15. Ordentliche Bundesdelegiertenkonferenz am 23./24. Juni 2000 in Münster, Halle Münsterland

Gegenstand: NATO/ Bundeswehr

Ursula Hertel-Lenz u.a.

In Anlehnung an den Antrag des Bundesvorstands legen wir den folgenden Antrag vor.

1. Die Textteile, die kursiv und fett geschrieben sind, sind neu hinzugefügt.

2. Alle übrigen Passagen sind dem BuVo-Antrag entnommen.

3. Auslassungen gegenüber dem Antrag des Bundesvorstands sind mit [...] gekennzeichnet.

Im Unterschied zum BuVo-Antrag wollen wir u.a. den Beitrag der deutschen Bundeswehr zur Bündnisverteidigung auf die Beistandsverpflichtung im Falles des Angriffs von außen und auf die Landesverteidigung beschränken, wir lehnen die Aufstockung und Aufrüstung der Krisenreaktionskräfte ab, wir wollen die Bundeswehr in Ausbildung und Ausstattung schwerpunktmäßig auf friedenserhaltende Aufgaben nach Kapitel VI der VN-Charta ausrichten, u.a. durch den Ausbau der Standby-Kapazitäten für die UN.

Für eine "Kultur der Prävention"-

Bundeswehrreform im außen- und sicherheitspolitischen Kontext

"Deutsche Außenpolitik ist Friedenspolitik", so heißt es in der Koalitionsvereinbarung

zwischen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Dies ist BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

politische Verpflichtung. Bündnisgrüne Außenpolitik verfolgt das Ziel, das Leben im 21. Jahrhundert ökologisch nachhaltig, sozial gerecht, emanzipiert, politisch friedlich und sicher zu gestalten. Angesichts der Globalisierung ist dies eine große Herausforderung. Denn wirtschaftlicher Prosperität und neuem Wohlstand stehen wachsende Armut und ökologischer Raubbau gegenüber. Die Globalisierung verschärft die Spaltung in Regionen ungleicher Entwicklung und zwingt ihre Bewohner zugleich als Risikogemeinschaft zu kooperativem internationalem Handeln. Deutsche Außen- und Sicherheitspolitik ist auf Zukunftssicherung ausgerichtet. Sie muß aktiv - national wie international – dazu beitragen und dafür eintreten, den Übergang von einer "Kultur der Krisenreaktion" zu einer "Kultur der Prävention" zu gestalten. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN treten weiterhin für Abrüstung und Entmilitarisierung als Maßstab und Ziel ihrer Außenpolitik ein. [...]

Die Bereitstellung von 17 Millionen DM für den zivilen Friedensdienst im Rahmen des

BMZ und von 30 Millionen DM für Krisenprävention durch das Auswärtige Amt in

diesem Haushaltsjahr sind Schritte in die richtige Richtung [...]. Dieser Weg muss konsequent fortentwickelt werden. Nur dann kann die Bundesrepublik im Rahmen der Europäischen Union und der OSZE aktiv und gestaltend am Aufbau internationaler Instrumente zur Krisenintervention und nichtmilitärischer Konfliktbearbeitung mitwirken. Zum Vergleich: Für das Auswärtige Amt stehen 4 Milliarden DM zur Verfügung, für die Bundeswehr mehr als 47 Milliarden DM.

Dieses eklatante Missverhältnis zwischen den Ausgaben für militärische

Krisenintervention und für zivile Instrumente der Prävention muss überwunden werden.

Die bundesdeutsche Außenpolitik setzt sich auf nationaler wie auf europäischer

Ebene dafür ein, dass dem Aufbau und der Anwendung nichtmilitärischer Instrumente

der Krisenprävention und Konfliktbearbeitung erste Priorität eingeräumt wird.

BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN plädieren für eine deutliche personelle Reduzierung der Bundeswehr und für eine Abschaffung der Wehrpflicht. Sie drängen darauf, dass die Bundeswehr der Zukunft auf Basis einer mittel- und langfristig gesicherten Planung gestaltet werden kann. Sie haben – im Wahlprogramm von 1998 sowie in der Länderratsresolution von Magdeburg vom 17.10.1999 - Vorschläge für eine Außen- und Sicherheitspolitik gemacht, die sich auf die Prävention und Minimierung von Gewalt in den internationalen Beziehungen richtet. Sie beteiligen sich zudem aktiv an Konzeption, Aufbau und Ausgestaltung

nicht-militärischer Instrumente und Strukturen, die helfen können, der gewaltsamen

Austragung von Konflikten vorzubeugen oder eine Eskalation der Gewalt in solchen

Konflikten zu verhindern.

Bei unseren Bemühungen für eine solche Politik stellt die Koalitionsvereinbarung mit

der SPD einen Handlungsrahmen dar, der enger ist als die politischen

Reformvorstellungen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. GRÜNE Politik geht

darüber hinaus.

Die Reform der Sicherheits- und Außenpolitik

Eine Bundeswehrreform, die dem Frieden dienen soll, muss in eine Reform der

Außen- und Sicherheitspolitik eingebettet sein. Sie muss von einem raschen Ausbau

und einer Stärkung der Instrumente einer präventiven Politik der Krisenverhütung

begleitet sein. Die Aufgabe, diese Instrumente zu entwickeln, aufzubauen und zu

stärken, stellt sich zugleich auf nationaler wie auf internationaler Ebene mit hoher

Dringlichkeit. "Deutsche Außenpolitik ist Friedenspolitik" – dieses Diktum muß in

außen- und sicherheitspolitisches Handeln übersetzt werden, das einer Zivilisierung,

Entmilitarisierung und Verrechtlichung der internationalen Beziehungen dient. Dies

macht es erforderlich

  • wirksame Strategien und Instrumente zur Vorbeugung gegen und zur

rechtzeitigen Bearbeitung von Gewalt in zwischen- und innerstaatlichen

Konflikten zu entwickeln;

  • Konzepte und Politiken für den Einsatz dieser Strategien und Instrumente zu

entwickeln und anzuwenden;

  • einen ökonomischen, ökologischen und sozial gerechten Interessenausgleich

zu fördern;

  • sich von der Einhaltung der Charta der Vereinten Nationen, des Völkerrechts

und der weltweiten Respektierung der Menschenrechte leiten zu lassen und

  • Rüstungsbegrenzung, Abrüstung und Vertrauensbildung zu fördern.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wissen, dass eine präventive Politik zur Verhinderung

gewaltsam ausgetragener Konflikte nicht Krieg und Bürgerkrieg ein für allemal und

binnen einer Legislaturperiode verhindern wird. Lokale und regionale Umstände, aber

auch manche globale Rahmenbedingungen lassen sich nicht durch einen einzelnen

Staat oder gar eine einzelne Partei entscheidend beeinflussen. Gerade deshalb muss

sich die Bundesrepublik aber auf internationaler Ebene besonders stark und gezielt

dafür einsetzen, die Rolle des Militärs in der internationalen Politik zurückzudrängen

und einen systematischen Ausbau nicht-militärischer Fähigkeiten zur Früherkennung,

Vorbeugung und frühzeitigen Eindämmung potentiell gewalttätiger Konflikte anzuregen

und voranzutreiben.

Zugleich ist klar: Eine solche Politik kann auf internationaler Ebene nur dann

glaubwürdig betrieben werden, wenn die Bundesrepublik auf nationaler Ebene

geeignete Schritt geht. Deutsche Außen- und Sicherheitspolitik muß deshalb

vorrangig auf nicht-militärische Instrumente der Früherkennung von Krisen, der

Verhinderung gewaltsam ausgetragener Konflikte, der nicht-militärischen

Konfliktbearbeitung und des friedlichen Interessenausgleichs zwischen

Konfliktparteien setzen. Der Ausbau geeigneter Instrumente muß ressortübergreifend

und mit hoher Priorität vorangetrieben werden. Rüstungskontrolle und Abrüstung,

sowie eine äußerst restriktive Rüstungsexport- und Nichtverbreitungspolitik tragen

dazu bei, dass die Bundesrepublik das Entstehen gewaltsamer, militärisch

ausgetragener Konflikte behindert.

