Persönliche Erklärung der Abgeordneten
Annelie Buntenbach und Monika Knoche
gem. § 31 GO des Bundestages zur Abstimmung über das Haushaltssanierungsgesetz
(Drucksachen Nr. 14/1523, 14/1636, 14/1680) am 12.11.1999Wir lehnen dieses Gesetz ab, weil es in dem Versuch, den Haushalt ausschließlich über die Ausgabenseite zu konsolidieren, gerade zulasten derjenigen Einsparungen vornimmt, die z.Zt. meist unfreiwillig auf staatliche Ausgaben angewiesen sind. Große Bevölkerungsgruppen, die bislang von rot-grün noch nicht entlastet worden sind, aber zu den einkommensschwächsten im Lande gehören, werden belastet, obwohl sie schon von der Kohl-Regierung jahrelang immer wieder zur Kasse gebeten wurden.
Das betrifft nicht nur die RentnerInnen, die im Blickpunkt der öffentlichen Auseinandersetzung gestanden haben, sondern vor allem Erwerbslose und Sozialhil-feberechtigte. Wer z.Zt. keine Steuern zahlt, kann vom Steuergesetz auch nicht entlastet werden. Da das Kindergeld als Ein-kommen auf die Sozialhilfe angerechnet wird, drohten die Erhöhungen gerade an den Ärmsten vorbeizugehen. Ich bin sehr froh, daß wir erreichen konnten, daß die Kindergelderhöhung von 20 Mark ab 2000 den Sozialhil-feberechtigten nun über eine entsprechende Regel-satzerhöhung für Kinder doch zugute kommt.
Doch dies reicht keineswegs aus, wenn wir uns vor Augen führen, daß diejenigen, die auf jede Mark angewiesen sind, nämlich die BezieherInnen von Sozialhilfe und Lohnersatzleistungen, von der Net-tolohnentwicklung abgekoppelt wer-den. Die Abschaffung der originären Arbeits-losenhilfe trifft kei-neswegs "nur" angehende Lehrer und Juristinnen, Zivildienstleistende und Soldaten, sondern auch viele prekär Beschäf-tigte, die die 12-monatige Anwartschaftszeit für das Arbeitslosengeld nicht zusammenbe-kommen. Gerade die Rentenversicherung für Ar-beitslosenhilfebezieher so drastisch zu senken, daß dies bei Arbeitslosigkeit von einem Jahr zum Verlust von zwei Dritteln ihrer in die-ser Zeit erworbenen Rentenansprüche führen kann, ist für ältere Langzeitarbeitslose besonders bitter. Sie ha-ben bekanntlich kaum eine Chance, noch einmal einen Job zu finden und müssen dann mit 60 weitere Abschläge auf die Rente hinnehmen.
Die meisten dieser Maßnahmen sind nicht - auch dies wäre nachdrücklich zu kritisieren - einmalige Eingriffe, sondern werden mit diesem Gesetz auf Dauer als geltendes Recht festgeschrieben. Dies präjudiziert die Fortsetzung einer Politikausrichtung, die gerade diejenigen trifft, die ohne einflußreiche Lobby weiter draußen stehen. Die von uns immer wieder kritisierte Politik der alten Bundesregierung, den Bundeshaushalt über den Weg der "Verschiebebahnhöfe" zulasten der sozialen Sicherungs-systeme, wird an dieser Stelle fortgeschrieben. Die Handlungsspielräume der Kommunen werden weiter beschränkt. Wir wollen mit unserer Ab-lehnung des Haushaltssanierungsgesetzes auch deutlich machen, daß wir einen solchen Weg auch in Zukunft nicht mitgehen werden.
Eine Konsolidierung der hochverschuldeten öffentlichen Haushalte kann nur gelingen, wenn die Ein-nahmeseite durch stärkere Belastung insbesondere der großen Vermögen nachhaltig verbessert wird, z.B. durch eine angemessene Reform der Erbschaftssteuer, durch die Wiederbelebung der Vermögenssteuer bzw. die Einführung einer Vermögensabgabe. Dies würde außerdem zusätzlichen Spielraum für die öffentliche Hand schaffen, der dringend notwendig ist, um effektiv gegen Massenerwerbslosigkeit angehen zu können. Deren Reduzierung würde wiederum neue Handlungsspielräume eröffnen.
Die Hoffnung, daß mit der Verabschiedung dieses Sparpakets bzw. einer Politik der Steuer-senkungen und Reduzierung der Staatsquote, schon ein großer Schritt bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit erreicht wäre, vermag ich nicht zu teilen. Die Entlastung der Wirtschaft führt - das lehrt die Erfahrung der letzten Jahre - keineswegs automatisch dazu, daß hier das Geld statt in Rationalisierungen oder an die Börse dann in Investitionen zu-gunsten neuer Jobs flie-ßen würde. Diese Rechnung geht nicht auf, vielmehr werden wir das gesellschaftliche Grund-übel Massenarbeitslosigkeit direkt bekämp-fen müssen - über Arbeitszeitverkürzung oder die öffentliche Förderung von Beschäfti-gung im sozial-ökologisch-kulturellen Bereich.