Kommentar vom BAG-Energie-Sprecher Thomas Myslik
Zu den "Thesen zur Erneuerung bündnisgrüner Umweltpolitik"

Es ist erfreulich zu hören, daß der Umweltpolitik auch bei unseren führenden Personen ein Platz als eins der wichtigen Politikfelder der Partei zugebilligt wird. Bedauerlich ist es in welcher Form dieses geschieht: über die Medien und in der Schreibweise einer Wahrheit. Das führt fast automatisch zu einem Strömungsstreit, der intern noch als Diskussionsfreudigkeit bemäntelt werden kann, doch nach außen als Streitsucht wahrgenommen werden muß. Wertet man diesen Vorgang als ein frühen Start der Diskussion um ein neues Grundsatzprogramm, so muß man Bange haben, daß die ganze Diskussion zu einem reinen Kräftemessen der Lager und ihren Vorreitern wird. Die Partei entfremdet sich so immer mehr gegenüber uns Flügellosen.
Zu den Thesen muß ich feststellen, daß sie so neu nicht sind. Aber vielleicht mußte es mal wieder ausgesprochen werden.
Die zeigen Thesen Zielsetzung und Vorgänge auf, die weitgehend der Praxis entsprechen oder bereits einen programmatischen Konsens gefunden haben. Gleichzeitig werden aber auch schon verworfene Rezepte wiederbelebt. Manche Aussagen, so die zur Bestimmung von Nachhaltigkeit, versuchen zudem so eine Definitionsmacht zu setzen, daß eine Auseinandersetzung damit nicht mehr möglich scheint. Doch diese muß in einer sachlichen Form geschehen.

Denn nicht nur "Die Unzufriedenheit über die Umweltpolitik der Regierung" in Berlin kann der Anlaß sein, sondern die Unzufriedenheit an allen Orten grüner Verantwortungsnahme. Auf der anderen Seite haben wir es mit einer hohen Erwartungshaltung gegenüber der Wirksamkeit grüner Politik zu tun, die leider in Form von Erfolgsmeldungen bei klaren Niederlagen weiter versucht wird zu pflegen, aber keine Glaubwürdigkeit mehr erzielen kann. Was offenkundig mißlingt, ist die öffentlichen Gestaltung einer Politik, die diese Unterstützung für ihre Reformen auch tatsächlich mobilisiert. Dieses gilt für Abfallkonzepte leider ebenso wie für Baumschutzsatzungen.

Eine Diskussion über das Machbare und dessen Randbedingungen muß mit der Regierungsbeteiligung im Bund geführt werden, denn auch die Generalentschuldigung in den Ländern und Kommunen, daß Bonn jetzt Berlin der Hemmschuh sei entfällt nach der Ära Kohl. Leider muß jedoch auch festgestellt werden, daß die für ein Umsetzen hilfreichen Impulse vom Bund bisher nur spärlich waren.

In der Tat spiegelte sich Umweltpolitik von Grünen und Umweltverbänden oftmals in der Frage, Wer sind die "Bösen". Aber im verantwortlichen Regierungshandeln hat der moralische Rigorismus schon lange ausgedient. Auch wenn manche unserer Parteigänger diesen immer noch einfordern, so kommt er doch schon lange nicht mehr zum Tragen. Daher muß das Gespräch mit der Gesellschaft auch nicht neu formuliert werden. Umweltpolitik war auch nie wirklich Sektorpolitik, lediglich haben sich die einzelnen Fachdisziplinen gegenseitig wenig miteinander beschäftigt. Ein Manko, daß bei den Bundes- und Landesarbeitsgemeinschaften weitgehenst überwunden ist.

