DIE ANTRÄGE/Abstimmung
ATOMAUSSTIEG
Fraktionssitzung Bündnis 90/Die Grünen 14.12.99


Beschlussvorlage für die Fraktionssitzung am Freitag, 14.12.99/
Erneute Vorlage von der Fraktionssitzung am 3.12.99

Vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Sicherheitsbedenken bleibt der
schnellstmögliche Ausstieg aus der Atomenergie vordringliches Ziel von
Bündnis 90/Die Grünen.

Die Fraktion begrüßt, dass in den Verhandlungen zum Ausstieg aus der
Atomenergie das Zwischenergebnis erreicht werden konnte, dass die
Bundesregierung die weiteren Konsensgespräche mit den
Energieversorgungsunternehmen auf der Grundlage gemeinsamer Eckpunkte
für ein Ausstiegsgesetz fortsetzen will.

Unter Würdigung der vorliegenden Rechtsgutachten und der bisherigen
Verhandlungen zwischen den Koalitionspartnern und mit den
Energieversorgungsunternehmen, bittet die Fraktion die Bundesminister
Jürgen Trittin und Joschka Fischer, die Verhandlungen über ein
Ausstiegsgesetz auf der Grundlage folgender Eckpunkte weiterzuführen:

1. Die Genehmigungen zum Betrieb der Atomkraftwerke in der
Bundesrepublik Deutschland werden jeweils auf eine Gesamtlaufzeit ab
Inbetriebnahme befristet, die über 25 und deutlich unter 30 Kalenderjahren
liegt.

2. Für Kraftwerke, die diese Frist bereits überschritten haben oder sie bis
2002 überschreiten, wird eine Übergangsfrist/Abwicklungsfrist festgelegt. Wir
sind überzeugt, dass diese rechtssicher so festgelegt werden kann, sodass
noch in dieser Legislaturperiode erste Kernkraftwerke stillgelegt werden
können, um so den sichtbaren Einstieg in den Ausstieg zu erreichen.

3. Weitere Bestandteile des Atomausstiegsgesetzes sollen u.a. sein:

Ersetzung des Förderzwecks durch den Gesetzeszweck, die Nutzung
der Kernenergie geordnet und sicher zu beenden,
der Ausschluss neuer Errichtungs- und Betriebsgenehmigungen für
neue Atomanlagen zur Erzeugung von Elektrizität,
das schnellstmögliche Verbot der Aufarbeitung bestrahlter
Kernbrennstoffe und das Gebot ihrer direkten Endlagerung,
die Reduzierung von Atomtransporten auf das zwingend notwendige
Maß unter Wahrung der geltenden Sicherheitsbestimmungen
das Gebot der standortnahen Zwischenlagerung,
die Anhebung der Deckungsvorsorge auf mindestens 5 Mrd. DM je
AKW,
die Einführung der Primärenergiebesteuerung von Kernbrennstoffen,
um den steuerlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber fossilen und
regenerativen Energiequellen zu beenden,
die Festschreibung von Sicherheitsstandards auf dem jeweils
aktuellen Stand der Technik, Einführung von obligatorischen
Sicherheitsüberprüfungen (Dies führt ggfls. dazu, dass das Gesetz
zustimmungspflichtig wird, müsste also ggfls. später abgetrennt
werden.)
die abschließende Regelung steuerfreier Rückstellungen zur
Finanzierung der Entsorgungskosten
Rücknahme der AtG-Novelle von 1998

4. Auf der Grundlage der in der Koalition vereinbarten Eckpunkte für ein
Atomausstiegsgesetz streben Bündnis 90/Die Grünen auch weiterhin eine
Konsenslösung mit den Energieversorgungsunternehmen an.

Dabei können weder die in der Koalition vereinbarte Gesamtlaufzeit der
Kraftwerke noch die vorgesehene Abwicklungsfrist verlängert werden. Eine
Verlängerung der Laufzeit einzelner Kernkraftwerke kann entsprechend der
bereits vom BMU vorgeschlagenen Flexibilität im Rahmen der Gesamtlaufzeit
aller Kraftwerke akzeptiert werden.

Im Rahmen der Konsensgespräche soll eine möglichst weit gehende Klärung
des weiteren Verfahrens zu weiteren offenen Fragen im Umgang mit der
Entsorgungsproblematik (Schacht Konrad, Gorleben, Errichtung eines
geeigneten Endlager u.a.) erreicht werden. Dazu gehört auch die Rücknahme
deutschen Atommülls aus dem Ausland unter Wahrung der bestehenden
Sicherheitsstandards.

Beschlussvorschlag des Geschäftsführenden Fraktionsvorstands für die
Fraktionsversammlung am 14.12.99

