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Meldung vom 15.06.2000 12:06

Geteiltes Echo auf Atomkonsens


Berlin (AP)

Der Atomkonsens ist bei Vertretern von Regierungskoalition, Opposition und Umweltverbänden auf ein geteiltes Echo gestoßen. Bundesumweltminister Jürgen Trittin verteidigte am Donnerstag im ZDF-Morgenmagazin die Einigung mit den Stromkonzernen über den Ausstieg aus der Atomenergie als «gutes Ergebnis». Auch die Sprecherin der Grünen, Gunda Röstel, sprach von einem «Schritt in die richtige Richtung». Dagegen kritisierte der rheinland-pfälzische Landesverband die Vereinbarung als nicht weit reichend genug.

Die energiepolitische Sprecherin der Grünen, Michaele Hustedt, will ihrer Partei die Annahme des
Konsenses empfehlen. Hustedt sagte im Hessischen Rundfunk, der Beschluss werde «weltweite
Auswirkungen» haben. An die Opposition appellierte sie, «endlich ihre ideologische Haltung zur Atomkraft»
aufzugeben und sich in den erzielten gesamtgesellschaftlichen Kompromiss einzureihen.

Auf heftige Kritik stieß der vereinbarte Atomausstieg bei dem Chef der bayerischen Staatskanzlei, Erwin
Huber. Er lehnte den Kompromiss im ZDF-Morgenmagazin als «schädlich für Deutschland» ab. Er erwarte
«gewaltige Nachteile» bei der Versorgungs- und Entsorgungssicherheit. Es sei geradezu ein «Treppenwitz der Geschichte», dass ausgerechnet Rot-Grün eine deutliche Verschlechterung der Kernenergie-Entsorgung
eingingen.

Auch der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende, Klaus Lippold, und der energiepolitische
Sprecher der Fraktion, Kurt-Dieter Grill, bezeichneten die Ausstiegsvereinbarung als «völlig falsches Signal».
Deutschland verabschiede sich damit aus einem weltweit expandierenden Markt. Wer aussteige, könne in
Sicherheitsfragen nicht mehr mitreden, betonten die Unionspolitiker.

SPD-Fraktionsvize Michael Müller nannte Hubers Kritik «dumm und scheinheilig». Es sei unehrlich, wenn
die Opposition bemängele, dass die Länder nicht ausreichend an den Atomkonsens-Verhandlungen beteiligt
worden seien. Vielmehr räche sich jetzt ihre eigene Strategie, denn die Unionsparteien hätten «systematisch
über Novellierungen der Atomgesetze die Mitspracherechte der Länder» abgebaut.

Greenpeace: Vereinbarung verschärft Risiken

Von einem «schwer zu ertragenen Kompromiss» sprach hingegen der umweltpolitische Sprecher der
SPD-Fraktion, Horst Kubatschka. Seiner Ansicht nach ist die Gesamtlaufzeit von 32 Jahren zu lang.
Entscheidend sei jetzt eine Novellierung des Atomgesetzes. Dabei müsse die Sicherheit der Atomkraftwerke an erster Stelle stehen.

Die Umweltverbände BUND und Greenpeace kritisierten die Einigung. Der Bund für Umwelt und
Naturschutz Deutschland sprach von einer «Morgengabe für die untergehende Atomindustrie». Nach Aussage der BUND-Vorsitzenden Angelika Zahrnt ist die Vereinbarung ein Bestandsschutzvertrag mit garantierten Privilegien für die Kernkraftwerke und schiebe das notwendige schnelle Ende der Atomverstromung hinaus.

Ähnlich äußerte sich Greenpeace. Die Vereinbarung verschärfe die Risiken der Atomenergienutzung und
habe mit einem Ausstieg aus der Kernkraft nichts zu tun. Mit der Zusage, einen ungestörten Betrieb der
Anlagen zu gewährleisten, habe die Bundesregierung ihren Einfluss auf die Sicherheit der Atomkraftwerke
sogar drastisch eingeschränkt.

© AP

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