Stellungnahme der SPD zu den Wahlprüfsteinen von Basis Grün

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BasisGrün e.V.
c/o Felicitas Weck
Große Pfahlstr. 16
30161 Hannover
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Arbeit umverteilen und neue Arbeit schaffen

Ist es möglich existenzsichernde Beschäftigung für alle Menschen in Ost und West zu erreichen und wenn ja, wie?

Die Reduzierung der Arbeitslosigkeit ist das zentrale Ziel sozialdemokratischer Regierungspolitik.

In den letzten vier Jahren hat die sozialdemokratisch geführte Bundesregierung wichtige Erfolge erzielt.

· Die jahresdurchschnittliche Arbeitslosigkeit ging von 1998 bis 2001 um 430.000 zurück.
· Die Erwerbstätigkeit stieg im gleichen Zeitraum um 1,2 Millionen.
· Die Langzeitarbeitslosigkeit ist um 15,7% gesunken, die Zahl der älteren Arbeitslosen um 24,8% und die Zahl der schwerbehinderten Arbeitslosen um 11,9%.
· -An unserem erfolgreichen Sofortprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit haben sich seit 1999 über 420.000 Jugendliche beteiligt.

Dennoch können wir nicht zufrieden sein. Die Arbeitslosigkeit ist immer noch zu hoch.

Die SPD-geführte Bundesregierung hat eine Reihe wichtiger Reformen in der Arbeitsmarktpolitik eingeleitet.

· Die von den Gewerkschaften geforderte stärkere Förderung der Teilzeitarbeit haben wir mit dem Recht auf Teilzeitarbeit umgesetzt. Niemand darf wegen seines Wunsches nach Verringerung der Arbeitszeit diskriminiert werden.
· Mit dem Job-Aqtiv-Gesetz haben wir den Schwerpunkt der Arbeitsförderung auf bessere und passgenauere Vermittlung und Qualifizierung in den ersten Arbeitsmarkt gelegt. Für uns ist aber auch klar: Solange es ein Arbeitsplatzdefizit gibt, bleiben Instrumente wie ABM und SAM notwendig. Dies gilt besonders in Ostdeutschland. Besonders für den Osten Deutschlands haben wir das neue Instrument der Jugendteilzeithilfe als Beschäftigungsbrücke in den ersten Arbeitsmarkt eingeführt.
· Wir wollen eine stärkere Verzahnung von Arbeitsämtern und Sozialämtern, um Langzeitarbeitslose wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Mit den "MoZart"-Modellprojekten haben wir Kooperationsformen erprobt. Dabei sagen wir deutlich: es wird keine Absenkung der Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau geben.
· Wir haben die Bundesanstalt für Arbeit in einen modernen Dienstleister umgewandelt. Die Selbstverwaltung bleibt unverzichtbarer Bestandteil der BA und die erfolgreiche Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist nur unter Einbeziehung der erfahrenen und motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BA möglich.
· Die von der Bundesregierung eingesetzte sogenannte Hartz-Kommission wird bis Mitte August weitere Vorschläge erarbeiten. Erste bekanntgewordene Ergebnisse weisen in die richtige Richtung. Die SPD wird das Gesamtkonzept beraten und zügig entscheiden, welche Vorschläge umgesetzt werden.


Für die dauerhafte Reduzierung der Arbeitslosigkeit und den Aufbau von Beschäftigung brauchen wir stetiges und nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Wir wollen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiter verbessern. Unsere Steuer- und Rentenreform hat bereits die Steuer- und Abgabenlast gesenkt. Dieses Ziel verfolgen wir weiter. Darüberhinaus werden wir den Mittelstand weiter fördern und für hohe öffentliche Investitionen sorgen. Wir wollen unser Land zu einem attraktiven Standort für die Entwicklung und Anwendung von Zukunftstechnologien und wissensbasierten Dienstleistungen ausbauen. Deshalb haben wir die Ausgaben für Bildung, Forschung und Entwicklung deutlich erhöht.


Umverteilung von Einkommen und Vermögen

Wie stellen Sie sich eine bedarfsorientierte soziale Mindestsicherung vor?

