" Linke nicht minder als für die "alte". Während heute eine starke politische Linke in Deutschland dringend nötig wäre, befindet sich die real existierende Linke in einer desolaten Verfassung. Dies gilt auch für die grüne Linke in NRW. Ein Teil der grünen Linken ist im Zuge der gewollten "Häutung" durch den Bielefelder Parteitag zum NATO-Krieg im Kosovo gegangen. Das Scheitern des ersten Versuchs der Formierung eines linken Potitiknetzwerks in Dortmund liess die Frage der weiteren Perspektiven ungeklärt. Von den verbliebenen linksgrünen AktivistInnen haben sich manche in ihren Kreis- oder Ortsverband zurückgezogen, viele scheuen den Schritt über die lokale Ebene hinaus oder halten Unauffälligkeit für taktisches Geschick. Eine kollektive Verarbeitung gesellschaftlicher Entwicklungen und politischer Erfahrungen hat auch in der grünen Linken bisher kaum stattgefunden.

Nachdem grüne Führungspersonen in Land und Bund sich immer unverhohlener ins Lager der neoliberalen "Modernisierung" stellen und andere darin kein ernstes Problem sehen wollen, ist zu erwarten, dass nunmehr auch entsprechende programmatische Veränderungen folgen sollen.

Wenn Linke in den NRW-GRÜNEN es vermeiden wollen, in einer Neo-F.D.P. zu resignieren oder in die Rolle linker Alibifiguren zu geraten, führt am Versuch einer programmatischen und politischen Neuformierung der grünen Linken auf Landes- wie Bundesebene kein Weg mehr vorbei.

Dieser Text soll einen Beitrag zur Vergewisserung über grundsätzliche programmatische Orientierungen der grünen Linken in NRW leisten, ohne schon "Programm" sein zu können. Er beschränkt sich auf Fragen, die uns in der gegenwärtigen Lage und im Hinblick auf den grünen Richtungsstreit in NRW wie im Bund besonders bedeutsam erscheinen. Er markiert Positionen, die für uns Leitlinien in der Debatte um das Landtagswahlprogramm 2000 sind.

NRW im Umbruch

Die Bildung der rot-grünen Koalition in NRW 1995 wurde auch dadurch ermöglicht, dass die GRÜNEN nach fünf Jahren klar "links" konturierter Oppositionsarbeit ihren Stimmenanteil von fünf auf 10 Prozent verdoppeln konnten. Doch es war keine "sozial-ökologische Reformkoalition", die 1995 die Ära der sozialdemokratischen Alleinregierungen in NRW ablöste. Für die NRW-SPD war Rot-Grün trotz der weitaus höheren programmatischen Kongruenzen mit der CDU schlicht die "kostengünstigere" Option für den eigenen Machterhalt. Wir GRÜNEN stimmten zu in der Hoffnung, der Wechsel zu Rot-Grün werde die in Jahrzehnten absoluter SPD-Mehrheit erstarrten und verkrusteten Verhältnisse im Lande in sozial-ökologischer und emanzipatorischer Richtung in Bewegung bringen und den Reformkräften neuen Auftrieb verleihen.

Diese Hoffnung hat sich unter'm Strich als trügerisch erwiesen. Mit einer Strategie machtpolitischer Erpressung gelang es der SPD während der von Johannes Rau geführten rot-grünen Regierung, die GRÜNEN zum Verzicht insbesondere auf solche Reformansprüche zu nötigen, die den Interessen der kapitalistischen Wirtschaft entgegenstanden (Luftverkehrsbeschränkungen, Umlagefinanzierung der Berufsausbildung, strukturelle Haushaltsumschichtungen zugunsten sozialer und ökologischer Erfordernisse, Öko-Abgaben). Nachdem die GRÜNEN die "einseitig durchgepeitschte Genehmigung eines in Teilen rechtswidrigen Rahmenbetriebsplans" (Bärbel Höhn) für Garzweiler II und damit ihre Kapitulation selbst in der wichtigsten Frage grüner Landespolitik akzeptiert hatten, war der Prozess der Domestizierung der Landespartei zur bloßen Mehrheitsbeschafferin für sozialdemokratische Politik abgeschlossen.

Ökonomisierung der Politik

Die unter Wolfgang Clement neufomierte rot-grüne Landesregierung startete bereits auf einer programmatischen Grundlage, die unverkennbar die Handschrift des neoliberalen Politikentwurfs Bodo Hombachs ("Neue Mitte") trug. Spätestens jetzt wurde offenbar, dass das Bild der NRW-SPD als "konservativer" Hüterin "erstarrter" Verhältnisse der Realität nicht mehr entsprach. Unter Clement entwickelt die Landesregierung vielmehr eine "Reform"-Dynamik, deren wesentliche inhaltliche Orientierungen der "Reformpolitik" der Kohl'schen "Koalition von Kapital und Kabinett" gleichen. Es spricht Bände, dass sowohl die CDU-Opposition wie auch die ausserparlamentarische FDP die erklärten Ziele der Clement-Regierung positiv benotet und sich ihre Kritik allzuoft in Zweifeln an der Durchsetzungsfähigkeit erschöpft.

Nach Auffassung der Landesregierung soll der Staat Dienstleister für die Wirtschaft sein, sie im "globalen Wettbewerb" unterstützen und fördern, so durch Rücknahme "hemmender" Regulierungen (Sonntagsarbeit, Ladenschluss), Förderung von Outsourcing-Strategien (Call-Center-Offensive) und weitere Umverteilung zu ihren Gunsten (Senkung von Unternehmenssteuern). "Der Unternehmer" wird zum neuen gesellschaftlichen Leitbild erhoben. Nach dem Vorbild unternehmerischen Effizienzdenkens soll sich der Staat "verschlanken": Kostensenkung durch Abbau von Arbeits- und Ausbildungsplätzen sowie Qualitäts-Standards, Outsourcing an Private, Privatisierung, etc. Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesen werden zunehmend umgebaut nach dem Vorbild kapitalistischer Wettbewerbsmärkte.

Die dramatisch unterfinanzierten Schulen und Hochschulen sollen ihren Mangel "autonom" im Wettbewerb gegeneinander verwalten, zugleich aber den Anforderungen der Wirtschaft besser entsprechen. Während die Arbeitsmarktpolitik künftig Dienstleistung für Arbeitgeber sein soll, wird gegenüber Erwerbslosen die Repressionsschraube angezogen ("Fördern und Fordern").

Der Rückzug des Staates zugunsten des Marktes bedeutet zugleich einen Verlust demokratischer politischer Gestaltungsfähigkeit, an Partizipation und Transparenz. Entpolitisierung der Ökonomie und Ökonomisierung der Politik markieren einen Kurs, der auch vor der Schleifung wesentlicher Errungenschaften der früheren "sozialdemokratischen Reformära" nicht Halt macht.

Vielfach scheinen die beschriebenen Entwicklungen erzwungen von Diktat der knappen Kassen. Tatsächlich steht die Finanzausstattung des Landes in keinem Verhältnis zu den Herausforderungen, die sich aus der sozialen und ökologischen Krise ergeben. Das hinderte die Landesregierung indes nicht, sich gegenüber dem Bund öffentlich mit Forderungen nach radikalerer Senkung von Unternehmenssteuern und -abgaben, gegen die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und jede "wettbewerbsschädliche" Belastung der Arbeitgeber und der wirtschaftlich Starken zu profilieren - teils im offenen Schulterschluss mit Stoiber und Biedenkopf.

