BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Landesverband Niedersachsen
Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz in Celle am 06.02.00
UnterstützerInnenstand (unter dem Text) vom 25.02.00
Atomkraft Nein Danke - Energiewende jetzt !
Angesichts der bestehenden Risiken beim Betrieb von Atomanlagen und der ungelösten
Probleme im Umgang mit dem Atommüll ist die schnellstmögliche Realisierung des
Atomausstiegs vordringliches Ziel von Bündnis 90/Die Grünen. Je früher der Ausstieg
erfolgt, desto schneller kommt es zum überfälligen Strukturwandel der Energiewirtschaft.
Eine zukunftsfähige, auf Effizienz und Erneuerbarkeit beruhende Energiestruktur hat den
Ausstieg zur Voraussetzung. Der Atomausstieg ist nur zu realisieren, wenn er durch ein
ganzes Bündel von Maßnahmen als zentraler Bestandteil einer grundlegenden Energiewende
ökonomisch verankert wird.
Die Sicherheit der Bevölkerung muss allen anderen Überlegungen vorgehen - sie besitzt
absoluten Vorrang.
Atom-Klo Niedersachsen?
Das Land Niedersachsen ist stärker als alle anderen Länder der Bundesrepublik von den
Risiken der Atomenergienutzung betroffen:
Vier Atomkraftwerke laufen in Niedersachsen, darunter das zweitälteste der Bundesrepublik
in Stade. Drei weitere Atomkraftwerke stehen unmittelbar an der Landesgrenze, darunter
auch Krümmel, besonders bekannt wegen der Häufung von Krebserkrankungen in der Umgebung.
Im AKW Unterweser ereignete sich 1998 einer der gefährlichsten Störfälle in der
bundesdeutschen AKW-Geschichte.
Außerdem befinden sich fast alle zentralen Anlagen zur Lagerung von Atommüll in
Niedersachsen. In Gorleben stehen über dem Endlager-Erkundungsbergwerk das Zwischenlager
für abgebrannte Brennelemente und anderen hochaktiven Atommüll, das Fasslager Gorleben
für schwachaktive Abfälle und die Pilotkonditionierungsanlage (PKA) zur Verpackung von
Atommüll für die Endlagerung.
In Salzgitter droht für das ehemalige Bergwerk Schacht Konrad die Genehmigung als
Endlager für nichtwärmeentwickelnden Atommüll.
Selbst mit dem stillgelegten AKW Lingen I, dem so genannten Versuchsendlager Salzstock
Asse und der privaten Konditionierungsanlage der Firma AEA-Technologies ist die
Aufzählung der für Niedersachsen bedrohlichen Atomanlagen noch nicht vollständig, zeigt
aber, warum wir niedersächsischen Grünen dem Atomausstieg schon immer eine überragende
Bedeutung beigemessen haben.
Für einen Atomausstieg der seinen Namen verdient
Seit Beginn des neuen Jahres scheint die rot-grüne Bundesregierung in der Atompolitik
eine neue gemeinsame Linie gefunden zu haben. Die niedersächsischen Grünen sind mit den
Positionen der Bundesregierung nicht einverstanden. Da die Verhandlungspositionen von
Bundeskanzler Schröder mit der Atomwirtschaft bisher nicht transparent sind, befürchten
wir weitere Verschlechterungen. Nach einem langen öffentlichen Streit um Laufzeiten ist
ein angeblicher Kompromiss nach der Formel 30 Jahre Gesamtlaufzeit plus 3 Jahre
Übergangsfrist für Obrigheim und Stade zustande gekommen. Bliebe es bei einem Gesetz auf
dieser Grundlage, dann würden erste Stilllegungen von Atomkraftwerken auf die nächste
Legislaturperiode verschoben. Das ist für uns nicht akzeptabel, das Abschalten von mehr
als 2 Atomkraftwerken in dieser Legislaturperiode ist für uns das sichtbare Zeichen für
einen glaubwürdigen Ausstieg.
Völlig unzureichend sind für uns auch die Bemühungen der Bundesregierung, die
Entsorgungspolitik neu zu beginnen. Das versprochene neue Entsorgungskonzept hat bisher
keine Kontur. Das Warten auf das Moratorium in Gorleben und der müßige Streit um die
Zuständigkeiten und Verantwortung für das Verfahren zum Schacht Konrad zeigen, dass noch
kein neues Konzept verfolgt wird. Wenn die völlig überdimensionierten Anträge der
AKW-Betreiber auf Zwischenlager an den Standorten genehmigt werden, wenn trotzdem
demnächst wieder Transporte nach La Hague, Sellafield, Gorleben und Ahaus rollen, dann
wären wir keinen Schritt weiter.