Den Atomausstieg jetzt umsetzen

Angesichts der bestehenden Risiken beim Betrieb von Atomanlagen und der
ungelösten Probleme im Umgang mit dem Atommüll ist die schnellstmögliche
Realisierung des Atomausstiegs vordringliches Ziel der Bundestagsfraktion
von Bündnis 90/Die Grünen. Je früher der Ausstieg erfolgt, desto schneller
kommt der überfällige Strukturwandel der Energiewirtschaft in Gang. Eine
zukunftsfähige, auf Effizienz und Erneuerbarkeit beruhende Energiestruktur
hat den Ausstieg zur Voraussetzung. Der Atomausstieg ist nur dadurch
unumkehrbar zu machen, dass er durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen als
zentraler Bestandteil einer grundlegenden Energiewende ökonomisch verankert
wird.
Die Fraktion setzt sich daher für die gesetzliche Befristung der
Gesamtlaufzeiten von Atomkraftwerken, für einen klar sicherheitsorientierten
Vollzug des Atomgesetzes und für ein verantwortliches Entsorgungskonzept,
für die schrittweise Beseitigung der ungerechtfertigten Privilegien der
Atomwirtschaft wie für die Förderung einer zukunftsfähigen Energiewirtschaft
ein.
Die Fraktion ist nachdrücklich an einem Ausstieg im Konsens mit der
Atomindustrie interessiert. Wir lassen jedoch keinen Zweifel an der
Bereitschaft, nötigenfalls den Ausstieg auch im Dissens zu regeln. Eine
weitere Verzögerung sind wir nicht bereit hinzunehmen. Uns ist bewusst, dass
für die politische Tragfähigkeit unserer Ausstiegs-Strategie sowohl die
vereinbarte Entschädigungsfreiheit als auch die Verfassungsfestigkeit
mitentscheidend sind.
Wir begrüßen, dass es dem Umweltministerium gelungen ist, die prinzipiellen
rechtlichen und politischen Zweifel an einer gesetzlichen Lösung im Dissens
mit der Atomindustrie auszuräumen. Diese Klärung schafft die notwendige
Grundlage für eine starke Verhandlungsposition der Bundesregierung in den
Konsensgesprächen mit der Atomindustrie. Für jede Lösung, ob im Konsens oder
im Dissens, ist eine starke, geschlossene Position der Bundesregierung, wie
wir sie jetzt vereinbaren wollen, die Voraussetzung.
Der Atomausstieg erfordert ein umfassendes Maßnahmenbündel. Dieses Paket ist
für unsere politische Bewertung und Entscheidung insgesamt ausschlaggebend.
Die Bundestagsfraktion wird sich bei der Formulierung einer
Regierungsposition und in den Verhandlungen mit der Industrie an den
folgenden Eckpunkten orientieren:
1. Unser Ziel bleibt die Abschaltung von Atomkraftwerken noch in dieser
Legislaturperiode. Dafür setzen wir uns in den Konsensverhandlungen ein. Für
den Dissensfall ist bei den beiden ältesten Atomreaktoren gesetzlich eine
Übergangsfrist einzuräumen. Dabei wollen wir alle juristischen Möglichkeiten
nutzen, eine gerichtsfeste Stilllegung von ersten AKW noch in dieser
Legislaturperiode zu erreichen.
2. Unabhängig vom Ausgang von Konsensgesprächen wird die Koalition die
Laufzeit von Atomkraftwerken zum Zwecke des Allgemeinwohls gesetzlich
entschädigungsfrei befristen. Unser Ziel ist die Beendigung der atomaren
Stromerzeugung eher in 15 als in 18 Jahren. Sollten die Verhandlungen mit
dem Koalitionspartner zu einem insgesamt überzeugenden Gesamtpaket zum
Atomausstieg führen, ist die Fraktion bereit, eine Gesamtlaufzeit von
längstens 30 Jahren zu akzeptieren. In Verbindung mit der Beseitigung der
ökonomischen Privilegien der Atomkraft wird es möglich sein, dass die
letzten Atomkraftwerke die gesetzliche Gesamtlaufzeit nicht ausschöpfen.
In den Konsensverhandlungen bieten wir den Betreibern im
Gegenzug zu einer Befristung die Möglichkeit einer flexiblen Ausgestaltung
der Laufzeiten einzelner Anlagen im Rahmen einer gesetzlich definierten,
fixen Regellaufzeit an. Die Summe der Restlaufzeiten darf sich dabei nicht
erhöhen. Regelungen über Strommengen und Volllastjahre lehnen wir ab.
3. Bestandteil der Novelle des Atomgesetzes sind darüberhinaus
* die Ersetzung des Förderzwecks durch das Ziel, die
Kernenergienutzung geordnet und sicher zu beenden,
* der Ausschluss neuer Errichtungs- und Betriebsgenehmigungen für
Atomanlagen zur Erzeugung von Elektrizität,
* ein schnellstmögliches Verbot der Aufarbeitung bestrahlter
Kernbrennstoffe
* das Gebot der standortnahen Zwischenlagerung,
* die Anhebung der Deckungsvorsorge auf mindestens 5 Mrd. DM je AKW,
sowie
* die Rücknahme der Atomgesetznovelle von 1998, soweit sie nicht der
Umsetzung von Europarecht dient.
4. Wir wollen in den Konsensgesprächen eine Beendigung der
Wiederaufarbeitung und eine drastische Minimierung von Atomtransporten durch
die Einrichtung von Zwischenlagern und die Möglichkeit von Zwischenlösungen
an den Atomkraftwerksstandorten erreichen.
5. Es wird in den Gesprächen eine Vereinbarung darüber angestrebt, bis
zur Schaffung eines Endlagers in tiefen geologischen Formationen die
Arbeiten in Gorleben und Schacht Konrad unter Verzicht auf Entschädigungen
und bei Sicherung der Offenhaltungskosten zu unterbrechen. Unabhängig vom
Ausgang der Konsensgespräche werden die Erkundungsarbeiten in Gorleben
befristet unterbrochen.
6. Die Koalition einigt sich noch in dieser Legislatur über die
Einführung einer Primärenergiebesteuerung von Kernbrennstoffen.
7. Die noch ausstehenden Schritte zum Einstieg in eine zukunftsfähige
Energiewirtschaft
* Verabschiedung des erneuerten Stromeinspeisungsgesetzes
* Umsetzung einer Quotenregelung für die Kraft-Wärme-Kopplung
* Reform der Energiesparverordnung werden zügig realisiert.

Wir gehen davon aus, dass die Entscheidung zwischen Bundesregierung und
Atomwirtschaft - ob Konsens oder Dissens - im Januar 2000 fällt. Wir streben
an, den Gesetzentwurf noch im Februar 2000 in den Deutschen Bundestag
einzubringen. Wir werden das Ergebnis auf jeden Fall der
Bundesdelegiertenkonferenz im März 2000 zur Entscheidung vorlegen

 

Abstimmungsergebnisse:

1. Abstimmung Leitantrag

Antrag Fraktionsvorstand: 30 Antrag Simmert, Hermann u.a. 12

2. Abstimmung Änderungsanträge

Simmert/Hermann u. a. 1. Die Genehmigungen zum Betrieb der Atomkraftwerke in der
Bundesrepublik Deutschland werden jeweils auf eine Gesamtlaufzeit ab
Inbetriebnahme befristet, die über 25 und deutlich unter 30 Kalenderjahren
liegt.
Anstatt Punkt 2 im Antrag FraVo 1. Abs.


11 Ja, 26 Nein, 4 Enthaltung

Simmert/Hermann u. a. 2. Für Kraftwerke, die diese Frist bereits überschritten haben oder sie bis
2002 überschreiten, wird eine Übergangsfrist/Abwicklungsfrist festgelegt. Wir
sind überzeugt, dass diese rechtssicher so festgelegt werden kann, sodass
noch in dieser Legislaturperiode erste Kernkraftwerke stillgelegt werden
können, um so den sichtbaren Einstieg in den Ausstieg zu erreichen.