Das Bemühen um eine Zivilisierung, Entmilitarisierung und Verrechtlichung der

internationalen Beziehungen muss aber auch dadurch glaubwürdig gemacht werden,

dass die Bundesrepublik in ihrer eigenen Außen- und Sicherheitspolitik die Rolle des

Militärs kontinuierlich zurückdrängt. Dazu ist es notwendig, den Auftrag der

Bundeswehr klar und eng zu definieren, gerade im Hinblick auf die mögliche

Beteiligung deutscher Streitkräfte an Einsätzen zur Friedensbewahrung. Aufgabe

der Bundeswehr ist es

  • an der kollektiven Verpflichtung zur Verteidigung des Territoriums der NATO-Staaten im Rahmen des Bündnisses mitzuwirken (solange die Nato besteht),
  • sich darüber hinaus an internationalen Einsätzen zur Erhaltung [...] des Friedens, die mit einem Mandat der Vereinten Nationen durchgeführt werden, zu beteiligen und
  • bei der humanitären Notfallhilfe (z.B. nach Naturkatastrophen und bei

Hungersnöten) mitzuwirken.

Durch ihre Beteiligung an solchen Einsätzen und ständig verfügbaren Kräften unter

dem Mandat der Vereinten Nationen trägt die Bundesrepublik dazu bei, die

Handlungsfähigkeit internationaler Organisationen zu stärken und ihnen die

Durchführung ihrer Aufgaben zu erleichtern. [...] Sie setzt politisch vor allem auf den Ausbau der OSZE zu einer europäischen Sicherheitsgemeinschaft, die auf den Prinzipien kollektiver und kooperativer Sicherheit fußt.. Die Bundesrepublik leistet somit einen Beitrag, Gewaltanwendung zu vermeiden oder zu reduzieren.

In diesem Zusammenhang stellen wir fest: Die NATO ist allen potentiellen Gegnern

zusammen überlegen. Ihre Modernisierungsgeschwindigkeit läßt die angrenzenden

Staaten immer weiter zurückfallen und sorgt für neue Ungleichgewichte. Die mit dem

Washingtoner Gipfel eröffnete Selbstmandatierung des Bündnisses für weltweite

Einsätze im Rahmen sogenannter "humanitärer Interventionen" oder zur Sicherung von

"nationalen Interessen", zur Sicherung von Rohstoffzufuhr und Handelswegen lehnen

wir ab und folglich auch eine Beteiligung der Bundeswehr an derartigen Einsätzen.

Der Beitrag der deutschen Bundeswehr zur Bündnisverteidigung muss sich auf die Beistandsverpflichtung im Falle des Angriffes von außen und die Landesverteidigung beschränken. [...]

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sieht es [...] als primäre Aufgabe an, die EU und

insbesondere dort bereits vorhandene militärischen Strukturen zu demokratisieren und

Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit herzustellen. So ist vor allem im

Mitlitärausschuss der EU eine stärkere Kontrolle und Mitbestimmung durch das

Europäische Parlament dringen erforderlich.

Wir fordern die Bundesregierung auf, sich für evtl. nötige Vertragsänderungen

einzusetzen.

Für einen Umbau der Bundeswehr für Einsätze zur Friedenserhaltung

Die Bilanzierung militärischer Einsätze zeigt: Wirksam waren sie vor allem im Rahmen von Konfliktverhütung, Peacekeeping sowie Friedenskonsolidierung und Unterstützung humanitärer Hilfsmaßnahmen. Ihre Grenzen hatten Militäreinsätze dort, wo es um gesellschaftliche Friedensprozesse ging. Äußerst kostspielig, riskant und in ihren Wirkungen zweifelhaft waren massive Erzwingungs- bzw. Kriegseinsätze.

