BasisGrüne Erklärung
(Grundlage war die schleswig-holsteinische Erklärung vom Februar 1997) (verabschiedet am 06.03.99 in Erfurt)Ausgehend von Schleswig-Holstein (seit 1996) treffen sich seit Sommer 1998 Mitglieder von Bündnis 90 / DIE GRÜNEN zu Diskussionen über Alternativen zur vorherrschenden Politik, wie sie in den Parteigremien aus organisatorischen und politischen Gründen kaum noch geführt werden können. Die informelle Geprächsrunde hat sich die Bezeichnung BasisGrün gegeben. Der Name ist nicht Tatsachenbeschreibung, sondern Forderung: 'grün' bedeutet nicht eine Parteibezeichnung, sondern ein Programm, 'basis' heißt nicht Mitgliedschaft, sondern demokratischer Politikstil.
Fehlentwicklungen im Zusammenhang mit rotgrünen Koalitionen sind aber wiederum nur ein Symptom, dem Parteistrukturen zugrundeliegen, die nicht mehr basisdemokratisch sind, Inhalte, die nicht mehr ökologisch, sozial, gewaltfrei und kritisch gegenüber kapitalistischen Strukturen sind, Ideologien, denen das Mitmachen wichtiger ist als die Veränderung. Regierungsbeteiligung kann sich, zu stark fixiert auf den Erhalt der Macht, auch als kontraproduktiv erweisen. Aus dieser desolaten Situation wollen die TeilnehmerInnen des Kreises BasisGrün herausfinden.
Eine Enthierarchisierung der Partei ist nötig, damit konservative Organisationsstrukturen nicht weiterhin konservativen Inhalten Vorschub leisten. Die wirklich wichtigen Entscheidungen in unserer Partei müssen auf breiter Basis vorbereitet, diskutiert und gefällt werden. Der Kreis BasisGrün will eine Beratungs- und Entscheidungskultur einführen, in der nicht Amt oder Funktion ausschlaggebend sind, sondern in der sich eine Auffassung nur durch Argumente legitimieren kann. In künftigen Struktur- und Satzungsdebatten werden wir auf solche Kriterien Wert legen.
Als gesellschaftliche Basis unserer Partei betrachten wir nicht eine undefinierbare und daher für jeden Zweck herbeizitierbare schweigende Mehrheit oder eine klassenlose Gesamtbevölkerung, sondern die systematisch Benachteiligten und Übervorteilten, die Opfer von Herrschaftshandeln und die Bevormundeten. Wir müssen uns nicht um die sorgen, die gut für sich selber sorgen. Wir suchen in erster Linie MitstreiterInnen, nicht AnhängerInnen. Nicht die Auswertung von Umfragen mit Blick auf das nächste Wahlergebnis, sondern die gesellschaftliche Verankerung in den alternativen und traditionell linken aktiven Gruppierungen staats- und wirtschaftskritischer Bürgerinnen und Bürger ist die Orientierung unseres politischen Handelns. Von dieser gesellschaftlichen Basis lassen wir uns gern jederzeit in 'unsere' Politik 'hineinreden'. Mit dieser gesellschaftlichen Basis, nicht mit einem politischen Gegner soll unsere Politik verträglich sein.
Partei, Fraktion, Regierungsmitglieder von Bündnis 90 / DIE GRÜNEN können verschiedene Methoden zur Realisierung grüner Ziele, aber nicht verschiedene Ziele haben. Das Auseinanderdriften von Anspruch und parlamentarischer Wirklichkeit seit Einzug der Grünen in die verschiedenen Regierungen auf Landes- und Bundesebene(n) ist nicht Spagat, sondern Zerrissenheit, nicht Realismus, sondern Opportunismus. Der basisgrüne Kreis strebt an, mit einem durchgehenden grünen Faden wieder einen Zusammenhang herzustellen zwischen gesellschaftlicher Basis, Partei, Fraktion und Regierungsmitgliedern. Wo politische Programme, Konzepte und Projekte auf dem Weg durch diese 'Instanzen' an Substanz verlieren, verfälscht werden oder ganz verlorengehen, stellen wir die Instanzen in Frage; denn sie legitimieren sich nur durch ihren politischen Inhalt täglich neu und sind ohne ihn wertlose Etiketten.
Grüne an der "Macht" sind also nicht schon dadurch an der Macht, daß sie Regierungsämter innehaben, sondern nur dann, wenn sie gesellschaftlich begründete, essentielle grüne Forderungen auf den Weg der Realisierung bringen und die herrschende Politik der Ausbeutung von Menschen und Natur an einigen Hauptpunkten vom Weg abbringen. Sog. "Grüne", die sich daran beteiligen, Atomkraftwerke einzuschalten und Autobahnen zu bauen sind offensichtlich nicht an der Macht - oder keine "Grüne" mehr!. Vielleicht ist ausgefüllte Opposition mehr Macht als entleerte Regierungsbeteiligung. BasisGrün möchte, daß die Grünen mehr Macht bekommen.
Die politische Willensbildung auf Landes- und Bundesversammlungen unserer Partei erfolgt weniger als Streit um grüne Inhalte und Wege, sondern oft als Überredung zur Erhaltung eines sogenannten Parteifriedens für Medien und Öffentlichkeit. Die Kursabweichungen vom Programm der Grünen werden durch glättende Formulierungen übertüncht, statt daß genaue Analysen die Konfliktpunkte klären. Schlimmstenfalls wird ein undefinierbares Privatgewissen angerufen, um die herrschende Politik auch gegen grüne Programmatik mitzutragen. Vermeintlich effiziente Verfahren können vielleicht kurzfristig eine brüchige Mehrheit herstellen, zerstören aber jede Streitkultur. BasisGrün hält durchschaubare Argumentationen in der (Partei-) Öffentlichkeit für das beste Mittel, um Konsens in grundlegenden Fragen zu erzielen.
Wenn wir Grünen uns in unserer Lebensweise, unseren Beziehungen und in unserer Kommunikation nicht von denen unterscheiden, die wir bekämpfen, bleibt die grüne Idee eine abstrakte Theorie, die keine Kraft für Veränderungen entwickelt. Nur wenn wir untereinander Vertrauen haben und für breite Bevölkerungsschichten glaubwürdig bleiben bzw. werden, haben wir eine Chance, mit von vielen gemeinsam getragenen Aktionen unsere Ziele zu erreichen. Diese dürfen nicht als taktisches Kalkül zur Sicherstellung der 'Mitherrschaft' instrumentalisiert oder relativiert werden. Wenn Inhalte nicht für alle nachvollziehbar ausdiskutiert werden, wird Raum frei für versteckte Hierarchien, persönliche Beziehungskisten, Informationsmonopole. So werden wir die herrschenden Machtverhältnisse nicht beseitigen.
BasisGrüne arbeiten in den verschiedenen Parteigremien mit, um diese Ziele zu verwirklichen und die Parteimehrheit mit besseren Argumenten zu überzeugen. Die Mitwirkung all derjenigen ist willkommen, die sich mit ihren Vorstellungen in diesem Papier wiederfinden.
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