Kommunales
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Programm-Beispiel : München Kommunalwahl 1996

 Präambel

Im Grunde wissen es alle: So wie bisher können wir nicht weitermachen. Die Einsicht, Produktion und Konsum der Industriegesellschaft neu regeln zu müssen, hat sich längst - mit mehr oder weniger Konsequenz und Ehrlichkeit - in den Programmen aller politischen Parteien niedergeschlagen. Sie hat auch die Führungsetagen der Wirtschaft erreicht. Der politische Stellenwert des Themas Ökologie ist enorm gestiegen, seitdem DIE GRÜNEN, von vielen als Spinner belächelt, vor über 15 Jahren ihren Einzug in die Parlamente begannen. 
Doch noch ist es nicht ausreichend gelungen, den gewachsenen Stellenwert des Umweltschutzes in konsequente Politik umzusetzen. Allzuoft versteckt sich hinter wohlfeiler Rhetorik das Zögern, ja die Angst vor dem Wandel. Zwischen der Bereitschaft vieler Menschen, ihre Lebensgewohnheiten zu verändern, und der Bereitschaft vieler Politiker, das notwendige Wagnis wirklicher Reformen einzugehen, klafft eine breite Lücke. 
Häufig erweckt die Politik den Eindruck, hinter den Problemen der Zeit zurückzubleiben, statt voraussehend Antworten anzubieten - und das gilt nicht nur für die Sicherung unserer natürlichen Lebensgrundlagen: Die auf hohem Niveau stagnierende Arbeitslosigkeit, die wachsende soziale Ungerechtigkeit - im Weltmaßstab ein grausamer Zynismus -, der Wunsch nach mehr direkter Beteiligung der BürgerInnen an der Politik, die Frage nach der zukünftigen Rolle des Staates, der Kampf der Frauen für die Gleichberechtigung der Geschlechter und das Zusammenleben von Menschen verschiedener Kulturen auf engem Raum stellen die Gesellschaft vor schwierige Fragen.
Bündnis 90/DIE GRÜNEN haben im Stadtrat diese Fragen aufgegriffen, Antworten formuliert und so Keime für soziale ökologische und demokratische Reformen gepflanzt:

Unser Prinzip: Solidarität.

Gegen die Armut von immer mehr Menschen, die aus dem Arbeitsleben ausgeschlossen werden, gegen Isolation, Obdachlosigkeit und Drogenkrankheit setzen wir das Prinzip der Solidarität. Dies ist eine Säule unserer Zivilisation, an der wir nicht rütteln lassen. Wir sehen in der Bekämpfung der Armut eine unserer zentralen Aufgaben. Wir wollen denen, die an der Stadtgesellschaft nicht mehr teilhaben können, die Teilhabe wieder ermöglichen. Dazu wollen wir mit allen gesellschaftlichen Kräften zusammenarbeiten, die dieses Ziel auch verfolgen.

Ökologie hat Vorrang

Die Verantwortung für unseren Planeten gebietet einen schonenden Umgang mit allen natürlichen Ressourcen. Ökologische Politik bedeutet, bei allen Planungen und Entscheidungen der Stadt von Anfang an ökologische Kriterien vorrangig zu berücksichtigen - das ist umweltschonender und billiger als spätere Nachsorge. Unter diesem Aspekt verbieten sich ein Festhalten an der gefährlichen Atomenergie ebenso wie neue Straßen-Großprojekte in oder vor den Toren von München. Energiesparprogramme, Strategien zur Müllvermeidung, die Reduzierung des Autoverkehrs auf ein vernünftiges Maß und die gleichzeitige Förderung umweltfreundlicher Verkehrsmittel sind die Bestandteile konsequenter Umweltpolitik für München.

Menschenrechte sind unteilbar

Frauen sind im Alltag weiterhin vielfältiger Diskriminierung ausgesetzt. Es bleibt daher eines unserer wichtigsten Ziele, sie bei der Erlangung voller Gleichberechtigung zu unterstützen. Darum ist bei uns jeder zweite Stadtrat eine Frau!
Menschenrechte sind unteilbar, sie gelten für alle und überall. Unsere besondere Solidarität gilt daher den EinwanderInnen und Flüchtlingen, die in unserer Stadt leben. Die Einrichtung eines Flüchtlingsamtes, die Betreuung von Folteropfern und unser Eintreten für politische Rechte für EinwanderInnen waren Signale für ein humanes Klima in München.

Demokratie wächst von unten

Wirkliche Veränderungen können nicht nur aus den Parlamenten kommen, sie benötigen die Unterstützung möglichst vieler Menschen. Wir bauen daher auf die Zusammenarbeit mit Bürgerinitiativen und wollen die Mitwirkungsrechte der BürgerInnen an politischen Entscheidungen erweitern. 
Die Grüne Reformpolitik mußte sich in den letzten Jahren unter denkbar schwierigen Rahmenbedingungen durchsetzen. Die Politik der Bundesregierung hat die finanziellen Spielräume der Kommunen immer weiter eingeschränkt. Zahlreiche sinnvolle Projekte scheiterten an der prekären Situation der öffentlichen Kassen, die strikte Sparsamkeit erfordert. Leider ist für die nahe Zukunft nur wenig Besserung zu erwarten. Wir werden uns bemühen, durch Verschuldungs- und Subventionsabbau die politischen Entscheidungsspielräume der Stadt zu erhöhen.
Zudem waren wir als kleinerer Partner eines Bündnisses im Münchner Rathaus stets auf die Abstimmung mit der SPD angewiesen - einer Partei, die sich in einer ernsten Orientierungskrise befindet. Viele unserer Reformvorhaben blieben im Ansatz stecken, weil unser Partner zaudernd an überkommenen Denkgewohnheiten festhielt und ängstlich auf verlorene Wählerinnen und Wähler schielte. Der Konflikt um das Milliardenprojekt Messeverlagerung und dessen unseriöse Finanzierung sowie die Wiederwahl des CSU-Mannes Uhl und seiner inhumanen Ausländerpolitik zum Kreisverwaltungsreferenten haben die Koalition schwer belastet.
Dennoch wollen die Münchner Grünen die Zusammenarbeit mit der SPD fortsetzen, denn das ist die einzige Chance, die begonnenen Reformen weiterzuführen. Als bloße Mehrheitsbeschaffer stehen wir allerdings nicht zur Verfügung. Eine Fortsetzung des Bündnisses im Rathaus muß deutlicher als bisher die Konturen Grüner Politik erkennen lassen. Die Alternative wäre eine Machtübernahme der CSU: Ökologische Ignoranz, soziale Kälte, unverhohlene Ausländerfeindlichkeit, Spezlwirtschaft und die Mißachtung von Frauenrechten sind die Kennzeichen der CSU-Politik in München. 
Dagegen setzen wir unsere Reformpolitik für ein modernes München. Wir sind nach wie vor von der Notwendigkeit grundsätzlicher Änderungen, ja eines tiefgreifenden Wertewandels überzeugt. Die stete Mehrung des materiellen Wohlstandes einer Minderheit durch Raubbau an unseren natürlichen Lebensgrundlagen ist kein zukunftsfähiges Gesellschaftsmodell. Doch haben wir in unserer noch kurzen Geschichte gelernt, daß sich die historisch gewachsenen und hochkomplexen Strukturen der modernen Industriegesellschaft nicht von heute auf morgen umkrempeln lassen.
Reformpolitik braucht einen langen Atem. Wir stehen erst am Anfang eines schwierigen Weges, gepflastert mit offenen Fragen. Wir müssen ihn dennoch wagen, denn wir wissen: Die Richtung stimmt. 

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