Eine gewaltreduzierende und einhegende Funktion kann die Entsendung von Militär nur dann entfalten, wenn sie sich an den Prinzipien des Völkerrechts und an Polizeifunktionen orientiert. Das betrifft Einsätze unter dem Mandat der Vereinten Nationen zum Peacekeeping oder zur Durchsetzung von zwischen den Konfliktbeteiligten vereinbartem Recht und im Rahmen von Protektoratsverwaltung. Dafür bedarf es keiner hochgerüsteten und angriffsfähigen Panzerarmeen, keiner hochseefähigen Kriegsschiffe oder Kampfbomber. Dafür bedarf es auch keiner Aufstockung von Krisenreaktionskräften. Dies erfordert vielmehr eine veränderte Ausstattung und Ausbildung der Bundeswehr für Einsätze im Rahmen von multinationalen Verbänden, die nach polizeilichen Prinzipien (im Sinne der Deeskalation sowie der Verhältnismäßigkeit der Mittel) auszurichten sind und zum Zwecke der Herstellung von Rechtssicherheit und Gewaltmonopol in Krisenregionen erfolgen.

Für die zukünftige Gestaltung der Bundeswehr sollten die Armeen der skandinavischen Staaten ein Vorbild bieten, die seit einigen Jahren verstärkt Standby-Kapazitäten für die Vereinten Nationen für die Friedenssicherung aufgebaut haben. Die Bundesrepublik muss sich auf die Verstärkung von Standby-Kapazitäten für die VN orientieren und die Deutsche Bundeswehr in Ausbildung und Ausstattung schwerpunktmäßig auf friedenserhaltende Aufgaben nach Kap. VI der VN-Charta ausrichten. Ein Ausbau und eine umfassende kostenträchtige Modernisierung des Militärs für Zwecke der weltweiten militärischen Intervention, wie sie von ehemaligen Kolonialstaaten wie Großbritannien und Frankreich eingeleitet wurden, kann hingegen kein Orientierungspunkt für den Umbau der Bundeswehr sein.

Bündnis 90/Die Grünen wollen eine auf die friedenspolitischen Anforderungen des 21. Jahrhunderts ausgerichtete Bundeswehrreform. Dabei kommt der außenpolitischen Tradition der militärischen und machtpolitischen Selbstbeschränkung eine vielleicht noch wichtigere Rolle als früher zu. Die Bundeswehr darf auch künftig kein Instrument militärischer Machtprojektionen oder globaler militärischer Interessendurchsetzung werden.

Die Bundeswehr ist und darf keine Armee für militärische Interventionen sein. Soll sie

[...] eingesetzt werden, so muß dies an verbindliche Voraussetzungen gebunden sein. Diese können nur politisch vorgegeben und ausgestaltet werden, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sehen u.a. folgende Voraussetzungen als notwendig an:

  • Mittel nicht-militärischer Krisen- und Konfliktbewältigung haben Vorrang und

müssen ausgeschöpft werden;

  • der Einsatz muß in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen,

dem Völkerrecht und der Verpflichtung zum Schutz der Menschenrechte

stehen;

  • der Einsatz erfolgt mit einem Mandat der Vereinten Nationen,
  • der Einsatz ist in ein klares und schlüssiges politisches Konzept für die

Konfliktlösung eingebunden,

  • Ziel und Grenzen des Einsatzes bedürfen der Zustimmung des Bundestages.

Wir wollen, dass dieser Beschluss nur mit einer Zweidrittelmehrheit gefasst

werden kann. "Vorratsbeschlüsse" - wie 1998/99 im Falle des Kosovo - lehnen wir ab;

  • der Einsatz muß multinational durchgeführt werden und nach dem Grundsatz

der Verhältnismäßigkeit der Mittel erfolgen.

Klare Kriterien für den Einsatz der Bundeswehr sind aus Sicht von BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN eine Voraussetzung dafür, dass sichergestellt wird, dass die Bundeswehr

nicht im Kontext klassischer Interventionen oder aus falsch verstandener

Nibelungentreue im Rahmen militärischer Bündnisse eingesetzt wird.

Sie sind auch Voraussetzung dafür, dass der Beitrag der Bundeswehr zu den

übergeordneten Zielen der Gewaltvermeidung und Gewaltminderung gewährleistet

bleibt.

Klare Kriterien für den Einsatz der Bundeswehr tragen dazu bei, dass solche Einsätze

mit einer klaren politischen Legitimation, einer eindeutigen, völkerrechtlich

abgesicherten Basis und mit einem den friedenspolitischen Zielvorstellungen

entsprechenden eindeutigen, begrenzten Auftrag verbunden sind.

