Antwort der PDS auf die Wahlprüfsteine von BasisGrün
zurück

Textbereich

 

zurück


Basis Grün e.V.
Frau Felicitas Weck
Große Pfahlstraße 16

30161 Hannover


Bundestagswahl 2002


Sehr geehrte Frau Weck,

wir bedanken uns für Ihre Anfrage vom 24. Juni 2002 und Ihr Interesse an
den Positionen der PDS.

Nachstehend übermitteln wir Ihnen unsere Antworten auf Ihre Fragen :

Arbeit umverteilen und neue Arbeit schaffen
Eine existenzsichernde Beschäftigung für alle ist möglich. Ein erster Schritt in diese Richtung könnte nach unserer Auffassung ein Programm zur Entwicklung der kommunalen Infrastruktur sein, das der Bund finanziert.

Umverteilung von Einkommen und Vermögen
Wir gehen davon aus, dass allen Menschen, die arbeiten wollen und können, eine sinnvolle, existenzsichernde Arbeit ermöglicht werden muss. Eine Grundsicherung bedeutet für uns darüber hinaus, dass niedrige Renten und das geringe Arbeitslosengeld aus Steuermitteln aufgestockt werden. - Das bedeutet aber auch, dass Familienarbeit aufgewertet und anerkannt wird, Studierende ohne materiellen Druck studieren können, Unterhaltsabhängigkeit zwischen Ehegatten sowie zwischen Kindern und Eltern abgeschafft wird.

Wir treten für die Wiedererhebung der Vermögensteuer ein. Veräußerungsgewinne sollen wieder, Gewinne aus Spekulationsgeschäften, insbesondere mit Wertpapieren, voll besteuert werden.

Ökologischer Strukturwandel
Ökologischer Umbau
Die PDS fordert für die Bundesrepublik eine Nachhaltigkeitsstrategie, die den Erfordernissen des Natur- und Ressourcenschutzes Rechnung trägt. Dafür müssen Zielstellungen und Indikatoren für absolute Verbrauchsreduzierungen festgelegt werden. Wir schlagen u.a. vor, den Verbrauch von Rohstoffen und Energie sowie den Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent und bis zum Jahr 2050 um 80 Prozent zu vermindern. Darauf aufbauend sind umwelt- und wirtschaftspolitische Instrumente zu reformieren bzw. zu entwickeln, die für die Erreichung dieser Ziele geeignet sind. Das ungebremste Wirtschaftswachstum wird dabei auf dem Prüfstand stehen, weil sich diese Einsparungsraten sonst kaum realisieren lassen.

Ökosteuer
Die PDS fordert eine Neugestaltung der Ökologischen Steuerreform mit folgenden Kernpunkten:
1. Ein sozialer Ausgleich für untere Einkommensgruppen muss selbstverständlicher Bestandteil jeder ökologischen Steuerreform sein. Die soziale Abfederung der Ökosteuern soll u.a. über Steuerermäßigungen für niedrige Einkommen, Finanzierungszuschüsse für Job- und Arbeitslosentickets sowie für Energiesparinvestitionen im Haushalt, die Verbilligung der BahnCard und die Ausweitung der Wochenend-Tickets, für Bafög-Erhöhungen, Heizölzuschüsse, Wohngelderhöhungen sowie über die Erhöhung der Regelsätze für Sozialhilfe erfolgen.
2. Die Einnahmen aus der Erhebung von Ökosteuern sind zur Finanzierung eines ökologischen Umbauprogramms zu verwenden. An den Einnahmen des Bundes sind die Länder und Gemeinden so zu beteiligen, dass größtmögliche Effekte für den ökologischen Umbau und für die Schaffung von Arbeitsplätzen entstehen. Es geht insbesondere um den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs, die (Wieder-)Ausweitung der Bahn in die Fläche, den Einstieg in die Solarwirtschaft und um die deutliche Erhöhung der Energieeffizienz bei der Energieerzeugung, Energieumwandlung und beim Energieverbrauch. Weiter geht es um Ökologisierung der Landwirtschaft, Regionalisierung von Wirtschaftskreisläufen, Altlastensanierungen und um Transferleistungen an die Länder des Südens.
3. Regenerative Energien sind von der Ökosteuer systematisch zu befreien, auf
Atomenergie ist ein Risikozuschlag zu erheben.
4. Wir regen an, innerhalb der europäischen Union eine EU-weite Besteuerung von Primärenergieträgern anzustreben, die mittelfristig die jetzige Besteuerung von einzelnen Energieerzeugnissen ersetzt.

