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Männer zurück ins Glied

Frauen sind keine Gutmenschen und Männer nicht die Bösewichte der Nation. Einige reden von der Bundeswehr als der letzten Männerbastion in der Bundesrepublik Deutschland. Das stimmt so leider nicht. Noch immer haben Frauen zu einer Reihe von Bereichen keinen Zugang, oder sind in hohem Maße unterrepräsentiert. Damit Frauen an Macht und Erwerbsarbeit gleichberechtigt partizipieren können, müssen sich Männer zurücknehmen. Sie müssen bereit sein, Erwerbsarbeit zu teilen, soziale Verantwortung zu übernehmen und ihren Anteil an Familienarbeit und Ehrenamt zu leisten.

Ein Blick zurück und zwei nach vorn

10 Jahre nach dem Mauerfall ist die Marktwirtschaft weltweit konkurrenzlos. Die Debatte um den Wirtschaftsstandort hat den Wettbewerb der Gesellschaftssysteme abgelöst. Politik ist zur Klientelpolitik verkommen. Der Diskurs über Bedingungen, Inhalte und Ziele individueller und gesellschaftlicher Emanzipation findet nicht statt. Nicht das Private ist politisch, sondern Politik wird zunehmend zur Bühne für die Selbstinszenierung begnadeter Karrieremacher.

Modern ist, was der Wirtschaft dient: Soziale Sicherungssysteme zurückstutzen, mehr Flexibilität, Rückzug des Staates auf hoheitliche Aufgaben.

Wer meint, die Deutschen wollten wirklich eine andere Politik, sieht sich nach einem Jahr rot-grün getäuscht. Jedes winzige Reförmchen ruft die Mehrheit der Traditionalisten aus den verschiedenen Lobbygruppen auf den Plan. Das St. Floriansprinzip feiert Hochzeiten. Nur der Finanzminister steht mit seinem Sparpaket wie der Fels in der Brandung. Nicht Sparen um des Sparen willens ist das Ziel, nein, rot-grün will die Handlungsfähigkeit des Staates wiederherstellen.

Vor dem Zahlmeister kommt jedoch die politische Zielstellung. Vor der Budgetplanung die Debatte um politische Schwerpunktsetzung. Nur wenn wir wissen, wohin wir wollen, können wir Schritte auf dem Wege dorthin definieren und andere mitnehmen.

Wir wissen, wohin wir wollen:

Schwerpunktziele feministischer Politik sind, die Durchsetzung von sozialer Gerechtigkeit und der Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern und Generationen. Diese Version ist eng verbunden mit Zielen, die von unserer Feministischen Politik untrennbar daran angeknüpft waren und noch sind: das Einsetzen für die Ökologie, für nachhaltiges Wirtschaften, für die Frauen- und Menschenrechte, für Friedenspolitik und viele mehr. Jedes Auftrennen dieser Vision in partikulare Ziele, und jede Nebenwiderspruchsklausel für die Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern ist für uns nicht hinzunehmen und wird Widerspruch und ein Neues Ringen um die Vision verursachen.

Das ist noch immer eine gesellschaftliche Vision, für die es zu kämpfen und zu werben lohnt. Eine gesellschaftliche Debatte hierzu ist überfällig. Eine Debatte, die nicht in Blitzlichtmanier einen Streit der Ideen als Zoff der AkteurInnen inszeniert. Eine Debatte, die eingetretene Pfade der Selbstinszenierung kreativ verläßt und die Verkrustungen der Parteien- und Zuschauerdemokratie aufbricht.

Rückhalt in der Gesellschaft organisieren

BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN haben sich den Spagat auferlegt, neben der alltäglichen Regierungsarbeit eine Debatte zum Grundsatzprogramm der Partei zu führen. Doch wo liegt das Toleranzmaß? Wer definiert, bis wohin diskutiert werden darf? Traditionell verstandene Regierungsfähigkeit läßt wenig Spielraum. Nur zu deutlich haben wir diese Erfahrung in den letzten Monaten am eigenen Leibe erlebt. Und wir haben sie schon verinnerlicht, bevor wir in der Lage gewesen wären, Gestaltungsräume auszuloten. Inzwischen sind wir eingekeilt zwischen den Rufen: "Laßt endlich die Minderheitenthemen" und " Das Schrittmaß reicht nicht aus". Beide Seiten haben die Strafzettel zu den Landtagswahlen verteilt.