Im Konsens mit dem Kapital

Im Unterschied zu den Liberalkonservativen sieht das Clement/Schröder'sche Politikkonzept vor, wesentliche Weichenstellungen des neoliberalen Gesellschaftsumbaus strategisch über die Einbindung von Gewerkschaften und Sozialverbänden in eine "Konsenspolitik" mit den Arbeitgeberorganisationen umzusetzen statt mit Hilfe offener Konfrontation. Der "Neokorporatismus der Starken", modellhaft für Schröder erprobt im fatalen "Ausbildungskonsens NRW", führt in wesentlichen Feldern der Wirtschafts- und Arbeitspolitik dazu, dass bedeutsame landespolitische Entscheidungen immer öfter nicht von demokratisch legitimierter Politik (Parlament und Regierung) getroffen werden, sondern in demokratisch nicht legitimierten, geschlossenen Konsensrunden, in denen sich die Regierung auf die Rolle des Moderators und Impulsgebers zurücknimmt. In dem Maße, wie sich Politik in neokorporatistische Konsensrunden verlagert, deren "Erfolg" zudem von der Zustimmung der Arbeitgeberorganisationen abhängt, verliert die Demokratie zugunsten einer neuen "Herrschaft des Kapitals" weiter an Bedeutung.

Gegenüber den Interessenvertretungen der wirtschaftlich Schwachen ist die Konsenspolitik indes brüchig. Wo gewerkschaftliche oder soziale Belange dem neoliberalen Umbau von Staat und Gesellschaft entgegenstehen, wird rigoros von oben nach unten regiert. Das vormals bedeutende Gewicht der Gewerkschaften und der Verbände der freien Wohlfahrtspflege in der sozialdemokratischen Landespolitik ist in rapidem Verfall begriffen. Ein besonders ausgeprägtes Beispiel ist die Verwaltungreform, die seitens der Landesregierung gänzlich ohne soziale und beschäftigungspolitische Qualitätssicherung verangetrieben wurde/ obwohl die Regierungspläne wichtige Bereiche des Sozial-, Gesundheits- und Bildungsesens sowie zehntausende Beschäftigte betrafen. Nur dem aktiven Widerstand Betroffener und ihrer Interessenvertretungen ist es zu danken, dass zahlreiche der zunächst drohenden Schäden abgewendet werden konnten.

Ausgrenzung statt Solidarität

Die politische Hinwendung zu den "Leistungsträgern" wird begleitet von verstärkter Ausgrenzung und Pressionen gegenüber denen, die nur als "Kostenfaktor" erscheinen. Für Erwerbslose mit besonderen Problemen sinken die Chancen auf wirksame Hilfe in dem Maße, wie Arbeitsmarktpolitik in NRW verstärkt auf den Bedarf von Einzelarbeitgebern ausgerichtet wird ("Vermittlungsorientierung", Creaming). Solidarität sei keine Einbahnstraße, verkündet die Landesregierung und ermuntert die Arbeits- und Sozialämter, die unter Bundesregierung von CDU/CSU und F.D.P. geschaffenen Möglichkeiten, "Unwilligen" die Leistungen zu kürzen oder zu streichen, auch zu nutzen.

NRW folgt weiterhin dem Mainstream der repressiven deutschen Flüchtlingspolitik und nimmt dabei punktuell gar eine Vorreiterrolle ein. Die Verminderung von Abschiebeknästen ging einher mit vermehrten Abschiebungen. Währerd NRW bei der "Altfallregelung" zu den Bremsern zählt, müssen sich humanitäre Ansprüche auf Einzelfall-Hilfe zurückziehen.

GRÜNE Mitverantwortung

Ausserhalb des Zuständigkeitsbereichs der beiden grün-geführten Ministerien ist der eigenständige Einfluss des grünen Koalitionspartners auf die Richtung der Landespolitik gegen Null gesunken. Von neuen Plänen und Maßnahmen der "eigenen" Regierung erfahren "zuständige" Abgeordnete immer öfter aus den Medien oder der betroffenen Fachöffentlichkeit. Auf den Versuch der Behauptung eigenständiger Positionen oder die Formulierung von Gegenentwürfen zu Clements kapitalistischer "Modernisierung" wird nicht nur ganz überwiegend verzichtet; vielmehr hat sich die Spitze der Parteirechten ("Realos") selbst in der Neuen Mitte positioniert. Ihr zum Godesberger Strategiekongress des Landesverbands am 30.01.99 vorgelegtes Grundsatzpapier "Nachhaltige Innovationen für Nordrhein-Westfalen", das die Grundlinien der Regierungserklärung Clements vom Juni 1998 aufnimmt, lässt daran - über die einschlägigen Erklärungen des Bauministers hinaus - keinen Zweifel.

Die "Regierungslinke" um die Umweltministerin reagiert darauf mit Dokumenten der Ratlosigkeit und ritueller Beschwörung der "Geschlossenheit" mit der neoliberalen Rechten.

Im Bereich von Umwelt- und Bauministerium kann fraglos auf grüne Erfolge, die in Teilbereichen zu realen Fortschritten führten, sowie teils auf fruchtbare Kooperationsprozesse mit einzelnen Basisinitiativen verwiesen werden. Auch für andere Politikfelder, v.a. die Frauenpolitik, sind Fortschritte zu vermelden - etwa bei der förderpolitischen Absicherung oder dem Ausbau vormals ungesicherter Einrichtungen und Angebote sowie bei einzelnen neu durchgesetzten und bisher vor dem Rotstift geretteten Programmen. In ihrer Gesamtheit sind die Erfolge jedoch weit davon entfernt, den klar dominierenden neo-liberalen Kurs kompensieren zu können. Sie bilden lediglich den Preis, den die SPD ihren grünen Mehrheitsbeschafferinnen zu zahlen bereit war.

NRW war in der Tat ein "Modell für den Bund" - allerdings auf gänzlich andere Weise, als dies nach 1995 zunächst verstanden wurde. In NRW wurde unter besonders schwierigen Bedingungen (Rechtsaußen-SPD, Linksaußen-GRÜNE) erfolgreich erprobt, dass Rot-Grün eine funktionsfähige machtpolitische Option zur Umsetzung des Kurses der Neuen Mitte und der Konsenspolitik mit der Wirtschaft darstellt, weil die Domestizierung "unkalkulierbarer" Grüner mit weitreichenden sozial-ökologischen Veränderungsansprüchen im Schraubstock der "Regierungsverantwortung" gelingt. Auch nach dem Regierungswechsel im Bund soll NRW Standort von Pilotprojekten für bundesweite "Reform"-Vorhaben des "dritten Wegs" bleiben, etwa bei den Modellversuchen zum "Kombi-Lohn".

