Liebe grüne Freundinnen und Freunde,
als Beitrag zum Grundsatzprogramm mein Textvorschlag
für ein "Schlüsselprojekt Gewaltfreiheit verwirklichen". Gerade
nach Rostock müssen wir zeigen, daß der politische Pazifismus
bei Bündnis 90/ Die Grünen weiter seine Heimat hat und worin
unser Engagement für Gewaltfreiheit besteht. Es ist deswegen ein wichtiges
öffentliches Signal, wenn wir dieses Thema neben den zwölf bereits
auf-geführten als Schlüsselprojekt benennen. Am langfristigen
Ziel der "Überwindung der politi-schen Institution des Krieges" (C.F.v.Weizsäcker)
müssen wir festhalten!
Schlüsselprojekt "Gewaltfreiheit verwirklichen"
Das allgemeine Gewaltverbot, das in der Charta der Vereinten
Nationen von 1945 als Konsequenz aus zwei furchtbaren Weltkriegen festgeschrieben
wurde, stellt eine große zivilisatorische Errungenschaft und einen
bedeutenden völkerrechtlichen Fortschritt dar. Mit diesem Gewaltverbot
wurde ein wichtiger Schritt getan, um dem Krieg im öffentlichen Bewußtsein
seine Selbstverständlichkeit als Mittel der Politik zu entziehen.
Krieg ist gerade im Unterschied zu Aggression nicht die Folge einer unabänderlichen
Natur des Menschen.
Krieg ist vielmehr eine staatliche und politische
Einrichtung:
Krieg hat Rüstungsproduktion, militärische
Ausbildung, ideologische Begründungen und griffige Feindbilder zur
Voraussetzung.
Rüstung geht mit einer enormen Ressourcenverschwendung
auf Kosten sozialer und nachhaltiger Entwicklung einher. Anwendung militärischer
Gewalt und insbesondere der Einsatz von Massenvernichtungswaffen bedeutet
organisiertes Töten und Verstümmeln von Menschen, hat Zerstörung
und Verfeindungen zur Folge und kann nach wie vor in eine globale Katastrophe
münden. Krieg kann deshalb nach unserem Verständnis kein normales
Mittel der Politik sein, auch wenn wir für eine Übergangszeit
in begründeten Einzelfällen militärische Einsätze,
die dem Buchstaben und dem Geist der Charta der Vereinten Nationen entsprechen,
mittragen. Unser Ziel ist aber, in allen gesellschaftlichen und zwischenstaatlichen
Bereichen gewaltfreie Konfliktlösungen zu fördern und
langfristig die politische Institution des Krieges zu überwinden.
Um dieses langfristige Ziel zu erreichen, setzen wir
uns in allen Politikfeldern für die Stärkung einer Kultur
der Gewaltfreiheit und der Prävention ein:
Im Bildungsbereich heißt das, Kommunikation,
Dialog und gewaltfreie Konfliktlösung, z.B. in Streitschlichter-Projekten,
einzuüben und zu fördern. Die Friedens- und Konfliktforschung
muß weiter ausgebaut werden. Finanzielle Mittel für den Zivilen
Friedensdienst und für die Ausbildung von Fachkräften für
UN- und OSZE-Friedensmissionen müssen kontinuierlich erhöht werden.
Außenpolitisch bedeutet das: Grüne
Friedenspolitik setzt auf verstärkte Krisenprävention, größere
Anstrengungen bei der Entwicklungs-
zusammenarbeit und auf den Aufbau einer globalen Rechtsordnung.
Eine Kultur der Prävention umfaßt u.a. Frühwarnung, Vermittlung
in Krisengebieten und zivile Konfliktbearbeitung. Auch Entwicklungszusammenarbeit
dient der Krisenprävention, indem sie hilft,
wirtschaftliche, soziale und ökologische Probleme
zu lösen. Die Annäherung der Lebenschancen zwischen Nord und
Süd und die Überwindung der Kluft zwischen Arm und Reich sind
wesentliche Voraussetzungen für erfolgreiche Krisenprävention.
Dazu bedarf es verbindlicher Kontroll- und Steuerungsmechanismen für
die internationalen Finanzmärkte.
Friedenspolitik ist Weltinnenpolitik. Wir brauchen
ein internationales demokratisches Gewaltmonopol, das eine internationale
Rechtsordnung sichern kann. Wir setzen uns dafür ein, den UN sogenannte
stand-by-Kontingente für Polizei- und Militäraktionen zur Verfügung
zu stellen. Langfristig müssen alle nationalen Armeen zugunsten einer
internationalen Polizeitruppe abgeschafft werden. Mit der Errichtung eines
Internationalen Strafgerichtshofes ist ein wichtiger Schritt erfolgt. Notwendig
sind weitere Schritte zur Förderung der Effizienz und zur Demokratisierung
der UN.
Thomas Mohr, Textversion 1, 6.1.02
P.S.
Der erste Teil des Textes ist mir besonders wertvoll.
Möglicherweise könnte manches davon auch im Abschnitt ?Unsere
Werte. Gewaltfreiheit" untergebracht werden. Mir ist nicht klar, warum
im Unterschied zum Grundkonsens unsere Partei von 1993 Gewaltfreiheit und
Menschenrechte plötzlich nur noch kleingeschriebene Unter-Werte sein
sollen, nur weil sie bereits im Text-entwurf der Gruppe basis 2.1 aus Baden-Württemberg,
der ansonsten auch viel Gutes enthält, unter den Tisch gefallen sind.
Insbesondere was die konkreten Forderungen im zweiten
Teil meines Vorschlags betrifft, bin ich für textliche Verbesserungsvorschläge
dankbar. Trotz seines mißverständlichen Titels bietet das Papier
der Bundestagsfraktion "Von der Friedensbewegung zur Friedenspolitik" dazu
wichtige Anregun-gen,
die ich stichpunktartig aufgegriffen habe. Nicht jedes
Detail muß im Schlüsselprojekt stehen. Der Absatz "Politik der
Konfliktprävention und Abrüstung" u.a. enthalten ja bereits Wichtiges.
Ein Schlüsselprojekt
verdeutlicht aber die gemeinsame Grundlinie.
Der Satz in Zeile 412 "Wir wissen, dass sich Gewalt als
Ultima Ratio leider nicht immer ausschlie-ßen lässt." sollte
allerdings gestrichen werden. Da erscheint mir mein Vorschlag präziser:
"Krieg kann deshalb nach unserem Verständnis kein normales Mittel
der Politik sein, auch wenn wir für eine Übergangszeit in begründeten
Einzelfällen militärische Einsätze, die dem Buchstaben und
dem Geist der Charta der Vereinten Nationen entsprechen, mittragen."
Für Rückmeldungen bin ich dankbar.
Ich werde versuchen, sie in eine zweite Textversion einzuarbeiten.
Mit freundlichem Gruß
Thomas Mohr
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