Der Atomausstieg hingegen erfordert ein neues Konzept der Entsorgungspolitik, in dem für
Gorleben, Ahaus, Schacht Konrad, Wiederaufarbeitung, überdimensionierte Zwischenlager und
zahllose Atomtransporte kein Platz sein darf. Die Bundesregierung wird aufgefordert, ihr
neues Entsorgungskonzept in Zusammenarbeit mit den Experten der Anti-AKW-Bewegung zu
entwickeln.
Die niedersächsischen Grünen fordern die Bundespartei, Bundestagsfraktion und die
Grünen Kabinettsmitglieder auf, die Durchsetzung der folgenden Mindest-Ziele mit
Priorität zu betreiben. Sollte bis dahin keine gesetzliche Regelung für den Atomausstieg
im Sinne dieses Antrages vorliegen, werden die niedersächsischen Grünen den Verbleib in
der Regierungskoalition zur Diskussion stellen. Die Delegierten des Landesverbandes
Niedersachsen werden auf der Bundesdelegiertenkonferenz im März für diese Positionen die
Unterstützung der gesamten Partei fordern.
Solange wir unzufrieden sind mit dem, was durch eine grüne Regierungsbeteiligung für den
Atomausstieg erreicht wird, werden wir unseren Willen zum Ausstieg auch weiter durch
Aktionen auf der Straße deutlich machen.
An einen Atomausstieg, der seinen Namen verdient, stellen wir folgende
Anforderungen :
1. Ob im Konsens oder Dissens mit der Atomindustrie - es muß eine gesetzliche Regelung
verabschiedet werden, von der wir die Stilllegung von mehr als zwei Atomkraftwerken noch
in dieser Legislaturperiode erwarten. Für den Dissensfall ist die gesetzliche
Übergangsfrist auf maximal zwei Jahre zu begrenzen.
2. Auch im Falle eines "Konsenses" zwischen Bundesregierung und Atomwirtschaft
werden das Bundesumweltministerium und die zuständigen Länderbehörden in keiner Weise
an der Durchführung von Sicherheitsüberprüfungen, dem Erlass nachträglicher Auflagen
oder der Stillegung von Atomanlagen aus Sicherheitsgründen gehindert. Eine notwendige
Weiterentwicklung der Sicherheitsstandards, entsprechend dem aktuellen Stand von
Wissenschaft und Technik, darf nicht behindert werden.
3. Die Wiederaufarbeitung deutschen Atommülls im Ausland wird verboten.
4. Die Bundesregierung setzt sich auch auf europäischer Ebene für eine Verschärfung der
Sicherheitsstandards ein. Finanzhilfen für den Bau von Atomanlagen im Ausland werden
nicht gewährt. Die Bundesregierung unternimmt alles in ihrer Macht stehende, um
Stromlieferungen von ausländischen AKW's nach Deutschland zu verhindern.
5. Externe (dezentrale) Zwischenlager an den AKW-Standorten sind nur dann zu genehmigen,
wenn sie baulich und genehmigungsrechtlich die klar definierte Restlaufzeit des jeweiligen
AKW nicht überschreiten. Darüber hinaus fordern wir, dass die zukünftigen
Zwischenlagerhallen einen Schutz gegen Einwirkungen von außen und gegen Freisetzungen von
Radioaktivität bilden. Da die bisher gestellten Anträge diese Anforderungen nicht
erfüllen, lehnen wir sie nachdrücklich ab. Eine Bereitstellung von Transportbehältern
unter freiem Himmel, sogenannte Bereitstellungslager, halten wir für verantwortungslos.
6. Die Transportlogistik ist insgesamt gescheitert. Atomtransporte finden nicht statt
bevor nicht sämtliche Transportbehälter einer eingehenden Prüfung inklusive Falltests
unterzogen wurden und eine Transportstudie die Betroffenheit der Bevölkerung und des
Begleitpersonals geklärt hat. Atomtransporte finden vor Inkrafttreten des
Ausstiegsgesetzes nicht statt.
7. Das Projekt der Einlagerung von Atommüll in Schacht Konrad wird beendet. Die
Bundesregierung sorgt in Abstimmung mit der niedersächsischen Landesregierung dafür,
dass es keine Genehmigung für Schacht Konrad als Endlager für Atommüll gibt.
