BasisGrün - Linke Grüne in Bayern

Stade 6.1.2002 Brief von Dr Thomas Mohr an die Grünen
Schlüsselprojekt "Gewaltfreiheit verwirklichen"
Liebe grüne Freundinnen und Freunde,

als Beitrag zum Grundsatzprogramm mein Textvorschlag für ein "Schlüsselprojekt Gewaltfreiheit verwirklichen". Gerade nach Rostock müssen wir zeigen, daß der politische Pazifismus bei Bündnis 90/ Die Grünen weiter seine Heimat hat und worin unser Engagement für Gewaltfreiheit besteht. Es ist deswegen ein wichtiges öffentliches Signal, wenn wir dieses Thema neben den zwölf bereits auf-geführten als Schlüsselprojekt benennen. Am langfristigen Ziel der "Überwindung der politi-schen Institution des Krieges" (C.F.v.Weizsäcker) müssen wir festhalten!

Schlüsselprojekt "Gewaltfreiheit verwirklichen"
Das allgemeine Gewaltverbot, das in der Charta der Vereinten Nationen von 1945 als Konsequenz aus zwei furchtbaren Weltkriegen festgeschrieben wurde, stellt eine große zivilisatorische Errungenschaft und einen bedeutenden völkerrechtlichen Fortschritt dar. Mit diesem Gewaltverbot wurde ein wichtiger Schritt getan, um dem Krieg im öffentlichen Bewußtsein seine Selbstverständlichkeit als Mittel der Politik zu entziehen. Krieg ist gerade im Unterschied zu Aggression nicht die Folge einer unabänderlichen Natur des Menschen. 
Krieg ist vielmehr eine staatliche und politische Einrichtung:
Krieg hat Rüstungsproduktion, militärische Ausbildung, ideologische Begründungen und griffige Feindbilder zur Voraussetzung.
Rüstung geht mit einer enormen Ressourcenverschwendung auf Kosten sozialer und nachhaltiger Entwicklung einher. Anwendung militärischer Gewalt und insbesondere der Einsatz von Massenvernichtungswaffen bedeutet organisiertes Töten und Verstümmeln von Menschen, hat Zerstörung und Verfeindungen zur Folge und kann nach wie vor in eine globale Katastrophe münden. Krieg kann deshalb nach unserem Verständnis kein normales Mittel der Politik sein, auch wenn wir für eine Übergangszeit in begründeten Einzelfällen militärische Einsätze, die dem Buchstaben und dem Geist der Charta der Vereinten Nationen entsprechen, mittragen. Unser Ziel ist aber, in allen gesellschaftlichen und zwischenstaatlichen Bereichen gewaltfreie Konfliktlösungen zu fördern und langfristig die politische Institution des Krieges zu überwinden.
Um dieses langfristige Ziel zu erreichen, setzen wir uns in allen Politikfeldern für die Stärkung einer Kultur der Gewaltfreiheit und der Prävention ein: 
Im Bildungsbereich heißt das, Kommunikation, Dialog und gewaltfreie Konfliktlösung, z.B. in Streitschlichter-Projekten, einzuüben und zu fördern. Die Friedens- und Konfliktforschung muß weiter ausgebaut werden. Finanzielle Mittel für den Zivilen Friedensdienst und für die Ausbildung von Fachkräften für UN- und OSZE-Friedensmissionen müssen kontinuierlich erhöht werden.
Außenpolitisch bedeutet das: Grüne Friedenspolitik setzt auf verstärkte Krisenprävention, größere Anstrengungen bei der Entwicklungs-
zusammenarbeit und auf den Aufbau einer globalen Rechtsordnung. Eine Kultur der Prävention umfaßt u.a. Frühwarnung, Vermittlung in Krisengebieten und zivile Konfliktbearbeitung. Auch Entwicklungszusammenarbeit dient der Krisenprävention, indem sie hilft,
wirtschaftliche, soziale und ökologische Probleme zu lösen. Die Annäherung der Lebenschancen zwischen Nord und Süd und die Überwindung der Kluft zwischen Arm und Reich sind wesentliche Voraussetzungen für erfolgreiche Krisenprävention. Dazu bedarf es verbindlicher Kontroll- und Steuerungsmechanismen für die internationalen Finanzmärkte. 
Friedenspolitik ist Weltinnenpolitik. Wir brauchen ein internationales demokratisches Gewaltmonopol, das eine internationale Rechtsordnung sichern kann. Wir setzen uns dafür ein, den UN sogenannte stand-by-Kontingente für Polizei- und Militäraktionen zur Verfügung zu stellen. Langfristig müssen alle nationalen Armeen zugunsten einer internationalen Polizeitruppe abgeschafft werden. Mit der Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofes ist ein wichtiger Schritt erfolgt. Notwendig sind weitere Schritte zur Förderung der Effizienz und zur Demokratisierung der UN.
Thomas Mohr, Textversion 1, 6.1.02

P.S. 
Der erste Teil des Textes ist mir besonders wertvoll. Möglicherweise könnte manches davon auch im Abschnitt ?Unsere Werte. Gewaltfreiheit" untergebracht werden. Mir ist nicht klar, warum im Unterschied zum Grundkonsens unsere Partei von 1993 Gewaltfreiheit und Menschenrechte plötzlich nur noch kleingeschriebene Unter-Werte sein sollen, nur weil sie bereits im Text-entwurf der Gruppe basis 2.1 aus Baden-Württemberg, der ansonsten auch viel Gutes enthält, unter den Tisch gefallen sind.
Insbesondere was die konkreten Forderungen im zweiten Teil meines Vorschlags betrifft, bin ich für textliche Verbesserungsvorschläge dankbar. Trotz seines mißverständlichen Titels bietet das Papier der Bundestagsfraktion "Von der Friedensbewegung zur Friedenspolitik" dazu wichtige Anregun-gen,
die ich stichpunktartig aufgegriffen habe. Nicht jedes Detail muß im Schlüsselprojekt stehen. Der Absatz "Politik der Konfliktprävention und Abrüstung" u.a. enthalten ja bereits Wichtiges. Ein Schlüsselprojekt
verdeutlicht aber die gemeinsame Grundlinie.
Der Satz in Zeile 412 "Wir wissen, dass sich Gewalt als Ultima Ratio leider nicht immer ausschlie-ßen lässt." sollte allerdings gestrichen werden. Da erscheint mir mein Vorschlag präziser: "Krieg kann deshalb nach unserem Verständnis kein normales Mittel der Politik sein, auch wenn wir für eine Übergangszeit in begründeten Einzelfällen militärische Einsätze, die dem Buchstaben und dem Geist der Charta der Vereinten Nationen entsprechen, mittragen."

Für Rückmeldungen bin ich dankbar. Ich werde versuchen, sie in eine zweite Textversion einzuarbeiten.
Mit freundlichem Gruß
Thomas Mohr
Ossingerstr.45
81375 München
Tel. 089/ 71 03 43 35