Nicht wenige NRW-GRÜNE haben trotz Garzweiler II an der NRW-Koalition festgehalten, weil sie die rot-grüne Ablösung der Kohl-Regierung nicht gefährden wollten. Doch der erhoffte soziale und ökologische Politikwechsel im Bund ging nach ersten Ansätzen in der Zeit vor dem Rücktritt Oskar Lafontaines in einem völkerrechts- und verfassungswidrigen Krieg sowie in einer verschärfte Fortsetzung der alten Politik gegen den Sozialstaat und die wirtschaftlich Schwachen unter - gleichsam als negative Bestätigung der alten Weisheit, dass "Frieden und soziale Gerechtigkeit zusammengehören". Die nordrhein-westfälische Unterstützung des "Aufstands des Kapitals" (FAZ) gegen Reformvorhaben der "Lafontaine-Phase" hat aktiv zum neoliberalen Kurswechsel der rot-grünen Bundesregierung beigetragen.

Für eine menschliche und nachhaltige Zivilisation

Die Verantwortung für Nordrhein-Westfalen und die nachfolgenden Generationen verlangt von uns heute, den Kampf gegen die neoliberale "Modernisierung" und für einen alternativen Weg gesellschaftlicher Entwicklung neu und offensiv aufzunehmen.

Ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit, Gleichstellung von Frau und Mann, Entmilitarisierung, Demokratisierung von Wirtschaftsleben und Politik sowie Emanzipation strukturell benachteiligter und unterdrückter Minderheiten

sind dabei Ziele, die sich gegenseitig bedingen und eine unauflösliche Einheit bilden. Auf ihrer Grundlage muss ein zeitgemäßes gesellschaftliches Zukunftsprojekt formuliert werden. Die linken Konzepte der 70er und 80er Jahre, die der vergangenen Realität des "rheinischen Kapitalismus" entstammen, reichen dazu nicht mehr aus. Dennoch enthalten sie wertvolle, aus der Erfahrung realer gesellschaftlicher Auseinandersetzungen und aus der Einsicht in fortbestehende Zukunftsrisiken gewonnene Orientierungen. Mit linker Politik verhält es sich gleichsam wie mit dem Sozialstaat: Wer ihn zukunftsfähig weiterentwickeln will, muss wissen, was es dafür zu bewahren gilt.

Die schrittweise Verwirklichung der genannten Ziele ist nur in einem gemeinsamen Transformationsprozess der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verstellbar, der die Allherrschaft der Marktgesetze und die Dominanz des Patriarchats bricht. Aufgrund des globalen Charakters von Marktwirtschaft und Patriarchat sowie der dadurch hervorgerufenen Zukunftsgefährungen kann der notwendige Transformationsprozeß nur in globaler Perspektive gedacht und vollendet werden.

Nur aus der Perspektive der Möglichkeit einer anderen, menschlichen und nachhaltigen Zivilisation, aus der kritischen Analyse der bestehenden Verhältnisse läßt sich für die Tagespolitik ein verläßlicher Kompaß gewinnen, der die Präzisierung und Aktualisierung linker Politik leitet.

Die nachfolgenden Feststellungen bilden - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - miteinander verwobene Leitlinien, aus denen auch für die Landespolitik konkrete politische Zwischenschritte zu kristallisieren und an denen Initiativen anderer zu messen sind.

Den Markt regulieren, die Wirtschaft demokratisieren

Am Markt gilt nur ein Ziel: die Mehrung des monetären Gewinns, ökologische soziale und emanzipatorische Ansprüche, die sich nicht zum Geldverdienen eignen, gelten nichts. Sie können in marktwirtschaftlichen Gesellschaften nu durch politische Steuerung Geltung erhalten. Der Abbau staatlicher und tariflicher Regulierungen führt nicht zu mehr "Freiheit". Vielmehr unterwirft die neoliberale Entpolitisierung der Ökonomie und Ökonomisierung der Politik die Gesellschaft noch weitaus stärker den "blinden" Regeln des Marktes und dem Faustrecht der wirtschaftlich Stärkeren, als dies im "rheinischen Kapitalismus" ohnehin bereits der Fall war. Der Umbau des Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesen nach dem Vorbild von Wettbewerbsmärkten etwa weist die Rolle von "König Kunde" nicht den Menschen zu, die hierauf angewiesen sind, sondern wie immer dem, der zahlt - den Kostenträgern.

Unser Ziel gesellschaftlicher Veränderung bedarf umgekehrt gezielter demokratisch-staatlicher wie tarifpolitischer Regulierung, bedarf ordnungspolitische Rahmenbedingungen des Produzierens und Konsumierens, die hinreichen, un schädliche "Nebenwirkungen" des Marktes auszuschliessen.

Die demokratisch verfasste Gesellschaft muss sich aus der Rolle eines nachgeordneten Schutz-, Reparatur-, Ver- und Entsorgungsbetriebes einer vor demokratisch verfassten kapitalistischen Wirtschaft emanzipieren. Mehr denn je bestimmen demokratisch nicht legitimierte Entscheidungen mächtiger Banken und Konzernzentralen die Geschicke des Volkes in weit höherem Maße als die demokratische Politik. Um die Überwälzung sozialer und ökologischer Folgekosten der privaten Wirtschaft auf die Allgemeinheit abzubauen und sicherzustellen, dass die Wirtschaft der Gesellschaft dient, ist insbesondere eine Demokratisierung der Wirtschaft erforderlich. Die dem Markt fremden Belange von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, von Standortgemeinden sowie der gesellschaftlichen Zukunftsinteressen müssen bereits in den wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen Berücksichtigung finden. Die Weiterentwicklung der Mitbestimmung in Betriebs- und Unternehmensverfassung im nationalen und eu ropäischen Rahmen ist dafür ein wichtiger Ansatzpunkt.

Auf Sieg im Standortwettbewerb zu setzen, bedeutet Entsolidarisierung nach außen, bedeutet den Willen, andere Standorte und deren Arbeitnehmerinnen ir die Verliererposition zu drücken, Erwerbslosigkeit und soziale Krise zu "exportieren". Mit der Idee einer solidarischen Wirtschaftsordnung ist dies unvereinbar.

Mit "Euro-Land" ist ein Wirtschaftsraum entstanden, dessen Aussenwirtschaftsabhängigkeit bei lediglich acht Prozent liegt. Damit bestehen objektiv grosse Chancen, eine neue Qualität sozialer und ökologischer Regulierung der "euroländischen" Binnenwirtschaft zu realisieren. Umso absurder ist der modische Standortchauvinismus, der die wichtigste Aufgabe von Geschäftsleitung und Belegschaft der Standort Deutschland AG darin sieht, die Durchsetzungsfähigkeit "unserer" Wirtschaft im Konkurrenzkampf gegen andere, vornehmlich europäische Volkswirtschaften durch Beteiligung an einem Deregulierungs- und Kostensenkungswettlauf zu stärken.

Ökologische, soziale und emanzipatorische Regulierung muss sich auf alle Wirtschaftsbereiche beziehen. Die modische wirtschaftspolitische Orientierung auf "Mittelstandsförderung" (Kleine und Mittlere Unternehmen; Handwerk) stehen eher im Dienste eines wahlpolitischen Klientelismus als einer an qualitativen Zielsetzungen orientierten Politik. Die Betriebsgröße allein ist weder eine Qualitätsaussage noch ein Hinweis auf gegebene oder fehlende wirtschaftliche Belastbarkeit.

