Kommunales
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Programm-Beispiel : München Kommunalwahl 1996

Gesundheit

Bündnis 90/DIE GRÜNEN gehen von einem ganzheitlichen Gesundheitsbegriff aus. 
Deshalb treten wir dafür ein, daß bei allen Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge und -versorgung der ganze Mensch in seinen Bezügen zur physikalischen und sozialen Umwelt gesehen wird. Die Lebensbedingungen müssen so gestaltet werden, daß Frauen und Männer sich persönlich und sozial entfalten können und keinen vermeidbaren gesundheitlichen Risiken ausgesetzt werden. 

Was haben wir seit 1990 erreicht?

  • Aufgrund eines Antrags der GRÜNEN wurden an den städtischen Krankenhäusern Stellen für PatientenfürsprecherInnen eingerichtet. 
  • Nachdem wir bereits 1985 einen Antrag auf Einrichtung eines Sterbe-Hospizes gestellt hatten, wird dieses Anfang 1997 endlich fertiggestellt.
  • Wir haben uns für mehr Ärztinnen in leitenden Positionen eingesetzt, z.B. eine zweite Chefärztin in Neuperlach (neben 72 männlichen Chefärzten in allen städtischen Krankenhäusern!). Wir werden dafür sorgen, daß bereits im Berufungsverfahren mehr Chancengleichheit für die Frauen hergestellt wird, damit der Anteil der Frauen an den Chefarztposten wesentlich erhöht werden kann.
  • Wir haben städtische Krankenhäuser in Eigenbetriebe umgewandelt, um eine größere Wirtschaftlichkeit bei gleicher bzw. größerer Qualität zu erreichen. Wir haben darüberhinaus die Stellung der Pflege wesentlich verbessert. Die Bedeutung der Pflege im Krankenhaus wurde institutionell abgesichert.
  • Der Pflegenotstand konnte durch tarifliche Verbesserungen, die Bereitstellung von Wohnungen und Kindergartenplätzen entschärft werden.
  • Die Förderung von Selbsthilfe und selbstorganisierten Projekten im Gesundheitsbereich wurde mit ca. 2 Mio DM jährlich ausgebaut.
  • Die stadtteilbezogene Gesundheitsförderung und -beratung  wurde ausgeweitet.
  • Die Hilfen für HIV-Infizierte und AIDS-Kranke wurden durch Präventions- und Beratungsarbeit und betreute Wohnformen der Münchner AIDS-Hilfe ausgebaut.
  • Ein geronto-psychiatrischer Dienst wurde eingerichtet.

Gesundheitsvorsorge und Gesundheitsförderung

Die Stadtplanung, einschließlich Grün- und Verkehrsplanung, muß auf die Erfüllung der sozialen und gesundheitlichen Grundbedürfnisse der Menschen ausgerichtet sein. Wohnungen, Wohnumfeld und öffentlicher Raum müssen so gestaltet sein, daß Kommunikation und sinnvolle Betätigung möglich sind. Die gesundheitsschädlichen Auswirkungen des Kfz-Verkehrs sind zu minimieren. Besonders an hochbelasteten Straßen sind Maßnahmen zur Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs zu treffen. 
Die Möglichkeit der Mitgestaltung für die BürgerInnen ist in allen Lebensbereichen erforderlich, um diese Grundbedürfnisse zu artikulieren und ihre Erfüllung durchzusetzen. Partizipation führt zu mehr sozialer und gesundheitlicher Verantwortung und damit zu einer Stärkung der psychischen und physischen Gesundheit. 
Gesundheitsvorsorge muß dezentral in den Stadtteilen, in Schulen und Kindergärten stattfinden. Wir wollen Stadtteil-Gesundheitszentren, die ganzheitliche Gesundheitsvorsorge betreiben, d.h. auch die soziale und umweltbedingte Lebenssituation der Menschen bei allen Maßnahmen mit berücksichtigen. Deshalb halten wir drei weitere stadtteilorientierte Gesundheitsberatungsangebote - evtl. auch in freier Trägerschaft - in Anlehnung an das Konzept der Gesundheitsberatungsstelle Hasenbergl-Nord für notwendig.
Bei allen Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge sind die besonderen Problemlagen von Frauen und AusländerInnen besonders zu berücksichtigen.
Im Bereich der Suchthilfe kommt der (Primär-) Prävention besonderes Gewicht zu. Wir fordern eine engere Verzahnung des städtischen Präventionszentrums mit den mit Suchtfolgen befaßten Einrichtungen (Krankenkassen, Kassenärztliche Vereinigung, Schulen, Jugendamt usw.).
Selbsthilfe ist ein wesentliches Element der Gesundheitsvorsorge und der Rehabilitation. Die städtische Selbsthilfe-Förderung muß erhalten und ausgebaut werden. Krankenkassen, Freistaat und der Bezirk Oberbayern werden aufgefordert, sich stärker an der Unterstützung von Selbsthilfegruppen zu beteiligen und die Orientierung weiterer Selbsthilfeformen zu fördern.

