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Landtagsfraktion
Niedersachsen
Hinrich-Wilhelm-Kopf-Platz 1
30159 Hannover
Rebecca Harms
Fraktionsvorsitzende

Telefon: 0511/3030-3303
Telefon: 0511/3030-4201
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E-Mail: Rebecca.Harms@lt.niedersachsen.de
Internet: www.nds.gruene.de

 

An die
Bundestagsfraktion
Bundesvorstand


Liebe Leute!

Ich habe die Details der Vereinbarung über den Atomausstieg aus der letzten Nacht noch nicht gesehen. Ich schicke Euch Anmerkungen und Kritik aus niedersächischer Perspektive zu dem Absatz über Entsorgung und die einseitige Erklärung der Bundesregierung zu Gorleben. Ihr wisst, dass ich diesen Absatz auf jeden Fall strittig stelle. Ich bitte Euch deshalb, Euch zumindest jetzt noch einmal mit unseren Argumenten zu befassen. Über die im beigefügten Papier hinaus, ergeben sich zwei weitere Fragen, die Entscheidungen im Land Niedersachsen betreffen:

1. Zur angekündigten Verlängerung des Rahmenbetriebsplanes Die Formulierung in der Erklärung macht nicht eindeutig klar, dass beabsichtigt ist, einen neuen Antrag für den Rahmenbetriebsplan zu stellen, der als Umsetzung des Moratoriums auf den Offenhaltungsbetrieb beschränkt wird. Ich bitte, dass zu prüfen.

2. Zur Genehmigung der Pilotkonditionierungsanlage Gorleben Wie soll die Vereinbarung, eine Genehmigung nur für den Fall der Fälle, also einen defekten Lagerbehälter, zu erteilen, umgesetzt werden? Wird es einen neuen eingeschränkten Antrag geben oder wird es sich um eine Art Vorratsgenehmigung handeln? Und wird diese Genehmigung dann für Behälter aus allen bestehenden und zukünftigen Zwischenlager gelten?

Grüße, Rebecca

Kritik an der Vereinbarung zwischen Bundesregierung und
Energieversorgungsunternehmen zum Thema Salzstock Gorleben


Dem uns vorliegenden Text zufolge soll zum Salzstock Gorleben folgendes vereinbart werden:

"Die Erkundung des Salzstockes in Gorleben wird bis zur Klärung konzeptioneller und sicherheitstechnischer Fragen für mindestens drei, längstens jedoch zehn Jahre unterbrochen. Die Bundesregierung gibt zur Erkundung des Salzstockes Gorleben eine Erklärung ab, die als Anlage 3 Bestandteil dieser Vereinbarung ist."

In der Erklärung der Bundesregierung heißt es, dass "die bisherigen Erkenntnisse zum Salzstock über ein dichtes Gebirge und damit die Barrierefunktion des Salzstockes positiv bestätigt" wurden und somit "die bisher gewonnenen geologischen Befunde einer Eignungshöffigkeit des Salzstockes Gorleben zwar nicht entgegen" stünden. Zweifel begründeten sich vor allem durch Fragen der Gasbildung, Rückholbarkeit der Abfälle, Kritikalität usw.

Diese Positionen können von uns aus folgenden Gründen nicht mitgetragen werden.

1.
Das Moratorium wird begründet mit offenen konzeptionellen und sicherheitstechnischen Fragen und der internationalen Diskussion (Gasbildung, Rückholbarkeit etc.), also mit Fragen, die sich unabhängig vom konkreten Salzstock Gorleben stellen (und geklärt werden müssen). Das Moratorium wird nicht begründet mit den vorliegenden Zweifeln an der Eignung des Standortes Gorleben (und der Notwendigkeit ihrer Klärung bzw. abschließenden Bewertung).

Zur Erinnerung: Im Koalitionsvertrag heißt es noch: An der Eignung des Salzstockes Gorleben bestehen Zweifel; deshalb sollen weitere Standorte in unterschiedlichen Wirtsgesteinen auf ihre Eigung untersucht werden.

2.
In der Erklärung der Bundesregierung wird stattdessen eine positive Eignungsbewertung des Standortes Gorleben vorgenommen, die - wie früher üblich und immer von uns kritisiert - auf dem nicht eindeutig definierten Begriff der "Eignungshöffigkeit" beruht. Als Belege für die Eignunshöffigkeit werden die Ausdehnung des Älteren Steinsalzes im Erkundungsbereich 1, Hebungsraten des Salzstockes sowie Erkenntnisse zu Lösungs- und Gaseinschlüssen im Älteren Steinsalz angeführt.

