Pazifismus
Ob Bündnis oder Netzwerk: Kein Gelöbnis!
In Berlin formiert sich eine noch namenlose "Linksalternative"
Von Uwe Kalbe
Der Kosovokrieg hat die Grünen zum großen Sprung ins Reich der neuen Mitte geführt, die Parteilinke zerrieben, den Aufruhr an der Basis aber bisher nicht befriedet. Deren Bröckeln führt zu Vernetzungen über den Parteirand hinweg.
Am späten Freitag abend beschloß ein Treffen von 40 Kriegsgegnern in Berlin die Gründung eines links-alternativen Bündnisses. Vorausgegangen war vor drei Wochen ein Treffen, das noch ganz unter dem Eindruck des Bielefelder Grünen-Parteitages, der den Kriegskurs Deutschlands absegnete, und des bundesweiten Treffens von Grün-Enttäuschten stand, das Mitte Mai in Dortmund im Streit endete.
Grüne Jugend hielt sich vorerst zurück
Berlin braucht eine Zusammenarbeit der Linken, so der Konsens der rund 40 Anwesenden am 16. Juni. Und: Diese muß parteiunabhängig sein. Anders als in Dortmund gelang in Berlin der Kompromiß. Der Verzicht auf Unterwerfungsrituale, in Dortmund den Grünen abverlangt, half dabei. Am Freitag nun der Beschluß, in Berlin eine dauerhafte Einrichtung werden zu wollen. Alles andere ist offen.
Geladen hatte wie vor drei Wochen Ida Schillen, unlängst aus der Partei
ausgetretene Grünen-Parlamentarierin des Abgeordnetenhauses, Veranstalter
war die Grünen-Bezirksgruppe Tiergarten, weitere Grünen-Abgeordnetenkolleginnen
führten das Wort. Der Bezug zur Partei war offenkundig, nur rund ein Drittel
der Anwesenden jedoch war tatsächlich Mitglied der Grünen. Die Potenz
jahrzehntelanger Sympathien mit den einstigen Ökologen, Pazifisten und
Feministen wirkt nach. Friedensgruppen, Jusos und auch PDSler erkennen überdies
die Chance zu neuen Bündnissen. Die Grüne Jugend Berlins, die am Wochenende
ein eigenes alternatives Netzwerk hatte gründen wollen, schloß sich
dem breiteren Kreis ebenfalls an - ob ihre Vertreter wiederkommen, wird sich
allerdings zeigen müssen. Am Freitag blieben sie auffällig unauffällig
im Hintergrund.
Welche Lebenschance die jetzt hier und da entstehenden, von Ex-Grünen inspirierten
Gruppen haben, wird tatsächlich davon abhängen, ob sie vor allem eine
therapeutische Funktion für heimatlos gewordene Parteimitglieder erfüllen
oder die Selbstbezogenheit der Grünen hinter sich lassen können, für
eine wirkliche Vernetzung von Linken sorgen - mit oder ohne grüne Anteile.
Das Problem wurde auch am Freitag bei der Suche nach einem geeigneten Namen
deutlich. Vor drei Wochen noch als "Basisgrün" zusammengetreten,
bereits als "links-alternatives Netzwerk" auseinandergegangen und
nun vor der Frage einer endgültigen Standortbestimmung, vertagte man die
letzte - inhaltliche - Entscheidung. Ob "Links-Alternatives Netzwerk",
"-Bündnis" oder "Bündnis gegen die neue Mitte",
ob "Alternative von unten", "Rote Runkelrüben" oder
"Linkes Bündnis, 99. Versuch" - verschieden die Erwartungen an
den Namen, den einen Schall und Rauch, den anderen verbindliches Etikett.
Phantasie für ein Gegengelöbnis
Konsens bisher ist das Bekenntnis zum Standort links. Immerhin seien die Anwesenden der Einladung zu einer "Links-Alternative" gefolgt, war die überraschte Reaktion auf einen Vorschlag, auf das "Links" zu verzichten. Drunter wollte man nicht bleiben. Sofort entschieden wurde die Unterstützung der Kampagne mehrerer Gruppen gegen das öffentliche Gelöbnis am 20. Juli in Berlin. Sowohl das Datum als auch die angekündigte Teilnahme von Kanzler Schröder und Bundes"verteidigungs"minister Scharping empfand die Runde als Provokation, erste Vorschläge zu einem Gegengelöbnis waren entsprechend phantasievoll. Mehr wird vorerst nicht verraten...