Kommunales
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Programm-Beispiel : München Kommunalwahl 1996

Kultur: Freiräume schaffen - sich einmischen

Kultur ist die soziale und politische Textur unserer Stadt. Alle Lebensbereiche sind von ihr durchdrungen. Kultur mischt sich ein, ist überall, wirkt auf das gesamte wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben. 
Kultur findet nicht nur in Konzertsälen und auf Vernissagen statt, sondern genauso in Hinterhöfen, zwischen Stachus und Marienplatz, auf den Münchner Gehwegplatten oder in Moosschwaige und Birkenried.
Kultur ist gefährdet durch Wohn- und Arbeitsbedingungen, durch Entfremdungsprozesse, die den Menschen Selbständigkeit und schöpferische Kraft rauben. Millionen Menschen flüchten in ihrer Freizeit vor der Unwirtlichkeit der Städte. Um ihnen wieder Identifikationsmöglichkeiten zu geben, brauchen wir - ebenso wie eine biologische - eine kulturelle Klimaverbesserung.
Traditionelle Kulturpolitik fördert stets das Reproduzierbare, das Angepaßte und das Gewohnte. GRÜNE Kulturpolitik  will dagegen Chancen bieten, aus diesem Kreislauf auszubrechen, will Freiräume schaffen, will Mut und Phantasie anregen. 
Grundsätzlich gilt: Kultur existiert auch ohne Kulturreferat und ohne städtische Kulturpolitik. Andererseits haben KünstlerInnen und ihr Publikum Anspruch auf Förderung und Vermittlung. Kultur bietet die Chance, Isolation zu überwinden und Kontrapunkte gegen die "Übermacht des Alltags" zu setzen.
Für Bündnis 90/DIE GRÜNEN bedeutet Kulturpolitik sowohl die Pflege des traditionellen Kulturerbes als auch die Förderung eines lebendigen Kulturlebens mit einer Vielzahl erfrischender, neuer und unabhängiger Initiativen.

Erste Erfolge

Erste Erfolge bestärken uns in dieser Absicht. So haben Bündnis 90/DIE GRÜNEN 
  • eine bessere Förderung der freien Theaterszene erreicht (20 % mehr Mittel). Das Gießkannenprinzip wurde durch die gezielte Förderung qualitativ hochwertiger Produktionen und Bühnen ersetzt. Dabei entscheidet eine von Parteien und Fraktionen unabhängige Kommission. Das Theater der Jugend in der Schauburg konnte mit Unterstützung der GRÜNEN Fraktion so ausgestattet werden, daß es inzwischen europäischen Rang erreicht hat.
  • die heimatlose Münchner Hallenkultur wieder zum Leben erweckt. Nach Jahren der Not gibt es nun wieder eine lebendige Hallenszene in München. Gegen die Bedenken des Alt-OB Kronawitter haben Bündnis 90/DIE GRÜNEN Kultur in Riem durchgesetzt. Die Muffathalle entwickelte sich zu einer international bedeutenden Adresse für Musik, Theater und Performance. Weitere Beispiele sind die Wiederinbetriebnahme des Schlachthofs, die neue Alabama-Halle, der Tempel und in der Club-Szene Strom, Backstage und Tilt.
  • das Konzept der Atelierförderung vorangetrieben. So wurden z.B. 26 weitere Ateliers an der Dachauerstraße für KünstlerInnen zur Verfügung gestellt. 
  • die Voraussetzungen für die Wiedererrichtung der Schrannenhalle geschaffen, damit die Altstadt kulturell belebt wird.