Die SPD hat erreicht, dass zum 1. Januar 2003 die neue bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung behinderter Menschen (GSiG) eingeführt wird. Vor allem ältere Menschen machen Sozialhilfeansprüche oft nicht geltend, weil sie den Unterhaltsrückgriff auf ihre Kinder befürchten, oder den Gang zum Sozialamt scheuen. Diese Hauptursache für verschämte Altersarmut wird durch das im Rahmen der Rentenreform von der rot-grünen Koalition eingeführte Gesetz beseitigt.
CDU und CSU lehnen diese Grundsicherung ab und wollen verhindern, dass das Grundsicherungsgesetz in Kraft treten kann. Damit wollen Stoiber und die Union verschämte Altersarmut unter dem Existenzminimum zementieren, unter der vor allen Dingen Rentnerinnen zu leiden haben.

Wie stehen Sie zu einer Vermögensbesteuerung und zu einer steuerlichen (Mehr)Belastung von Veräußerungsgewinnen, Finanztransaktionen und -anlagen.

Mit dem Gesetz zur steuerlichen Förderung von Stiftungen haben wir Anreize für eine Stiftungskultur in Deutschland gegeben. Damit haben wir ein Instrument geschaffen, mit dem große Einkommen und Vermögen freiwillig einen sinnvollen Beitrag zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft leisten können.
Die Ungleichheit in der Verteilung der Einkommens- und Lebenschancen bleibt aber nach wie vor eine große Herausforderung. Deshalb muss der Staat sicherstellen, dass jeder einen seiner Leistungsfähigkeit entsprechenden Beitrag im Rahmen einer gerechten und sinnvollen Besteuerung des Einkommens aus Arbeit und Vermögen leistet.
Wir haben bereits 1999 viele Ausnahmeregelungen und Steuervergünstigungen, die vor allem die Bezieher von Spitzeneinkommen ungerechtfertigt begünstigt haben, gestrichen und eingeschränkt. Mit dem dadurch gewonnenen zusätzlichen Steueraufkommen werden die von uns verwirklichten Steuersenkungen für alle mit finanziert. Diesen Weg wollen wir fortsetzen. Es hat sich gezeigt: Mehr Steuergerechtigkeit ist auch ökonomisch die bessere Alternative.


Ökologischer Strukturwandel

Wie wollen Sie einen ökosozialen Umbau erreichen?

Mit der Einführung der Ökosteuer haben wir ein wichtiges Lenkungsinstrument zur Modernisierung und Gestaltung des Strukturwandels in der deutschen Wirtschaft geschaffen.
Durch die ökologische Steuerreform wurde erstmals eine für alle Beteiligten von Anfang an völlig transparente, berechenbare und moderate Dynamisierung der Steuersätze auf Kraftstoffe und Strom eingeführt. Die rot-grüne Bundesregierung hat dies gegen den massiven und polemischen Widerstand der Opposition und Teilen der Industrie mit Erfolg durchgesetzt.
Der Faktor Arbeit wurde durch eine Senkung der Lohnnebenkosten entlastet und zugleich wurde durch eine maßvolle Besteuerung des Faktors Energie dafür gesorgt, Effizienzpotenziale zu erschließen und Energie sparsam zu verwenden. Damit wurde die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft gestärkt, Investitionen in Energieeinspar- und umweltfreundliche Zukunftstechniken erleichtert.

Wie stellen Sie sich die Weiterführung der Ökosteuer vor?

Am 1. Januar 2003 tritt die letzte Stufe der Ökosteuer planmäßig in Kraft.

Wie beurteilen Sie die Errichtung von atomaren Standortzwischenlagern?

Vorab sei gesagt: es ist der SPD-geführten Regierung innerhalb von 2 Jahren ihrer Regierungszeit gelungen in Übereinstimmung mit der Energiewirtschaft und den Gewerkschaften einen Atomkonsens zu realisieren: der Atomausstieg ist von der rot-grünen Mehrheit im Bundestag beschlossen. Damit haben wir einen jahrzehntelange tiefe Spaltung in der Bevölkerung überwunden und den Weg in eine Zukunft ohne Atomkraft frei gemacht. Darauf sind wir stolz und diesen Ausstieg wollen wir gegen die erklärten Pläne der CDU/CSU und FDP verteidigen!