Woher soll uns in einer solchen Situation Unterstützung kommen? Frauenverbände, Kirchen und Gewerkschaften, haben sie sich nicht immer zu Wort gemeldet? Sehen sie nicht unsere Bemühungen um den Atomausstieg, das Staatsbürgerschaftsrecht und die Gleichstellung von Frauen? Haben wir es nötig, uns auch noch beschimpfen zu lassen? Haben wir uns nicht als einzige Partei mit dem Krieg im Kosovo wirklich auseinandergesetzt?

Halbherzigkeit und Umfallertum werfen sie uns vor, vorauseilenden Gehorsam. Und zugegeben: Wir haben es teilweise versäumt, unsere Zielstellungen ausreichend zu vertreten und Zwischenschritte zu definieren. Das ist kein Vermittlungsproblem, sondern eine Frage der Klarheit in den Köpfen, der Glaubwürdigkeit und der Entschlossenheit, für die gemeinsamen Ziele zu kämpfen.

Die Klarheit in den Köpfen muß wieder hergestellt werden. Der Kern des grünen Projektes muß endlich wieder ein deutlicheres Profil erhalten. Nur so wird es uns gelingen, gesellschaftliche Unterstützung zu mobilisieren.

Zum Profil der Grünen, das sie stark gemacht hat, gehörte neben Ökologie und Pazifismus der Feminismus. Frauen waren Führerinnen, Trägerinnen und Impulsgeberinnen der ökologischen und pazifistischen Bewegung. Ohne die Frauenbewegung hätten die anderen Bewegungen ihre Bedeutung niemals erreicht.

Im Vorfeld des Auftaktkongresses zum Grundsatzprogramm ist die Partei dabei, Verpackung und Fruchtfleisch zu entfernen. Und siehe da: Dem Kern ist die feministische Gesellschaftskritik abhanden gekommen. Der Verzicht auf die Utopie einer emanzipierten Gesellschaft reduziert die Frauenfrage auf das partikulare Interesse einer zwar großen, aber einzelnen Personengruppe, der es schwerfällt, die unterschiedlichen Interessen in einem gemeinsamen gesellschaftlichen Anspruch zu bündeln. Was bleibt sind Kämpfe und Rituale um berechtigte Partizipationsansprüche auf den verschiedenen Hierarchiestufen der engeren Zirkel der Macht.

Grundlinien einer Offensive für Geschlechtergerechtigkeit

Der grüne Politikentwurf ist kein gesamtheitlicher. Feminismus und Ökologie, Pazifismus und BürgerInnenrechte wurden bisher nicht zu einer ganzheitlichen Vision gedacht. Hierin liegt der Konstruktionsfehler bisheriger Politikansätze.

Im Zuge der Globalisierung der Wirtschaft, der immer weitergehenden Beschleunigung der Gesellschaft und der Möglichkeiten von Gen- und Reproduktionstechnologien kommen neue Aspekte hinzu, die weder in der Gesellschaft noch in der Partei ausreichend diskutiert worden sind. Ihre Auswirkungen auf die Lebensentwürfe und Partizipation von Frauen wie Männern sind nur ansatzweise durchbuchstabiert. Die sich ergebenden gesellschaftlichen Umbrüche sind bisher nur in Umrissen erkennbar. Ihnen in der gesellschaftlichen Debatte um die Geschlechtergerechtigkeit deutlichere Konturen zu geben, ist Aufgabe von Politik.

Wir fordern deshalb im Rahmen der Diskussion zum Grundsatzprogramm der grünen Partei eine Debatte zur Geschlechtergerechtigkeit, die Initiativen und Verbände auf gleicher Augenhöhe einbezieht.