8. Die Erkundungsuntersuchungen im Salzbergwerk Gorleben sind wegen erwiesener
Nichteignung sofort zu beenden. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Arbeitsgruppe des BMU
zu Sicherheitskriterien für ein Endlager plant die Bundesregierung so zügig wie möglich
eine neue Standortsuche und eine vergleichende Untersuchung mehrerer Standorte.
9. Eine Inbetriebnahme der PKA Gorleben lehnen wir ab.
10. Der Entwurf der Strahlenschutzverordnung ist gemäß den wissenschaftlichen
Erkenntnissen umgehend zu verschärfen. Dies gilt insbesondere für die Wirksamkeit der
Neutronenstrahlung. Eine Erhöhung der Freimessungsgrenzen lehnen wir ab.
11. Eine umgehende Überprüfung der AKW's Brunsbüttel, Brokdorf, Stade und Esensham auf
ihre Sturmflutsicherheit ist vorzunehmen. Dazu sind Kriterien zugrunde zu legen, die die
möglichen Höchstwasserstände bei Orkanen von über 200 km/h berücksichtigen. Sind die
genannten AKW´s nicht sturmflutsicher, sind sie stillzulegen.
12. Die Bundesregierung hat konsequent alle ökonomisch wirksamen Möglichkeiten
auszuschöpfen, um klarzumachen, dass sie auch ökonomischen Druck zur Durchsetzung ihrer
atompolitischen Ziele einsetzen wird. Die vielfältigen direkten und indirekten
Subventionen für die Produktion von Atomstrom sind zu beseitigen. Dazu gehört u.a. eine
an die Risiken der Atomkraft angepasste Versicherungssumme und die Einführung einer
Primärenergiesteuer auf Kernbrennstoffe, die Überführung der Rücklagen in eine
öffentlich-rechtliche Stiftung. Künftig müssen die Rahmenbedingungen so gesetzt werden,
dass sich die effizienteste, volkswirtschaftlich günstigste und umweltfreundlichste
Technologie am Strommarkt durchsetzt. Die sofortige Streichung aller ökonomischen
Vorteile der Atomenergie in Verbindung mit Sicherheitsauflagen, die ständig dem Stand des
Wissens angepasst werden, ist für den schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomenergie
entscheidender als die Einigung über Laufzeiten. Ein Konsens mit den
Energieversorgungsunternehmen, der in irgendwelcher Weise auf ökonomische Druckmittel
verzichtet, darf auf keinem Fall eingegangen werden.
Einen Energiekonsens kann es nicht nur zwischen der rot-grünen Bundesregierung und den
großen Energieversorgern geben. Die Bundesregierung, das Bundesumweltministerium und auch
die grüne Bundestagsfraktion müssen sicherstellen, dass es zu einer stärkeren
Einbeziehung der atomkritischen Bevölkerung, der Bürgerinitiativen und Verbände kommt.
Nur das kann zu einem gesellschaftlichen Konsens führen. Transparenz ist auch für die
Atompolitik von rot-grün unverzichtbar.
Energiewende jetzt !
Die noch ausstehenden Schritte zum Einstieg in eine zukunftsfähige Energiewirtschaft
müssen noch in diesem Jahr in Angriff genommen werden durch:
1. Das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG-Novelle des Stromeinspeisegesetzes) muss zügig
verabschiedet werden.
2. Eine Quotenregelung für die Kraft-Wärme-Kopplung muß umgesetzt werden.
3. Die Erforschung neuer Techniken zur Energieeinsparung und zur Nutzung von regenerativen
Energien sind Zukunftsinvestitionen; es sollten erhebliche Mittel von Bund und Ländern
fließen.
4. Die kommunalen Energieversorgungsunternehmen müssen eine faire Marktchance erhalten.
U.a. muss ihnen gestattet werden, sich auch außerhalb der Gemeindegrenzen wirtschaftlich
zu betätigen.
5. Es muss jetzt schon begonnen werden, Konzepte für die AKW-Standorte zu entwickeln, um
für die Zukunft Ersatzarbeitsplätze zu schaffen und die alternative Energieversorgung zu
gewährleisten.