Was wollen wir in der neuen Amtsperiode des Stadtrats durchsetzen ?

Bündnis 90/Die GRÜNEN wollen die Gesundheitsversorgung nach den Bedürfnissen der Menschen und nicht nach denen der AnbieterInnen (ÄrztInnen, Krankenhausträger etc.) orientieren. Neben Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit werden wir Bedarfsüberlegungen stärker in den Vordergrund stellen. 
Wir fordern deshalb:
  • Eine stärkere Vertretung der Interessen von PatientInnen in den städtischen Gremien wie z.B. dem Gesundheitsbeirat.
  • Die Einrichtung eines "Ethnomedizinischen Zentrums". Das EZ soll insbesondere der Ausbildung des medizinischen Personals für die spezifischen Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger Münchens aus anderen Kulturkreisen dienen. Einer verbesserten interkulturellen medizinischen Arbeit würde auch dienen, wenn vermehrt nicht-deutsche ÄrztInnen in den städtischen Kliniken angestellt werden. In diesem Zusammenhang plädieren wir für die städtische Förderung des medizinischen Bereiches des Zentrums für Folteropfer - Refugio.
  • Den Ausbau von ambulanten, teilstationären und stationären geriatrischen und rehabilitativen Einrichtungen für alte Menschen.
  • Die Einrichtung einer Koordinationsstelle für mißhandelte Kinder, die zur Aufgabe hat, medizinisches Personal, LehrerInnen und ErzieherInnen in der Wahrnehmung von Mißhandlungen und im Umgang mit den Betroffenen zu qualifizieren.
  • Den frauenspezifischen Aspekt von Gesundheitsproblemen durch eine stärkere Verankerung von geschlechtsspezifischer Arbeitsweise in den Gesundheitseinrichtungen Rechnung zu tragen.

Moderne und bürgernahe Gesundheitsdienste: 

Bündnis 90/DIE GRÜNEN setzen sich für die Kommunalisierung des öffentlichen Gesundheitsdienstes ein. Der öffentliche Gesundheitsdienst muß sich inhaltlich und organisatorisch weiterentwickeln. Das Gesundheitsamt alter Prägung ist überzuführen in einen modernen Dienstleistungsbetrieb. Die Beschränkung der ÄrztInnen des öffentlichen Gesundheitsdienstes auf rein beratende Tätigkeiten ist zu Gunsten der kassenärztlichen Abrechnung für bestimmte Leistungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes aufzuheben. Gleichzeitig ist aber auch die Kooperation mit der Kassenärztlichen Vereinigung zu intensivieren.
Dazu fordern wir:
  • Die Verbesserung des gesundheitlichen Umweltschutzes durch die Einrichtung einer "Umweltambulanz", mit den Aufgaben der Beratung von BürgerInnen und Schadstoffmessung, insbesondere in Innenräumen.
  • Die Weiterentwicklung des schulärztlichen Dienstes zu einem Dienst Gesundheitsförderung in Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen, z.B. zum Thema Ernährung.
  • Die Einrichtung von Stadtteilgesundheitskonferenzen, in der Institutionen des Stadtteils, niedergelassene ÄrztInnnen, Selbsthilfegruppen u. a. zusammenkommen, um gemeinsam Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und zur besseren Versorgung der Bevölkerung zu planen und umzusetzen.
  • Mobile Gesundheitsversorgung für alleinstehende Obdachlose.
  • Die Förderung von Gesundheitsdiensten, die direkt  die Betroffenen aufsuchen, in erster Linie und modellhaft für alleinstehende Obdachlose.