Diese - selektiv ausgewählten - Aspekte reichen weder für eine Eignungsaussage noch für eine wie auch immer geartete Eignungshöffigkeit. Für Eignungsaussagen müssen sämtliche sicherheitsrelevanten Aspekte des Standortes berücksichtigt werden. Dazu gehören auch die Bewertung des Deckgebirges oder der hydrogeologischen Verhältnisse. Darüber hinaus gilt natürlich auch, dass Ergebnisse aus dem Erkundungsbereich 1 nicht ohne weiteres auf den gesamten Salzstock übertragen werden können.

Wichtige Sicherheitsargumente, die gegen den Standort Gorleben sprechen, werden in der Erklärung hingegen ausgeblendet. Das Deckgebirge hat erwiesenermaßen gravierende Mängel, so dass die Barriere Salzstock praktisch die gesamte Sicherheitslast tragen muss. In der Erklärung übernimmt die Bundesregierung offensichtlich jedoch die altbekannte Argumentationslinie, wonach allein das Salz als entscheidende Barriere angesehen wird. Hierzu gibt es in der fachlichen Diskussion allerdings erhebliche Meinungsunterschiede. Insbesondere ist heute niemand in der Lage zu beweisen, dass die Barriere Salz tatsächlich für alle Ereignisabläufe dicht bleibt.

Im übrigen sei daran daran erinnert, dass für uns in Niedersachsen die Zweifel an der Eignung von Gorleben der Kompromiss gewesen sind. Wir haben als Grüne vor Ort und im Land seit vielen Jahren vertreten, dass der Salzstock ungeeignet ist, vor allem wegen der fehlenden Barriere Deckgebirge.

3.
Die zeitliche Begrenzung des Moratoriums ergibt keinen Sinn, da niemand weiss, wie lange die Klärung der offenen Fragen dauert. Die Entscheidung, ob das Moratorium beendet wird oder nicht, kann erst dann fallen, wenn alle noch zu bearbeitenden offenen konzeptionellen und sicherheitstechnischen Fragen geklärt sind.

4.
Die zeitliche Begrenzung des Moratoiums auf maximal 10 Jahre ist viel zu kurz, um bis dahin einen Vergleich mit anderen Standorten und Endlagermedien durchzuführen. Bisher sollte nach Auswahl neuer potentiell geeigneter Endlagerstandorte ein Vergleich mit Gorleben vorgenommen werden, um danach weiter zu entscheiden. Es ist jedoch völlig klar, dass neue Standorte nicht innerhalb von 10 Jahren zur Verfügung stehen, geschweige denn, dass innerhalb dieser Zeit ein ernsthafter Vergleich durchgeführt werden kann. Die Absicht, alternative Standorte zu suchen, ein neues Endlager-Suchverfahren einzuleiten, wird jedoch in der Erklärung der Bundesregierung gar nicht mehr erwähnt. Insofern drängen sich starke Zweifel auf, ob eine vergleichende Standortsuche überhaupt noch von der Bundesregierung gewollt wird.

Es bleibt auch unklar, welcher Zusammenhang zwischen dem Moratorium für Gorleben und dem "Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte" besteht, der vom BMU eingerichtet wurde und seit Februar 1999 tätig ist. Welche über eine Alibifunktion hinausgehende Bedeutung hätte dieser Arbeitskreis dann noch?

5.
Ein konzeptioneller Neuansatz, vor allem bezogen auf das im Koalitionsvertrag vereinbarte Konzept "Ein Endlager für alle Arten radioaktiver Abfälle", ist in der Erklärung der Bundesregierung nicht zu erkennen. Die Projekte Gorleben und Konrad sollen ja im Prinzip weiterverfolgt werden.

6.
In der Vergangenheit war die nicht nachvollziehbare Art und Weise der Standortauswahl ein wichtiger Grund für die fehlende Akzeptanz des geplanten Endlagers Gorleben. Die Bundesregierung wollte hingegen Transparenz und Glaubwürdigkeit in den Endlager-Suchverfahren und hat auch aus diesem Grund den "Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte" eingerichtet. Wenn die in der Erklärung der Bundesregierung dargelegte Vorgehensweise jedoch tatsächlich umgesetzt wird, bleiben die vorhandenen Defizite hinsichtlich Transparenz des Verfahrens, Vertrauensbildung u.a. bestehen. Akzeptanz - für jeglichen Standort - kann so nicht gewonnen, Glaubwürdigkeit nicht erreicht werden.

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