Bündnis 90/ Die Grünen stellen unmissverständlich fest, dass die ohne Mandat der Vereinten Nationen erfolgte Beteiligung der Bundeswehr an den NATO-Luftangriffen des vergangenen Jahres eine einmalige Ausnahme bleibt.

Die Reform der Bundeswehr

Die Bundesrepublik Deutschland ist von befreundeten Staaten umgeben. Von keinem

Nachbarn der Bundesrepublik gehen unmittelbar oder mittelbar militärische Risiken

oder Bedrohungen aus. Im Gegenteil: Fast alle Nachbarstaaten sind Partner der

Bundesrepublik in Europäischer Union und NATO.

Die traditionelle Aufgabe der Bundeswehr, Landesverteidigung im Bündnis zu leisten,

ist deshalb heute praktisch nicht mehr gegeben. Im Rahmen der NATO besteht die

Aufgabe der Bündnisverteidigung jedoch fort, auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass

das Territorium eines NATO-Staates kollektiv geschützt werden muss, sehr gering ist.

Vor diesem Hintergrund ist die Bundeswehr heute deutlich überdimensioniert, falsch

ausgestattet und weitgehend auf die falschen – weil historisch überlebten - Aufgaben

hin ausgebildet. Mit mehr als 300.000 Soldaten, immer noch Tausenden von schweren

Panzern und gepanzerten Gefechtsfahrzeugen und Hunderten von Kampflugzeugen ist

sie vorrangig geeignet, eine Aufgabe zu erfüllen, die sich heute nicht mehr stellt: Die

Abwehr eines Angriffs ebenso riesiger Armeen. Auch und gerade angesichts des

grundsätzlichen Reformbedarfs unserer Gesellschaft, Wirtschaft und Staatsfinanzen

ist eine solche Bundeswehr nicht länger zu rechtfertigen. Sie ist zu groß, falsch

ausgerichtet und zu teuer.

Der zwingend notwendige Prozess von Umgestaltung der Bundeswehr, Abrüstung und

Konversion muss schrittweise, aber so schnell wie möglich, durchgeführt werden. Er

muss eingebunden sein in das Konzept der Haushaltskonsolidierung und darauf

ausgerichtet, dass das Ziel der Reduzierung der öffentlichen Verschuldung realisiert

werden kann. Die mittelfristige Finanzplanung ist deshalb auf jeden Fall einzuhalten.

BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN erteilen allen Forderungen aus dem In- und Ausland eine

klare Absage, den Verteidigungshaushalt zu erhöhen. Wir lehnen den Ausbau der

Bundeswehr zu einer weltweit operierenden Interventionsarmee ab. Angesichts der

Veränderungen in Europa können sich damit erhebliche Spielräume für ein Absenken

des Verteidigungshaushalts ergeben. Die Finanzplanung muss deshalb für künftig

möglich werdende Abrüstungsschritte offen bleiben.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen sich deshalb dafür ein, die Bundeswehr in den

kommenden Jahren auf maximal 200.000 SoldatInnen zu verringern. Im Verlauf dieser

Zeit sollte immer wieder geprüft werden, ob die fortschreitende europäische Integration

und die Entwicklung einer europäischen Sicherheitsarchitektur es künftig ermöglichen,

weitere Reduzierungsschritte vorzusehen.

Die Bundeswehr der Zukunft soll ausschließlich aus Freiwilligen, d.h. aus Berufs- und

Zeitsoldaten bestehen. Die Wehrpflicht wird ausgesetzt und abgeschafft. Sie ist nicht

mehr zeitgemäß. Sie ist ein Zwangsdienst und ein tiefer Einschnitt in die individuelle

Freiheit und Grundrechte junger Menschen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lehnen sie

weiter ab. Das völlig veränderte sicherheitspolitische Umfeld, der Bedeutungsverlust

der Fähigkeit, zusätzliche Soldaten zu mobilisieren und die Zusammenarbeit im

internationalen Rahmen entziehen der Wehrpflicht jede plausible sicherheitspolitische

Begründung. Wehr- und Zivildienst können deshalb nicht begründet aufrechterhalten

werden. Für den Zivildienst schlagen wir ein Ausstiegskonzept vor mit dem Ziel,

dessen staatliche Förderung mit weit über 2 Mrd. DM jährlich zur Finanzierung von

rund 90 000 neuen Arbeitsplätzen im ökologischen und sozialen Bereich

umzuwandeln. Zivildienstplätze sind schon längst nicht mehr "arbeitsplatzneutral" und

stellen meist nur eine Möglichkeit dar, einen billigen Arbeiter zu bekommen.