Anstatt Punkt 1 Antrag FraVo

12 JA, 27 Nein, 2 Enthaltung

Schlußabstimmung Antrag Fraktionsvorstand 34 Ja, 5 Nein, 2 Enthaltung

 


Atom/Parteien/Grüne/
(Überblick) Grüne beraten über Atomausstieg
Berlin (dpa) - Die Fraktion der Grünen im Bundestag ist am
Dienstag in Berlin zu einer Sondersitzung zusammengekommen, um ihre
Position für die weiteren Verhandlungen um einen Atomausstieg
festzulegen. Den 47 Abgeordneten lag dazu ein Antrag des
geschäftsführenden Fraktionsvorstandes vor. Er basiert im
Wesentlichen auf einer Vorlage des Parteivorstandes vom Vorabend.

Demnach sollen die Laufzeit von Atomkraftwerken auf eine Frist von
höchstens 30 Jahren gesetzlich begrenzt und die ersten Reaktoren noch
vor der Bundestagswahl im Jahr 2002 vom Netz genommen werden. Die
Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Kristin Heyne, nannte
den Antrag +eine sehr kluge Vorlage;. Er beschreibe klar die grünen
Positionen und lasse genügend Offenheit für Verhandlungen. Auch die
Fraktionsvorsitzende Kerstin Müller ging davon aus, dass das
Eckpunktepapier nach monatelanger Diskussion über das weitere
Vorgehen beim Atomausstieg eine große Mehrheit finden wird.

Gleichwohl wollte der der Parteilinken zugerechnete Christian
Simmert noch einmal einen Beschlussvorschlag zur Debatte stellen, auf
den sich vor eineinhalb Wochen 20 Grünen-Abgeordnete verständigt
hatten. Darin wird eine Höchstlaufzeit für Reaktoren von +deutlich
unter 30 Jahren; gefordert. Er wolle damit keinesfalls auf
Konfliktkurs gehen, aber eine möglichst offene Diskussion anstoßen,
sagte Simmert der dpa. Die Vorlage des Vorstandes gehe aus seiner
Sicht bei der Laufzeitbegrenzung nicht weit genug. Außerdem sei die
angestrebte Stilllegung von Reaktoren noch vor der Bundestagswahl im
Jahr 2002 +zu weich; formuliert. Allerdings ging Simmert selbst davon
aus, dass der Vorschlag aus der Fraktion diesmal von weniger
Abgeordneten unterstützt werden wird als noch vor eineinhalb Wochen.

Parteisprecherin Gunda Röstel sagte: +Ich bin voller Optimismus,
dass wir einen großen Schritt vorankommen.; Dabei gehe sie davon aus,
dass die tatsächlichen Laufzeiten der Reaktoren letztlich +deutlich
unter 30 Jahren liegen werden;. Hans-Christian Ströbele erneuerte
seine Forderung, die ersten Kernkraftwerke noch in dieser Wahlperiode
vom Netz zu nehmen. Ob dies möglich ist, wird sich nach Ansicht der
Energiepolitikerin Michaele Hustedt erst nach der für Februar 2000
angepeilten Vorlage eines neuen Atomgesetzes entscheiden.

(Achtung: Sie erhalten in Kürze einen Hintergrund +Der Abschied der
Grünen vom Sofort-Ausstieg, 37 Zeilen)
dpa dud/li/vr yy rm
141428 Dez 99

 

Atom/Grüne TM
Grüne ringen um gemeinsame Linie zum Atomausstieg - Tagesmeldung (neu: Sitzungsbeginn) Utl:
Fraktion in Berlin zu Sondersitzung zusammengetreten


Berlin (AP) Die Suche der Grünen nach einer gemeinsamen Linie zum
Atomausstieg ist am Dienstag in die entscheidende Runde gegangen. In
Berlin trat die Fraktion zusammen, um einen Kompromiss zu den
Laufzeiten der Kernkraftwerke zu finden. Fraktionssprecherin Kerstin
Müller sagte, sie sei optimistisch, dass man sich auf Grundlage des
`hervorragenden Beschlusses" des Bundesvorstands einigen werde.
Allerdings wollten die Fraktionslinken einen Gegenantrag einbringen.
Abends sollte der Grünen-interne Koalitionsausschuss das letzte Wort
sprechen.
Der Grünen-Bundesvorstand hatte am Montag in einem
Eckpunktepapier die Marschroute für eine mögliche Einigung
vorgelegt. Daran orientiert sich in den wesentlichen Punkten ein
Kompromissvorschlag von Müller und ihrem Sprecherkollegen Rezzo
Schlauch für die Fraktion.
Der Bundesvorstand betont, dass noch in dieser Legislaturperiode
die ersten Kernkraftwerke abgeschaltet werden sollen. Priorität für
die Grünen sei, dies im Konsens mit den Betreibern auszuhandeln.
Grundsätzlich wollen sie `die Beendigung der atomaren Stromerzeugung
eher in 15 als in 18 Jahren anstreben", was auf Laufzeiten von 25
bis 28 Jahren für das jüngste Kraftwerk Neckarwestheim II
hinausliefe.
Für den Fall eines erzwungenen Ausstiegs per Gesetz solle die
festgeschriebene Gesamtlaufzeit `nicht mehr als 30 Jahre" betragen.
Dabei müsse für die beiden ältesten Atomkraftwerke Stade und
Obrigheim eine Übergangsfrist eingeräumt werden, die allerdings
nicht beziffert wird. `Diese muss so gewählt werden, dass der
juristische Rahmen für Stilllegungen in dieser Legislatur optimal
genutzt wird", heißt es in dem Papier.
Um die Industrie zum frühen Ausstieg zu drängen, wollen die
Grünen mit einem `ganzen Bündel" von Maßnahmen `ungerechtfertigte
Privilegien der Atomwirtschaft" beseitigen. Die Entscheidung über
den Ausstieg, ob im Konsens oder Dissens, soll im Januar fallen. Im
März wollen die Grünen ihren Parteitag dazu befragen.

