Bericht vom BasisGrün-Bundestreffen am 2. und 3. März 2002 in Hannover
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Der Samstag war ganz inhaltlichen Aspekten gewidmet. "Brauchen wir eine neue Weltordnung?", waren Rolf Bertram und Ulrich Brandt gefragt. Prof. Bertram, inzwischen über 70 Jahre alt, beteiligt sich zur Zeit am Aufbau einer Attac-Regionalgruppe in Göttingen. Der emeritierte Professor ist begeistert, dass Attac sich nicht nur gegen Probleme wendet, sondern auch eine Analyse der Ursachen betreibt. Er schilderte die Globalisierungsthematik am Beispiel der Energiemärkte. Dabei verdeutlichte er z.B. die Widersprüche der neoliberalen Praxis, etwa die andauernde Subventionierung der Atomkraft zu akzeptieren, und ansonsten "freie Märkte" zu fordern. Vor dem Entstehen der großen Energiekonzerne gab es in Deutschland dezentrale Versorgungsstrukturen. Vor 100 Jahren existierten 100.000 Wind- und Wasserkraftwerke.
Ulrich Brandt vom BUKO (Bundeskongress Internationalismus????) verwies darauf, dass der Begriff der "neuen Weltordnung", den inzwischen auch Attac und die SPD verwenden, 1991 im Zusammenhang mit dem 2. Golfkrieg von George Bush sen. geprägt wurde. Ulrich Brandt stellte die -these auf, dass der Staat vor allem deshalb so wirtschaftsorientiert handele, weil sich andere Akteure zurückhalten und sich nicht oder kaum noch einmischen. Auf Deutschland bezogen genüge es daher nicht, eine neue Partei zu gründen, um eine sozialere und ökologischere Politik zu erreichen. Änderungen lassen sich nicht alleine von oben durchsetzen, sondern bedürfen auch einer konsequenten alltäglichen Praxis. Ganz anarchistische Positionen wurden auch in der Diskussion nicht vertreten; so schien es Konsens zu sein, dass "der Staat" in seiner Ausprägung als Sozialstaat auch einer Stärkung bedürfe. In bestimmten Bereichen haaben die Staaten Macht an die Wirtschaft abgegeben, in anderen häufen sie aktuell mehr Macht an ("innere Sicherheit"). Alternativkonzepte zum Neoliberalismus müssten auf breiter Basis eingefordert werden; die Betroffenheit der einzelnen Personen durch negative Entwicklungen der "Globalisierung" müsse aufgedeckt und vermittelt werden.

"Deutschland im Krieg" war Thema des Abends. Zunächst referierte Henning Priest, ein ehemaliger ranghoher Soldat der Bundeswehr, der im "Darmstädter Signal" organisiert ist, einem Zusammenschluss friedensbewegter bzw. kritischer Soldaten. Priest schilderte die Geschichte der Remilitarisierung der deutschen Außenpolitik und stellte dabei auch die wichtige Rolle der Rechtssprechung bzw. des Bundesverfassungsgerichtes heraus. Der pensionierte Soldat kritisierte die Erpressung der Bundestagsabgeordneten durch den Bundeskanzler bei der Entscheidung zur deutschen Teilhabe am "Krieg gegen den Terror" und stellte klar, dass Militär nicht geeignet sei, Terrorismus zu bekämpfen. Die zum Jahreswechsel 2001/02 erfolgte Entsendung von deutschen ABC-Schutzeinheiten in die Nachbarschaft des Irak könne den Hintergrund haben, der deutschen Bevölkerung zu vermitteln, dass das Land über Massenvernichtungswaffen verfüge. Da hierfür aktuell keine Beweise vorliegen, könnte es sich um eine Strategie handeln, Akzeptanz für einen Krieg gegen den Irak aufzubauen. Im Zusammenhang mit der allgemein verdrängten Notwendigkeit, den Kosovo-Jugoslawien-Krieg und die deutsche Beteiligung aufzubereiten, stellte Priest dar, wie wenig kritische JournalistInnen es gibt, und wie ihnen die Arbeit erschwert werde (Fall der NDR-Monitor-Redakteure, deren Beitrag "Es begann mit einer Lüge" sich übrigens als sachlich und juristisch unanfechtbar erwiesen hat). Weitere Gründe für die Seltenheit kritischen Journalismus und ein allgemeines Desinteresse an friedenspolitischen Diskussionen lägen aber auch am mangelnden Druck der Bevökerung und am Fehlen einer echten politischen Opposition.

Die Einführung des Privatfernsehens habe auch zu einem Niveauverlust beim Journalismus geführt, meinte Ralf Elsässer, selber Journalist. Der "Konkret"-Autor widmete sich wider Erwarten weniger der unmittelbaren Thematik seines Buches "Deutsche Kriegsverbrechen .... in Bosnien..:", sondern dem Thema Grüne und Alt-Achtundsechziger. Er las aus seinem neusten Buch "Make Love and War", das auf bissige Weise ausführt, wie beide Gruppen die Welt verändern. Ferner kritisierte Elsässer, dass allgemein akzeptiert sei, dass mit dürftigen Beweisen, mit den nicht einmal ein Taschendieb verurteilt werden könne, von demokratischen Staaten ein Krieg begonnen bzw. bedingungslos solidarisch mitgetragen würde. Dem Satiriker leuchete auch nicht ein, warum ausgerechnet Afganistan bombadiert worden sei, wo doch keiner der ermittelten Terroristen aus diesem Land stamme, sondern viele aus Saudi-Arabien. Warum werde nicht Hamburg-Harburg bombadiert, wo doch einige der Verbrecher ausgebildet worden sind?

 

 

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