Wie stehen Sie zu Wiederaufarbeitung und Atomtransporten?

Bestandteil des Atomkonsenses ist, dass die Wiederaufarbeitung nur noch bis zum 1. Juli 2005 zulässig ist. Die eingerichteten Zwischenlager reduzieren die notwendigen Castor-Transporte um etwas 70%.

Wie bewerten Sie die Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten der Behörden nach Verabschiedung des "Atomausstiegsgesetzes" und welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

Bestandteil des Atomausstiegsgesetzes sind periodische Sicherheitsüberprüfungen, die eine höhere Sicherheit während der Restlaufzeit bringen. Für die SPD steht fest - Sicherheit geht vor: Bei der Umsetzung des Atomausstieges gilt es, besonderes Augenmerk auf die Sicherheit des Reaktorbetriebes während der Restlaufzeit zu haben.

Wie sehen Se das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit durch das novellierte Atomgesetz gegenüber dem Recht auf Eigentum und Gewinnerwirtschaftung gewährleistet?

Mit dem Energiekonsens haben wir den Ausstieg aus einer Risikotechnologie realisiert und gleichzeitig den Einstieg in eine sichere Energieversorgung auf Basis von Erneuerbaren Energien mit erheblichen Fördermitteln und Markteinführungsprogrammen begonnen. Diese Energiewende ist ein sehr guter Grundstein für eine zukunftsfähige und sichere Energieversorgung ohne Risiken für Mensch und Natur.
Für die verbliebende Restlaufzeit der Kernkraftwerke haben wir die Deckungsvorsorge gegen nukleare Risiken um Faktor 10 erhöht.

Wie kann man die Verkehrsströme umwelt- und sozialverträglich umlenken, was planen Sie dazu?

Mobil sein bedeutet für Menschen ein hohes Maß an Freiheit und Lebensqualität. Mobilität ist Voraussetzung für Wachstum und Entwicklung und trägt selbst erheblich zum wirtschaftlichen Wachstum bei. Gleichzeitig birgt das immer steigende Verkehrsaufkommen hohe Risiken für Menschen und Umwelt. Leitlinie zukunftsfähiger Verkehrspolitik muss es, Mobilität zu gewährleisten ohne die Grenzen der Natur unwiederbringlich zu überschreiten.
Dazu brauchen wir eine sinnvolle Vernetzung aller Verkehrsträger und eine zuverlässige Förderung insbesondere des Schienenverkehrs auf kurzen wie auf langen Strecken.

Wichtige Weichenstellungen auf diesem Weg hat die SPD-geführte Bundesregierung eingeleitet, z.B. durch hohe Investitionen in Straße und Schiene, Einführung der LKW-Maut, Einführung einer Entfernungspauschale, die alle Verkehrsteilnehmer unabhängig vom Verkehrsmittel gleichstellt und nicht zuletzt einem 1. nationalen Radwegeplan, in dem u.a. die Mittel für Radwegebau verdoppelt werden.
Auf diesem Weg wollen wir weitergehen: ein 90-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm ist für den Erhalt, die Modernisierung, den Ausbau und die bessere Vernetzung der Verkehrswege die nötige finanzielle Basis für dieses Jahrzehnt.
Die Bahnreform muss konsequent fortgesetzt werden. Unser Ziel ist es, das wachsende Aufkommen von Güterverkehr, das Deutschland aufgrund seiner Mittellage in Europa künftig zu bewältigen hat, vermehrt von der Straße auf die Schiene zu lenken. Dazu werden wir auch die Mittel für den kombinierten Verkehr verdoppeln. Für den Schienenverkehr wollen wir faire Wettbewerbsbedingungen auch zu anderen Verkehrsträgern gewährleisten.
Über 26 Mio. Menschen nutzen täglich den öffentlichen Personennahverkehr. Wir fördern den ÖPNV deshalb mit hohen Beträgen. Gerade in Großstädten und Ballungsgebieten ist Mobilität ohne ÖPNV undenkbar. Um noch mehr Menschen zum Umstieg auf Bus und Bahn zu bewegen, ist eine weitere Qualitätssteigerung des ÖPNV-Angebots notwendig.
Wir wollen sicherstellen, dass der ÖPNV auch künftig bezahlbar bleibt. Deswegen werden wir für eine dauerhaft verlässliche Förderung durch den Bund sorgen.
Wesentlicher Bestandteil einer nachhaltigen Mobilität ist der Einsatz moderner Antriebstechnik und die Entwicklung neuer Kraftstoffe. Mit der Wirtschaft sind wir überzeugt, dass Wasserstoff der Kraftstoff mit dem größten Zukunftspotential ist. Wir wollen daher den Aufbau von Wasserstoff-Tankstellen finanziell fördern und die Produktion entsprechender Fahrzeuge unterstützen.