Den Sozialstaat erneuern und weiterentwickeln

Der Sozialstaat der "Bonner Republik" sollte nach der Intention seiner BegründerInnen einer Wiederholung demokratiegefährdender sozialer Krisenentwicklung und wirtschaftlicher Machtkonzentration entgegenwirken. Manche der daraus erwachsenen Aufträge der Landesverfassung sind unerfüllt geblieben.

Der "Berliner Republik" gelten derartige Lehren aus der Katastrophe von 1933 allenfalls als museale Erinnerung. Der "Bonner" Sozialstaat scheiterte spätestens in den frühen 80er Jahren, als er sich unfähig zeigte, dem Wiederentstehen dauerhafter, zyklisch wachsender Massenerwerbslosigkeit und neuer Massenarmut abzuhelfen. Dazu hat wesentlich beigetragen, dass der Verfassungsgrundsatz von der "Sozialpflichtigkeit des Eigentums" praktisch bedeutungslos geworden war.

Der gegenwärtige neoliberale "Umbau" des Sozialstaats ist Folge der endgültigen Kündigung des alten Sozialstatskonsenses durch die wirtschaftlich Starken nach dem Zusammenbruch der diktatorisch-bürokratischen Staatswirtschaften Osteuropas und der deutschen Vereinigung. Der Wegfall der "kommunistischen Bedrohung" lässt eine kostspielige "Befriedung" der Arbeitnehmerinnen und wirtschaftlich Schwachen durch sozialstaatlichen Interessenausgleich entbehrlich erscheinen. Der gegenwärtige "Umbau" des Sozialstaats zielt darauf, die von der sozialen Krise hoch beanspruchten Sozialsysteme, denen man überdies enorme Kosten der deutschen Vereinigung aufbürdete, auf einen Finanzierungsrahmen zurückzuschrumpfen, der neben den arbeitsmarktbedingten Einnahmeausfällen der Sozialversicherung durch die angebotspolitischen Vorgaben der Senkung von Staatsquote, Arbeitskosten und steuerlicher Belastung der Wirtschaft definiert wird.

Damit wurde der Sozialpflichtigkeits-Grundsatz in sein Gegenteil verkehrt: Die - im weitesten Sinne - sozialen Systeme sowie die Menschen, die auf sie angewiesen sind, wurden der Förderung privaten Reichtums tributpflichtig. Seit Beginn der 90er Jahre wuchsen allein die Geldvermögen privater Haushalte, die sich zu etwa einem Drittel auf die reichsten fünf Prozent konzentrieren, jahresdurchschnittlich um 300 Mrd. DM netto - dem Sechsfachen des Ausgabevolumens für Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum Lebensunterhalt.

Schon mit der Hinnahme der Erwerbslosigkeit als "gegebener" Rahmenbedingung für die Finanzierbarkeit sozialer Sicherheit findet der Abschied vom Sozialstaat statt. Ein Staat, der sich jenseits der Sonntagsreden auf eine dauerhafte Spaltung der Gesellschaft durch Massenerwerbslosigkeit einrichtet, kann das Attribut "sozial" nicht beanspruchen.

Die Erneuerung des Sozialstaats bei der Revitalisierung und konsequenten Umsetzung des Sozialpflichtigkeits-Grundsatzes sowie mit dem Abbau der Erwerbslosigkeit ansetzen. Er muss jene patriarchalen Prägungen überwinden, die dazu führen, dass Frauen immer noch die schlechter bezahlten Erwerbsarbeitsplätze und die niedrigeren Leistungen bei Erwerbslosigkeit und Alter erhalten. Er muss sich vor allem denen zuwenden, die der Unterstützung der Allgemeinheit am meisten bedürfen. Die gerechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums ist zur entscheidenden Schlüsselfrage zukunftsfähiger Politik geworden.

Der alte Sozialstaat war zu Recht der Kritik ausgesetzt, dass er die auf seine Leistungen Angewiesenen häufig in die Rolle von Objekten bürokratischer und teils auch repressiver "Fürsorge"- und "Versorgungs"-Apparate nötigte - bis hin zur Einschränkung von Grundrechten. Der neoliberale Umbau knüpft mit der Betonung von "Eigenverantwortung" und "Wahlfreiheit des Kunden am Markt" scheinbar an diese emanzipatorische Kritik an, um den Abbau sozialstaatlicher Garantien zu legitimieren. Die Erneuerung des Sozialstaats muss statt dessen davon ausgehen, dass erst eine Weiterentwicklung sozialstaatlicher Garantien die notwendige Voraussetzung für viele Menschen schafft, Freiheit erfahren und selbstbestimmt leben zu können (z.B. Menschen mit Behinderungen und Pflegebedürftige). Gleiche Rechte werden zu ungleichen Rechten, wenn soziale Ungleichheit es den einen ermöglicht und den anderen verwehrt, davon Gebrauch zu machen.

Die Erwerbslosigkeit abbauen - die Arbeitsgesellschaft erneuern

Die strukturelle Massenerwerbslosigkeit ist die wesentliche Ursache für die finanzielle Destabilisierung des Soziatstaats und die Wiederbelebung entsolidarisierender und demokratiegefährdender Tendenzen in der Gesellschaft. Sie bildet den Kern der sozialen Krise, welche die "harten" Fragen der materiellen Existenz in den Vordergrund schiebt und die Risiken vergrössert, dass die "postmaterialistischen" Fragen, insbesondere der Stabilisierung der globalen Biosphäre, in den Hintergrund verdrängt werden.

Seit einem Vierteljahrhundert ist die "Bekämpfung der Arbeitslosigkeit" erklärtes oberstes Politikziel in der Bundesrepubik Deutschland. Nach aller Erfahrung gilt jedoch eher die Faustregel, dass die Erwerbslosigkeit umso sicherer steigt, je geräuschvoller die Politik den "Kampf" dagegen aufnimmt. Das hat nicht nur damit zu tun, dass sich die globalen Konjunkturzyklen eigengesetzlich jenseits politischer Steuerung entwickeln. Die "sparpolitischen" Reaktionen des Staates auf die Beschäftigungskrise tragen vielmehr selbst zu ihrer Verschärfung bei: Mit Arbeitsplatzabbau im Öffentlichen Sektor (nicht selten gerade zu Lasten von Frauen) und mit konjunkturschädlichen Einschränkungen der Massenkaufkraft. Und schließlich hat die Wirtschaft ein substanzielles Interesse am Fortbestehen der Erwerbslosigkeit, weil diese enorm disziplinierende Wirkungen auf die Beschäftigten und die gewerkschaftliche Durchsetzungsfähigkeit schwächt.

Die neoliberalen Rezepte der Angebotspolitik haben sich längst empirisch als beschäftigungspolitisch kontraproduktiv erwiesen. So warnt ein Memorandum von 81 US-Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlern Deutschland davor, den "amerikanischen" Weg der Lohnsenkung und Deregulierung weiter zu gehen.