Atomausstieg
Anlässlich einiger Störfälle und Pannen in Atomanlagen hat die Bundestagsfraktion wiederholt darauf hingewiesen, dass diese Technik nicht beherrschbar ist. Sie mahnt, das es eine Reihe von Unfallabläufen gibt, die nach praktischer Vernunft von Ingenieuren in Betracht gezogen werden müssen, gegen die keine noch so ausgefeilte technische Vorsorge getroffen werden kann. In einem Entschließungsantrag zur dritten Lesung des neuen Atomgesetzes stellt die Fraktion deshalb fest, dass der fortgesetzte Betrieb von Atomkraftwerken mit dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit unvereinbar ist.

Verkehrsströme
Die PDS setzt auf ein ökologisches Verkehrskonzept, das z.B. durch verkehrssparende regionale Entwicklungspläne die notwendigen dezentralen Strukturen schafft, um Verkehrswege drastisch zu verkürzen und damit eine deutliche Reduzierung des Verkehrsaufkommens ermöglicht.
Auch beim Güterverkehr wird auf Verkehrseinsparung gesetzt. Regionale Wirtschaftkreisläufe sollen gefördert werden, z.B. durch höhere, entfernungs- und fahrleistungsgebundene Transportkosten (LKW-Maut), Vermeiden von Leerfahrten, kleinräumige Versorgung mit Gütern etc.

Die Vermeidung von Verkehr muss begleitet werden von Maßnahmen zur Verkehrsverlagerung auf umweltfreundliche Verkehrs- und Transportsysteme sowie von technischen Verbesserungen zur Reduzierung der Schadstoffemissionen. Neben einer Neugestaltung der Raumstruktur und einer Erhöhung des "Raumwiderstandes" durch Verordnungen und Limits (z.B. Nachtfahrverbot, Tempo 130 auf Autobahnen) wären Maßnahmen zur Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene und die Binnen- und Seeschifffahrt durch Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen (Internalisierung externer Kosten) dringend geboten.

Neben einer weiteren Erhöhung der Mineralölsteuer muss die beschlossene LKW-Maut so verändert werden, dass sie wirksam Güterverkehr auf die Schiene verlagert. Das Ökosteuer-Aufkommen soll nicht - wie von der Regierung beschlossen - zur Senkung von Lohnnebenkosten verwendet werden, sondern zur Finanzierung eines ökologischen Umbaus der Gesellschaft, also im Verkehrssektor zur Finanzierung des Ausbaus öffentlicher Verkehrsmittel.

Zur Reduzierung des ökologisch besonders schädlichen Luftverkehrsaufkommens fordert die PDS neben einer Besteuerung des Kerosins oder einer Emissionsabgabe auch Maßnahmen zur Verlagerung von Kurzstreckenflügen unter 500 km auf die Bahn. Die Bahn muss systematisch gefördert werden und in der Regel zur attraktiven Alternative zum Auto und zum Flugzeug werden. Notwendig ist der flächenhafte Erhalt und Ausbau des bestehenden Schienennetzes. Dabei muss im Zentrum der Netzgedanke stehen - auch hinsichtlich der Geschwindigkeit: Wichtig ist eine insgesamt ausreichend hohe "Netzgeschwindigkeit", nicht nur Höchstgeschwindigkeit von Großstadt zu Großstadt. Dieses Ziel wird in erster Linie durch eine optimale Abstimmung von Nah-, Regional- und Fernverkehr realisiert ("integrierter Taktverkehr"). Die Zuggattung InterRegio ist beizubehalten. Der Personalabbau und das geplante komplizierte und kundenfeindliche Preis-System müssen gestoppt werden.

Die Metrorapid-Planungen sind einzustellen, da sie nicht kompatibel mit dem bestehen Schienennetz sind und der Bahn Finanzen entziehen werden.

Schutz und Ausbau sozialer und demokratischer Teilhaberechte
Ein sozial gerechtes Gesundheitswesen bedarf der Steuerung mittels sozialstaatlicher Regulierung und Gestaltung. Die Selbstverwaltungen sollten nicht abgeschafft, sondern reformiert und weiterentwickelt werden. Wir sind für Qualitätswettbewerb, lehnen aber eine entsolidarisierende Konkurrenz der Kassen und einen Preisunterbietungs- und Verdrängungswettbewerb der Ärztinnen und Ärzte, Krankenhäuser und anderen Gesundheitsberufe ab. Denn das wird früher oder später die Qualität der Versorgung beeinträchtigen.

