Klarstellung (Prodi an Stoiber)

Entgegen anderslautender Geruechte bezueglich des Inhalts eines
Briefes von Kommissionspraesident Prodi an den bayerischen
Ministerpraesidenten Stoiber ueber den geplanten Atomausstieg
Deutschlands, zitieren wir an dieser Stelle noch einmal den
genauen Wortlaut:

Bruessel, den 11. April 2000
SG(2000)D/381595

Sehr geehrter Herr Ministerpraesident,

vielen Dank fuer Ihr Schreiben vom 9. Februar, mit dem Sie
die Frage aufwerfen, ob der von der deutschen Bundesregierung
beabsichtigte Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie
mit den Verpflichtungen aus dem EG- und EURATOM-Vertrag vereinbar
ist und in dem Sie darueber hinaus auf die moeglichen klimaschaedigenden
Folgen eines derartigen Ausstiegs hinweisen.

Nach allgemeiner Auffassung ueberlaesst der EURATOM-Vertrag
den einzelnen Mitgliedstaaten die Wahl, ueber die Einfuehrung
bzw. Beibehaltung der Nutzung von Kernenergie zur Energieerzeugung
zu befinden. Damit wird jedoch nicht in Frage gestellt, dass
die Ziele des EURATOM-Vertrages in ihrer Gesamtheit, einschliesslich ihres
"Foerderungs"-Charakters, weiterhin Gueltigkeit haben.


Was die Auswirkungen der deutschen Initiative fuer den Binnenmarkt
anbelangt, moechte ich auf Kapitel 9 des EURATOM-Vertrages
hinweisen, in dem "der Gemeinsame Markt auf dem Kerngebiet"
errichtet wird. Es muesste im jeweiligen Einzelfall geprueft
werden, inwieweit die Freiheit des Warenverkehrs durch ein
eventuelles Transportverbot von Nuklearmaterial beeintraechtigt
wuerde. Dieselben ueberlegungen finden hinsichtlich der
Dienstleistungsfreiheit ihre Anwendung.

Hinsichtlich des von Ihnen angesprochenen Umweltaspekts ist
zu bemerken, dass sich die EU in der Tat im Rahmen des Kyoto-
Prozesses zu einer bedeutenden Verringerung der Treibhausgasemissionen
verpflichtet hat. Man kann davon ausgehen, dass eine Schliessung deutscher
Kernkraftwerke verstaerkte Anstrengungen in Bereichen wie erneuerbare
Energien und Energieeffizienz erforderlich machen wuerde um das Kyoto-Ziel
von minus 8% zu erreichen.


Im Zusammenhang mit dem moeglichen deutschen Ausstieg aus der
Kernenergie kann keinesfalls die Frage nach der Versorgungssicherheit im
Energiebereich ausser Acht gelassen werden. Zu diesem Thema ist zur Zeit
eine Mitteilung der Kommission in Vorbereitung, die noch im Laufe dieses
Jahres von der Kommission verabschiedet werden soll.

Mit freundlichen Gruessen

Romano Prodi

Zitat Ende

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