Auch die Flexibilisierung der Arbeitszeit, soweit sie sich am einzelbetrieblichen Interesse der Anpassung der Arbeitszeit an konjunkturelle oder saisonale Schwankungen orientiert ("atmende Fabrik") steht im Kontext der Angebotspolitik. Die Unternehmen können damit ihre Personaldecke noch weiter herunterfahren. In Wirklichkeit stellen die "modernen" Rezepte die Bekämpfung der Erwerbslosen in den Vordergrund: mit Absenkung von Arbeitslosengeld und -hilfe, Abschaffung des Qualifikations- und Berufsschutzes und Verschärfung der Arbeitspflicht. Im Geiste von Hombachs "aktivierendem Sozialstaat" prägt diese Tendenz auch die NRW-Arbeitsmarktpolitik. Unter dem Motto "Fördern und Fordern" drohte die Landesregierung zuerst jungen Langzeiterwerbslosen mit dem Entzug des sozialen Existenzrechts, wenn sie "Angebote" verweigern.

Ein nachhaltiger Abbau der Massenerwerbslosigkeit ist ohne eine Um- und Neu-; Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit, die über die bezahlte Arbeit hinaus auch die unbezahlte Reproduktionsarbeit der Frauen einbezieht, nicht vorstellbar. Der Anspruch von Frauen auf gleiche Teilhabe an der Erwerbsgesellschaft kann nicht realisiert werden, solange ihnen aufgrund patriarchaler Rollenmuster die ( unbezahlte "Familienarbeit" überwiegend einseitig zugewiesen bleibt. Die Organisations- und Zeitstrukturen der Erwerbsarbeit müssen in der Weise neu definiert werden, dass sie Frauen und Männern gleichermassen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sichern. Ein "neues Normalarbeitsverhältnis" muss deshalb von dem Regelfall ausgehen, dass Arbeitnehmerinnen neben der Erwerbsarbeit - und dem Lebensanspruch auf regelmässige arbeitsfreie Zeit -Familienarbeit zu bewältigen haben. Dies führt zum zwingenden Erfordernis verkürzter Regelarbeitszeiten bei Erweiterung der Zeitsouveränität der Beschäftigten, um eine ausreichend flexible Anpassung an die Wechselfälle von Familienarbeit zu ermöglichen.

Ohne gesicherte arbeitsfreie Zeit in kollektiven Zeitstrukturen (z.B. freies Wochenende) ist weder ein partnerschaftliches Leben mit Kindern, noch ein soziales Leben in der Gemeinschaft, geschweige denn eine Entfaltung demokratischer Selbsttätigkeit und Selbstorganisation der Bürgerinnen oder gar "basisdemokratische" gesellschaftliche Selbstverwaltung vorstellbar. Mit der Ausweitung der Pauschalgenehmigungen für regelmäßige Sonntagsarbeit und einem aggressiven Kurs gegen das Ladenschlussrecht treibt die Landesregierung dagegen die Eroberung des freien Wochenendes durch die Wirtschaft weiter voran.

Rasche Schritte zur Verkürzung der regelmässigen Arbeitszeit sind unerlässlich, um einen nachhaltigen Abbau der Erwerbslosigkeit zu erreichen. Arbeitszeitverkürzung funktioniert zunächst "marktwirtschaftlich": Sie verringert das Arbeitszeitangebot der Beschäftigten und "erzwingt" dadurch eine erhöhte Arbeitskraftnachfrage am Arbeitsmarkt - vor allem, wenn gleichzeitig "Fluchtwege" in marktorientierte Flexibilisierung und weitere Arbeitsverdichtung eingeschränkt werden. Der Landesregierung gelten solche Orientierungen als wirtschaftsfeindliche und standortgefährdende Bedrohung.

Beschäftigungswirksame Arbeitszeitverkürzungen werden nur realisierbar sein, wenn sie von den Arbeitnehmerinnen und ihren Gewerkschaften erkämpft werden. Schon deshalb ist eine Koppelung mit der Sicherung auskömmlicher Einkommen, die in den bestehenden, oft überwiegend von Frauen besetzten Niedriglohnbereichen auch effektive Einkommensverbesserungen erfordert, unerlässlich.

Die Forderung nach Einführung eines staatlich subventionierten Niedriglohnsektors (Kombi-Lohn) ist der bisher spektakulärste Fall des Missbrauchs dei Arbeitsmarktkrise, um arbeitsmarkt- wie tarifpolitische Deregulierung sowie eine massive Umverteilung zugunsten der Arbeitgeber durchzusetzen und zugleich den Druck zu Kürzungen der Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu erhöhen. Die Landesregierung hat mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit und ihrer Bereitschaft zu entsprechenden Modellversuchen diese Bestrebungen gefördert statt ihr entgegenzutreten. Alternativ zur Kombi-Lohn-Debatte steht insbesondere die Orientierung auf die Schaffung eines dauerhaft öffentlich geförderten Beschäftigungs sektors, der zusätzliche reguläre Beschäftigung und Qualifizierung in gesellschaftlich sinnvollen Bereichen bietet. Dabei wird es auch darum gehen, einer Teil der bisher unbezahlten "Frauenarbeit" für neue, professioneile und qualifizierte Dienstleistungsangebote zu erschließen.

Die Erfahrung von drei Jahren "Ausbildungskonsens NRW" hat die schon zuvor gehegten Befürchtungen bestätigt: Statt einen Weg zur Behebung der Ausbildungskrise zu eröffnen, wird der anhaltende Mangel durch gebetsmühlenartige Wiederholung leerer Gerantieversprechen und mediale Schaumschlägerei (alljährliche Bettel-Touren des Ministerpräsidenten) zugedeckt. In einseitiger Missachtung von Koalitionsvertrag und Landtagsbeschlussfassung wurde dazu die Umlagefinanzierung der betrieblichen Ausbildung, das einzige Instrument, das eine nachhaltige Erfüllung der Arbeitgeber-Pflicht zur Bereitstellung eines ausreichenden und auswahlfähigen Ausbildungsplatzangebots und damit eine nachhaltige Sicherung des bewährten dualen Ausbildungssystems erwarten lässt, zur Freude der Arbeitgeberverbände ad acta gelegt. Die neue Bundesregierung orientiert sich an diesem "Modell", als hätte es die Umlage-Gesetzentwürfe ihrer Fraktionen nie gegeben.

Ökologischer Umbau erfordert auch gezielte Schrumpfung und Selbstbeschränkung

Mittlerweile hat sich auf breiter Front die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine Ökologisierung des Wirtschaftens im Produktions- wie im Dienstleistungssektor auch neue Wachstumsbranchen und -märkte und damit auch neue Felder zukunftsfähiger Beschäftigung eröffnet. Der ökologische Umbau hält somit auch eine Angebotsseite für innovationsbereiten Unternehmen bereit. Die Mobilisierung dieser auch beschäftigungspolitisch interessanten Potenziale erfordert jedoch sowohl eine gezielte staatliche Struktur-, Investitions- und Förderpolitik als auch ordnungspolitische Rahmenbedingungen, welche die Entwicklung und Durchsetzung ökologischer Produkte, Dienstleistungen und Verfahren stützen.

Stattdessen unterstützt die Landesregierung eine Liberalisierung des Energiemarkts, die aufgrund des Preiskampfs der Energiekonzerne und einer neuen Fusionswelle zu nochmals stärkerer privatwirtschaftlicher "Vermachtung" des Marktes sowie zur Existenzbedrohung für kommunalwirtschaftliche Energieversorger als öffentlich steuerbare Träger einer Energiewende gerät. Der ökologische Nutzen der Förderung erneuerbarer Energien (REN-Programm) und der Förderung des Schienenverkehrs wird zunichte gemacht durch die Entscheidungen zugunsten von Garzweiler II, einen aggressiven Expansionskurs im Luft-und Straßenverkehr sowie durch Förderung bio- und gentechnischer Risikotechnologien.