Arbeitslosenhilfe
Wir sind für ihren Erhalt.

Demokratisierung von Wirtschaft und Gesellschaft
Die PDS tritt für eine Ergänzung der liberalen Abwehrrechte und der demokratischen Mitwirkungsrechte durch soziale Teilhaberechte: das Recht auf Arbeit, das Recht auf Wohnung, das Recht auf Bildung, das Recht auf eine soziale Grundsicherung und das Recht auf gesundheitliche Fürsorge ein.

Staatliches Sicherheitssystem
Die PDS tritt gegen die Beschränkung von Freiheitsrechte ein.

Bildungssystem
Wir betrachten Bildung als ein Menschenrecht und ein öffentliches Gut, das nicht als Ware gehandelt und auf seine Funktion zur Herausbildung von "Humankapital" begrenzt werden darf. Wir wollen das Grundrecht auf Bildung im Grundgesetz verankern. Oberstes Gebot einer Reform muss die Herstellung von Chancengleichheit aller bei der lebenslangen Wahrnehmung aller Bildungsmöglichkeiten sein. Dafür sind Veränderungen in vielen Bereichen notwendig (Sozialpolitik, Arbeitsmarktpolitik, Familien- und Kinderpolitik, Integrationspolitik).

Nötig sind Strukturen, die eine gezielte individuelle Förderung möglich machen. Das schließt die besondere Aufmerksamkeit sowohl gegenüber allen unterschiedlich Benachteiligten als auch gegenüber jenen ein, die schneller lernen und über besondere Begabungen verfügen. Wir wollen sicherstellen, dass niemand aus finanziellen Gründen auf Bildung verzichten muss. Unsere Forderung lautet: "Gebührenfreiheit und Existenz sichernder Unterhalt von der Kita bis zur Weiterbildung".

Asyl
Die PDS-Position lässt sich in den folgenden Elemente zusammenfassen:
Offene Grenzen für Menschen in Not: Menschen, die vor Verfolgung, anderen Menschenrechtsverletzungen oder Katastrophen geflohen sind, dürfen nicht an der Grenze wieder abgewiesen oder abgeschoben werden. Sie müssen hier ein neues Leben beginnen können. Unsere Forderung nach "offenen Grenzen für Menschen in Not" ist ein nicht verhandelbares Essential.

Integraler Bestandteil der Flüchtlingspolitik ist die Beseitigung von Fluchtursachen durch eine aktive Menschenrechtspolitik. Die Verwirklichung aller - bürgerlich-politischen wie wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen - Menschenrechte ist eine Aufgabe für alle Politikfelder. Innen- wie Außenpolitik, Wirtschafts-, Gesundheits- und Bildungspolitik - alle Bereiche staatlichen Handelns müssen auf dieses Ziel hin ausgerichtet sein. Es gibt kein staatliches oder gesamtgesellschaftliches Interesse, das höherwertig sein könnte als die Menschenrechte des Einzelnen.

Ausbau des Asylrechts in Deutschland und Europa: Die PDS tritt ein für den Erhalt beziehungsweise die Stärkung des Grundrechts auf Asyl sowohl in Deutschland als auch auf europäischer Ebene und für die Ausweitung des Flüchtlingsschutzes auf Opfer nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung sowie anderer Formen von Menschenrechtsverletzungen. Dies schließt die Abschaffung oder zumindest das "Aufweichen" der Drittstaaten-Regelung ein.


Zur Anerkennung geschlechtsspezifischer Verfolgung von Frauen und Mädchen als Asylgrund bzw. zwingendes Abschiebungshindernis gibt es bereits zahlreiche Entschließungen des Deutschen Bundestages. Diese müssen endlich umgesetzt werden. Die Regelungen des Zuwanderungsgesetzes sind insoweit nicht ausreichend. Dasselbe gilt für Opfer von Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure
Auch Kriegsdienstverweigerer müssen endlich als politisch Verfolgte anerkannt werden, wenn sie wegen der Kriegsdienstverweigerung oder der Desertion mit Bestrafung rechnen müssen.

