Liebe Leute,

heute frueh, 2.4., 10.30 Uhr, haben Antje Radcke, Angelika Beer und ich gemeinsam eine Pressekonferenz gemacht, um eine diplomatische Initiative der Bundesregierung im Kosovo-Konflikt zu fordern.

Der Text, den wir der Presse vorgelegt haben, liegt als Anlage bei.

Bei dieser PK haben wir auch mitgeteilt, dass der BuVo eine Sonder-BDK einberufen wird.

Mit freundlichen Gruessen

Reinhard Buetikofer


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Bundesvorstand Bündnis 90/Die Grünen
Angelika Beer, verteidigungspolitische Sprecherin
2.4.1999

Grüne fordern Bundesregierung zu diplomatischer Initiative im Kosovo-Konflikt auf:
"Wir müssen alle Möglichkeiten für eine politische Lösung ausschöpfen!"

Seit zehn Tagen fliegt die NATO Luftangriffe in Jugoslawien. Seit fünf Tagen konzentrieren sich diese Angriffe auf Kasernen, Treibstofflager, Kommunikationseinrichtungen der jugoslawischen Armee im Kosovo. Die vor dem Beginn des Angriffes verbreitete Hoffnung, Slobodan Milosevic werde nach kurzer Zeit unter dem Druck des Bombardements einlenken, seinen ethnischen Krieg gegen die albanische Mehrheit im Kosovo beenden und bereit sein, den Vertrag von Rambouillet zu unterzeichnen, hat sich als falsch erwiesen. Tatsächlich entwickelt sich vor unseren Augen im Kosovo eine humanitäre Katastrophe großen Ausmaßes. Die Vertreibungspolitik gegen die albanische Mehrheit ist seither sogar intensiviert worden – über 570.000 Menschen befinden sich derzeit auf der Flucht. Die Vertreibung geschieht planvoll und systematisch; durch Zerstörung von Dokumenten soll der Anspruch auf spätere Rückkehr unmöglich gemacht werden. Es gibt offenbar in großem Umfang gezielte politische Morde an der albanischen Intelligenz. Es gibt Berichte über Internierung von Albanern und über Massaker an ihnen.

Die Verantwortung für diese Eskalation der Kosovo-Krise liegt bei der Belgrader Führung. Das gewaltsame Vorgehen gegen die albanische Mehrheit ist offenkundig seit langem geplant. Bereits in den Wochen vor den Luftangriffen hatte Slobodan Milosevic trotz des laufenden Verhandlungsprozesses in Rambouillet die Politik der Vertreibung und Ermordung der albanischen Bevölkerung verstärkt. Leider konnten die Luftangriffe gegen die Politik der "ethnischen Säuberung" , die eine Wiederholung der serbischen Strategie in Bosnien darstellt, bisher nichts oder nur wenig ausrichten. In dieser Situation stellen viele Menschen in unserem Land und auch bei Bündnis 90/Die Grünen, die grundsätzlich die humanitäre Zielsetzung einer begrenzten militärischen Intervention in Jugoslawien trotz völkerrechtlicher Bedenken mittragen, den Sinn und die Erfolgsaussichten der NATO-Strategie in Frage. In der öffentlichen Debatte droht aus dem realen Dilemma, dem wir uns ausgesetzt sehen, die Alternative zwischen zwei jeweils unerträglichen Optionen zu werden: Entweder die bedingungslose Einstellung der militärischen Aktionen der NATO, was den Sieg der völkermörderischen Politik Milosevics bedeuten würde, oder die bedingungslose Fortsetzung der Eskalation einschließlich des Einsatzes von Bodentruppen. Beides hätte verheerende Konsequenzen nicht nur für die betroffenen Menschen im Kosovo und in der ganzen Region, sondern auch für die internationale Politik insgesamt.

Daher fordert der Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen die Bundesregierung auf, in der NATO eine diplomatische Initiative für einen politischen Ausweg zu ergreifen. Das Ziel aller Aktionen der Staatengemeinschaft muß die Beendigung der Massaker und Vertreibungen im Kosovo bleiben. Das Ziel soll darüber hinaus sein, einen Stabilitätspakt für die gesamte Region anzustreben. Der Diplomatie muß schnell eine neue Chance eingeräumt werden, bevor der Konflikt eine völlig unkontrollierbare Kriegsdynamik entwickelt. Die Initiative des russischen Ministerpräsidenten Primakow hatte keine akzeptablen Verhandlungsangebote der jugoslawischen Regierung erreichen können. Slobodan Milosevic hatte Herrn Primakov weniger angeboten, als er anderswo schon unterschrieben hatte. Dennoch sollte dieser Versuch als Auftakt für weitere politische Aktivitäten genutzt werden. Nach unserer Auffassung sollte die NATO der BR Jugoslawien die Aussetzung der Luftangriffe für den Fall anbieten, daß Belgrad eine sofortige Waffenruhe verkünden und umsetzen würde. Außerdem müßte Belgrad sich bereit erklären, einen definitiven Plan für den kurzfristigen vollständigen Abzug der jugoslawischen Armee und der serbischen Polizeieinheiten aus dem Kosovo zu vereinbaren. Weiterhin müßte Belgrad gleichzeitig seine Bereitschaft zu den folgenden Punkten und ihrer umgehenden Umsetzung erklären:

- die in Mazedonien gefangen genommenen US-Soldaten sofort frei zu lassen,

- dafür zu sorgen, daß im Kosovo tätige serbische paramilitärische Einheiten und Freischärler sofort ihre Waffen niederlegen und, falls sie nicht aus dem Kosovo stammen, diesen unverzüglich verlassen, allen intern Vertriebenen und allen Flüchtlingen die Rückkehr an ihre Herkunftsorte zu ermöglichen,

- zuzustimmen, daß auf der Grundlage des Rambouillet-Abkommens eine politische Lösung für den Kosovo ausgehandelt wird,

- der Implementierung durch eine internationale Friedenstruppe auf der Grundlage Kap. VII UN-Charta zuzustimmen.

Wir sind überzeugt davon, daß auf dieser Grundlage schnell ein Waffenstillstand von allen Seiten fest vereinbart werden kann. Gleichzeitig sollte die Bundesregierung nach unserer Auffassung in der EU eine Initiative ergreifen für eine internationale Balkankonferenz mit dem Ziel, eine politische Lösung für den Kosovo einzubetten in eine dauerhafte und umfassende Stabilisierung der gesamten Region. Ziel muß es sein, mit den Mitteln präventiver Diplomatie die Entstehung gewaltsamer Konflikte in der Region zu verhindern, dauerhafte Voraussetzungen für Demokratie, Marktwirtschaft und regionale Zusammenarbeit zu schaffen und die Staaten Südosteuropas auf Dauer fest in den gesamteuropäischen Strukturen zu verankern.

 

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