Der Sinn dieser Addition ökologischen Fort- und Rückschritts liegt für Clements "ökologische Modernisierung" darin, auch marktfähige ökologische Ansätze für seinen Wachstumskurs zu nutzen. Ob "ökologisch" oder "zerstörerisch" ist egal, solange damit Geld zu verdienen ist. Auf diese Weise werden "Öko-Branchen" der alten Wachstumsmaschinerie einverleibt, ohne dass die umweltzerstörerischen Sektoren in Frage gestellt werden.

Ökologischer Umbau erfordert indes nicht nur gezieltes Wachsen neuer, ökologisch verträglicher Wirtschaftszweige, sondern ebensosehr gezieltes Schrumpfen zerstörerischer. Der Übergang zu nachhaltigem Wirtschaften, der die globale Klimakatastrophe noch abwendbar macht, ist ohne Ausstieg aus Risikobranchen und entschlossenen Abbau zerstörerischer Bereiche (neben der Atomwirtschaft v.a. Luft- und Strassenverkehr, Braunkohleverstromung, Chlorchemie, industrielle Gentechnik, Rüstungswirtschaft) nicht möglich. Erst recht unvereinbar mit dem Nachhaltigkeitsziel ist jeder Expansionskurs in solchen Bereichen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die verbleibenden Zeithorizonte zur Abwendung unumkehrbarer Schädigungen der Biosphäre stetig abnehmen. Ökologische Politik muss dem Rechnung tragen. Sie muss sich darauf vorbereiten, auch schwere Konflikte mit der Wirtschaft zur Durchsetzung zügiger Ausstiegs- und Schrumpfungsprozesse erfolgreich zu bewältigen. Die Vorstellung, den ökologischen Umbau im Konsens mit der Wirtschaft und im Wesentlichen gestützt auf marktwirtschaftliche Instrumente stattfinden zu lassen, ist ebenso abwegig wie die Konsenspolitik zum Abbau der Erwerbslosigkeit.

Eine ökologisch gezielte Ausstiegs- und Schrumpfungspolitik wird nur dann tragfähig werden, wenn sie sich der sozialen Verantwortung für die davon betroffenen Menschen stellt. Sie muss deshalb mit der Entwicklung zukunftsfähiger strukturpolitischer und regionalwirtschaftlicher Alternativen, mit ökologisch und sozial gezieltem "Wachstum" verknüpft werden.

Ökologische und emanzipatorische Politik kann auf Konsumkntik nicht verzichten. Die Marktgesellschaft orientiert die Menschen vorrangig auf das Ziel der Steigerung von materiellem Besitz und des Konsums kommerzieller Angebote. Die Reproduktionsarbeit des Einkaufens wird zum "Freizeiterlebnis" umgewertet, grosse Freizeit- und Kommerzkultur-Industrien suchen sich der "freien" Lebenszeit zu bemächtigen.

Diese Entwicklung ist mit dem Ziel der Steigerung der Lebensqualität längst unvereinbar geworden. Die Kultur des Habens muss abgelöst werden durch eine Kultur des Seins. Die soziale Krise erschwert diesen gesellschaftlichen Paradigmenwechsel enorm. Wachsende soziale Ungleichheit, Existenzunsicherheit und Sorge um das tägliche Auskommen lassen Konsumkritik und Aufforderungen zu Konsumverzicht als "Zynismus der Satten" erscheinen. Verzichten kann nur, wer hat. Wem immer mehr genommen wird, wer soziale Deklassierung fürchten muss, strebt immer heftiger zum Haben. Auch dies verweist auf das Erfordernis, die soziale Ungleichheit abzubauen und eine gerechte Einkommensverteilung herbeizuführen, indem untere Erwerbs- und Transfereinkommen zu Lasten der oberen Erwerbs- und Vermögenseinkommen angehoben werden.

Bildung ist Emanzipation

Die sozialdemokratisch geprägten Bildungsreformen im Gefolge des Aufbruchs von 1968 dienten einerseits der Befriedigung einer wachsenden Nachfrage nach mehr höher- und hochqualifizierten Arbeitskräften. Andererseits konnte der Gedanke des sozialen Bildungswesens verankert werden, der den Zugang zu akademischer Bildung von Klassen- und Einkommensbarrieren befreien wollte und ein emanzipatorisches Grundrecht auf Bildung postulierte. Das überkommene schichtenspezifische dreigliedrige Schulsystem sollte durch ein egalitäres Schulwesen abgelöst werden, die Hochschule demokratisiert und Zugangsbarrieren für einkommensschwache Bevölkerungsschichten beseitigt werden.

Auch wenn in der Folgezeit die konkrete Umsetzung hinter diesen politischer Zielsetzungen weit zurückblieb, so behielten sie doch immerhin Sinne von Leitbildern eine gewisse Geltung in der sozialdemokratischen Bildungspolitik. Die aktuelle Schul- und Hochschulpolitik der Landesregierung setzt sich deutlich von dieser Reformtradition ab.

Eindeutig finanzpolitisch motivierte Sparmaßnahmen im Schulbereich werder als Beitrag zur Qualitätssicherung und Modernisierung der Schulen stilisiert Während die Förderung der Kinder und Jugendlichen durch eine objektive Verschlechterung der schulischen Rahmenbedingungen sinkt, werden die Anforderungen an Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichsten sozialen Lernausgangslagen durch Anhebung der Leistungsstandards deutlich erhöht. Dies ist ein Beitrag zur Verschärfung der bestehenden sozialen Chancenungleichheit irr Bildungsbereich.

Schulische Bildung muß aber in einer demokratischen, durch wissenschaftliche und technologische Entwicklungen gekennzeichneten komplexen Gesellschaft mehr sein als die Vermittlung abfragbaren Wissens. Vielmehr muß Schule dazi beitragen, mündige, aufgeklärte Bürgerinnen und Bürger heranzubilden. Es gehl also darum, materiell, strukturell und inhaltlich zu gewährleisten, dass Kinder lernen zu lernen, dass sie kommunikations-, kritik- und reflexionsfähig werden, lernen in übergreifenden Zusammenhängen zu denken, wissbegierig und kreativ bleiben.

Mit ihrer aktuellen Initiative gegen die Gesamtschule in NRW wendet die zuständige Ministerin die strukturell bedingten Probleme dieser Schulform in einem hierarchisch gegliederten Schulsystem gegen diese selbst und beschädigt so die Idee und Konzept der Gesamtschule als Schule für alle Kinder. Dies ist ein deutliecher Bruch mit der bisherigen sozialdemokratischen Bildungspolitik, die bislang in der Gesamtschule eine gleichwertige Strukturalternative zum bestehenden Schulwesen sah.

