Wahldebakel in Ost und West -

Wozu braucht man überhaupt noch Grüne?

Klaus-Dieter Feige

 

Zunächst die ‚gute‘ Nachricht: Wir sind nicht mehr Schlußlicht.

Ich weiß nicht genau wo ich diesen Galgenhumor jetzt gerade hernehme, aber was bleibt einem sonst. Wer glaubte unser Landtagswahlergebnis sei nicht mehr zu unterbieten, der konnte gestern und wird in den nächsten Tagen noch manche Überraschung erleben. Alles in allem sind diese WählerInnen-Verluste nicht einfach mehr nur mal eine zeitweilige Formkrise der grünen Idee. Diese Verluste sind grundsätzlicher Art und eine existentielle Bedrohung für die Grünen an sich geworden.

In einer solchen Situation ist es schon peinlich, wenn Gunda Röstel die Schuld an dem Debakel nur der schlechten Arbeit in den Landesverbänden zuschieben will. Auch die dagegen gehaltene Länderposition: ‚Die Bonner sind an allem schuld‘ bringt uns keinen Zentimeter weiter.

Nur die ewig gleichen Sprüchen der Beschwichtigung sind out. So doof sind die WählerInnen nicht. Aber das permanente Zudecken der unüberbrückbaren inneren Dissonanzen im grünen Lager ist wirklich (nerv)tödlich.

Was ist eigentlich bisher passiert?

Seit dem Magdeburger Parteitag mit seinem gloriosen 5-DM-Benzinpreis-Beschluß geht es mit den Grünen permanent bergab. Wir sind leider schon mit einem miserablen Wahlergebnis in die Regierungsverantwortung gekommen. Allein Wahlverlierer zu sein hätte uns davor warnen müssen. Kündigten die Europawahlen die Sohle der Talfahrt an? Weit gefehlt, sehr weit...

Dabei haben sich die Grünen ‚politisch‘ doch bewegt, wird manch einer jetzt dagegenhalten. Wir haben scheinbar unnötige Positionen verlassen, haben uns auf die Mitte zubewegt – zumindest die Mehrheit bei Bündnis 90/Die Grünen hat dies bewußt getan. Und wir sind auch in der öffentlichen Wahrnehmung dort angekommen, wo die SPD früher stand. Aber genau da liegt das Problem.

Als Schröder noch MP in Niedersachsen war und ich in Bonn versuchte die Ostinteressen zu vertreten, kam der heutige Kanzler mal in die grüne Bierrunde bei Jürgen Trittin (damals Vize-MP) und meinte: ‚Die Grünen kommen eines Tages doch mal alle wieder in den Schoß der SPD zurück."

Ich habe mich damals gegen solche Gedanken gewehrt. Aber seit einiger Zeit habe ich die ‚Weitsicht‘ des Kanzlers begriffen. Nur die Sozialdemokratisierung der Grünen ist zugleich auch der Anfang vom Ende der grünen Distanz zum Opportunismus der Sozialdemokratie. Wer jetzt noch nicht begreift, daß wir uns bewegen können, aber die grünen WählerInnen sich damit von uns wegbewegt haben, der nimmt den Absturz bewußt in Kauf.

Meiner Meinung nach war es ein Fehler die sogenannten ‚linken‘ Positionen der Grünen Partei zu verlassen. Mir ist dabei aber völlig egal ob die Positionen linke oder realpolitische waren. Wir haben uns einen Modernisierungszwang aufdrängen lassen, den wir gar nicht nötig hatten. Jetzt steht dafür aber zunehmend eine andere Frage auf der Tagesordnung: Wozu braucht diese Bundesrepublik überhaupt noch Grüne – nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern.

Wir stehen vor unserem ‚Perspektiven-‚ oder wenn ihr so wollt ‚Strategiekongreß‘. Er hat nicht erst mit dem Wahlergebnis von gestern an Bedeutung gewonnen. Solche Kongresse sollten jetzt überall, auch in den Kreisen stattfinden. Weder Bundes- noch Landesebene nehmen Euch diese Verantwortung ab. Und egal zu welchem Ergebnis Ihr kommt. Wir brauchen entweder wieder eine klare Antwort darauf, warum es Bündnisgrüne geben muß oder wir sollten die Kiste zumachen.