Faire Asylverfahren : Die PDS fordert die Gestaltung eines Anerkennungsverfahrens, das fair ist, den Bedürfnissen der Schutzsuchenden - einschließlich der Frauen sowie traumatisierter und minderjähriger Flüchtlinge - entspricht und nicht vom Misstrauen, sondern vom prinzipiellen Wohlwollen gegenüber den Antragstellenden geprägt ist. Das Sonder-Verfahren auf den Flughäfen (§ 18a des Asylverfahrensgesetzes) muss abgeschafft werden. Zu einem fairen Verfahren gehört auch die Beratung von Flüchtlingen über ihre Rechte und Pflichten im Verfahren durch eine unabhängige Stelle schon vor dem Verfahrensbeginn und während der gesamten Verfahrensdauer. Diese muss staatlich finanziert werden. Die Schutzbegehren von Minderjährigen bis zum Alter von 18 Jahren müssen mit besonderer Behutsamkeit und Sorgfalt bearbeitet werden. Deswegen fordern wir, dass die UN-Kinderrechtskonvention endlich auch auf Flüchtlingskinder Anwendung findet und diese bis zu ihrem 18. Geburtstag als Kinder gelten.

Menschenwürdige Lebensumstände: Die Lebensumstände für Flüchtlinge auch während des Asylverfahrens müssen menschenwürdig gestaltet werden. Zu den hierfür notwendigen Maßnahmen zählen die Abschaffung der "Residenzpflicht", ein Ende der sozial(hilfe)rechtlichen Schlechterstellung von Asylsuchenden und anderen Ausländerinnen und Ausländern, vor allem durch Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes und Abschaffung der Arbeitsgenehmigungspflicht und anderer diskriminierender Vorschriften des Arbeitsförderungs- und Berufsrechts.

Der Familiennachzug muss für alle Flüchtlinge möglich sein. Die Einbürgerung muss auch für Flüchtlinge, die nicht als politisch Verfolgte anerkannt worden sind, sondern aus anderen Gründen einen Abschiebungsschutz genießen, erleichtert werden.

Schutz für "Illegalisierte": Für alle in Deutschland lebenden Menschen müssen grundlegende Menschen- und Grundrechte gesichert sein. Das bedeutet unter anderem die Legalisierung des Aufenthalts von MigrantInnen ohne Papiere; die Sicherung von Gesundheitsversorgung und Schulbildung sowie der Schutz vor gewaltsamen Übergriffen für die noch-nicht Legalisierten; die Abschaffung der Abschiebungshaft; die Sicherstellung der Rechte von MigrantInnen unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus sowie Regelungen für Hilfsorganisationen und engagierte Personen, an die sich "Illegalisierte" mit der Bitte um Hilfe wenden.

Abrüstung
Die PDS ist dafür, alle Massenvernichtungswaffen zu ächten. Daher muss die nukleare Abrüstung umfassend vorangebracht werden. Die Bundesrepublik Deutschland kann dazu beitragen, indem sie jegliche nukleare Teilhabe aufgibt.

Der bestehende Vertrag über die weltweite Vernichtung der chemischen Waffen darf nicht weiter ausgehöhlt werden, sondern muss beschleunigt umgesetzt werden. Es muss endlich eine verbindliche Regelung zur Überprüfung des Bio-Waffen-Verbotes her.

Die PDS schlägt globale und regionale Übereinkünfte zur Reduzierung der konventionellen Waffenbestände und zur Beschränkung der Rüstungsmodernisierung vor. Die weltweiten Militärausgaben liegen derzeit bei ungefähr 800 Milliarden Dollar. Für einen Bruchteil dieses Betrages könnten viele Probleme der Unterentwicklung - und damit der wichtigsten Ursache von Gewalteskalation - in Angriff genommen werden. Zukunft gibt es nur durch Abrüstung und Entwicklung. Wir befürworten deshalb eine Initiative der UNO, die Rüstungshaushalte jährlich um 5% zu senken und diese Mittel in die Entwicklungsfinanzierung umzulenken.

Um die Blockade bei der internationalen Abrüstung und Rüstungskontrolle aufzulösen, können Schritte unilateraler Abrüstung von Nutzen sein. Deutschland kann mit gutem Beispiel vorangehen! Zum Beispiel durch die Verkleinerung deutscher Streitkräfte. Auch und gerade im Bereich der Rüstungsexporte muss Deutschland noch restriktiver agieren und sich um ein Verbot der Waffen-Ausfuhren bemühen. Bei der Ächtung von Landminen konnten Erfolge erreicht werden, weil bereitwillige Staaten und aktive Nichtregierungsorganisationen zusammenwirkten und die Weltöffentlichkeit beeinflussten. Dieser Weg kann auch in anderen Bereichen (Bio-Waffen!) beschritten werden.

Mit freundlichen Grüßen


Gabi Zimmer