Änderungsantrag des KV Salzgitter zum Antrag des LV Niedersachsen für den TOP "Atomausstieg" auf der BDK in Münster am 23. /24.6.2000 (laut Beschluß der Mitgliederversammlung am 6.6.2000)
1. Ein Ausstiegskonzept, das die Endlagerkonzeption der Vorgängerregierungen fortschreibt und das die Genehmigung des Endlagervorhabens Schacht Konrad direkt oder indirekt beinhaltet, lehnt Bündnis90/ Die Grünen ab, weil der Sicherheitsnachweis für das geplante Endlager nicht erbracht wurde und es auch nach Aussage des Bundesumweltministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Trittin nicht genehmigungsfähig ist.( Meldung vom BMU Trittin am 19.5.00: Schacht Konrad ist nicht genehmigungsfähig)
2. Bündnis90/ Die Grünen akzeptiert nicht, dass die Bundesumweltbehörde der niedersächsischen Genehmigungsbehörde im Konradverfahren mit verwaltungsinternen Vorgaben untersagt hat, alle Sicherheitsrisiken bei der abschließenden Beurteilung des Projekts zu berücksichtigen. Deshalb fordert die Bundesdelegiertenkonferenz BMU Trittin auf, die bundesaufsichtlichen Weisungen seiner AmtsvorgängerIn Töpfer und Merkel vom 24.1.1991 und vom 9.9.1997 gegenüber der niedersächsischen Genehmigungsbehörde im Konradverfahren formell auf dem Behördenweg zurückzunehmen.
3. Darüber hinaus fordert die Bundesdelegiertenkonferenz Regierungsmitglieder, Bundestagsfraktion und Bundesvorstand von Bündnis90/ Die Grünen auf, offensiv dafür Sorge zu tragen, dass den Sicherheitsbelangen der Bevölkerung - auch künftiger Generationen - absoluter Vorrang gegenüber anderen Interessen eingeräumt werden, und dass die Beendigung des gescheiterten Entsorgungskonzeptes der Vorgängerregierungen nicht an Klagedrohungen und Rückforderungen von Endlagervorausleistungszahlungen der Atomindustrie scheitert.
Begründung:
Zu 1.: Neben vielen anderen Gründen ( Lage in dicht besiedelter Industrieregion, gegen ein Ein-Endlagerkonzept, Wahlversprechen von Bündnis 90/ Die Grünen, Überkapazitäten im geplanten Endlager, Unwirtschaftlichkeit, strukturpolitische Unverantwortbarkeit) sind es vor allem sachlich und fachlich begründete Sicherheitsbedenken, die gegen das Konrad- Vorhaben sprechen:
- Es fehlt eine methodisch angemessene Standortauswahl sowie eine vergleichende Prüfung von Alternativstandorten.
- Die zum Nachweis der Langzeitsicherheit angewandten naturwissenschaftlich- technischen Verfahren und Methoden entsprechen nicht dem im Atomgesetz vorgeschriebenen Stand von Wissenschaft und Technik. Die Langzeitsicherheitsanalyse ist mit Rechenprogrammen durchgeführt worden, deren adäquate Abbildung der Realität nicht ausreichend nachgewiesen ist mit der Konsequenz, dass die Modellierungen hinsichtlich der tatsächlichen Ausbreitungswege- und Zeiten sowie der benachbarten Konzentrationen der Radionuklide in der Biosphäre nicht aussagekräftig sind. Der Nachweiszeitraum mit Individualdosenberechnung ist willkürlich auf 10.000 Jahre begrenzt, für den sich anschließenden Zeitraum bis 1 Millionen Jahre werden ungeeignete Bewertungssysteme angewendet, auf eine Bewertung für Zeiträume danach wird verzichtet.
- Die Produktkontrolle aus der ausländischen Wiederaufbereitung durch unabhängige Kontrolleure ist nicht gewährleistet, weil - entgegen der Absichtserklärung des Antragstellers- die ausländischen Betreiber der Anlagen keine Kontrolle zulassen und auch nicht dazu gezwungen werden können, so dass jederzeit Vorfälle wie in Sellafield möglich sind.
