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Annelie Buntenbach MdB

Initiative zur Ächtung von Munition mit abgereichertem Uran
- beschlossen von der Grünen Bundestagsfraktion am 16.5.2000 -


Am 21. März 2000 hat die NATO der UN-Organisation UNEP offiziell mitgeteilt, im Kosovo-Krieg etwa 31.000 Granaten mit abgereichertem Uran eingesetzt zu haben. Bündnis 90/Die Grünen hat sich - wie viele andere Organisationen wie IPPNW und Umweltverbände auch - in der Vergangenheit mehrfach gegen den Einsatz von Uran-Munition ausgesprochen, u.a. auch im Beschluß des Sonder-Parteitages am 13. Mai 1999 in Bielefeld.


Notwendige Schritte

Zur der Verhinderung des künftigen Einsatzes von DU-Munition und zur Minimierung der konkreten Gefahren in halten wir folgende Schritte für notwendig:

1. Die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen erarbeitet gemeinsam mit der SPD-Fraktion einen Antrag mit dem ein Beschluß des Deutschen Bundestages herbeigeführt wird, der sich für die Ächtung von DU-Munition ausspricht und gleichzeitig und die Bundesregierung beauftragt, eine Initiative für den Abschluß eines internationalen Abkommens über ein Verbot von Waffen, die abgereichertes Uran enthalten, zu ergreifen.
2. Die Bundesregierung setzt sich bei der NATO dafür ein, genauere Daten als bisher über den Einsatz in Jugoslawien an die betreffenden Stellen (UNEP; KFOR, lokale Behörden) herauszugeben.
3. In den betroffenen Gebieten müssen ausreichend Sicherheitsmaßnahmen, sowohl für die Soldaten, als auch die Zivilbevölkerung durchgeführt werden (Absperrungen, Sicherung durch ein ABC-Team, Aufklärung der Bevölkerung, Gesundheitsuntersuchungen). Soweit dies nicht bereits einge-leitet ist, wird die Bundesregierung aufgefordert, entsprechende Initiativen zu ergreifen, wo möglich in Kooperation mit anderen Ländern und Institutionen.
4. Die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen wirkt daraufhin, daß das Verteidigungsministerium für die Durchführung von Vorsorgemaßnahmen für Bundeswehrsoldaten Sorge trägt und diese über Entschädigungsmöglichkeiten für sie bzw. ihre Angehörigen aufklärt.

Begründung

Verwendung von DU-Munition

Abgereichertes Uran, ein Abfallprodukt der sogenannten zivilen Nutzung der Atomtechnik, ist der schwerste quasi natürlich vorkommende Stoff und um ein Vielfaches härter als Stahl. D.h., es kann Stahl leicht brechen und durchdringen, deshalb wird es von militärischer Seite als ideales Material für panzerbrechende Munition angesehen. Munition mit abgereichertem Uran gibt es in Kalibern von 20 - 120 mm, wobei die größeren von Panzern und Flugzeugen abgeschossen werden, die kleineren von Maschinengewehren. Die Apache-Hubschrauber sind standardmäßig mit dieser Munition ausgestattet. Moderne US-Panzer, wie z.B. der Abrams Panzer, haben ihren Schutzmantel durch abgereichertes Uran gehärtet.

Viele Staaten, Großbritannien, Rußland, Türkei, Saudi Arabien, Pakistan, Thailand, Israel, Frankreich und allen voran die USA entwickeln DU-Munition oder verfügen bereits darüber. Zum ersten und einzigen Mal vor dem Kosovo-Krieg wurden diese Granaten im 2. Golfkrieg 1991 (Operation Desert Storm) eingesetzt.
Die Bundeswehr selbst besitzt bislang keine DU-Munition, trotzdem steht sie zum einen im NATO-Verband indirekt in der Verantwortung für den Einsatz dieser Waffen. Zum anderen besteht für die Bundeswehrsoldaten, die derzeit im Kosovo stationiert sind die Gefahr eines Kontaktes mit abgerei-chertem Uran.


