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PRESSEDIENST               BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt

Nr. 035 - 2000
Datum: 15.06.2000

Bestandsschutz für Uralt-Reaktoren führt zu einem Ausstieg ohne Ende

Kanzler-Konsens stößt auf harte Kritik der sachsen-anhaltischen Grünen


"Dieser Konsens ist in unseren Augen kein Atomausstieg, sondern eine Mogelpackung", so Thomas Bichler, energiepolitischer Sprecher von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN in Sachsen-Anhalt. "Die den Energieversorgungsunternehmen (EVUs) zugebilligten Reststrommengen von 2623 Milliarden Kilowattstunden, die alle AKWs zusammen noch produzieren dürfen, ergeben nach meinen Berechnungen eine Gesamtlaufzeit von über 35 Kalenderjahren. Dieses Verhandlungsergebnis zwischen dem Bundeskanzler und den EVUs", so Bichler, "garantiert einen Bestandsschutz für Uralt-Reaktoren und keinen zügigen Einstieg in den Ausstieg! Eine solche Vereinbarung ist für unseren
Landesverband nicht akzeptabel. Auf dem letzten Landesparteitag haben wir 30 Kalenderjahre Gesamtlaufzeit als oberste Schmerzgrenze festgelegt. Wir gehen davon aus, dass unsere Delegierten diesen Standpunkt auch auf der BDK in Münster vertreten werden.

Die künstlich hochgerechneten Reststrommengen werden von uns abgelehnt. Für ihre Berechnung wurden die fünf höchsten Jahresproduktionen der AKWs seit 1990 zugrunde gelegt und diese zusätzlich durch einen Aufschlag von 5,5 % erhöht. Außerdem wurde den Energieversorgern die flexible Verteilung der jeweils zugesprochenen Reststrommenge zugebilligt - ohne zeitliche Deckelung, wann das letzte AKW endgültig vom Netz gehen muss. Somit ist der definitive Ausstieg auf unabsehbare Zeit verschoben worden! Ironischer Weise sind wir mit dieser Einschätzung einer Meinung mit dem VIAG-Vorstandsvorsitzenden Simson: Es wurde letzte Nacht nicht der Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen!

Völlig unakzeptabel ist für uns, dass das bereits stillgelegte AKW Mülheim-Kärlich mit 107 Milliarden Kilowattstunden dem Kontingent von RWE zusätzlich übertragen wurde. Zudem wird die Eignungsfähigkeit des Salzstockes von Gorleben als Endlager für hochradioaktiven Atommüll nicht mehr in Frage gestellt, sondern die Erkundung lediglich unterbrochen.

Mit der Festschreibung der derzeitigen Sicherheitsphilosophie und der Garantie eines ungestörten Weiterbetriebes der AKWs stellt sich die Frage, was passiert, wenn es in der BRD zu einem schwerwiegenden Unfall in einem AKW kommt? Laut Kanzler-Konsens würde der Unfallreaktor zwar geschlossen, die Kernenergienutzung aber nicht in Frage gestellt werden. Zynischer Weise würde die produzierte Reststrommenge des Unfall-AKWs die Laufzeit der anderen Atomkraftwerke verlängern!

Sollte es keinen Ausstieg aus der Atomenergie im Sinne der zwischen Grünen und SPD ausgehandelten Mindestforderungen geben, sehen wir uns vor die Frage gestellt, ob die Koalition Bestand haben kann", erklärte Thomas Bichler für den sachsen-anhaltischen Landesverband.

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