Wolfgang Strengmann, Mitglied des SprecherInnenrates von BasisGrün

Liebe BasisGruenen Mitglieder,

Die BDK ist vorueber, die Ergebnisse liegen auf dem Tisch. Jetzt ist es Zeit Resumee und Schlussfolgerungen zu ziehen.

Nach Muenster sind die Gruenen eine andere Partei. Der Atomkonsens wurde mit einer Zweidrittelmehrheit gegen den
Widerstand aller Initiativen und Umweltverbaende genehmigt. Es wurde eine Fuehrung (!) gewaehlt, in der das Drittel der
Unterlegenen nicht mehr vertreten ist. Das ist neu, denn bisher wurde immer darauf geachtet, dass das gesamte Spektrum der
Partei in den wichtigsten Gremien vertreten ist. Die Mehrheit hat also durchgezogen, und nicht nur in diesen beiden Punkten.
Gruene Grundsatzpositionen sind nicht mehr gefragt, Pragmatismus ist angesagt. Vor allem darf es keine Kritik an der Regierungspolitik geben. Aus diesem Grund wurde beispielsweise das Thema Rentenreform "vertagt", auf einen Zeitpunkt, an dem die wichtigen Entscheidungen gefallen sind. Die Kritik am Fehlen einer Grundsicherung und einer eigenstaendigen Sicherung von Frauen haette nicht ins inszenierte Bild gepasst.

Hinzu kommt, dass die Linke in den Gruenen ein ganz schwaches Bild abgegeben hat. Es ist nicht gelungen, eine linke KandidatIn als SprecherIn, pardon Vorsitzende, zu nominieren - ein Armutszeugnis. Statt dessen wurde eine Akzeptanz von Renate Künast signalisiert. Selbst gegen den schwachen Bundesgeschaeftsfuehrer wurde keine KandidatIn gefunden. Als sich dann Fee relativ kurzfristig entschloss zu kandidieren, war die Unterstuetzung der Nichtbasisgruenen Linken schwach bis nicht vorhanden. Ein aehnlich schwaches Bild haben die "Linken Gruenen" ausserhalb von Basisgruen beim Atomkonsens abgegeben. Abtauchen statt Widerstand war angesagt. So lastete ein Grossteil der Vorbereitungen der BDK auf den Schultern der Gruenen von BasisGruen.

Was sind die Konsequenzen? Ein Drittel Zustimmung (sowohl fuer den von BasisGruen mitformulierten Antrag zum Atomkonsens als auch fuer Fee) sind nicht wenig. Aber reicht das aus, damit unsere Positionen innerhalb der Gruenen eine
Perspektive haben? Ist das Glas ein Drittel voll oder zwei Drittel leer? Ich neige zu letzterem, insbesondere deswegen, weil ich den Eindruck habe, dass die Mehrheit kein Interesse mehr an basisgruenen Positionen hat und von der Kritik eher genervt ist. Hinzu kommt, dass auch diese BDK wieder Leute mit Grundsatzpositionen abgeschreckt hat, andere werden sicher neu von den "Neuen Gruenen" angezogen. Die Mitgliederauswechslung wird sich beschleunigen. Die inhaltliche Positionierung wird sich weiter verschieben. Wenn wir uns als Gruppierung weiter bei den Gruenen engagieren wollten, muss uns ausserdem klar sein, dass die Hauptlast der innerparteilichen Opposition auf unseren Schultern liegen muesste. Die noch verbliebenen anderen Linken haben sich im wesentlichen mit den Neuen Gruenen arrangiert. In Anbetracht dessen stehen Aufwand und zu erwartende Erfolge in keinem Verhaeltnis mehr. Wir sollten uns als Gruppierung deshalb aus den Gruenen zurueckziehen. Im Prinzip haben wir ja schon in unserer Frankfurter Erklaerung gesagt, dass wir parteiunabhaengig arbeiten wollen. Es war aber klar, dass die Gruenen weiterhin ein Schwerpunkt sein wuerden, zumindest fuer einen grossen Teil von uns. Meines Erachtens war diese BDK der letzte Versuch Gruene Grundsatzpositionen in der Partei durchzusetzen. Er ist gescheitert. Fuer die Zukunft
muessen wir uns entscheiden, ob wir uns noch an der Gruenen Grundsatzdebatte beteiligen oder nicht. Ich meine, es lohnt sich
nicht. Vielleicht kriegen wir an der einen oder anderen Stelle noch eine kleine Verbesserung hin, den Hauptkurs werden wir nicht aendern koennen.