Gesundheitsschädliche Wirkung von DU-Munition

Beim Aufschlag von DU-Granaten kommt es zu einer Feinzerstäubung des Uran, seiner Entzündung und damit zu einer Freisetzung von Uranoxid in der Umwelt. Uran ist ein Schwermetall und wie alle Schwermetalle giftig. Zudem ist es ein schwach radioaktiver Alpha-Strahler.

Die Partikel, die hundertmal kleiner sind, als ein Sandkorn, können eingeatmet werden oder durch Wunden in den Körper gelangen. Je nach Verbrennungstemperatur sind die Partikel in Körperflüssig-keit löslich, dann wird ihre giftige Eigenschaft wirksam, oder sie haben durch die Verbrennungshitze die Eigenschaft von Keramik angenommen und sind unlöslich. Dann sitzen sie im Körper fest und entfalten über Jahre ihre radioaktive Wirkung.

Zwar ist das abgereicherte Uran schwächer strahlend als Natururan, dies als Argument für die Unbe-denklichkeit abgereicherten Urans zu verwenden entbehrt der Seriösität. Entscheidend ist nicht das Verhältnis der Strahlung von Natur Uran und abgereichertem Uran, sondern daß das abgereicherte Uran ein Alpha-Strahler ist, den sowohl Soldaten, als auch Zivilisten nach einem Einsatz in ihren Kör-per aufnehmen können. Mit Natururan kommt der Mensch in der Regel gar nicht in Kontakt, außer in den Uranabbaugebieten und dort gibt es signifikant erhöhte Strahlenerkrankungen.
Die Ausbreitungspfade für abgereichertes Uran aus den Granaten sind zum einen die Luft, insbesonde-re durch Brand nach Einschlag des Geschosses. Zum anderen lagern sich die Partikel im Boden oder im Wasser ab und entfalten dort ihre Langzeitwirkung.

Bewertung der Wirkung von abgereichertem Uran auf den menschlichen Organismus

Die Wirkung von abgereichertem Uran auf den menschlichen Organsimus wird unterschiedlich bewer-tet, eine nicht unerhebliche Rolle spielen in diesem Zusammenhang die drohenden Schadenersatzforderungen der US-amerikanischen Irak-Veteranen, die entweder selbst erkrankt sind, oder mißgebildete Kinder gezeugt haben. Besorgniserregend sind die Berichte von deutschen und kanadischen Ärzten über die Zunahme von Erkrankungen und Mißbildungen von Kindern im Irak durch abgereichertes Uran, wenngleich strittig bleibt, wie eindeutig der Wirkungszusammenhang zwischen dem Kontakt der Kinder oder ihrer Eltern mit abgereichertem Uran und den Erkrankungen zu belegen ist. Festzu-stellen ist jedoch, daß sowohl die NATO, als auch die UNEP (United Nations Environmental Pro-gram) von einem Gesundheitsrisiko bei Kontakt mit DU-Munition ausgehen.

In der NATO-Warnung vom 30. Juni 1999 wurde demzufolge folgende Handlungsanweisung heraus-gegeben: "DU-Munition ist sicher und effektiv. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass Schwermetall-Toxizitätsreste in gepanzerten Fahrzeugen, die von DU-Geschossen getroffen wurden, ein Gesund-heitsrisiko für Personen darstellen, die Zugang zu solchen Fahrzeugen haben. KFOR-Soldaten sollten sich daher nur dann in beschädigte gepanzerte Fahrzeuge begeben, wenn dies für den Auftrag uner-lässlich ist oder wenn lebensrettende Maßnahmen dies erfordern, und die Berührung verschossener DU-Geschosse oder anderer möglicherweise kontaminierter Materialien vermeiden. Muss dennoch ein solches Fahrzeug bestiegen werden, sind besondere Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Hierzu gehören das Tragen eines zugelassenen Atemschutzgerätes und das Abdecken unbekleideter Körperstellen. Diese Personen sind den vorgesetzten Stellen und dem Sanitätspersonal zur entsprechenden Beurteilung des gesundheitlichen Risikos und zur Dokumentation eines möglichen Kontakts zu melden. Auf-tragsbezogene Schutzmaßnahmen der Stufe IV sind nicht erforderlich, können aber bei Bedarf ergrif-fen werden. Weitere Anweisungen können beim präventivmedizinischen Personal erfragt werden. Soldaten, die auf verschossene DU-Munition oder gepanzerte Fahrzeuge stoßen, von denen sie wissen oder vermuten, dass sie von DU-Munition getroffen wurden, melden den genauen Standort dieser Ob-jekte an ihre Vorgesetzten weiter." Unter Nummer 3 heißt es: "Außerdem sollten NGOs und zurück-kehrende Flüchtlinge auf die mit Schwermetallkontakten verbundenen möglichen Gefahren aufmerk-sam gemacht werden."