Bei der Auseinandersetzung über den Atomausstieg wird es darauf ankommen, dass
diejenigen, die den Ausstieg wollen, gemeinsam handeln und damit den größtmöglichen
Druck auf die Atomwirtschaft ausüben. Nicht zuletzt, weil ein Scheitern in der
Energiepolitik die Existenz der grünen Partei bedrohen könnte, muss besonders in der
Frage des Atomausstiegs - einem Herzstück der grünen Politik - Glaubwürdigkeit
wichtiger sein als die Koalition. Den jetzt vorgelegten Plan der Bundesregierung lehnen
wir nachdrücklich ab und erwarten die rasche Umsetzung der genannten Mindestziele.
UnterstützerInnen:
Stand 25.2.2000
Dennis Allerkamp (KV Hannover-Land), Kalle Altmann (Kreisgeschäftsführer, KV
Aurich-Norden), Jochen Baldauf (KV Goslar), Gabi Behrens (Präsidiumsmitglied des
Bundesfrauenrates, KV Cuxhaven), Frank Bertoldi (KV Bonn), Rolf Bertram (KV Göttingen),
Angelika Beuing (KV Leer), Ute Braedt (KV Goslar), Marlene Brandt (KV Northeim), Rolf
Bräuer (KV Peine), Axel Bust-Bartels (KV Göttingen), Wolfgang Dieck (KV Cuxhaven),
Angela Bösselmann (KV Peine), Dr. Dieter Buhmann (KV Braunschweig), Dr. Helmut Burdorf
(KV Hameln-Pyrmont), Siegmar Daume (KV Delitzsch), Lutz Drewnik (KV Leer), Eva Ebenhöh
(KV Osnabrück-Stadt), Alja Epp-Naliwaiko (KV Fulda), Rainer Epp (KV Fulda), Ulrike Feindt
(KV Soltau-Fallingbostel), Swaantje Fock (Vorstandssprecherin KV-Osnabrück-Stadt), Niklas
Forreiter (KV Göttingen), Hedda Freese (KV Nienburg), Klaus Gärtner (Sprecher LAG
Energie der GAL Hamburg), Waltraud Gerke-Wittford (KV Salzgitter), Annette Gille (KV
Braunschweig), Klemens Grolle (KV Emsland-Süd), Rolf Grösch (KV Vechta), Bernward Greder
(KV Cuxhaven), Rüdiger Hadel (KV Peine), Phillip Hagenah (KV Northeim-Einbeck), Jürgen
Härtel (KV Einbeck-Northeim), Peter Hartung (KV Wetterau), Thomas Heidorn (KV
Hannover-Stadt), Inge Henschel (KV Holzminden), Werner Hesse (KV Lüchow-Dannenberg),
Karsten Hinrichsen (KV Steinburg), Meta Janssen-Kucz (MdL, KV Leer), Ingo Keller (KV
Berlin Kreuzberg), Manfred Kracht (KV Wolfenbüttel), Angela Kröger (KV Emsland-Süd)
Wolfgang Langhans (KV Emsland-Süd), Manfred Leschinski (KV Harburg-Land), Wolfgang Lippel
(KV Nienburg) Christian Meyer (LaVo KV Holzminden), Wolfgang Michelson (KV
Soltau-Fallingbostel),Andrea Müller (KV Wolfenbüttel), Heidi Otten (KV Emsland-Süd),
Jens Pühn (KV Göttingen), Dagmar Raspe (KV Braunschweig), Peter Rau (KV Braunschweig),
Bernhard Ronstein (KV Berlin Friedrichshain), Marco Rieckmann (KV Lüneburg,
GJN-Landesvorstand), Jan Rordorf (KV Osterode), Thomas Rosin (Kreistagsabgeordneter KV
Grafschaft Bentheim),Peter Ruhwedel (KV Holzminden), Gesine Sander (KV Northeim),
Christopher Schmidt (KV Soltau-Fallingbostel), Werner Schmidt, (Sprecher Bezirksverband
Mittelfranken und Sprecher LAK Verkehr und Siedlungswesen Bayern KV Fürth-Land), Heike
Schneider (KV Göttingen), Thomas Schröder (MdL, KV Hameln-Pyrmont), Tim Schubert (KV
Bochum und Wattenscheid), Doro Steiner (MdL, KV Osnabrück-Stadt), Heidi Tischmann
(LaVo-Sprecherin, KV Hannover-Land), Martina Theil (KV Lüneburg), Eva Viehoff (KV
Cuxhaven), Felicitas Weck (KV Hannover-Stadt), Gertrud Westland (KV Osterode), Dieter
Wiedemann (KV Soltau-Fallingbostel), Georg Wippert (KV Goslar),
Wer den Antrag unterstützen möchte, mailt dieses bitte an: GruenLinks@welt-weit.com