Fuer die Gruenen ist das alles moeglicherweise gar nicht so schlecht. Ich erwarte, dass die Gruenen von dieser BDK eher
profitieren. Das Profil ist klarer. Die neue Geschlossenheit kann vielleicht sogar dazu fuehren, dass die Positionen der Partei gegenueber der SPD durchgesetzt werden koennen. Nur: Die Positionen der Partei werden nicht mehr viel mit den
ehemaligen Grundsaetzen, unseren Grundsaetzen zu tun haben. Andererseits ist das, was die Realos fordern zum grossen Teil immer noch besser als die Position der SPD oder anderer Parteien. Ich faende rot-gruen dann immer noch besser als rot- gelb. Die Positionierung der Neuen Gruenen wie einer rot-gruenen Regierung ist aber von den gesellschaftlichen Stimmungen
abhaengig. Davon, ob es ausserparlamentarischen Druck gibt oder nicht. Haette es zu dem Castor-Skandal vor zwei Jahren eine Kampagne gegen die Atomkraft gegeben - und meines Erachtens waren die Chancen gar nicht so schlecht, wuerden wir heute wahrscheinlich ueber einen anderen Atomkonsens reden. Aber die Gruenen waren damals ja im Wahlkampf und mussten sich ueber das Magdeburger Programm streiten. Aufgabe von BasisGruen waere es, sich wieder staerker ausserparlamentarisch zu organisieren. Sich z.B. in Sachen Atomausstieg und Castortransporten mit Umweltverbaenden und Initiativen zusammenzuschliessen und den Widerstand zu organisieren. Ein Anknuepfungspunkt ist das neue Linke Netzwerk, in dem sich BUND, IPPNW, WEED, Teile der Gewerkschaften u.a. organisieren und die im September Aktionen zur Halbzeit der ersten Legislaturperiode von rot-gruen organisieren (Daniel Kreutz berichtete). Dieses Netzwerk und diese Aktionen werden vom BasisGruenen SprecherInnenrat unterstuetzt.

BasisGruen muss darueber hinaus anfangen, und die Voraussetzungen sind ja dafuer geschaffen, die inhaltliche Positionierung zu vertiefen und weiterzuentwickeln, damit wieder gesamtgesellschaftliche Alternativen, Visionen und Utopien erkennbar werden. Gleichzeitig ist es aber auch notwendig auf den laufenden politischen Diskussionsprozess Einfluss zu nehmen. Deshalb brauchen wir auch eine Auseinandersetzung ueber aktuelle Themen. Und letztlich muessen wir unsere Forderungen durch Aktionen und Kampagnen untermauern. Durch Aktionen und Kampagnen werden wir auch attraktiv fuer neue Leute.

Um das alles leisten zu koennen muessen wir unsere Basis verbreitern und mit anderen zusammenarbeiten. Das Linke Netzwerk auf Bundesebene ist ein Ansatzpunkt. Aber auch auf regionaler und kommunaler Ebene ist es wichtig, dass sich Basisgruen(e) in Initiativen einbringen, sich an Netzwerken beteiligen oder mit initiieren, und BasisGruene Basisgruppen vor Ort bilden. Das lohnt sich mehr als sich bei den Gruenen zu engagieren.

Wir sollten uns als Gruppierung von den Gruenen loesen und nicht mehr den innerparteilichen Widerstand organisieren - diesen Kampf haben wir verloren. Menschen, die trotz allem noch Gruene Parteimitglieder bleiben, sind bei uns aber ebenso illkommen wie andere. Ob jemand bei den Gruenen austritt oder nicht, ist letztlich eine persoenliche Entscheidung. Wir sollten deshalb jetzt keine Austrittskampagne (aus den Gruenen)organisieren, sondern eine Eintrittskampagne (in BasisGruen), mit der wir vor allem Leute (wieder) gewinnen koennen, die mit den Gruenen aus berechtigten Gruenen nichts (mehr) am Hut haben, sich aber fuer unsere basisgruenen Ziele politisch engagieren wollen.

Wolfgang Strengmann