Nürnberger Erklärung

Samstag, 29. Januar 2000

Basisgrün Bayern - hat sich bei seinem bayernweiten Treffen am 29.01. 2000 vor allem mit den Fragen des Atomausstiegs und den Konsequenzen aus der aktuellen Krise des Staates, beschäftigt. Außerdem werden Partei und Fraktion aufgefordert, Maßnahmen und Initiativen innerparteilicher und außerparlamentarischer Art zu ergreifen, um den skandalösen und antidemokratischen Umgang der bayrischen Staatsregierung mit den 3 anhängigen Volksbegehren öffentlich zu machen, und sich für eine ungestörte Durchführung einzusetzen. Für den Umgang mit dem Atomausstieg und der Stärkung der Demokratie wurden folgende Beschlüsse gefaßt.

1. Den Atomausstieg organisieren:

Die Forderung nach dem Atomausstieg ist so alt wie die Durchsetzung der Atomkraft. Grüne Position war immer der auch jetzt noch mögliche sofortige Ausstieg. Den von grünen Regierungsmitgliedern angebotenen angeblichen Kompromiss zum Atomausstieg weisen wir scharf zurück. Er wird für vernünftig gehalten, da nur eine Gesamtlaufzeit von 30 Jahren verfassungsrechtlich unbedenklich sei und deshalb auch keine Entschädigungszahlungen in zig-Milliarden Höhe anfallen würden. Dieses Argument wird wider besseres Wissen verbreitet. Letztlich ist die Festlegung der Laufzeit von Atomkraftwerken eine politische und keine rechtliche Entscheidung.

Wir wenden uns entschieden dagegen, die Diskussion auf die Laufzeit der Anlagen zu reduzieren. Das Bedrohungspotential der AKWs steigt mit zunehmendem Alter der Anlagen. Deshalb fordern wir neben einem schnellstmöglichen Ausstieg, sofortige deutliche gesetzliche Regelungen, die Sicherheitsaspekte berücksichtigen und die einseitige Privilegierung des Atomsstroms beseitigen. Um die Gesundheit der Bevölkerung im Einzugsbereich von AKWs und bei den Atomtransporten wirksam zu schützen, ist eine Umkehr der Beweislast im Schadensfall unumgänglich. Eine Anhebung der Deckungsvorsorge von derzeit 500 Mio. DM auf 10 Mrd. DM pro AKW würde im Schadensfall zwar bei weitem nicht reichen, wäre aber von den AKW-Betreibern aufbringbar und würde zu einer etwas realistischeren Kostensituation bei Atomstrom führen. Um eine steuerliche Gleichbehandlung zu erreichen, müssen Kernbrennstoffe besteuert werden, ebenfalls die in zig-Milliarden Mark angehäuften steuerfreien Rückstellungen.

Eine sichere Endlagerung des Atommülls gibt es nicht. Damit müssen wir zwar leben, die Castortransporte verschärfen aber das Problem, indem sie die Atomstromproduktion erst möglich machen und damit den atomaren Müllberg vergrößern. Nach wie vor kann von sicheren Trans-porten nicht ausgegangen werden. Einige Behältertypen wurden nur durch Computersimulation auf ihre Zuverlässigkeit hin überprüft, es ist außerdem damit zu rechnen dass auf alte Behälter zurückgegriffen wird. Die Erteilung der Transportgenehmigung ist verantwortungslos. Grüne Politik ist nur dann glaubwürdig, wenn sie alles tut, um die Atomstromproduktion schnellstens zu beenden. Eine Konsenslösung mit 30 Jahren Laufzeit ist eine Verhöhnung grüner Geschichte und der vielen Tausend Menschen, die sich jahrelang für eine lebensfähiges Land engagiert haben. Deshalb
fordern wir die Parteiführung auf, einen faulen Kompromiss, der als Konsenslösung präsentiert wird, nicht zu akzeptieren. An den bayerischen Landesvorstand appellieren wir, dass er nicht hinter seine eigene Forderung zum Atomausstieg vom Herbst 99 zurückfällt, indem er eine Gesamtlaufzeit von deutlich unter 30 Jahren, also eher 25 als 27 Jahre als äußerste Grenze genannt hat.