Schutz und Ausbau sozialer und demokratischer Teilhaberechte

Wie beurteilen Sie die Alternativen: Privatisierung der Sozialversicherungen oder deren Ausweitung zu einem "System der Volksversicherung"?

Das Prinzip der solidarischen Ausrichtung des Gesundheitswesens bleibt richtig - die Solidarität zwischen Gesunden und Kranken wollen wir beibehalten, ebenso die bewährte paritätische Finanzierung der Krankenversicherung durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung muss einheitlich bleiben und gemeinsam für alle Krankenkassen das medizinisch Notwendige umfassen.


Befürworten Sie eine weitere Privatisierung des Gesundheitssystems oder wo sehen Sie Alternativen?

Wir setzen auf die solidarischen Stärken unseres Gesundheitssystems: den umfassenden Versicherungsschutz für alle, ein vom Einkommen unabhängigen Leistungsanspruch, die strikte Orientierung am medizinisch Notwendigen, eine Versorgung ohne Wartelisten. Diese Vorzüge werden wir erhalten. Deshalb lehnen wir die Aufteilung der Leistungen in Grund- und Wahlleistungen entschieden ab, durch die vor allen Dingen Kranke, zumal chronisch kranke Menschen zusätzlich belastet würden. Eine Zwei-Klassen-Medizin wird es mit uns nicht geben.

Sind Sie für eine Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe und wenn ja, zu welchen Bedingungen?

Die Verzahnung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für Arbeitslose ermöglicht konzentrierte Bemühungen im Interesse der Langzeitarbeitslosen für eine bessere, schnellere Vermittlung in Beschäftigung. Wir bekennen uns zur besonderen Verantwortung gegenüber den Schwächeren in unserer Gesellschaft. Deswegen wollen wir im Rahmen der Reform der Arbeitslosen- und Sozialhilfe keine Absenkung der zukünftigen Leistungen auf Sozialhilfeniveau. Die finanziellen Auswirkungen für die Kostenträger werden in der Gemeindefinanzreform zu berücksichtigen sein.

Die Vermittlung erwerbsloser Sozialhilfeempfänger in den ersten Arbeitsmarkt muss verbessert und die Eigenverantwortung der Unterstützungsempfänger muss mobilisiert werden. Wir entwickeln die Sozialhilfe zu einer aktivierenden, fallbezogenen Dienstleistung. Dabei steht das sozialstaatliche Existenzminimum selbstverständlich nicht zur Disposition.

Wir reformieren die Sozialhilfe mit dem Ziel, dass arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger schneller und sicherer in Arbeit kommen und gleichzeitig das Lohnabstandsgebot gewahrt bleibt.

Der Sozialstaat muss auch in diesem Bereich das Prinzip "Fördern und Fordern" konsequent umsetzen und die Betroffenen als wichtige Partner bei der sozialen Integration ernst nehmen. Er muss den Anspruch auf zweite und dritte Chancen sichern.

Eine Reform der Hilfe zum Lebensunterhalt muss daher
- die finanziellen Leistungen transparent und bedarfsgerecht weiter entwickeln,
- die Selbstverantwortung des Hilfeempfängers stärken und Verwaltung vereinfachen,
- die aktivierenden Instrumente und Leistungen der Sozialhilfe verbessern,
- die Integration in den Arbeitsmarkt verbessern,
- Länder und Kommunen bei der Verwaltungsmodernisierung wirksam unterstützen.