- Das Minimierungsgebot der Strahlenschutzverordnung wird nicht befolgt. Bereits der Grenzwert von 50 mSv der geltenden Strahlenschutzverordnung wird fast vollständig ausgeschöpft. Die dem heutigen Stand der Wissenschaft entsprechende Herabsetzung des Grenzwertes durch Euratom Richtlinie 96/ Nr.26 auf 20 mSv führt zu einer Überschreitung des - dem Plan Konrad zugrunde liegenden -Grenzwertes. Zudem fordert die Richtlinie die Einbeziehung der natürliche Strahlenexposition, die in den Planunterlagen bis heute außer acht gelassen wird.
- Die Atommülltransporte und die damit verbundenen Gefahren an den Transportstrecken werden bis heute nicht genehmigungsrelevant erörtert..
Zu 2.: Die BDK in Karlsruhe forderte, dass Schacht Konrad als Atommüllendlager nicht in Betrieb genommen darf. Im Konsensvertrag fehlt aber eine Vereinbarung zum Verzicht auf die Inbetriebnahme. Garantiert werden kann die Nicht- Inbetriebnahme ausschließlich durch einen negativen Planfeststellungsbeschluss der Genehmigungsbehörde (Niedersächsisches Umweltministerium). Dieses ist im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung im atomrechtlichen Planfeststellungsverfahren Schacht Konrad in Bundesauftragsverwaltung tätig. (Art.87 c GG in Verbindung mit § 24 (2) AtG) . Ihm obliegt im Verfahren einerseits im Außenverhältnis zu Dritten das Handeln und die Verantwortlichkeit, d.h. die sogenannter "Wahrnehmungskopetenz", andererseits obliegt ihm die sogenannte "Sachkompetenz", d.h. die Sachbeurteilung und Sachentscheidung.
Diese Regelung hat zur Folge, dass das Bundesumweltministerium bei Entscheidungen, die zwischen Bund und Land strittig sind, dem Land im Rahmen seiner Weisungsbefugnis (Art.85(3) GG) die "Sachkompetenz"entziehen und über die strittige Angelegenheit in seinem Sinne entscheiden kann.
(Bundesverfassungsgericht 81. Band, S.310 - 347, S.332 f., Tübingen 1990)
Insgesamt sieben mal haben die BMU der christlich - liberalen Vorgängerregierungen so mit dem Mittel der Weisung in das Konradverfahren eingegriffen.
Das Bundesumweltministerium hat die inhaltlich dargelegten Bedenken der Genehmigungsbehörde u.a. hinsichtlich fehlender Standortalternativen, der Ausklammerung der Atommülltransporte, der nicht nachgewiesenen Langzeitsicherheit (Weisung vom 24.1.1991 von EX-BMU Töpfer), der Befangenheit von Gutachtern ( 27.3.1991) sowie der fehlenden Planrechtfertigung (Weisung vom 9.9.1997 von Ex-BMU Merkel) zurückgewiesen und die Genehmigungsbehörde angewiesen, sich die Rechtsauffassung des Bundes zu eigen zu machen und das Verfahren mit dem Ziel der Genehmigung zügig fortzuführen.
Mit diesen Weisungen haben Ex- BMU sichergestellt, dass alle Einwendungen der 290 000 EinwenderInnen bezüglich dieser Punkte nicht zu einer Versagung der Genehmigung führen dürfen. Die Vereinbarung im Konsenspapier, dass Schacht Konrad nach dem gesetzlichen Bestimmungen abgeschlossen wird, hat also die Genehmigung des Vorhabens zur Folge, weil die Weisungen zu den gesetzlichen Bestimmungen gehören. Deshalb ist ihre Rücknahme durch das BMU unerlässlich. Dadurch würde kein Anspruch auf Rückzahlung von Endlagervorausleistungszahlung ausgelöst, weil Weisungen verwaltungsinterne Vorgaben sind.Zu.3.: In Schacht Konrad sollen schwach- und mittelradioaktive Abfälle nicht rückholbar endgelagert werden. Dieses Konzept ist in seinen Folgen absolut irreversibel. Auch deshalb ist unverantwortbar, dass die Rot-Grüne Bundesregierung die Inbetriebnahme von Schacht Konrad dem freien Spiel der Kräfte überlässt. Zu der möglichen Gefährdung durch das Endlager bürdet sie den Menschen in der Region auch noch die unabsehbaren Prozesskosten bei einer Klage gegen das Endlagerprojekt auf.
Weitere Einzelheiten der Begründung erfolgen mündlich auf der BDK in Münster.