2. Demokratie stärken - Machtmißbrauch verhindern

Die aktuelle Krise der Grünen Partei ist keine Krise der Strukturen, sondern eine falsche inhaltliche Positionierung verbunden mit der gefährlichen Tendenz, Machterhalt und Machtbeteiligung vor die inhaltliche, politische Debatte zu stellen.
Die Strukturdebatte stellt sich jedoch vor dem aktuellen Hintergrund der Staatskrise, ausgelöst durch den CDU- Spendenskandal, in einem völlig anderen Licht dar, als von Joseph Fischer und den Realos behauptet: Alte grüne Positionen, die die Gefahr des Machtmißbrauchs durch Strukturen zu minimieren suchen, sind höchst aktuell und zeitgemäß. Eine der zentralen Ursachen von Korruption ist und bleibt die Machtkonzentration auf wenige Personen für lange Zeit. Die Grünen haben dies vor 20 Jahren als eines der wesentlichsten Ursachen für die Ineffizienz des Parteiensystems und seinen zwangsläufigen Weg in die Korruption richtig erfaßt. Weil sie damals noch wußten, daß sie nicht die besseren Menschen sind, haben die Grünen in die Struktur der Partei Mechanismen eingebaut, die der Gefahr des Machtmißbrauchs strukturell vorbeugen können:

1. Die Trennung von Amt und Mandat ist ein notwendiges Mittel zur eigenständigen Profilierung und Positionierung der Partei, deren Aufgabe es ist, langfristige Zielvorgaben für die politische Arbeit zu formulieren.

2. Das Rotationsprinzip, das gerade im Hinblick auf die momentane Krise gesellschaftlich mehrheitsfähig werden könnte, ist ein effizientes Mittel die Verkrustung von Strukturen zu verhindern, aus diesem Grund wird sie vielfach in Wirtschaft und Politik angewandt. Die Grünen sollten diese Strukturen wiederbeleben.

3. Die/Der gläserne Abgeordnete ist ebenfalls eine urgrüne Forderung. Dazu gehören die Offenlegung der Einkommenssituation und eine starke Beschränkung von Nebentätigkeiten insbesondere in Aufsichtsräten. Wer zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Trennung von Amt und Mandat aufheben will, hat nicht verstanden, daß die weitere Erosion demokratischer Prinzipien dringend verhindert werden muß. Vertrauen in Politik und Glaubwürdigkeit der PolitikerInnen kann nur wiederhergestellt werden, wenn Mechanismen sicherstellen, daß Macht und Einfluß nicht mißbraucht werden. Alle BürgerInnen - unabhängig von gesellschaftlicher Stellung und Einkommen, müssen die Gewähr dafür haben, daß ihre Anliegen politisch wahrgenommen und im demokratischen Prozeß durchgesetzt werden können. Politische Strukturen müssen deshalb so gestaltet sein, daß gesellschaftliche Veränderungen möglich sind. Die gerade jetzt hochmodernen urgrünen Strukturprinzipien können eine Machtkonzentration auf wenige verhindern und eine Debatten- und Beteiligungskultur etablieren, die einen lebendigen und herrschaftsfreien politischen Prozeß möglich macht.. Wir fordern die grüne Bundestagsfraktion und die Parteiführung von Bündnis 90/Die Grünen auf, Gesetzesentwürfe auszuarbeiten, die eine weitgehende Übernahme grüner Prinzipien für die Wahl von ParlamentarierInnen und die Ernennung von Regierungsmitgliedern beinhalten. Es muss Aufgabe der Grünen sein, einen offensiven Weg aus der gefährlichen Korruptionskrise der Demokratie zu zeigen.