Die Balkan Task Force der UNEP bleibt in ihrem Bericht vom Herbst 99 in ihrer Einschätzung der konkreten Gefahren in Jugoslawien gezwungenermaßen allgemein da ihr bis dahin keine konkreten Informationen über den Einsatz von Uranwaffen zu Verfügung standen. In diesem Teil des Berichtes, der u.a. auch von zwei Vertretern der IAEO abgefaßt wurde, wird jedoch festgestellt, daß die höchste Gefährdung in unmittelbarer zeitlicher und örtlicher Nähe der Granateneinschläge gegeben war und daß nicht auszuschließen ist, daß Menschen schwerer kontaminiert wurden. Zur Feststellung des Aus-maßes seien Gesundheitsuntersuchungen durchzuführen. Es bestehe die Möglichkeit der Verbreitung des Urans durch kontaminierte Fahrzeuge und Teile bzw. Staub, was durch adäquate Information und Handlungsanweisungen zu verhindern sei. Es wird eine umfassendere Information durch die NATO gefordert, ob und wo Uranmunition eingesetzt worden ist und die Durchführung weiterer Messungen so schnell wie möglich in den potentiell gefährdeten Gebieten.

Auch ein deutsches Gericht mußte sich bereits mit der Gefährdung durch abgereichertes Uran beschäf-tigen. Nachdem der deutsche Arzt Prof. Dr. Siegwart Günther, der 1992 aus dem Irak ein DU-Geschoß zur weiteren Untersuchung nach Deutschland gebracht hatte, wurde er vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten zu 3000.- DM Strafe wegen Verstoß gegen das Atomgesetz verurteilt. In der Begründung heißt es u.a.: "Das Projektil hat eine rauhe Oberfläche, die bei Berührung einen radioaktiven Abrieb erzeugt. Durch falschen Umgang mit dem Projektil entsteht die Gefahr der Kontamination und Inkorporation radioaktiven Materials, was zu einer Gesundheitsgefährdung führen kann."


Völkerrechtliche Bewertung

Das humanitäre Kriegsvölkerrecht sieht das Verbot des Einsatzes von bestimmten Waffen vor, entwe-der durch Ächtung der Waffen oder aufgrund der "unterschiedslosen Wirkung" von Waffen, die die Zivilbevölkerung genauso gefährden, wie das Militär.

Die Fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen ist Auffassung, daß Munition mit abgereichertem Uran als Munition mit unterschiedsloser Wirkung angesehen werden muß. Insbesondere die Erfahrungen aus dem Irak zeigen, daß diese Munition eine große Gefahr für die Zivilbevölkerung, z.B. von mit der Munition spielenden Kindern, auch noch Jahre nach dem Einsatz darstellt. Da die Durchsetzung eines Verbotes des Einsatzes einer Waffe jedoch wesentlich einfacher ist, wenn diese explizit geächtet ist, wird die Fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen eine Initiative zur Ächtung von Waffen mit abgereichertem Uran starten.

Initiativen zur Ächtung bestimmter Waffen, auch in Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen, ist schon seit langem Teil grüner Politik, siehe z.B. die Landminenkampagne.

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