Auch im Hochschulbereich versucht die Landesregierung ihre Sparpolitik ak Konzept innovativer, qualitativer Reformen zu verkaufen. Anstatt Hochschulen offensiv als gesellschaftliche Institutionen bei der Bewältigung der drängender sozialen, wirtschaftlichen und Ökonomischen Probleme des Landes zu nutzen sie materiell und strukturell entsprechend auszubauen, damit sie zukunftsgerichtete Lösungswege erarbeiten können, zieht sich die Landesregierung zunehmend aus ihrer politischen Verantwortung für die Gestaltung des Hochschulbereichs zurück und ist bereit, das Feld denjenigen in Wirtschaft und Industrie zu überlassen, die in der Lage und gewillt sind, diese Lücke zu füllen. Bei weiter sinkenden staatlichen Ausgaben werden sich die Hochschulen künftig, um arbeitsfähig zu bleiben, stärker von konkreten Verwertungsinteressen aus Wirtschaft und Industrie abhängig machen müssen, um den Preis, dass die gesellschaftliche Verpflichtung, die Gemeinwohlorientierung der Hochschulen, die emanzipatorische aber auch sozialintegrative Dimension (z.B. offener Hochschulzugang) des hochschulischen Tuns leidet, wenn sie nicht gar perspektivisch verloren gehen.

So schreibt der sogenannte "Qualitätspakt" den Hochschulen trotz gravierenden Personalsmangels im Vergleich zu den übrigen Bundesländern Stellenkürzungen in erheblichem Umfang vor. Flankiert werden die vorgenommenen und geplanten Einsparungen durch restriktive Maßnahmen im Bereich der innerhochschulischen Organisation.

Durch die Novellierung der Hochschulgesetze zielt die Landesregierung darauf ab, dass sich bei den mit den Einsparungen einhergehenden notwendigen Diskussionen um einen effizienteren Mitteleinsatz und die Neustrukturierung von Studiengängen, die an allen Hochschulen geführt werden müssen, künftig nur einseitig bestimmte Interessen durchsetzen können. Hochschulen sollen nach dem Willen der Landesregierung künftig wie Unternehmen organisiert und Entscheidungswege ähnlich hierarchisch organisiert sein. Es ist nahezu absurd, dass im Zuge der eingeleiteten Reform der Hochschulgesetzgebung gerade die Professorenschaft an Einfluß gewinnen soll, deren aktuelle Dominanz im Hochschulgeschehen als ein zentraler Grund für die Reformunwilligkeit der Hochschulen gilt. Das Leitbild der Hochschule als diskursiver und demokratischer Ort, das die Gruppenuniversität im Grundsatz repräsentiert, wird gezielt über Bord geworfen. Diese Richtungsumkehr ist nicht modern sondern der tiefe Griff in die Mottenkiste konservativer Hochschulpolitik!

Durch den "Qualitätspakt" und die aktuelle Hochschulgesetzgebung werden gerade diejenigen hochschulpolitischen Errungenschaften wie interdisziplinäre Studienelemente, Frauenförderung oder projektorientierte Lehr- und Lernformen gefährdet, die in verangenen Jahren gegen erhebliche Widerstände konservativer Hochschulpolitik durchgesetzt werden mussten.

Im Sinne einer zukunftsfähigen, vielgestaltigen Hochschullandschaft ist nicht nur ihre materielle Sicherung und der weitere Ausbau der vorhandenen Standorte notwendig, sondern auch eine Gesetzgebung, die emanzipatorische Ansätze aufgreift und die innerhochschulischen Entscheidungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten so umgestaltet, dass die Hochschulmitglieder über alle Gruppen hinweg ihre Interessen angemessen einbringen können und auch Durchsetzungschancen haben. Die Verfassung der Hochschulen und die Organisation ihrer Selbstverwaltung hat direkte Auswirkungen auf Gestaltung' und Qualität von Lehre, Forschung und wissenschaftlicher Praxis. Deshalb ist für die Hochschulen ein Reformkonzept notwendig, dass auf die Verantwortlichkeit und Beteiligung der im Wissenschaftsbereich tätigen Menschen baut.

Zukunftsfähige Finanzpolitik

Das rasante Wachstum der Staatsverschuldung unter der Kohl-Regierung diente der Reichtumsförderung gleich in doppelter Weise: Es war erstens Folge des Verzichts darauf, die wirtschaftlich Starken angemessen zur Bewältung der Kosten von deutscher Vereinigung und sozialer Krise heranzuziehen, um sie stattdessen weiter zu entlasten. Über den Schuldendienst bedient es zweitens die Gläubiger in immer größerem Umfang aus dem überwiegend von den Arbeitnehmerinnen aufgebrachten Steueraufkommen. Eine Umkehr ist unerlässlich.

Die Sparpolitik Eichels setzt demgegenüber den krisenverschärfenden Kurs der Vorgängerregierung fort. Weiterhin wird weniger "gespart", sondern werder eher Lasten verschoben. Weiterhin schröpft man die Schwachen, um die Starken zu bedienen. Die Sparpolitik belastet den Arbeitsmarkt und schwächt die Binnennachfrage als wichtige Konjunkturstütze. Sie vergrößert damit die Probleme, auf die dann absehbar mit den gleichen Rezepten reagiert wird: Noch härter "Sparen" und/oder noch mehr Kreditfinanzierung.

Geradezu absurd ist die ideologische Vergötzung gewöhnlicher Sparpolitik als "nachhaltige Finanzpolitik". "Die natürliche Umwelt ist eine unwiderrufliche und unumkehrbar dahinschwindende Ressource - der materielle Reichtum einer Gesellschaft nicht" (Micha Brumlik). Staatsschulden können inflationiert und damit gemildert, umgeschuldet oder ganz gestrichen werden - das globale Ökosystem ist nicht auf vergleichbar einfache Weise regenerierbar.

Ein realitätstauglicher Konsolidierungskurs muss, um schädliche wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Folgen zu vermeiden, mittel- und langfristig angelegt sein. Neben möglichen sinnvollen Ausgabenreduzierungen muss er vorrangig auf die Verbesserung der Einnahmeseite zielen. Auch heute darf eine expansive Finanzpolitik dann kein Tabu sein, wenn dadurch tatsächlich sich selbst refinanzierende und sinnvolle Investitionsprozesse stimuliert werden können, die ihrerseits die Konsolidierungschancen verbessern. Haushaltskonsolidierung und soziale Gerechtigkeit werden dann vereinbar, wenn Zug um Zug die Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um beim solidarischen Teilen der Lasten die Treppe von der Spitze der Einkommens- und Vermögenshierarchie nach unten zu kehren. Gerade der Zusammenfall der beiden Erfordernisse spitzt die Frage der Verteilungsgerechtigkeit nach über 16 Jahren der Umverteilung von unten nach oben in besonderer Weise zu. Europäische Besteuerung von Spekulationsgewinnen (Tobin-Steuer), Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer, Abgabe auf Großvermögen, Luxussteuer, Wertschöpfungssteuer zur Stützung der Sozialversicherung - diese Stichworte sind dabei einzubeziehen. Gerade weil nicht "alles auf einmal" geht, drängt der Einstieg in die Umkehrung staatlicher Verteilungspolitik umso mehr.