Demokratisierung von Wirtschaft und Gesellschaft

Wie stehen Sie zu der Forderung nach demokratischer Kontrolle und Regulierung der Wirtschaft - wie wollen Sie das auf lokaler und globaler Ebene realisieren?

Demokratie braucht Parteinahme. Mitentscheiden, mitgestalten und mitverantworten: Darauf ist Demokratie angewiesen. Mit unserer angebots- und nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik geben wir den Rahmen für wirtschaftliches Handeln vor.
Wir sind für eine Regulierung der Wirtschaft, dort wo es notwendig ist. Eine generelle Deregulierung im Zuge der Globalisierung lehnen wir ab.

Der Ausbau des staatlichen Sicherheitssystems ist zu Lasten der privaten Schutzsphäre gegangen. Wie stehen Sie dazu?

Sicherheit und Freiheit stehen in einem unauflöslichen Zusammenhang und sie bedingen einander. Das Grundgesetz verpflichtet den Staat, das Freiheitsrecht der Bürger zu achten. Genauso muss aber der Staat dafür Sorge tragen, dass die Bürgerinnen und Bürger in Sicherheit leben können. Ein Bürger kann nur frei sein, wenn er auch sicher leben kann. Eine schleichende Aushöhlung der Freiheit vermögen wir nicht zu erkennen.


Ist eine bildungspolitische Chancengleichheit in Deutschland gegeben? - Wie kann sie gesichert oder hergestellt werden? Welche Bildungs-Reformen haben für Sie Priorität?

Wie die Pisa-Studie nun belegt hat, gibt es in Deutschland gravierende Mängel in der schulischen Bildung. Unser Schulsystem produziert nicht nur schwache Leistungen, sondern ist auch ungerechter als die meisten Schulsysteme in anderen Ländern. In keinem anderen Industriestaat entscheidet die soziale Herkunft so sehr über den Bildungserfolg wie bei uns. Die Bundesregierung hat deshalb nicht lange nach Zuständigkeiten gefragt, sondern gehandelt und gemeinsam mit den Ländern und den Betroffenen eine Bildungsreform in Angriff genommen. Allerdings hat für die Bundesregierung die Bildung nicht erst seit der Pisa-Studie Priorität. Schon 1999 hat die Bundesregierung das Forum Bildung initiiert. Dieses Forum hat 12 Empfehlungen erarbeitet, woraus sich Ziele für die Bundesregierung entwickelt haben. Einige dieser Ziele sind hervorzuheben:
· Frühe Förderung in Kindertageseinrichtungen und in der Grundschule.
Frühkindliche Bildung muss stärker gefördert werden. Die Aus- und Weiterbildung der Erzieherinnen und Erzieher muss verbessert und aufgewertet werden. Das Lernen in der Grundschule soll umfassend reformiert werden. Mehr Augenmerk auf die Vermittlung der Grundlagen in Lesen, Schreiben und Rechnen und beim Erwerb der deutschen Sprache gilt als Voraussetzung für wirksame und präventive Bildungsarbeit.
· Individuelle Förderung auf dem Weg zu mehr Ganztagsschulen.
Der Ganztagsschule kommt bei der individuellen Förderung der jungen Menschen, beim Finden und Fördern von Begabungen wie auch beim rechtzeitigen Abbau von Benachteiligungen eine besondere Bedeutung zu. Die Bundesregierung wird für den Aus- und Aufbau von zusätzlich 10.000 Ganztagsschulen vier Milliarden Euro bereitstellen.
· Die Lehrenden: Schlüssel für die Bildungsreform - mehr Wertschätzung für den Pädagogen-Beruf.
Mehr pädagogische Kompetenz, ein stärkerer Praxisbezug in der Erstausbildung und die verpflichtende Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen sind zentrale Punkte für eine grundlegende Reform der Lehrerausbildung.
· Höhere Bildungsbeteiligung und mehr Durchlässigkeit.
Deutschland braucht noch mehr gut ausgebildete Fachkräfte. Deshalb müssen wir die Bildungsbeteiligung verbessern . Frühen Weichenstellungen durch das gegliederte Schulsystem sind durch integrative Systeme und in viel stärkerem Maße als bisher durch flexible Übergänge zwischen den Schulformen zu begegnen. Eine stärkere Durchlässigkeit zwischen Berufsausbildung und Hochschulen, berufsintegrierende Studiengänge und die Anerkennung beruflicher Leistungen von Nicht-Abiturienten bei der Zulassung zur Hochschule sind wesentliche Forderungen. Hochschulausbildung ist stärker mit betrieblicher und schulischer Berufsausbildung zu verzahnen.
· Das Bildungspotenzial der jungen Migrantinnen und Migranten erschließen.
Erforderlich ist in allen Fächern eine stärkere Konzentration auf das Erlernen der deutschen Sprache, deren Beherrschung entscheidend für den späteren Bildungserfolg ist. In den Schulen sollen Mehrsprachigkeit und Interkulturalität als Bereicherung begriffen werden.
· Mehr Eigenverantwortung für Bildungseinrichtungen, Lernen aus Evaluationen.
Die Bildungseinrichtungen sollen mehr Eigenverantwortung übernehmen. Dazu gehören Bereitschaft zur Rechenschaftslegung sowie interne wie externe Qualitätskontrollen der Arbeit. Das Lernen aus solchen Evaluationen muss für alle Einrichtungen - von der Kindertagesstätte bis zur Hochschule - zu einer Selbstverständlichkeit werden. Damit sich die Bildungseinrichtungen nicht qualitativ auseinander entwickeln, soll eine neuorganisierte staatliche Aufsicht mehr beratend und unterstützend zur Seite stehen. Die Leiter von Bildungseinrichtungen müssen Managementkompetenzen haben. Spezielle und kontinuierliche Weiterbildung sollte zur Pflicht werden. Die Bundesregierung wird noch in diesem Jahr die Qualität der Bildung in Deutschland durch unabhängige Tests sichern und erhöhen. Dazu wird zur Zeit eine neue Abteilung "Stiftung Bildungstest" bei der Stiftung Warentest eingerichtet.