Zwtl: Kritik an `schwammigen" Formulierungen

Fraktionssprecherin Müller sagte, angestrebt seien auf jeden Fall
weniger als 30 Jahre. Wichtig sei aber, dass die Grünen zu einer
geschlossenen Position zurückfänden. Dafür hätten Kompromisse
geschlossen werden müssen. Der Fraktionslinke Christian Simmert
sagte hingegen, er sei mit den Vorstellungen des Bundesvorstands und
mit dem Kompromisspapier der Fraktion, das sehr ähnlich sei, nicht
zufrieden. Deshalb werde er nochmals in einem eigenen Antrag
Laufzeiten deutlich unter 30 Jahre fordern.
Die Vorstandssprecherin der nordrhein-westfälischen Grünen,
Barbara Steffens, die ebenfalls Laufzeiten deutlich unter 30 Jahren
fordert, kritisierte, die Eckpunkte seien zu wenig konkret. Die
Fristen seien `sehr schwammig formuliert". Der Bund für Umwelt und
Naturschutz äußerste harsche Kritik daran, `den gefährlichen und
umweltverseuchenden Atomkraftwerken Laufzeiten von bis zu 30 Jahren
zu garantieren" und verlangte stattdessen den `Sofortausstieg".
Vom Koalitionspartner SPD kam verhaltenes Echo. Der
parlamentarische Geschäftsführer Wilhelm Schmidt sagte, es sei `ein
ganz normaler Vorgang", dass die Grünen zuerst intern ihre Position
klärten und diese dann in Verhandlungen mit der SPD einbrächten.
SPD-Umweltexperte Michael Müller sagte der `Neuen Osnabrücker
Zeitung", das Grünen-Papier sei `noch nicht ausreichend für einen
funktionierenden Ausstieg".
Ende
AP/tt/vf/

141451 dez 99

DEUTSCHLAND/ATOM/GRUENE
Grünen-Fraktion berät über Reaktor-Laufzeiten=

Berlin, 14. Dez (Reuters) - Die Grünen-Bundestagsfraktion
hat am Montagnachmittag in Berlin über Wege aus dem
parteiinternen Streit zum Atom-Ausstieg beraten. Teilnehmer
zeigten sich vor der Sitzung optimistisch, dass eine Einigung
erzielt werden könne. Fraktionssprecherin Kerstin Müller sagte,
es gehe darum, die Geschlossenheit von Fraktion und Partei in
dieser Frage wieder herzustellen. Fraktionssprecher Rezzo
Schlauch bezeichnete ebenso wie die Parteisprecherinnen Gunda
Röstel und Antje Radcke die Chancen für eine Einigung als gut.
Müller sagte, der Kompromissantrag in der Fraktion werde
sehr nahe an den Vorstellungen des Bundesvorstands liegen. Dort
sei als Ziel verankert, dass die Gesamtlaufzeiten eher bei 27
als bei 30 Jahren liegen sollten. Damit würden die letzten
Atomkraftwerke eher in 15 als in 18 Jahren stillgelegt. Diese
Position sollten die Grünen-Verhandlungsführer auch in den
Gesprächen mit der SPD vertreten. In dem Kompromissantrag seien
allerdings keine festen Übergangsfristen zur Stilllegung der
ersten Atomkraftwerke vereinbart.
Verschiedene Fraktionsmitglieder kündigten unterdessen an,
ihren Antrag auf Laufzeiten von über 25 Jahren und unter 30
Jahren erneut einzubringen. "Der Kompromiss des Bundesvorstandes
ist nicht das, was wir wollen", sagte der Abgeordnete Christian
Simmert. Der Abgeordnete Hans-Christian Ströbele sah allerdings
nur geringe Erfolgsaussichten für den auch von ihm gestützten
Antrag. "Das wird für uns nicht positiv aussehen." Viele der
ursprünglich 20 Unterstützer zögen wahrscheinlich ihre
Zustimmung zurück, um den Vorschlag des Bundesvorstandes zu
befürworten.
Parteisprecherin Radcke unterstrich die Notwendigkeit eines
Kompromisses in der Fraktion. "Wir können uns nicht länger
leisten, einen solchen Konflikt innerhalb der Grünen
auszutragen." Sie plädiere allerdings für eine Übergangsfrist
von weniger als drei Jahren.
Die Grünen streiten seit Wochen über die Laufzeiten, die den
Energieversorgern in einem Gesetz zum Ausstieg aus der
Kernenergie gewährt werden sollen. Außenminister Joschka Fischer
und Bundesumweltminister Jürgen Trittin (beide Grüne) drängen
auf eine Laufzeit von 30 Jahren und eine Übergangsfrist von drei
Jahren, bevor die ersten Reaktoren abgeschaltet werden können.
Durch eine solche Regelung soll der Erfolg einer möglichen
Schadensersatzforderung durch die Industrie gemindert werden.
Der parteiinterne Streit steht auch den Konsensgesprächen
der Bundesregierung mit der Energiewirtschaft im Weg, die seit
Monaten auf Eis liegen. Die Regierung will bis Anfang nächsten
Jahres mit den Versorgern über einen einvernehmlichen Ausstieg
verhandeln. Sollten diese Gespräche scheitern, plant die
Regierung einen Ausstieg per Gesetz.
gwb/dob
(Sie erhalten gegen 16.00 Uhr eine ZF.)
REUTERS

141504 Dez 99


DEUTSCHLAND/ATOM/GRUENE UEBERBLICK
Kerstin Müller setzt auf grünen Atomkompromiss=

Berlin, 14. Dez (Reuters) - Die Grünen-Fraktionschefin
Kerstin Müller erwartet, dass die Partei ihren internen Streit
um die Fristen für einen Atomausstieg am Dienstag beilegt.
Müller kündigte am Morgen im ZDF an, sie werde in der
Sondersitzung der Fraktion einen Kompromissvorschlag vorlegen,
der sich eng an der Forderung des Bundesvorstandes nach einer
Gesamtlaufzeit von höchstens 30 Jahren orientiere. Sie rechne
mit einer breiten Mehrheit. In der Fraktion wurde indes eine
Kampfabstimmung über die Laufzeit nicht ausgeschlossen.
Der Abgeordnete Christian Simmert sagte im Berliner
Info-Radio, die Befürworter einer Laufzeit von unter 30 Jahren
würden ihren entsprechenden Antrag in der Fraktionssitzung
vermutlich erneut zur Abstimmung stellen. Simmert gehört zu den
Befürwortern kürzerer Laufzeiten. Auch er deutete aber
Kompromissbereitschaft an. Nötig sei ein "Gesamtpaket" zum
Ausstieg, das für alle Grünen tragbar sein müsse, sagte er. Dazu
gehöre auch, dass erste AKWs noch in dieser Legislaturperiode
abgeschaltet werden.
Die Grünen streiten seit Wochen über die Frist, die den
Energieversorgern für einen Ausstieg aus der Kernkraft gewährt
werden soll. Weite Teile der SPD, aber auch Bundesumweltminister
Jürgen Trittin und Außenminister Joschka Fischer (beide Grüne)
dringen auf eine Laufzeit von 30 Jahren, um so
Schadenersatzforderungen an die Industrie zu vermeiden. Teile
der Grüne wollen dagegen Laufzeiten von unter 30 Jahren. Der
parteiinterne Streit steht derzeit auch neuen Konsensgesprächen
der Bundesregierung mit der Atomindustrie im Weg. Die Regierung
will bis Anfang nächsten Jahres mit den Versorgern über einen
einvernehmlichen Ausstieg verhandeln. Sollten diese Gespräche
scheitern, soll der Ausstieg per Gesetz geregelt werden, ohne
dass Entschädigungen anfallen.
hol/kps
REUTERS

