Kassel, 21. September 2000 Bundesausschuss Friedensratschlag: Rüstungsexportbericht der Bundesregierung Der Bundesausschuss Friedensratschlag ist teils enttäuscht, teils erzürnt über den gestern von der Bundesregierung vorgelegten Rüstungsexportbericht 1999. Die Vorlage des ersten Berichts dieser Art geht auf eine entsprechende Festlegung in den Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung vom 19. Januar 2000 zurück. Der nun veröffentlichte Bericht wollte "zu einem höheren Maß an Transparenz" beitragen. Herausgekommen ist ein Bericht, dessen 120 Seiten eine große Informationsfülle versprechen, den äußerst spärlichen Gehalt dieser 120 Seiten aber nur mühsam verhüllen können. Der eigentliche Bericht besteht aus mageren 23 Seiten, alles andere sind Dokumentationen alter Beschlüsse und tabellarische Aufzählungen. Geheimhaltung statt "Transparenz" Die "Transparenz" endet da, wo die Rücksicht auf die Anonymität
der Rüstungsproduzenten und -exporteure beginnt. Z.B. taucht kein
einziger Firmenname auf, obwohl doch die beteiligten Lieferanten zu den
Nutznießern staatlicher Exportgenehmigungen gehören. Dabei
würde es keineswegs den Geheimhaltungsvorschriften und dem Vertrauensschutz
gegenüber Unternehmen "Genehmigungen" statt Realausfuhren Ein Manko des Berichts besteht darin, dass nur über erteilte Exportgenehmigungen,
nicht aber über den Umfang der tatsächlich exportierten Rüstungsgüter
informiert wird. Dass es darüber Daten gibt, geht aus einer Untersuchung
des US-amerikanischen Kongresses vom August d.J. hervor, in der für
das Jahr 1999 deutsche Rüstungsexporte in Höhe von insgesamt
über vier Milliarden Dollar aufgelistet sind. Damit setzte sich die
Bundesrepublik auf Platz drei der weltgrößten Regierung genehmigte (fast) alles Da die neuen Rüstungsexportrichtlinien 1999 noch nicht vorlagen, hielt sich die Bundesregierung bei ihrer Exportgenehmigungspraxis an die alte Beschlusslage, d.h. an die politischen Richtlinien von 1982 sowie an den europäischen "Verhaltenskodex" vom 8. Juni 1998. Dieser Verhaltenskodex, an den die Bundesregierung sich zu halten versprach, verbietet Waffenexporte in Länder, über die ein Waffenembargo verhängt ist (Kriterium 1), die gegen grundlegende Menschenrechte verstoßen (2), die in innere bewaffnete Konflikte verstrickt sind (3), die in instabilen Regionen liegen (4) oder die keine zuverlässige Gewähr bieten, erhaltene Waffen nicht an Dritte weiter zu geben (7). Würden diese Kriterien auch nur grob eingehalten, dürften Waffen in Krisen- und Spannungsgebiete überhaupt nicht exportiert werden. Der afrikanische Kontinent, Südasien, Mittelasien und Südostasien wären genauso tabu wie weite Teile Süd- und Mittelamerikas. Die Genehmigungspraxis der Bundesregierung sieht aber anders aus. Von den gestellten 9.458 Rüstungsexportanträgen wurden lediglich 85 (in Worten: fünfundachtzig) abgelehnt, das entspricht einer Ablehnungsquote von gerade einmal 0,9 Prozent! Genehmigungen wurden erteilt in Länder wie Albanien, Algerien, Aserbeidschan, Bangladesch, Belarus (Weißrussland), Botsuana, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Ecuador, Gabun, Georgien, Ghana, Guyana, Indien, Indonesien, Israel, Jemen, Jordanien, Kasachstan, Kenia, Kolumbien, (Süd)korea, Kuwait, Libanon, Malaysia Mazedonien, Nepal, Nigeria, Oman, Pakistan, Peru, Philippinen, Rumänien, Russland, Sambia, Saudi-Arabien, Simbabwe, Sri Lanka, Syrien, Taiwan, Tansania, Thailand, Tunesien, Uganda, Usbekistan, Vereinigte Arabische Emirate. Alles Länder, auf welche eines oder mehrere der o.g. Kriterien 2, 3, 4 und 7 zutreffend sind. Besonders skandalös ist, dass auch in Länder exportiert werden darf, gegen die 1999 ein international anerkanntes Rüstungsembargo bestand (Kriterium 1), z.B. Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Jugoslawien, Äthiopien und Sierra Leone.
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag: Dr. Peter Strutynski
(Sprecher) |