Mit der BAföG-Reform , der Studiengebührenfreiheit, der Reform des Meister-BAföG, dem Ausbildungskonsens und der Nachwuchsförderung hat die Bundesregierung gute Erfolge aufzuweisen.
Die Reform des öffentlichen Dienstrechts, die im Februar dieses Jahres in Kraft getreten ist, ist zu Recht als Jahrhundertreform bezeichnet worden. Mit ihr werden Leistung, Eigeninitiative und Effizienz gestärkt und die studentische Ausbildung verbessert. Internationale Standards halten an allen unseren Universitäten und Fachhochschulen Einzug.
Professorinnen und Professoren werden jetzt stärker nach Leistung bezahlt.
Die Habilitation als einzige Voraussetzung für eine Professur gehört der Vergangenheit an. Stattdessen wird eine moderne Juniorprofessur eingerichtet. Sie ermöglicht es jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, bereits mit Anfang 30 selbstständig lehren und forschen zu können und nicht länger bis ins hohe Alter von Professoren abhängig zu sein.

Abschließend muss noch festgehalten werden, dass die Bundesregierung in einem beispiellosen Kraftakt den Etat für Bildung und Forschung Jahr für Jahr erhöht hat. Im Jahr 2003 werden 9,3 Milliarden Euro für Bildung und Forschung zur Verfügung stehen. Damit liegt der Etat noch einmal um rund 500 Millionen über dem Rekordhaushalt von 2002. Seit dem Regierungswechsel haben wir die Ausgaben für Bildung und Forschung dann um 28 Prozent erhöht - das sind mehr als 2 Milliarden Euro zusätzlich!


Wie stehen sie zum Grundrecht auf Asyl und zur UNO-Flüchtlingskonvention?

Wir stehen uneingeschränkt zum Grundrecht auf Asyl, das wir auch als kulturelle Errungenschaft und moralische Verpflichtung der deutschen Nachkriegsdemokratie begreifen. Wer auf Rettung angewiesen ist, soll sie erfahren.

