Nicht mit, aber auch nicht ohne Quote:
Frauen an die Macht?!

Die politische Durchsetzungkraft und die Regierungsfähigkeit von Frauen sind im Zusammenhang mit der rot-grünen Regierungsbildung bundesweit diskutiert und zum Teil in Frage gestellt worden. Es ist trotz Quoten nicht selbstverständlich, daß Frauen ihrem Anteil an der Bevölkerung entsprechend Regierungs- und Staatsämter besetzen. Frauenförderung in der Politik kann sich offensichtlich nicht nur auf die Quote verlassen.

Blick zurück

Die grüne Entscheidung zwei Minister und eine Ministerin zu benennen, stellt einen Bruch mit dem grünen Grundkonsens der gleichberechtigten Beteiligung von Frauen auf allen Ebenen, in allen gesellschaftlichen Bereichen dar. Die Folgen machen sich schleichend bemerkbar: Diskussionen werden, vor allem wenn es sich um strukturelle Fragen handelt, sehr schnell mit Personen verknüpft und mit diesen gewonnen oder verloren. "Nur nicht zuviel fordern, nur nicht wieder die eigene Niederlage inszenieren" ist eine weitere Überlegung beim derzeitigen frauenpolitischen Agieren.

Frauen in der Politik

Mittels Quote konnte/ kann die zahlenmäßige Gleichstellung von Frauen ernsthaft vorangetrieben werden, die männlichen Machtzentren ließen sich nicht aufbrechen.

Die derzeitige Situation von Frauen in der Politik ist noch immer von unterschiedlichen Lebensentwürfen von Frauen und Männern geprägt. Solange die männlichen Rollenmuster den gesellschaftlichen Herausforderungen nicht angepaßt sind, müssen Frauen ihre familiäre Orientierung mit einer politischen Karriere verbinden. Die Anforderungen des Familienlebens lasten in weitaus höherem Maße auf Frauen als auf ihren männlichen Kollegen.
Gleichzeitig müssen Frauen sich in ein System einfädeln in dem sie sich nur mit erheblichem Durchsetzungsvermögen und Einsatz von überdurchschnittlicher Kompetenz behaupten können. Besonders hoher Erwartungsdruck, Zeitmangel und Zeitdruck werden von Politikerinnen als die größten Belastungen empfunden.

Obwohl es zwischenzeitlich viele weibliche Vorbilder in der Politik gibt, sind diese eher älteren Politikerinnen bekannt. Die Geschichte und Leistung ihrer Vorgängerinnen wird jüngeren Frauen offensichtlich nur unzulänglich übermittelt.

Sozialisationsbedingte Eigenschaften, wie das Ernstnehmen von Aufgaben, Sorgfalt, Zuverlässigkeit und Sachbezogenheit setzen Frauen auch in der politischen Arbeit um. Diese führen nicht zu mehr Ansehen und Macht, und kaum zu Führungspositionen, sondern eher zu zeitraubender und "unsichtbarer" Einzelarbeit. Fachliche Überzeugungskraft gilt aus erfolgreichste Durchsetzungsstrategie von Frauen.
Die zunehmende Komplexität politischen Handelns führt zu steigenden Leistungs- und Professionalisierungsanforderungen. Lebenslanges Lernen wird als geeignete Strategie angesehen und erhöht wiederum die Anforderungen an Frauen.

Die gängigen Muster geschlechtsspezifischer Ressortzuteilung werden mittlerweile durchbrochen, viele inhaltliche Felder besetzt. Die Voraussetzungen für Frauen als Frauen- und als Ressortpolitikerinnen zusammenzuarbeiten sind besser geworden.

Blick nach vorn

Da geschlechtsspezifische Benachteiligungen und Einschränkungen für Frauen in der Politik nach wie vor Alltag sind, bedürfen sie einer gezielten Aufarbeitung um vor allem Anfängerinnen nicht zu entmutigen und zu schwächen.

Neben hoher ressortspezifischer Fachkompetenz ist für ein politisches Amt ein unabhängiges politisches Fachwissen notwendig. Grundkenntnisse im betriebswirtschaftlichen-, Haushalts- und Finanztechnischen und juristischen Bereich sind erforderlich. Hinzukommen offizielle und informelle Strukturen, die durchschaut und genutzt werden müssen und eine notwendige strategische Qualifikation, die Durchsetzungsstrategien und -techniken wie Bündnispolitk, Öffentlichkeitsarbeit, Kompromißfähigkeit, Standfestigkeit, Konflikt- und Konkurrenzfähigkeit einschließt.

Frauen werden durch Mangel an Unterstützung in ihrem politischen Erfolg stärker beeinträchtigt als Männer. Die von Frauen erworbenen Kompetenzen entsprechen im wesentlichen nicht den Anforderungen, die der politische Alltag stellt. Da Männer hier die Mehrheit, numerisch und machtpolitisch gesehen stellen, können sie ohne eigene Weiterqualifikation bestehen. Dies hat zur Folge, daß die Aneignung politischer Handlungskompetenzen in einer männlich geprägten politischen Landschaft von Frauen besondere Anstrengungen erfordert.

Qualifizierungsangebote müssen auf diese Tatbestände abgestellt werden.
Frauen sind an Veränderungen des politischen Alltags interessiert. Sie haben durchaus Konzepte für andere Formen der Personalführung, der Öffentlichkeitsarbeit und der politischen Auseinandersetzung, aber noch fehlen ihnen die notwendigen erfolgreichen Strategien, um diese umzusetzen.

Blick in die Zukunft

Die Entscheidung über die männlich dominierte grüne Regierungsbeteiligung hat offenbart, was auch vorher nur verschleiert war: Grüne Politik, ob innerparteilich oder öffentlich, ist geprägt von und reproduziert all die oben genannten Tatbestände. Einziger Unterschied: Da die Grünen auch aus der Frauenbewegung heraus entstanden sind und sehr viele frauenpolitische Grundlagen verinnerlicht und vertreten haben, haben sie auch irgendwann den kritischen Blick auf sich selbst, ihre grünen Männer und Strukturen verdrängt.

Notwendig ist jetzt - und dies kann sicherlich auch ein Ziel grüner Strukturüberlegungen sein - eine Qualifizierungsoffensive für grüne Frauen in den unterschiedlichsten Bereichen grüner Politik, die diese Rahmenbedingungen für politische Arbeit von Frauen berücksichtigt und gleichzeitig die strategische Kompetenz von Frauen erhöht. Hinzukommen müßten auch bei uns wieder optimale Strukturen für die politische Arbeit von Frauen in denen sie ihre alternativen politischen Vorstellungen umsetzen können.

Kombiniert mit inner- aber auch außerparteilichen Frauenbündnissen, die an thematischen Schwerpunkten ansetzen, könnten diese verschiedenen Maßnahmen dazu führen, daß hochqualifizierte, strategisch erfolgreiche grüne Frauen für alle Positionen in der Politik "gesetzt" sind und grüne Männer feststellen, daß sie ihre Rolle auch in der Politik ernsthaft überdenken müssen, um mit dem Aufbruch- und Innovationsschwung von Frauen mithalten zu können.

Ein spannender Ausblick in's neue Jahrtausend!

 

Artikel für die Grünen Zeiten von
Jacqueline Duchat (LaVo Niedersachsen)
J.Duchat@OLN.comlink.apc.org