Neben der Debatte zum Grundsatzprogramm ist eine klare Ausrichtung der Partei an wichtigen frauenpolitischen Zielsetzungen der Koalitionsvereinbarung erforderlich. Das Aktionsprogramm "Frau und Beruf" und der Nationale Aktionsplan "Gewalt gegen Frauen", sowie die Durchsetzung einer Grundsicherung im Rahmen der Rentenreform sind für die gesamte Bundesregierung ganz oben auf die Tagesordnung zu setzen. Wir rufen gleichermaßen MinisterInnen, die grüne Bundestagsfraktion, den Bundesvorstand und die Landesverbände dazu auf, sich für ihre Umsetzung stark zu machen. Auch die Suche nach Mehrheiten für das Projekt "Eingetragene LebenspartnerInnenschaften" darf nicht nur Sache von Lesben und Schwulen sein. Die Diskussion ist von der gesamten Partei offensiv zu führen.

Aus unserer Sicht ist es überfällig, Frauen und Männer in der Partei und bei BündnispartnerInnen für das Ziel der Geschlechtergerechtigkeit zu sensibilisieren und zu mobilisieren. Wir laden alle ein, an diesem Prozeß mitzuwirken. Geschlechtergerechtigkeit muß zur Gemeinschaftsaufgabe der Partei werden. Auch jeder Vorschlag zur Veränderung von Strukturen muß sich der Frage stellen, ob er der Zielstellung der Geschlechtergerechtigkeit entspricht.

Frauen sind die Mehrheit. Wir UnterzeichnerInnen sind bereit für unsere Ideale einzutreten: Eine Welt in Frieden und sozialer Gerechtigkeit. Eine Gesellschaftsordnung, an der Frauen und Männer in allen Bereichen gleichberechtigt teilhaben. Ein Leben im Einklang mit der Natur. Das ist der Kern des Reformprojektes.

Erstunterzeichnerinnen:
Angelika Albrecht, frauenpolitische Sprecherin des Bundesvorstandes
Gabriele Behrens, Präsidium Bundesfrauenrat
Marion Böker, Bundesfrauenreferentin
Irmingard Schewe-Gerigk, MdB, frauenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion

Claudia Behrens, Bundesvorstand der Miljøpartiet De Grønne, Norwegen
Angelika Birk, Ministerin für Frauen, Jugend, Wohnungs- und Städtebau, Schleswig Holstein
Renate Bradatsch, KV Berlin-Kreuzberg
Edeltraud Busalt-Schröder, Mitarbeiterin Büro Marianne Huerten, Landtag NRW
Joern Diekmann, KV Frankfurt am Main
Jutta Dümpe-Krüger, Mitglied der lippischen Kreistagsfraktion und dort Geschäftsführerin
Birgit Ebel, Sprecherin der LAG Frauenpolitik NRW, Geschäftsführerin KV Dortmund
Eva Ebenhoeh, Kreisverband Osnabrueck Stadt
Cordula Engelmann, KV Spree-Neiße, Kreissprecherin, Mitglied im LaVo Brandenburg
Snjezana Erdeg, Eimsbüttel, Vorstand Immi-Gruen Hamburg
Daniela Feindor, KV Stuttgart, Gemeinderätin in Stuttgart
Gabriele Felder, KV Köln
Astrid Franssen, KV Kitzingen
Dr. med. Wolfgang Fischer, München, parteilos, amtslos
Barbara Ganzenmüller, KV Schwäbisch Gmünd, Grüne Frauen Ostwürttemberg
Barbara Graf, KV Stuttgart
Krystyna Grendus, KV Hardt
Gabi Gutberlet, KV Frankfurt Main, Sprecherin LAG Wirtschaft und Finanzen, Sprecherin
                         LAG Soziales und Gesundheit, Hessen
Dr. Brigitte Hamm, Duisburg
Angela Hebeler, Mitarbeiterin im Frauenreferat der Grünen NRW, KV Düsseldorf
Hannah S. Hempell, KV Frankfurt, Mitglied BAG Wirtschaft
Ralf Henze, KV Mannheim, Koordination BasisGrün
Brigitte Herrmann, MdL NRW, KV Mark
Doris Hoch, Mitglied und frauenpolitische Sprecherin Fraktion B90/G bremische Bürgerschaft
Marianne Hürten, MdL NRW, KV Köln
Katja Husen, Sprecherin GAJB
Birgit Kampmann, KV Lippe (Vorstand), OV Leopoldshöhe, Ratsmitglied
Angelica Maria Kappel, Vorstand KV Bonn
Michael Kaufmann, KV Göttingen, Vorstand OV Adelebsen
Jan Kellermann, Grüne Jugend Berlin, Sprecher
Kersten Klementa, Sprecherin BAG Frauenpolitik
Anja Kofbinger, Landesvorstand, Berlin
Susanne Kremer, KV Bonn, Sprecherin
Martina Kulla, Berlin
Kordula Leites, Landesvorstandssprecherin GAL Hamburg
Petra Merz, KV Bonn
Sven Metzger, Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung Rheinland-Pfalz
Sebastian Müller, Sprecher KV Dortmund
Volker Müller, KV Duisburg
Petra Münzel, frauenpolitische Sprecherin der Grünen im Bayerischen Landtag
Sylvia Meyer, Sprecherin BAG Frauenpolitik
Dr. Claudia Neusuess, Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin
Iris Nürnberger, KV Solingen, KV-Sprecherin, Sprecherin LAG Gesundheitspolitik NRW
Steffi Ober, Frauenpolitische Sprecherin, Landesvorstand Rheinland-Pfalz
Merjem Oruclar, Landesvorstand Grüne Jugend Hessen
Bernd Parusel, KV Berlin-Wilmersdorf, Sprecher LAG ImmigrantInnen und Flüchtlinge Berlin
Irmgard Pehle, KV Herford, Sprecherin LAG Frauenpolitik NRW
Simone Peter, KV Saarbrücken, Mitglied im Landesvorstand Saar
Monika Rauer, KV Leipziger Land
Jutta Rieger-Ehrmann, KV Murr, OV-Vorstand Backnang
Manuela Roth, KV Mainz-Stadt, Vorstandssprecherin
Brigitte Rücker, KV Märkisch Oderland, Sprecherin LAG Frauen Brandenburg
Bianca Samberg, KV Münster
Elke Sattler, KV Bielefeld
Annelie Scharfenstein, KV Westerwald, OV-Sprecherin
Carmen Schild, KV Oberhausen
Kathrin Schlieter, KV Friedrichshain
Regina Schmidt, Präsidium des Bundesfrauenrats
Werner Schmidt, Sprecher LAK Verkehr und Siedlungswesen B90/Grüne Bayern,
Hiltrud Schmutzler-Jäger, KV Essen, Ratsfrau
Daniela Schneckenburger, Fraktionssprecherin B90/ G im Rat der Stadt Dortmund
Ulla Schnelting-Hebeler MdL NRW, Kreisverband Mettmann, Sprecherin LAG Frauen NRW
Hilke Schwingler, Sprecherin KV Dortmund
Dr. Gisela Splett, KV Karlsruhe-Stadt, Kreisvorstand.
Barbara Steffens, Landesvorstandssprecherin NRW
Wolfgang Strengmann, LAG Wirtschaft & LAG Soziales B90/G Hessen, Frankfurt (parteilos)
Andreas Schüßler, Bielefeld, Mitglied SprecherInnenrat Bundeskongress entwicklungspolitischer
                             Aktionsgruppen (BUKO)
Karin Trepke, KV Bad Kreuznach
Marianne Tritz, KV Lüchow-Dannenberg, Sprecherin
Birgit Unger, KV Unna, Ratsvertreterin in Dortmund
Nadia vom Scheidt, Mitglied des Bundesparteirates

(Stand 18.11.99)

Pressemitteilung

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