Asylmissbrauch werden wir hingegen nicht tolerieren. Unser neues Zuwanderungsgesetz gibt uns die nötigen Mittel an die Hand, besser und schneller dagegen vorzugehen. Wir werden sie ausschöpfen, auch damit wir die Kraft haben, den wirklich Verfolgten effektiven Schutz geben zu können.

Auf europäischer Ebene werden wir uns darüber hinaus für eine gerechtere Lastenverteilung und ein einheitliches Asylrecht einsetzen, so dass die Mitgliedstaaten gleichmäßiger belastet werden. Gleichzeitig werden wir uns in den Krisenregionen engagieren, um den Menschen in ihrer Heimat eine Perspektive zu eröffnen und zu verhindern, dass Menschen verfolgt und vertrieben werden.

Wie kann Chancengleichheit für alle dauerhaft in Deutschland lebenden Menschen erreicht werden?

Deutschland ist ein weltoffenes und ausländerfreundliches Land. Von insgesamt 7,3 Mio. Ausländern lebten mehr als die Hälfte bereits seit 10 Jahren und länger bei uns. Etwa zwei Drittel der hier lebenden ausländischen Kinder und Jugendlichen sind in Deutschland geboren. Das zeigt: Zur sozialdemokratischen Integrationspolitik, die auf Verständigung und Toleranz baut, gibt es keine Alternative.

Eine erfolgreiche Integration braucht den Erfolgswillen beider Seiten. Sie braucht die Zustimmung der Deutschen und sie setzt bei den Zuwanderern den ernsthaften Willen zur Integration in die deutsche Gesellschaft voraus.

Wir sind gegen jede Verfestigung kultureller Parallelgesellschaften. Dazu hat das neue Staatsangehörigkeitsrecht aus dem Jahre 2000 einen wichtigen Beitrag geleistet.

In der Vergangenheit war Zuwanderung nicht durch hinreichende Integration begleitet. Wir verstärken nun die staatlichen Anstrengungen und werben um bürgerschaftliches Engagement. Wir wollen verpflichtende staatliche Integrationsangebote und -kurse für Neuzuwanderer. Und Anreize für bereits hier lebende Migrantinnen und Migranten. Der Bund wird sich an den Kosten beteiligen.

Im globalen Wettbewerb um die besten Köpfe geht es nicht um das "ob" von Zuwanderung, sondern darum, wie sie im Interesse Deutschlands gesteuert werden kann. Eine vernünftige Arbeitsmigration begrenzt die Zuwanderung daher auf das volkswirtschaftlich sinnvolle und am Arbeitsmarkt notwendige, ohne die Aufnahmefähigkeit des Landes zu überfordern. Die Green-Card-Regelung hat sich bewährt. Wir stellen aber sicher, dass auch weiterhin nur solche Arbeitsplätze durch Arbeitsmigranten besetzt werden, für die sich keine inländischen Interessenten finden lassen.

Unser Zuwanderungsgesetz garantiert das.

Abrüstung - internationale Sicherheit - zivile Konflikt- und Krisenprävention

Ist militärische Intervention für Sie ein Mittel der Politik?

Grundsätzlich verfolgt die SPD das Konzept der Krisenprävention, d. h. die Verhütung von Gewalt und die friedliche Lösung von Konflikten im innerstaatlichen wie internationalen Bereich hat für die SPD absolute Priorität. Militärische Interventionen können ein Mittel der Politik sein, sofern sie durch Beschlüsse der Vereinten Nationen und des Deutschen Bundestages legitimiert und den Soldaten gegenüber verantwortbar sind. Aber auch hier gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und das Ziel der Verhütung von Gewalt. Als eine der wichtigsten Lehren aus den Balkankriegen der 90er Jahre hat die Bundesregierung im Falle des bereits entflammten Bürgerkrieges in Mazedonien auf internationale Initiativen zur Deeskalation und Lösung des Konfliktes gesetzt, wobei bereits in einem frühen Stadium Streitkräfte im Konsens mit den Konfliktparteien zur Verhütung von Gewalt und zur Sicherung des Friedensabkommens eingesetzt wurden.
Im Sinne der oben skizzierten sicherheitspolitischen Konzeption hat sich Deutschland auch militärisch an Friedensmissionen der Vereinten Nationen, der NATO und der OSZE beteiligt, beispielsweise auf dem Balkan, bei der Neuordnung und dem Wiederaufbau Afghanistans, bei der Regelung regionaler Konflikte oder im Kampf gegen den internationalen Terrorismus.