141046 Dez 99


EUTSCHLAND/ATOM ZF
Einigung der Grünen über Atom-Ausstieg erwartet=

Berlin, 14. Dez (Reuters) - Nach wochenlangem Streit hat
sich am Mittwoch bei den Grünen eine Einigung über den Ausstieg
aus der Atomenergie abgezeichnet. Führende Grünen-Vertreter
zeigten sich vor einer Sondersitzung der Grünen-Fraktion
optimistisch, dass ein dort vom Parteivorstand vorgelegtes
Konzept eine Mehrheit finden werde. Darin wird die
Gesamtlaufzeit von Atomkraftwerken mit maximal 30 Jahren
beziffert. Die Erfolgschancen für einen Gegenantrag wurden als
gering eingeschätzt. Energieunternehmen wie die Veba AG und die
RWE AG lehnten die Vorgabe der Grünen als zu niedrig ab. Kritik
an dem Grünen-Antrag kam auch aus der SPD und vom BUND.
Die Fraktion sollte am späten Nachmittag über den Antrag
abstimmen, der im Wesentlichen mit dem am Montag vorgelegten
Vorschlag des Parteivorstands übereinstimmt. Der Antrag soll als
Grundlage für ein Ausstiegsgesetz gelten, das in Kraft treten
soll, wenn die Regierung sich nicht mit den Energieunternehmen
auf ein Ausstiegsszenario einigen kann. Die Konsensgespräche
liegen seit Monaten auf Eis, nicht zuletzt wegen des
grünen-internen Streits. Die nächste Gesprächsrunde mit den
Stromkonzernen findet voraussichtlich im Januar statt.
Offen war zunächst noch, ob in dem Grünen-Vorschlag die
Forderung des Bundesvorstands nach einer Gesamtlaufzeit von
höchstens 30 Jahren übernommen wird. Alternativ könne eine
Restlaufzeit auf maximal 18 Jahre genannt werden, hieß es in der
Fraktion. Auf feste Übergangsfristen zur Stilllegung der ersten
Atomkraftwerke soll verzichtet werden. Die Fristen müssten
gerichtsfest sein, soll es stattdessen heißen.
Bundesumweltminister Jürgen Trittin und Außenminister Joschka
Fischer halten hier drei Jahre für realistisch.
Müller sagte, sie rechne mit einer breiten Mehrheit für den
Vorschlag. Auch ihr Amtskollege Rezzo Schlauch und die
Parteisprecherinnen Gunda Röstel und Antje Radcke sprachen von
guten Einigungschancen.
Verschiedene Fraktionsmitglieder kündigten unterdessen an,
ihren Antrag auf Laufzeiten von über 25 Jahren und unter 30
Jahren erneut einzubringen. "Der Kompromiss des Bundesvorstandes
ist nicht das, was wir wollen", sagte der Abgeordnete Christian
Simmert. Der Abgeordnete Hans-Christian Ströbele, der den
Gegenantrag ebenfalls unterzeichnet hat, sagte hingegen, viele
der 20 Unterstützer würden wohl ihre Zustimmung zurückziehen und
den Vorschlag des Bundesvorstandes befürworten.
Auf Ablehnung stieß der Vorschlag des Grünen-Vorstands bei
den Energieunternehmen. "Laufzeiten von 30 Jahren sind für uns
nicht akzeptabel", sagte ein Veba-Sprecher. Eine
vertretbare Basis sei eine Laufzeit von 35 Jahren, die im
Verständigungspapier des Bundeswirtschaftsministeriums
festgehalten sei. Auch ein RWE -Sprecher sagte, es gebe
keinen Grund, von der 35-jährigen Laufzeit abzuweichen. Ähnlich
äußerte sich die Viag .
Die Grünen streiten seit Wochen über die Laufzeiten, die den
Energieversorgern in einem Gesetz zum Ausstieg aus der
Kernenergie gewährt werden soll. Joschka Fischer und Trittin
(beide Grüne) drängen auf eine Laufzeit von 30 Jahren und eine
Übergangsfrist von drei Jahren bevor die ersten Reaktoren
abgeschaltet werden könne. Durch eine solche Regelung soll der
Erfolg einer möglichen Schadensersatzforderung durch die
Industrie gemindert werden.
Der Vorstandschef von Preussen Elektra, Hans-Dieter Harig,
sagte der "Frankfurter Rundschau", er halte einen Ausstieg aus
der Atomkraft ohne finanzielle Entschädigungsleistungen des
Staats an die Wirtschaft nicht für möglich.
Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Michael Müller sagte
der "Neuen Osnabrücker Zeitung", eine einheitliche
Gesamtlaufzeit könne wegen der unterschiedlichen technischen
Voraussetzungen der einzelnen Reaktortypen möglicherweise nicht
vorgeschrieben werden. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND)
bezeichnete das Grünen-Vorhaben als verantwortungslos.
vat/gwb/dob
REUTERS

141608 Dez 99


Atom/Parteien/Grüne/
(Zusammenfassung) Grünen-Streit um Fristen für Atomausstieg vor der Entscheidung (Mit dpa-Grafik
Nr. 2605 und Bildern BER06-09)
Berlin (dpa) - Die Grünen-Spitze will den seit Monaten schwelenden
Streit um einen Atomausstieg endgültig beenden. Die
Bundestagsfraktion kam am Dienstagnachmittag in Berlin zu einer
Sondersitzung zusammen, auf der die 47 Abgeordneten der Partei eine
gemeinsame Position für die weiteren Verhandlungen mit der SPD und
der Atomindustrie festlegen wollten. Im direkten Anschluss sollte
auch der Grünen-interne Koalitionsausschuss dazu einen Beschluss
fassen.