Wir wollen parallel die ökologischen und sozialen Freiwilligendienste massiv ausbauen

und verbessern, um ein soziales oder ökologisches Engagement in der wichtigen

Phase zwischen Studium und Beruf für alle jungen Menschen attraktiv zu machen.

Wir wollen, dass freiwillige ökologische oder soziale Freiwilligendienste im Ausland

besonders gefördert werden.

Durch diese Massnahmen ließe sich der Ausfall der Zivildienstleistenden im

Sozialbereich im Wesentlichen abfangen.

Eine allgemeine Dienstpflicht lehnen wir kategorisch ab. Auch eine Verkürzung des

Zwangsdienstes auf 9 bzw. 6 Monate ist nicht ausreichend und zudem

undurchführbar.

Mit dem Übergang der Bundeswehr zu einer Freiwilligenarmee steht selbstverständlich

allen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern der Eintritt in die Armee offen. Damit

entspricht die Bundesrepublik gleichzeitig dem Urteil des EuGH, das es verbietet,

Frauen Zugang zu den Streitkräften zu untersagen. Eine Wehrpflicht für Frauen lehnen

wir ab.

[...]

Zusammenfassend seien die folgenden Eckpunkte zur Reform der Bundeswehr hervorgehoben:

  • die Abschaffung der Wehrpflicht, aber ohne Aufstockung der Krisenreaktionskräfte
  • die deutliche Verkleinerung der Bundeswehr (in 6-8 Jahren auf 200.000 SoldatInnen) mit der Option weiterer Reduzierung
  • Umbau der Bundeswehr schwerpunktmäßig für Einsätze zur Friedenserhaltung
  • die Beschränkung der Aufgaben im Bündnis auf territoriale Verteidigung (im Sinne der Verteidigung gegen Angriffe von außen auf das Bündnisgebiet),
  • die künftige Bundeswehr darf nicht für interventionistische Ziele mißbraucht werden können,
  • Maßnahmen zur Umrüstung der Bundeswehr dürfen nicht zu einer Steigerung der Militärausgaben führen, vielmehr müssen diese schrittweise signifikant sinken,
  • überzeugende Leitlinien für Ausbildung, Traditionspflege und "innere Führung" müssen erarbeitet werden, um die Vereinbarkeit der Bundeswehr mit einer demokratischen Gesellschaft und einer vorrangig zivilen, krisenpräventiven und multinational abgestimmten Außenpolitik zu gewährleisten.

Begründung (wird nicht abgestimmt):

1. Der Antrag des Bundesvorstands benennt zwar Kriterien für Auslandseinsätze, er verweist auf die Notwendigkeit der Reduzierung von Rüstungsausgaben und der Überwindung des Mißverhältnisses zwischen den Aufwendungen für militärische und zivile Instrumente und er betont das Ziel, von einer Politik der Krisenreaktion zu einer Kultur der Krisenprävention zu gelangen. Der Beschluss bleibt jedoch offen in dem Punkt, für welche Aufgaben die Bundeswehr in Zukunft wie umgebaut werden soll und welche Konsequenzen dies für ihre Struktur, Ausrüstung und Ausbildung hat. Hierzu muss eine klare Richtungsangabe erfolgen. Umbau bzw. Reform der Bundeswehr können glaubwürdig nur aus einem Auftrag der Bundeswehr abgeleitet werden, der klar friedenspolitisch definiert ist.