Wie stehen Sie zur Zukunft der NATO?

Die Rolle der NATO hat sich nach dem Ende des kalten Krieges und insbesondere durch die Einbeziehung Russlands verändert. Sie hat damit stärker als in der Vergangenheit eine sicherheitspolitische Rolle für ganz Europa übernommen. Die transatlantische Partnerschaft bleibt die Grundlage europäischer Sicherheit und die NATO die entscheidende politische und institutionelle Klammer für die euro-atlantische Gemeinschaft.
Jedoch entsteht durch die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU immer mehr eine gleichberechtigte transatlantische Partnerschaft, die für eine engere Zusammenarbeit Europas mit Russland und für ein abgestimmteres Auftreten der EU in internationalen Organisationen wie der OSZE und den VN erforderlich ist.

Was verstehen Sie unter Modernisierung der Bundeswehr?

Auf der Grundlage des Berichts der Weizsäcker-Kommission unterstützt die SPD die Reform der Bundeswehr mit folgenden Zielen:
· Ausrichtung der Bundeswehr auf die Landes- und Bündnisverteidigung und friedenssichernde Einsätze auf der Grundlage von Beschlüssen des UN-Sicherheitsrates und des Bundestages.
· Einschluss der Fähigkeit zu Beträgen zur Krisen- und Konfliktprävention sowie der Abwehr von internationalem Terrorismus.
· Unter Beibehaltung der Wehrpflicht Anpassung der Organisation der Bundeswehr an die neuen Anforderungen. Dies schließt ein die Beseitigung von Ungleichgewichten in Personalstruktur und Besoldung, Fortsetzung der Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive, Sicherung von qualifiziertem Nachwuchs wie auch Modernisierung der Materialausstattung und Nutzung moderner Managementformen.

Wohin müssen Ihrer Meinung nach Geldmittel nach dem 11. September fließen?

Bereits vor dem 11. September galt der Grundsatz, dass äußere Sicherheit sich nicht nur über Verteidigungsausgaben definiert, sondern auch die Ausgaben für den Balkanstabilitätspakt, die Entwicklungszusammenarbeit und die Vereinten Nationen dienen unserer Sicherheit. Dies gilt erst recht nach dem 11. September 2001, um die strukturellen und politischen Ursachen de Terrorismus zu bekämpfen. Das schließt insbesondere verstärkte Bemühungen zur Armutsbekämpfung, zur nachhaltigen Entwicklung und zur Lösung des Nahost-Konfliktes ein.


Wie soll Deutschland zur internationalen Sicherheit beitragen?

Das Konfliktpotential, vor allem für bürgerkriegsähnliche Konflikte nimmt durch Krisen und die Erosion staatlicher Strukturen regional wie global zu.
Es gilt die strukturellen Krisenursachen (Konkurrenz um Zugang zu Ressourcen, vor allem fruchtbares Land, zu Rohstoffen und insbesondere Wasser) und die neuen Sicherheitsrisiken (wie die massive Verbreitung von Kleinwaffen) durch Entwicklungszusammenarbeit sowie durch Förderung von good governance und Aufbau von Zivilgesellschaft konsequent anzugehen.
Das von der Bundesregierung in 2000 verabschiedete Gesamtkonzept "Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung" gibt der Entwicklungspolitik einen klaren Auftrag zum Abbau der struktureller Krisenursachen und zur Stärkung ziviler Mechanismen der Konfliktbearbeitung. Z. B. werden in dem Programm zur globalen Armutsbekämpfung auch die Förderung menschlicher Sicherheit und Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle konsequent mit einbezogen.
Neben den nationalen Anstrengungen ist für die SPD die Europäische Union die Antwort auf die Globalisierung der Gewalt. Nur vereint kann Europa seine einzigartigen Fähigkeit zur integrierten zivilen, polizeilichen und militärischen Konfliktprävention stärken und für die internationale Sicherheit einsetzen.


 

 

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