Hilfen für psychisch Kranke

Im Bereich der Hilfen für psychisch Kranke hat sich in den letzten 10 Jahren einiges verbessert. Psychisch Kranke sollen soweit wie möglich in der Gesellschaft integriert bleiben und nicht in Großkrankenhäusern untergebracht werden. Die GRÜNEN treten für die Gleichstellung psychisch und somatisch Kranker ein. Psychiatrieerfahrene haben sich in den letzten Jahren zunehmend besser organisiert. Diese Selbstorganisation gilt es weiter zu stärken.
Wir fordern deshalb
  • Eine stärkere Kooperation der in der Psychatrie Tätigen mit den Angehörigen psychisch Kranker und den psychatrieerfahrenen Menschen auf allen Planungsebenen.
  • Das Bezirkskrankenhaus Haar weiter zu dezentralisieren und dabei mit oberster Prorität für die Region Nord im städtischen Krankenhaus Schwabing eine psychiatrische Krisenstation einzurichten.
  • Drei weitere geronto-psychiatrische Dienste auszubauen.
  • Hilfen für die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozeß über die Anstellung von ArbeitsassistentInnen bei den Sozialpsychiatrischen Diensten zu fördern.
  • Betreutes Einzelwohnen zu ermöglichen.
  • Psychisch Kranke, nicht-deutsche BürgerInnen über die vermehrte Anstellung insbesondere von türkischen, griechischen und serbo-kroatischen MitarbeiterInnen besser zu betreuen.

Sucht

Besonders in Bayern und in München steigt die Zahl der Drogentoten. Bei unseren Kindern und Jugendlichen nimmt der Gebrauch von Drogen zu, die Zahl der ErstverbraucherInnen steigt bedrohlich.
Gleichzeitig vergrößert sich die soziale, gesundheitliche und materielle Verelendung von DrogengebraucherInnen zusehends. In den Gefängnissen sitzen junge Betäubungsmittel-StraftäterInnen, nicht die großen Drogenbosse, sondern KonsumentInnen, die sich ihren Drogengebrauch mit dem Kleinsthandel sichern müssen.
Nur eine geringe Zahl der DrogengebraucherInnen schafft es pro Jahr durch therapeutische Bemühungen Abstinenz zu erreichen. Die Behandlungskonzepte die allein auf Abstinenz abzielen, können daher die Lebensverhältnisse für die Mehrzahl der DrogengebraucherInnen in absehbarer Zeit nicht positiv beeinflussen. Wir müssen uns daher darauf einstellen, daß kurzfristig nur eine geringe Anzahl der DrogengebraucherInnen eine drogenfreies Leben einschlagen wird. 
Das Ziel einer drogenfreien Gesellschaft ist eine Utopie, die lediglich einer ordnungspolitischen Wunschvorstellung gehorcht. Die offizielle Drogenpolitik mit ihrer Fixierung auf die totale Abstinenz von Suchtmitteln ist gescheitert. Die massiven Eingriffe der Ordnungspolitik in die Lebens- und Versorgungsumstände von DrogengebraucherInnen tragen entscheidend zu deren Verelendung, Schädigung und Lebensbedrohung bei. Das herrschende Drogenelend ist in Wahrheit das Elend der herrschenden Drogenpolitik. Ziel bündnisgrüner Politik ist es deshalb, daß Menschen die Gefahren aller Rauschmittel kennen, und damit so umgehen können, daß sie nicht süchtig werden oder schwere psychische und physische Schäden erleiden

Statt offener Drogenszene niederschwellige Angebote

Eine GRÜNE Drogenpolitik auf kommunaler Ebene hat dem Umstand Rechnung zu tragen, daß insbesondere den jungen DrogengebraucherInnen ohne Vorurteile und Kontrolle Hilfseinrichtungen zur Verfügung stehen müssen. Dabei muß den jeweiligen Besonderheiten der Abhängigkeit von legalen oder illegalen, harten oder weichen Drogen Rechnung getragen werden. Auch Drogen, an denen der Staat eifrig mitverdient (Zigaretten, Alkohol) machen süchtig!