Spitzenpolitiker der Partei gingen unmittelbar vor der Sitzung
davon aus, dass sich die Fraktionsmehrheit einem Antrag ihres
geschäftsführenden Vorstandes anschließen wird. Dieser basiert im
Wesentlichen auf einer Vorlage des Parteivorstandes vom Vorabend.
Demnach wollen die Grünen im Konsens mit der Stromwirtschaft eine
+Beendigung der atomaren Stromerzeugung eher in 15 als in 18 Jahren
anstreben;. Für das jüngste deutsche Kernkraftwerk Neckarwestheim II
in Baden-Württemberg würde dies eine Gesamtlaufzeit seit
Inbetriebnahme von 25 bis 28 Jahren bedeuten. Dabei soll den
Betreibern angeboten werden, dass sie einige Kraftwerke über die
+Regellaufzeit; hinaus laufen lassen dürfen, wenn sie dafür andere
Kraftwerke vor Anlauf dieser Frist vom Netz nehmen.

Falls eine Einigung mit der Industrie nicht möglich sein sollte,
soll die Laufzeit aller 19 deutschen Reaktoren per Gesetz auf eine
Frist von höchstens 30 Jahren begrenzt werden. Darüber hinaus wollen
die Grünen laut Beschlussvorschlag erreichen, dass die ersten
Atomanlagen noch vor der Bundestagswahl im Jahr 2002 vom Netz gehen.

Nach Informationen aus Koalitionskreisen haben auch führende
Vertreter von SPD und Grünen am Morgen bei einem Frühstück über das
weitere Vorgehen beim Atomausstieg gesprochen. Dabei sei die Vorlage
des Grünen-Vorstandes aber nicht von den SPD-Seite bewertet worden,
hieß es.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Kristin Heyne,
nannte den Antrag +eine sehr kluge Vorlage;. Er beschreibe klar die
grünen Positionen und lasse genügend Offenheit für Verhandlungen. Die
Fraktionsvorsitzende Kerstin Müller ging ebenfalls davon aus, dass
das Eckpunktepapier in der Fraktion eine große Mehrheit finden und
auch vom zweiten Fraktionsvorsitzenden Rezzo Schauch getragen wird.

Gleichwohl wollte der der Parteilinken zugerechnete Christian
Simmert noch einmal einen Beschlussvorschlag zur Debatte stellen, auf
den sich vor eineinhalb Wochen 20 Grünen-Abgeordnete verständigt
hatten. Darin wird eine gesetzlich festgelegte Höchstlaufzeit für
Reaktoren von +deutlich unter 30 Jahren; gefordert. Er wolle damit
keinesfalls auf Konfliktkurs gehen, aber eine möglichst offene
Diskussion anstoßen, sagte Simmert der dpa. Die Vorlage des
Vorstandes gehe aus seiner Sicht bei der Laufzeitbegrenzung nicht
weit genug. Außerdem sei die angestrebte Stilllegung von Reaktoren
noch vor der Bundestagswahl im Jahr 2002 +zu weich; formuliert.
Allerdings ging Simmert selbst davon aus, dass der Vorschlag aus der
Fraktion diesmal von weniger Abgeordneten unterstützt werden wird als
noch vor eineinhalb Wochen.

Parteisprecherin Gunda Röstel sagte: +Ich bin voller Optimismus,
dass wir einen großen Schritt vorankommen.; Dabei ging sie wie Müller
davon aus, dass die tatsächlichen Laufzeiten der Reaktoren letztlich
+deutlich unter 30 Jahren liegen werden;. Hans-Christian Ströbele
erneuerte seine Forderung, die ersten Kernkraftwerke noch in dieser
Wahlperiode vom Netz zu nehmen. Ob dies möglich ist, wird sich nach
Ansicht der Energiepolitikerin Michaele Hustedt erst nach der für
Februar 2000 angepeilten Vorlage eines neuen Atomgesetzes
entscheiden.

Auf Kritik stieß das Papier des Parteivorstandes bei der
Sprecherin der Grünen in Nordrhein-Westfalen, Barbara Steffens. Nach
ihrer Meinung sind darin genannten Ausstiegsfristen +sehr schwammig
formuliert;. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)
erneuerte seine Forderung nach einem Sofortausstieg.

In ihrer Vorlage geht die Parteispitze davon aus, dass sich im
Januar entscheiden wird, ob noch ein Energiekonsens zwischen
Bundesregierung und Stromwirtschaft möglich ist. Bereits einen Monat
später solle im Bundestag der Entwurf zu Novellierung des
Atomgesetzes eingebracht werden.
dpa dud yy rm
141657 Dez 99

 

DEUTSCHLAND/ATOM 2.ZF
Grüne beenden ihren Streit um Atomausstieg=

Berlin, 14. Dez (Reuters) - Nach monatelangem Streit haben
sich die Grünen auf eine Verhandlungslinie beim Atomausstieg
geeinigt und damit eine Voraussetzung für weitere Gespräche mit
der Stromwirtschaft geschaffen.Die Grünen-Bundestagsfraktion
stimmte am Dienstagabend mit großer Mehrheit für den Entwurf
eines Ausstiegsgesetzes, der vorsieht, dass die letzten
Atomkraftwerke in spätestens 18 Jahren abgeschaltet werden.
Maximale Gesamtlaufzeit soll 30 Jahre sein. Der Entwurf muss nun
mit der SPD abgestimmt werden. Energieunternehmen wie die Veba
AG und die RWE AG hatten die Vorgabe bereits im Vorfeld als zu
niedrig abgelehnt. Kritik kam auch aus der SPD und vom BUND.
In der Fraktion stimmten 34 Abgeordnete für den am Montag
vom Parteivorstand verabschiedeten Entwurf. Fünf
Grünen-Politiker stimmten dagegen, zwei enthielten sich. In der
über dreistündigen Sitzung hatten zuvor Bundesumweltminister
Jürgen Trittin für Zustimmung geworben. Für die Verhandlungen
mit der Wirtschaft sei eine geschlossene und juristisch
belastbare Position der Grünen sowie der rot-grünen Regierung
zwingend, sagte Trittin Sitzungsteilnehmern zufolge.
Trittin betonte nach der Sitzung, der Grünen-Beschluss solle
nur dann umgesetzt werden, wenn es keine Einigung mit den
Stromunternehmen über den Atomausstieg gebe. Die
Konsensgespräche liegen seit Monaten auf Eis, nicht zuletzt
wegen des grünen-internen Streits. Die nächste Gesprächsrunde
mit den Stromkonzernen findet voraussichtlich im Januar statt.
Zuvor müssen die Grünen ihre Vorlage noch mit der SPD abstimmen.
Mit der nun vereinbarten maximalen Gesamtlaufzeit eines
Atomkraftwerks von 30 Jahren haben sich bei den Grünen Trittin
und Außenminister Joschka Fischer gegen mehrere Landesverbände
und Teile der Fraktion durchgesetzt.
Position der Grünen sei weiter, dass die Restlaufzeiten für
Kernkraftwerke eher bei 15 als bei 18 Jahren liegen sollten,
sagte Fraktionschefin Kerstin Müller. Der verabschiedete Entwurf
verzichtet auf auf feste Übergangsfristen für die Stilllegung
der Reaktoren. Kriterium für diese Fristen soll ihre rechtliche
Unanfechtbarkeit sein. Trittin und Fischer halten hier drei
Jahre für realistisch. Gefordert wird in dem Papier außerdem die
Ausweitung der Sicherheitsstandards für Reaktoren.
Auf Ablehnung stieß der Vorschlag des Grünen-Vorstands bei
den Energieunternehmen. "Laufzeiten von 30 Jahren sind für uns
nicht akzeptabel", sagte ein Veba-Sprecher noch vor der
Fraktionssitzung. Eine vertretbare Basis sei eine Laufzeit von
35 Jahren, die im Verständigungspapier des
Bundeswirtschaftsministeriums festgehalten sei. Auch ein RWE
-Sprecher sagte, es gebe keinen Grund, von der
35-jährigen Laufzeit abzuweichen. Ähnlich äußerte sich die Viag
.
Der Vorstandschef von Preussen Elektra, Hans-Dieter Harig,
sagte der "Frankfurter Rundschau", er halte einen Ausstieg aus
der Atomkraft ohne finanzielle Entschädigungsleistungen des
Staats an die Wirtschaft nicht für möglich.
Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Michael Müller
kritisierte das Vorhaben der Grünen. Eine einheitliche
Gesamtlaufzeit könne wegen der unterschiedlichen technischen
Voraussetzungen der einzelnen Reaktortypen möglicherweise nicht
vorgeschrieben werden, sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung"
(Dienstagausgabe). Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND)
bezeichnete das Grünen-Vorhaben als verantwortungslos.
vat/gwb/dob
REUTERS