Im Landeshaushalt fehlen seit Beginn der rot-grünen Koalition 40 Mrd. DM. Allein die Wiedereinführung der Vermögenssteuer brächte ca. 2,5 Mrd. DM in die Landeskasse, fast das Anderthalbfache des MURL-Haushalts. Dennoch hat sich die Landesregierung in allen öffentlichen Diskussionen für weitere und radikalere Steuerentlastungen der Unternehmen und gegen jede "standortfeindliche" Mehrbelastung von Wirtschaft und privatem Reichtum gewandt. Sie stützt einen finanzpolitischen Kurs, der in die Sackgasse führt und blockiert alle Auswege.

Strategische Wegmarken

Regierungsbeteiligung bleibt aus unserer Sicht dann sinnvoll, wenn sie ein nützliches Instrument dafür ist, die Gesellschaft und das öffentliche Meinungsklima stärker in Richtung unserer Ziele zu verändern, als dies aus der Opposition heraus möglich wäre - und sei es auch in kleinen Schritten. Sie kann aber nie Selbstzweck sein. Die NRW-Koalition hat sich indes - wie die im Bund -als Mittel von Veränderungen erwiesen, die in die unseren Zielen entgegengesetzte Richtung weisen. Die strategische Orientierung auf Rot-Grün als Träger eines sozial-ökologischen Reformprojekts hat sich im Zeichen der Neuen Mitte erledigt. Ein "Weiter so" kommt nicht in Frage.

Wenngleich eine Ablösung der rot-grünen Regierungen in Bund und Land kein "Ziel" sein kann, weil "bessere" Regierungen nicht im Angebot sind, können wir uns nicht vor der Frage drücken, ob wir Teil von Regierungen sein wollen, die die Gesellschaft in eine unseren Zielen entgegengesetzte Richtung verändern - bei gleichzeitigem weitgehenden Ausfall sozialer und ökologischer Opposition im Parlament. Die Auswirkungen von Rot-Grün auf die politischen Kräfteverhältnisse sind schon jetzt negativ: Teile der eigenen Wählerschaft wenden sich demotiviert ab, fortschrittliche Initiativen erfahren Rot-Grün immer öfter als eher gegnerische Kraft, während die CDU neue Chancen "sozialer" Profilierung nutzen kann. Rot-Grün trägt damit nicht zur Stärkung, sondern zur Schwächung der gesellschaftlichen Kräfte bei, die dem neoliberalen Umbau eine solidarische und ökologische Alternative entgegenzusetzen wünschen. Politische Verantwortung für das Land kann und muss man ggf. auch in der Opposition wahrnehmen.

Schwarz-grüne Gedankenspiele, die zunehmend vor allem aus dem rechten Parteiflügel lanciert werden, sind für uns grundsätzlich ausgeschlossen. Aus dem Scheitern der rot-grünen Reformoption den Schluss zu ziehen, dass man sich ebensogut mit der rechts-autoritären Variante des Neoliberalismus verbändeln könnte, wenn die CDU einen besseren Preis zahlt, heißt nichts anderes, als sich gänzlich vom Ziel der öko-sozialen und emanzipatorischen Veränderung zu verabschieden. Die Schwarz-Grün-Debatte zählt für uns zu den Erscheinungsformen des grünen Wandels zur Neo-FDP.

Parteiübergreifend steht die politische Unke vor ähnlichen Fragen: Wenn gegenwärtig nur Regierungen und Regierungsbeteiligungen im Angebot sind, die der kapitalistischen "Modernisierung" dienen, verliert die Regierungsfrage dramatisch an Bedeutung für linke Politik. Mit der Verfestigung der neoliberalen Hegemonie in SPD und GRÜNEN gilt ähnliches für parlamentarische und parteipolitische Routinen. Die politische Entwicklung seit Mitte der 80er Jahre beweist einmal mehr: Ohne Basis aktiven Engagements in der Gesellschaft, ohne einen Reform-Aufbruch von unten, kann parlamentarisches Engagement für unsere Ziele nicht erfolgreich sein.

Der historische Impuls von 1968 hat sich erschöpft. Ein vergleichbarer neuer gesellschaftlicher Aufbruch für eine menschliche und nachhaltige Zivilisation ist noch nicht in Sicht. Dennoch gibt es ein breites Bedürfnis nach Gegenwehr gegen die neoliberale Revolution. Nicht nur in Arbeitsloseninitiativen und Umweltverbänden, auch unter haupt- und ehrenamtlichen GewerkschaftsaktivistInnen, in feministisch inspirierten Strukturen, in den Kirchen und den Verbänden der Wohlfahrtspflege ist Opposition gegen den herrschenden Kurs lebendig. Sie artikuliert sich öffentlich nicht oder nur unzureichend, weil in 16 Jahren Kohl verinnerlichte "realpolitische" Überlebensstrategien auch im Verhältnis zur neuen Bundesregierung fortwirken. Das Oppositionspotenzial geht quer durch die Parteien des "Mitte-Links-"Spektrums hindurch - mit unterschiedlichen Kräfteverhältnissen und Qualitäten - und reicht bis die Reihen des christlich-sozialethisch motivierten Arbeitnehmerflügels der CDU.

Heraustreten aus der Zuschauerdemokratie ist heute notwendiger denn je. Es geht um die Neuformierung eines handlungs- und politikfähigen gesellschaftlichen Pols, der aus dem Widerstand eine zeitgemässe Alternative entwickelt und in die öffentliche Debatte bringt. Dazu muss die Zusammenarbeit mit allen Kräften gesucht werden, die hierzu beitragen können. Soweit dabei konsensuale politische Orientierungen über Parteigrenzen hinweg formuliert werden können, dürfen Parteibücher ebensowenig spaltend wirken wie religiöse Bekenntnisse. Es ist die Schlüsselaufgabe der politischen Linken, das real existierende sozialökologische Oppositionspotenzial dabei zu unterstützen, öffentliche politische Artikulationsfähigkeit zu entwickeln.

(Erst-) UnterzeichnerInnen

Bernd Burichter (KV Duisburg), Stefan Bajohr MdL (KV Düsseldorf), Ute Derks (Mitglied der Ratsfraktion, KV Düsseldorf), Melanie Diermann (KV Duisburg), IArmin Dudzinski (KV Düsseldorf)), Ingrid Fitzek MdL (KV Duisburg), Dietmar Gaida (KV Solingen, Bezirksvertreter), Brigitte Herrmann MdL (KV Mark), Jürgen Hülsmann (Mitglied der Ratsfraktion, KV Düsseldorf), Daniel Kreutz MdL (KV Köln), Henning Kroymann (KV Düsseldorf), Oliver Lamers (Mitglied der Ratsfraktion Kempen, KV Viersen, OV Sprecher), Nils Lessing (KV Mettmann), Ralf Mackalowsky (KV Recklinghausen), Anneliese Milton (KV Köln), Petra Niersmann (Sprecherin OV Dienslaken, LPR Delegierte, KV Wesel,), Josef Oeinck (Sprecher LAG Gewerkschaft, KV Recklinghausen), Irmgard Pehle (KV Herford), Jens Petring MdL (KV Düsseldorf), Jörg Prante (KV Bonn)), Ulla Schnelting-Hebeler MdL (Sprecherin LAG Frauen, KV Mettmann), Brigitte Schumann MdL (KV Mülheim), Gerd Schwemm (KV Duisburg ), Dieter Walendy (KV Bonn)