Positionen zum Energiewirtschaftsgesetz zur Vorlage beim EPR am 17.09.1999 in Berlin
Antragsteller: Dietmar Rieth, MdL (Sprecher EPR)

Den Wettbewerb regulieren
- Umweltschutz fördern, Stadtwerke nicht benachteiligen, Arbeitsplätze erhalten


Das noch von der alten CDU-FDP-Bundesregierung in Kraft gesetzte, novellierte Energiewirtschaftsrecht ist weiterhin unverändert gültig. Die Klagen der Länder Hamburg, Hessen und Saarland, der SPD Bundestagsfraktion und mehrerer Kommunen gegen das Energiewirtschaftsgesetz sind in Karlsruhe weiterhin anhängig.
Die negativen Auswirkungen der ungeregelten Liberalisierung a la Rexrodt kommen schneller als erwartet:
· Die Konzentration auf der Erzeuger- und Anbieterseite
· Viele KWK-Anlagen und vor allem die neueren KWK-Anlagen sind aufgrund der sinkenden Strompreise nicht mehr konkurrenzfähig
· Die Bedingungen des Netzzugangs werden immer noch von den großen Verbundunternehmen bestimmt
· Die regenerativen Energien verharren im "Nischendasein"

Wir haben den Wettbewerb grundsätzlich befürwortet. Wir sehen Wettbewerb allerdings nicht als Selbstzweck, sondern als ein Mittel zu einer höheren Effizienz und gerechteren Preisen. Wettbewerb heißt, daß es möglichst viele Akteure gibt und nicht, wie es gerade passiert, kleinere Akteure verdrängt werden. Ein fairer Wettbewerb bedarf allerdings bestimmter, regulierender Bedingungen und das gilt insbesondere aufgrund seiner Besonderheiten für den Strombereich. Für einen solchen Wettbewerb hatten wir noch in der vergangenen Legislaturperiode mit einem eigenen Gesetzentwurf gute Vorschläge gemacht.

Die Zeit drängt!

Laut Prognosen werden bei einer unveränderten Entwicklung des Strommarktes nur wenige Stadtwerke überleben. Das neue Energiewirtschaftsgesetz schickt die Stadtwerke mit Fesseln in den Wettbewerb und bevorteilt statt dessen die großen Verbundunternehmen. Stadtwerke können aber Träger einer dezentralen Energiepolitik sein und einen Beitrag zur Realisierung grüner Ziele leisten (Umwelt, lokale Wertschöpfung, etc.). Sie müssen gleiche Chancen im Wettbewerb haben. Wettbewerb bedarf einer Vielzahl von verschiedenen und verschieden großen Teilnehmern. Deshalb sehen wir die Stadtwerke auch als einen wichtigen Kontrapunkt gegenüber den - zumeist atom- und kohlelastigen - Verbundunternehmen, auf die nur schwer politischer Einfluß genommen werden kann. Der Anteil von KWK ist bei den Verbundunternehmen im Vergleich zu den Stadtwerken verschwindend gering. Im übrigen sind Stadtwerke (nicht alle, aber einige) die einzigen, die in den vergangenen Jahren Least-Cost-Planning erprobt und sich den Klimaschutzzielen verpflichtet haben.
Selbstverständlich müssen die Stadtwerke für Veränderungen auch bereit für sein. Das fängt in den Chefetagen an und hört bei der Kunden- und Dienstleistungsorientierung der MitarbeiterInnen nicht auf. Einen Preiswettbewerb allein können sie nicht für sich entscheiden. Deshalb ist das angebotene Produkt, der Service und das kundenorientierte Angebot für die Weiterentwicklung der Stadtwerke entscheidend.


Eine Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes muß kurzfristig erfolgen. Folgende Forderungen sind einzubringen:

 

- Einführung einer staatl. Regulierungsbehörde

Gerade weil Wettbewerb in der Stromerzeugung des Netzzugangs und des Unbundlings bedarf, sollten wir als Grüne weiterhin eine Regulierungsbehörde fordern. Eine Regulierungsbehörde kann im Vergleich zu den Kartellämtern mit einem bestimmten Instrumentarium und der komplexen Materie des Strommarktes entsprechend mit einem speziellen Team bestehend aus IngenieurInnen, WirtschaftswissenschaflerInnen und JuristInnen ausgestattet werden, um zeitnah und flexibel reagieren zu können (Vgl. andere Länder).

- Einführung einer faireren Netzzugangsverordnung u. Durchleitung nach dem Kostenprinzip