141808 Dez 99

 

Atom/Ausstieg/Koalition/ZFx/
(Zusammenfassung) Atom: Grüne jetzt mit einheitlicher Verhandlungsposition
Berlin (ADN). Die Grünen verfügen jetzt in der Frage des
Atomausstiegs über eine einheitliche Verhandlungsposition gegenüber
dem Koalitionspartner SPD und der Energiewirtschaft. Die
Bundestagsfraktion der Grünen folgte am Dienstagabend nach
mehrstündiger Aussprache in einer Sondersitzung mit großer Mehrheit
dem Beschluss des Parteivorstands, Gesamtlaufzeiten für die Meiler
von bis zu 30 Jahren zuzulassen.

Grünen-Fraktionschefin Kerstin Müller teilte mit, 34 Abgeordnete
hätten der Vorlage zugestimmt. Fünf votierten dagegen, zwei
enthielten sich. Mit dem Beschluss habe die Fraktion die
größtmögliche Geschlossenheit für die Partei sichergestellt. Dies
stärke die Position gegenüber SPD und Energieunternehmen.

Zuvor hatte der Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele
eingeräumt, dass die Parteilinken eine Abstimmungsniederlage würden
hinnehmen müssen. Ströbele sagte, der Vorschlag der Linken, die
Laufzeit auf minimal 25, jedoch deutlich unter 30 Jahre zu
begrenzen, sei nicht mehrheitsfähig. Zuviele Befürworter des Antrags
seien im Verlaufe der Fraktionsdiskussion der Parteilinken +von der
Fahne gegangen;.

Das Vorgehen der Grünen sorgte beim Koalitionspartner allerdings
für zurückhaltende Reaktionen. Der Parlamentarische
Fraktionsgeschäftsführer Wilhelm Schmidt sagte, öffentliche
Erklärungen nutzten in diesem Stadium wenig. Es sei aber legitim,
dass die Grünen Eckwerte setzten. Diese ließen aber noch
Verhandlungsspielraum für die Gespräche zwischen SPD und Grünen.

SPD-Fraktionsvize Michael Müller hatte den Atombeschluss als
+noch nicht ausreichend für einen funktionierenden Ausstieg aus der
Atomenergie; kritisiert. Er begrüßte zwar, dass die Grünen sich
bewegt hätten. Es sei aber zweifelhaft, ob man für alle Reaktortypen
wie Leicht-, Siede- und Druckwasserreaktoren einheitlich eine
Laufzeit von höchstens 30 Jahren vorschreiben könne, sagte Müller
der +Neuen Osnabrücker Zeitung;. Denn die technische Auslegung der
Meiler sei sehr unterschiedlich. Selbst wenn man das außer Acht
lasse, erfülle der Beschluss erst die Hälfte der notwendigen
Voraussetzungen.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag,
Kristin Heyne, sprach dagegen von einem +guten Beschluss;. Im
NDR4-Info sagte sie, der Beschluss habe einen +gewissen Spielraum
für Verhandlungen; gegeben. Schließlich müsse bedacht werden, dass
Atomkraftwerke auf unbefristete Zeit genehmigt worden seien.

Dem gegenüber zeigte sich die Landessprecherin der Grünen in
Nordrhein-Westfalen, Barbara Steffens, skeptisch. Im Hessischen
Rundfunk sagte sie, die im Antrag formulierten Fristen seien +sehr
schwammig;. Für Rücksichtnahmen gegenüber dem Koalitionspartner SPD
oder den Kraftwerksbetreibern sei es zu früh.

Der Grünen-Vorstand hatte am Vortag beschlossen, sich bei der
Gesamtlaufzeit für Atomkraftwerke auf +nicht mehr als 30 Jahre;
festzulegen. Dabei werde man die Beendigung der atomaren
Stromerzeugung +eher in 15 als in 18 Jahren anstreben;. Es bleibe
Ziel der Grünen, dass noch in dieser Legislaturperiode
Atomkraftwerke abgeschaltet werden.

voe/rek
141800 Dez 99


Atom/Grüne KURZ.
Grüne für Atomausstieg in den kommenden 30 Jahren - Kurzfassung Utl: Fraktion im Bundestag
einigte sich auf Kompromiss