So haben wir auch von überholten Vorstellungen tlw. schmerzlich Abschied genommen. Dieses gilt z.B. für bei den Thesen angeführte Wärmedämmung des Wohnungsbestandes. Die Frage: Wer will eine Allianz aus Hochtechnologieunternehmen, der Bauwirtschaft, Einzelgewerkschaften, Umweltverbänden, Kirchen und entwicklungspolitischen Gruppen aufhalten?; muß leider aktuell mit der Antwort: die Betriebswirtschaftliche Rechnung und der Schutz der sozial Schwachen quittiert werden. Hier stimmen die Rahmenbedingungen nicht, die Energiepreise sind zu niedrig die Arbeitskosten zu hoch. Und das Ergebnis der Öko-Steuerbeschlüsse im Bund wird daran nichts ändern.

Daß bei der Umsetzung von Zielsetzungen erst am Ende entschieden wird, wie ordnungsrechtliche Rahmensetzung, marktwirtschaftliche Instrumente und die freiwillige Zusammenarbeit unterschiedlicher Gruppen zusammenwirken, war auch immer klar. Jedem staatlichen Verfahren im Umweltschutz geht die Einbeziehung der Betroffenen voraus. In sofern ist das Ordnungsrecht nicht "von oben". Das dabei nicht alle glücklich sind, versteht sich von selbst, denn DIE Gesellschaft existiert nicht, sondern ein Sammelsurium von Interessen. Hier soll der Staat verbindlich Ausgleich schaffen, die Schwachen vor den Starken schützen und einem "mittleren" Wohl der Gesamtheit nützen. Das Ordnungsrecht schafft auch mit seinen Sanktionsmöglichkeiten diese Verbindlichkeit.

Mit dem Begriff der Nachhaltigkeit können wir hier ein grünes Markenzeichen etablieren; doch was eine lebenswerte Zukunft sein soll, ist ein Kernbereich der Nichtvermittlungsfähigkeit grüner Umweltpolitik. Die 5-Mark-Debatte, von wem sie auch immer verursacht wurde, zeigt, daß unsere Programmatik am Lebensgefühl und am Alltag vieler unsere Wähler vorbeigeht. Hier muß dran gearbeitet werden, um so mehr als auch viele unserer Parteimitglieder ein Leben, orientiert an dieser Programmatik, ablehnen. Wir haben ein ausgemachtes Lifestyleproblem.

Neue Allianzen schmieden geht nur da, wo die Rahmenbedingungen dafür Platz lassen; Verbündete in Wirtschaft und Gesellschaft sind nur zu finden, wo deren originäre Interessen Eingang finden können. Längst sind nicht die Möglichkeiten ausgeschöpft. Doch sind das staatliche Aufgaben, die die bisherigen ablösen können? Wird eine Partei deshalb gewählt, weil sie Aufgaben macht die auch vom BUND oder Grennpeace erfüllt werden könnten?

Freiwilligkeit ist natürlich immer besser als Vorschrift, aber auch ein freiwilliges Öko-Audit ist oftmals nichts anderes als ein Weg dem System der staatlicher Überwachung mit seinen Verbotsforderungen sicher und kostengünstig standhalten zu können. Und wenn CO2-Einsparung, auf die der Staat mangels gesetzlicher Regelung keinen Einfluß nehmen kann, mit einbezogen wird, ist das freiwillig und stellt eher die Frage, warum der zentrale Stoff des Klimaschutzes sich einheitlicher Regelung in der Wirtschaft entzieht und damit Wettbewerbsverzerrungen geradezu provoziert, wo er im Privatbereich durch Wärmeschutzverordnung und verordnete Heizungsprüfung schon lange akzeptierten Einzug gehalten hat.

Deshalb sollten wir UmweltpoltitikerInnen der Grünen aus Bund, Ländern und Kommunen künftig der Geringschätzigkeit gegenüber Umweltfragen entschiedener entgegentreten, die Beachtung geltender Gesetze einfordern und darüber hinaus in der Gesellschaft weitere Bündnispartner suchen, indem wir die Rahmenbedingungen schaffen, in den Freiwilligkeit der Logik des normalen Handelns entspricht.

 


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Thomas Myslik