Hinsichtlich einer Marktöffnung auch für Tarifkunden und kleinere Sondervertragskunden sowie auf der Anbieterseite IPP, Stadtwerken und Erzeugern von regenerativen Energien und KWK ist es sehr schädlich, daß auf einen geregelten Netzzugang verzichtet wurde. Maximalforderung (wenn auch gegenüber Wirtschaftsminister Müller kaum durchsetzbar) wäre deshalb eine Netzzugangsverordnung gemäß BET-Modell. Minimalforderung wäre ein verbesserter Grid Code und eine verbesserte Verbändevereinbarung, die nicht nur entfernungsunabhängig, sondern auch arbeitsabhängige Entgelte festlegt. Die derzeitigen Verhandlungen zur neuen Verbändevereinbarung lassen befürchten, daß zwar formal die Entfernungsabhängigkeit abgeschafft, diese jedoch indirekt über eine sog. Transitgebühr wieder eingeführt wird. Auch eine zunehmende Benachteiligung lokaler Erzeugung ist zu befürchten. Nur oberflächlich betrachtet scheint sich die neue Verbändevereinbarung dem erprobten skandinavischen Punkt-Modell anzugleichen. Die Bevorzugung der Verbund-EVU bliebe ungebrochen. Darüber hinaus gibt es noch keine Ansätze zur Veröffentlichung von Netzzugangstarifen.
Generell ist zwar zu begrüßen, daß mit dem Distribution Code der Netzzugang für Tarifkunden vereinfacht wurde, ob Normganglinien (und welche) zugrundegelegt werden oder nicht, ist allerdings zu unbestimmt. Problematisch ist derzeit vor allem, daß Tarifkunden suggeriert wird, sie könnten problemlos ihre Versorger wechseln. Zumeist sind aber noch keine Durchleitungsverträge mit den Stadtwerken geschlossen worden. Darüber hinaus ist ungeklärt, was passiert, wenn der neue Lieferant ausfällt oder seinen Versorgungspflichten nicht nachkommt. Rein technisch müssen die Stadtwerke dann Lückenbüßer sein.

- Einführung der KWK- und der ostdt. Braunkohlenquote

Eine weitere Stillegung von KWK-Anlagen muß dringend verhindert werden. Das Pflichtquotenmodell ist hierfür die beste Lösung, weil die Belastung auf alle umgelegt wird und insbesondere fortschrittlichere Stadtwerke mit einem hohen KWK-Anteil davon profitieren könnten.
Da im Osten aufgrund der Lex Veag noch kein Versorgerwechsel stattgefunden hat und dazu auch noch von den Verbrauchern erhöhte Preise zu zahlen sind, ist auch hinsichtlich der Stranted Costs für die Braunkohlekraftwerke in den neuen Ländern für eine Quote erforderlich, die bundesweit umgelegt wird (zeitlich begrenzt, nur ostdeutsche Braunkohlequote bezogen nur auf die unter anderen Rahmenbedingungen getätigten Investitionen).
Für die regenerative Energien ist schnellstens entweder ebenfalls über ein bundesweites Quotenmodell zu sprechen oder über eine Änderung des Stromeinspeisegesetzes.

- Änderung der Gemeindeordnungen

Ferner sind auf Landesebene entsprechende Novellierungen der Gemeindeordnungen so durchzusetzen, daß Stadtwerke auch außerhalb ihres bisherigen Versorgungsgebietes ihre Leistungen sowie weitergehende Energiedienstleistungen, i.S. einer nachhaltigen Energiewirtschaft, anbieten und auf diese Weise am Wettbewerb teilnehmen können.


- Sonstige Anforderungen

Wichtig wären Regelungen, nach denen Stadtwerke, die Least-Cost-Planning betreiben, die Kosten umlegen dürfen.
Über die Wiederherstellung eines ausschließlich kommunalen Wegerechts muß diskutiert werden. In diesem Zusammenhang muß die unklare Verwendung des Begriffs "Unternehmen der allgemeinen Versorgung" im EnWG geklärt werden: Wenn es weiterhin Unternehmen gibt, die eine allgemeine Versorgungspflicht haben, dann müßten sie auch die alleinigen örtlichen Netzbetreiber sein. Direktleitungsbau sollte weitgehend ausgeschlossen werden. Das Netz könnte als natürliches Monopol erhalten bleiben, aber es muß ein diskriminierungsfreier Netzzugang für alle Marktteilnehmer sichergestellt sein.
Wir brauchen, um die Stadtwerke zu stärken, dringend eine gesetzliche Regelung zu den bestehenden Vorlieferantenverträgen, auch wenn das Mannheimer Urteil da schon etwas positiven Wind reingebracht hat. Das gilt auch für die Reziprozitätsklausel, nach der derzeit nur die Verbund-EVU uneingeschränkt in den europäischen Markt eindrängen können.

- Querfinanzierung/ÖPNV-Finanzierung

Eine Situation wie der praktizierte Defizitausgleich von städtischen Verkehrsbetrieben aus erwirtschafteten Gewinnen des Energieberichs wird es nicht mehr geben. Zur Aufrechterhaltung eines ökologisch und verkehrspolitisch unverzichtbaren ÖPNV in den Städten müssen neue Finanzierungsinstrumente gewählt werden. Ein direkter Bezug ergibt sich zur Ökosteuer, die aufzustocken und zur Finanzierung herangezogen werden könnte.

 

Autoren: Bernhard Bögelein/Eva Wußing/Dietmar Rieth/Nicole Wilke 15.09.1999
Zusammengestellt auf der Grundlage des Protokolls der Arbeitsgruppe "Stadtwerke" vom 16.07.99 (Winfried Damm) und den Ergänzungen von Eva Wußing.


"Wettbewerb ohne Regeln, mit unvorhersehbaren Auswirkungen auf die gewachsenen Strukturen und einer in Ansätzen vorhandenen und erweiterungsfähigen ökologischen Energiewirtschaft vor Ort, stellen aus Grüner Sicht keinen Wert an sich dar."

 

Dietmar Rieth, MdL
Kaiser Friedrich Str. 3
55116 Mainz
Tel 06131/208 3140
Fax 06131/208 4140
Dietmar.Rieth@gruene.landtag.rlp.de