Grüne Basisinitiative für den Atomausstieg

"Hamburger Erklärung"

Seit vielen Jahren befindet sich die Atomtechnik ungewollt, aber stetig auf dem Rückzug. In den 16 Jahren der Regierung Kohl wurde - im Gegensatz zur regierungsamtlichen Nukleareuphorie - kein neues AKW mehr bestellt, andererseits aber wurden 26 Reaktoren oder andere bedeutende Atomanlagen in Deutschland stillgelegt. Dass die neue rot-grüne Regierung den Ausstieg aus der Atomenergie nun offiziell proklamiert, hat internationale Beachtung gefunden und wird von uns und der Mehrheit der Bevölkerung begrüßt.

Niemals war zu erwarten, dass die Energiewirtschaft freiwillig auf den Betrieb ihrer Anlagen verzichten wird. Ihre Position wird aber durch die taktische Kumpanei des Koalitionspartners SPD mit den Atombetreibern unerwartet massiv gestärkt. Wir fordern unsere Abgeordneten und MinisterInnen auf, gegen den unverhohlenen Lobbyismus der Energiewirtschaft und den blanken Opportunismus innerhalb der SPD den GRÜNEN Ausstiegskompromiss zu setzen, wie er 1998 von GRÜNEN Fachleuten aus Bund und Ländern ausgarbeitet wurde, und zügig ein Ausstiegsgesetz zu schaffen, das den Namen auch verdient. Eine konsensuale Regelung, die nicht von Interessenträgern angegriffen wird, kann es ohnehin nicht geben.

Eine Vereinbarung der Regierung mit den Atomkraftbetreibern, die den Rückzug aus der Atomenergie faktisch bremst statt beschleunigt, wäre fatal - auch für die GRÜNE Partei. Wenn irgendetwas übergreifend von allen Teilen der Bevölkerung fest mit den GRÜNEN in Verbindung gebracht wird, dann ist es der Ausstieg aus der Atomenergie. Die Anti-Atom-Bewegung ist die Wurzel der GRÜNEN. Unsere Forderung nach dem Ausstieg ist jedem vermittelbar, und wir werden an dieser Frage gemessen - unabhängig von unseren Erfolgen auf anderen Gebieten.

Die Forderung nach dem Ausstieg aus der Atomenergie ist eine konsequente Reaktion auf eine reale Bedrohung, keineswegs eine fundamentalistisch-ideologische Frage. Ein unbeherrschbarer Atomunfall ist und bleibt solange möglich, wie noch eine einzige Atomanlage in Betrieb ist. In Deutschland wären die Folgen wegen der Bevölkerungsdichte erheblich größer als in Tschernobyl, dem Unfall, durch den zigtausende Menschen vorzeitig sterben - Erb- und andere Folgeschäden nicht eingerechnet. Und an jedem Tag, an dem die Reaktoren weiterbetrieben werden, wird weiterer radioaktiver Abfall produziert, der über Hunderttausende von Jahren strahlt.

Mit Sorge beobachten wir bei unseren Mandatsträgern die Tendenz zu der Ansicht, dass ein Scheitern der Koalition mit einem Scheitern der GRÜNEN gleichgesetzt wird. Wir scheitern eher daran, dass wir eine Koalition unter allen Umständen fortführen und damit erpressbar werden. Unsere WählerInnen erwarten überwiegend, dass wir in einer Regierung kompromissbereit sind. Aber sie entziehen uns zu Recht das Vertrauen, wenn wir unsere Identität aufgeben. Sollte es sich in dieser Koalition als nicht durchsetzbar erweisen, eine Regelung zu schaffen, die noch in dieser Legislaturperiode mindestens fünf Atomkraftwerke stilllegt und den Rest in der nächsten Legislaturperiode, kann es kein anderes verantwortliches Handeln geben, als die Koalition zu verlassen.

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