Für eine weitere kulturelle Klimaverbesserung

GRÜNE Kulturpolitik geht über den bisherigen Ansatz der Bürgerhausidee hinaus - von der Fremdbestimmung zur Selbstbestimmung. Die Auseinandersetzung mit veralteten SPD-Strukturen und -Auffassungen bleibt hierbei nicht aus. Wir unterstützen das Konzept der Kulturläden, das die Öffnung für alle BürgerInnen des Stadtteils vorsieht. Dies schließt auch multikulturelle Konzepte mit ein.
Gerade in Vierteln mit ungünstigen Wohn- und Lebensbedingungen sind Kulturläden sinnvoll. Hier wird Nachbarschaft gelebt und erlebt. Kinder und Erwachsene finden ein abwechslungsreiches Angebot an Filmen, Lesungen, Ausstellungen, Musik oder Diskussionen. So können auch Stadtteilgruppen gefördert werden, die keinem Mainstream angehören, und KünstlerInnen haben die Möglichkeit, sich mit speziellen Projekten den Jugendlichen in Problemvierteln zuzuwenden.  Vorbildlich war z.B. ein Filmprojekt mit Jugendlichen im Hasenbergl, für dessen Fortsetzung wir uns einsetzen werden. 
Besonders wichtig sind uns außerdem weltoffene Kulturinitiativen, die sich bewußt Aufklärung und politische Emanzipation zur Aufgabe machen. Zukunftswerkstätten, Ideen- und Erfinderzellen können Kompetenz für basisdemokratische Mitbestimmung vermitteln. 
Jede lebendige Kultur ist transkulturellen Einflüssen ausgesetzt. Ein Schwerpunkt der Kulturdebatte muß deshalb auf die wechselseitige Einarbeitung fremder Kulturmuster gelegt werden. Lebendige Kulturen zeichen sich gerade dadurch aus, daß sie zu einem Austausch mit Fremdem fähig sind und sich dadurch verändern. 
Bündnis 90/DIE GRÜNEN wollen zusammen mit KünstlerInnen und BürgerInnen dieser Stadt den öffentlichen Raum zurückerobern. Beton- und Asphaltschluchten dürfen nicht als schicksalhafter Wandel einer Stadtkultur defätistisch hingenommen werden. Die gebaute Umwelt muß als kulturelles Erbe begriffen und bewahrt werden. Die Unverwechselbarkeit der Stadtteile muß als erlebbare Kultur- und Alltagsgeschichte erhalten bleiben. Zeitgenössische Architektur darf andererseits human- und stadtökologische Zukunftsplanung nicht vernachlässigen. Münchner KünstlerInnen sind durch Wettbewerbe und Werkaufträge für Kunst am Bau, an Straßen-, Platz- und Parkgestaltung zu beteiligen.

Kunststadt München

Das hohe Niveau der städtischen Orchester, Theater und Ausstellungsräume muß erhalten bleiben. Schließungen aufgrund der Haushaltslage werden wir verhindern. Denn Kunst und Kultur sind ein bürgerschaftliches Grundbedürfnis, schaffen Arbeitsplätze und sind ein bedeutender wirtschaftlicher Standortfaktor. Ein "entweder - oder" bei der Förderung von Hochkultur, Volkskultur und Alternativkultur kann es nicht geben. 

Biergartenkultur

Die Lebendigkeit unserer Stadt wird wesentlich beeinflußt durch ihre Kneipen, Restaurants und Biergärten. Wer hier Friedhofsruhe verordnet, killt Kommunikation und Lebenslust. Deshalb sind Sperrszeiten so liberal wie möglich zu handhaben, natürlich nicht ohne Rücksicht auf die AnwohnerInnen. Nur: Nicht Lachen und Flirten belästigt den Ruhebedürftigen, sondern unnötige Autofahrten. 

Mehr experimentelle Freiräume

Wie bereits in den letzten Jahren wollen wir auch in Zukunft preiswerte  Arbeits-, Proben- und Veranstaltungsräume für KünstlerInnen nutzbar machen. Die Ateliers an der Dachauerstraße müssen ebenso erhalten bleiben wie die denkmalgeschützte Jutierhalle, die schleunigst einer kulturellen Nutzung zuzuführen ist. Auch leerstehende Kasernen eignen sich z.B. hervorragend für künstlerische Zwischennutzung. Von der Straßenunterführung bis zur Fabrikhalle - es gibt noch viele Räume für das Kulturleben zu entdecken. 

Besonderes Augenmerk richten wir dabei auf die Gegenwartskunst. Ob Musik, Theater, Tanz , Film, Video, Medien, Literatur, bildende Kunst oder Architektur: Wir wollen das Neue, das Verändernde, die Avantgarde stärker fördern und für die Arbeit zeitgenössischer KünstlerInnen mehr experimentellen Freiraum schaffen.

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