Berlin (AP) Die Bundestagsfraktion der Grünen hat sich für einen
Atomausstieg spätestens in 30 Jahren ausgesprochen. Nach
monatelangem Streit einigten sich die Abgeordneten der Partei am
Dienstag in Berlin auf diese Kompromisslinie. Die Mehrheit
akzeptierte in einer Sondersitzung, dass in einem Ausstiegsgesetz
Laufzeiten für die Kernkraftwerke von bis zu 30 Jahren
festgeschrieben werden, wie die Fraktionsvorsitzenden Kerstin Müller
und Rezzo Schlauch mitteilten. Den Angaben zufolge gab es 34
Ja-Stimmen bei fünf Gegenstimmen und zwei Enthaltungen.
Zudem sollen bei einem Ausstieg gegen den Willen der Betreiber
auch Übergangsfristen für die beiden ältesten Atommeiler Stade und
Obrigheim gewährt werden. Mit dem Abstimmungsergebnis habe die
Fraktion die größtmögliche Geschlossenheit gezeigt, sagte Müller.
Damit ist eine Vorentscheidung für das Ausstiegsgesetz der
Bundesregierung getroffen. Dieses wollen Grüne und SPD gemeinsam
aushandeln, bevor sie sich erneut zu Konsensgesprächen mit der
Atomindustrie treffen. Die Grünen hatten wochenlang darüber
gestritten, ob 30 Jahre Laufzeit und eine Übergangsfrist von drei
Jahren, die als gerichtsfest gelten, in der Partei akzeptabel wäre.
Zahlreiche Landesverbände drängten auf einen schnelleren Ausstieg.
Der Kompromiss der Grünen-Fraktion lag weitgehend bei den
Vorgaben, die der Bundesvorstand am Montag beschlossen hatte. Darin
wird als Ziel formuliert, noch in dieser Legislaturperiode die
ersten Kernkraftwerke abzuschalten. Priorität für die Grünen sei,
dies im Konsens mit den Betreibern auszuhandeln. Für den Fall eines
erzwungenen Ausstiegs per Gesetz solle die festgeschriebene
Gesamtlaufzeit `nicht mehr als 30 Jahre" betragen. Die zu gewährende
Übergangsfrist wird nicht beziffert. Diese müsse so gewählt werden,
dass der juristische Rahmen für Stilllegungen in dieser Legislatur
optimal genutzt werde, hieß es.
Um die Industrie zum frühen Ausstieg zu drängen, wollen die
Grünen mit einem `ganzen Bündel" von Maßnahmen `ungerechtfertigte
Privilegien der Atomwirtschaft" beseitigen. Die Entscheidung über
den Ausstieg, ob im Konsens oder Dissens, soll im Januar fallen. Im
März wollen die Grünen ihren Parteitag dazu befragen.
Ende
AP/rd,tt/ts/fi/


141753 dez 99


A T O M A U S S T I E G

Kampfabstimmung bei den Grünen?

Die Fraktionschefin der Grünen, Kerstin Müller, ist
zuversichtlich. Sie geht davon aus, dass Vorstand und Fraktion
sich heute in Sachen Atomausstieg verständigen. Anders als
der Vorstand fordern Abgeordnete wie Christian Simmert
jedoch Laufzeiten "deutlich unter 30 Jahren". Im Gespräch mit
SPIEGEL ONLINE schloss er eine Kampfabstimmung nicht aus.

Berlin - Die am Vortag vom Parteivorstand beschlossenen Eckpunkte
seien eine "gute Grundlage" für einen Kompromiss, sagte Müller im
ZDF-Morgenmagazin. Dies sehe der zweite Fraktionschef Rezzo
Schlauch ebenso. "Ich bin zuversichtlich, dass wir dafür auch eine
große Mehrheit in der Fraktion bekommen können."

Bundesvorstand und Fraktion würden
dann "mit einer Stimme sprechen" und
könnten so wieder "größtmögliche
Geschlossenheit" in der Partei herstellen.
Müller bekräftigte den Willen der Grünen,
für einen Atomausstieg alle politischen
und juristischen Möglichkeiten
auszuschöpfen und diesen notfalls auch
gegen den Widerstand der
Kernkraftwerksbetreiber durchzusetzen.

Der Parteivorstand hatte am Montag
beschlossen, dass die Laufzeit von
Atomkraftwerken auf eine Frist von
höchstens 30 Jahren gesetzlich begrenzt
und die ersten Reaktoren noch vor der Bundestagswahl im Jahr 2002
vom Netz gehen sollen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen im Januar
die Konsensgespräche zwischen der Industrie und der
Bundesregierung fortgesetzt und einen Monat später der Entwurf für
eine entsprechende Neufassung des Atomgesetzes in den Bundestag
eingebracht werden. Über den Beschluss wollen am heutigen
Dienstag die Fraktion und anschließend der Grünen interne
Koalitionsausschuss beraten.

Fraktionsmitglied Christian Simmert kritisierte
den Antrag des Bundesvorstandes: "Die
Formulierungen sind viel zu weich: Da steht nur,
dass man nicht mehr als 30 Jahre
Gesamtbetriebszeit haben will", sagte der
Bundestagsabgeordnete gegenüber SPIEGEL
ONLINE. "Das würde schließlich bedeuten, dass
30 Jahre möglich sind. Das ist zuviel." In der
heutigen Diskussion will Simmert erneut den
Antrag stellen, sich auf kürzere Laufzeiten zu
einigen. Bei der letzten Fraktionssitzung hätten
immerhin 20 Fraktionskollegen für diesen Antrag
gestimmt. "Dann müssen wir sehen, ob es zu
einer Kompromisslinie kommt. Die würde ich mir wünschen. Ansonsten
gibt es am Ende doch eine Kampfabstimmung." Welche
Maximallaufzeit er allerdings für akzeptabel halte, wollte Simmert
nicht sagen.

Die Grünen streiten seit Wochen über die
Frist, die den Energieversorgern für einen
Ausstieg aus der Kernkraft gewährt werden
soll. Weite Teile der SPD, aber auch
Bundesumweltminister Jürgen Trittin und
Außenminister Joschka Fischer (beide
Grüne) dringen auf eine Laufzeit von 30
Jahren, um so Schadensersatzforderungen
an die Industrie zu vermeiden. Teile der
Grünen wollen dagegen Laufzeiten von
unter 30 Jahren. Der parteiinterne Streit
steht derzeit auch neuen
Konsensgesprächen der Bundesregierung mit
der Atomindustrie im Weg. Die Regierung will
bis Anfang nächsten Jahres mit den
Versorgern über einen einvernehmlichen Ausstieg verhandeln. Sollten
diese Gespräche scheitern, soll der Ausstieg per Gesetz geregelt
werden, ohne dass Entschädigungen anfallen.