Kontaktläden und Fixerstuben

Sinn und Zweck dieser Einrichtungen soll es sein, den DrogengebraucherInnen als Anlaufstelle zu dienen, in denen sie u.a. unter hygienischen einwandfreien Bedingungen sich spritzen (mit Spritzentausch), sich ärztlich versorgen lassen, sich selbst und ihre Wäsche reinigen können. Diese Einrichtungen sollen dabei nicht Orte des Handelns von Drogen, sondern vielmehr der Kommunikation sein.
In Absprache mit den Strafverfolgungsbehörden werden diese Einrichtungen frei von staatlicher Repression gegen Drogenbesitz gehalten, damit den DrogengebraucherInnen ein Lebens- und Hilfsraum frei von Angst und Verfolgung angeboten werden kann.

Alternativen zur Obdachlosigkeit

Diese Einrichtungen haben in ausreichender Zahl auch Betten vorzuhalten als Alternative zur Obdachlosigkeit. Notschlafstellen müssen durch kooperierende Wohnheime bzw. Wohngemeinschaften ergänzt werden. Dabei ist verstärkt auf Wohnangebote für alleinstehende Frauen und solchen mit Kindern zu achten.

Ausbildung

In den Schulen und Arbeitsämtern müssen für DrogengebraucherInnen zugeschnittene Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten ergänzt werden, so daß die großen Ausbildungsdefizite möglichst beseitigt werden.

Arbeitsplatzangebote

Städtische Aufträge und Arbeitsplatzangebote sollen in Abstimmung mit betreuten Arbeitsprojekten schließlich allen Drogenabhängigen den Übergang in ein Berufsleben erleichtern und  langfristig die Kommune von vermeidbaren Sozialleistungen entlasten. Die Integration in die Arbeitswelt ist zudem für die Langzeitprognose und die soziale Stabilisierung von DrogengebraucherInnen oft entscheidende Basis für einen allgemeinen Aufwärtstrend.

Streetwork

Neben diesen zweckgebundenen Drogenhilfsangeboten soll nach den Vorstellungen grüner Drogenpolitik auch eine aufsuchende Drogenarbeit und die Gewährung von existentieller Lebenshilfe zur Überwindung von besonderen sozialen Notlagen verstärkt eingesetzt werden. Dies bedingt in der Praxis einen verstärkten Einsatz von Streetworkern.

Substitution

Bündnis 90/DIE GRÜNEN fordern ein breit angelegtes Substitutionsprogramm. Substituierende Maßnahmen sind gesundheitsstabilIsierende und lebenserhaltende Behandlungsmöglichkeiten. Sie eröffnen die Chance, Betroffenen einen Weg aus dem Szeneleben zu ebnen, sich sozial zu (re)integrieren, sich psychisch und physisch  zu stabilisieren und ein menschenwürdiges Leben zu führen. Wir streben an, daß München sich den Initiativen von Frankfurt und Hamburg für die konrollierte Vergabe von Heroin in besonders problematischen Fällen anschließt.

Designerdrogen

Weiter fordern wir Bündnis 90/DIE GRÜNEN eine Beratungsstelle zur Analyse von und Aufklärung über Straßendrogen, insbesondere für Designerdrogen, wie z.B. Ekstasy, um den Reinheitsgehalt der Drogen in beratender Weise zu überwachen und über Gefahren bei deren Anwendung aufzuklären.

NichtraucherInnenschutz

Zum Schutz der NichtraucherInnen fordern Bündnis 90/DIE GRÜNEN:
  • Aufklärungsaktionen über die Gesundheitsgefährdung durch Passiv-Rauchen
  • Rauchverbot bei Behörden in den Parteiverkehrszimmern während der Dienststunden
  • Rauchverbot in mindestens einem Raum von mehreren städtischen Gaststätten (z.B. Ratskeller) und Sportgaststätten
  • keine Zigarettenautomaten in öffentlichen Gebäuden
  • keine Werbung für Tabak und Alkohol auf öffentlichen Reklameflächen

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