2. Notwendig ist eine klare Absage daran, dass die Bundeswehr zu einer weltweit interventionsfähigen Armee wird. Das bedeutet: die Krisenreaktionskräfte dürfen weder aufgestockt noch für Interventionszwecke auf- und ausgerüstet werden. Diese Position ist durchaus kompatibel mit dem bisherigen Natovertrag. Wir wollen uns nicht an GB oder Frankreich orientieren, die eindeutig interventionsfähige Armeen aufbauen, sondern an Staaten wie Kanada oder Schweden.

Aktuell geht es in der politischen Auseinandersetzung u.a. darum, dass die Krisenreaktionskräfte auf den gegenwärtigen Zustand begrenzt werden; selbst das ist bisher nicht durchsetzbar, die Durchsetzung dieser Position wäre aktuell ein wesentlicher Erfolg. Unabhängig davon ist aber unsere Position aus dem Wahlprogramm 98 nicht aufgehoben, dass die Krisenreaktionskräfte aufzulösen seien. Ebenso gilt nach wie vor die Position aus dem Wahlprogramm 98, dass die NATO langfristig durch eine gesamteuropäische Friedens- und Sicherheitsordnung abgelöst werden muss.

3. Was in den Nato- bzw. UN-Staaten fehlt, sind Kräfte, die zur Friedenserhaltung ausgebildet sind; diese müssen in genügender Anzahl aufgestellt werden, sie brauchen geeignete Logistik, Infrastruktur, Kompetenzen und Gerätschaften; auf diesem Gebiet kann Deutschland sich profilieren.

Zu der möglichen Argumentation, die Veränderung des Charakters der Nato durch die Beschlüsse vom April 1999 erzwinge gewissermaßen die Vergrößerung und Aufrüstung der Krisenreaktionskräfte, ist folgendes zu sagen: Diese Beschlüsse wurden im Bundestag noch nicht einmal debattiert, geschweige denn beschlossen. Daraus kann ja wohl in einem demokratischen Staat kein "Zwang" zu derart tiefgreifenden Veränderungen der Bundeswehr abgeleitet werden.

4. Zum Thema Verteidigungshaushalt: Aktuell wäre es schon ein Erfolg, wenn dieser Haushalt tatsächlich (und nicht nur auf dem Papier) nicht erhöht würde und statt dessen Senkungen anvisiert würden. Das heißt aber nicht, dass die Forderung aus dem Wahlprogramm 98 nach Senkung dieses Haushalts um 5% pro Jahr und Verwendung der Mittel für Maßnahmen der zivilen Konfliktbearbeitung in Vergessenheit geraten sollte.

Ursula Hertel-Lenz, KV Berlin-Steglitz
Sylvia Kotting-Uhl, KV Odenwald-Kraichgau
Martina Fischer, KV Berlin-Kreuzberg
Frithjof Schmidt, KV Bochum
Claudia Roth, KV Augsburg-Stadt
Hans-Christian Ströbele, KV Berlin-Tiergarten
Friedrich Heilmann, KV Oder-Spree
Frieder Otto Wolf, KV Berlin-Schöneberg
Angelika Albrecht, KV Berlin Prenzlauer-Berg
Thomas Baehr, KV Bonn
Astrid Rothe, KV Erfurt
Friedemann Bringt, KV Dresden
Marianne Gehrke, KV Oder-Spree
Krystyna Grendus, KV Odenwald-Kraichgau
Christian Simmert, KV Warendorf
Harald Bauer, KV Berlin-Schöneberg
Nicole Bartsch, KV-Mannheim
Wolfgang Pohner, KV Berlin-Kreuzberg
Regina Michalik, KV Berlin-Reinickendorf
Rudolf Hansen, KV Heinsberg
Frank Bertoldi, KV Bonn
Gerhard Fritsch, KV Winden
Karl-Wilhelm Koch, KV Daun
Frank Miething, KV Berlin-Charlottenburg
Reiner Erben, KV Augsburg-Stadt
René Wendt, KV Aschersleben-Stassfurt

Folgende Unterschriften gingen leider erst ein, nachdem die Antragsfrist vorüber war:

Nina Odenwälder, KV Berlin-Wedding
Dieter Reinhardt, KV Osnabrück
Conny Folger, KV München-Nord
Martin Ottensmann, KV München-Nord
Werner Hesse, KV Lüchow-Dannenberg
Kai Amos, KV Donnersberg