Berlin, im Mai 2000

Angelika Albrecht
KV Prenzlauer Berg , Berlin

 

An die Delegierten der BDK in Münster


Wahlen zum Bundesvorstand
Kandidatur als weiteres Bundesvorstandsmitglied
und Frauenpolitische Sprecherin

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

schneller als gedacht ist es wieder soweit. Wir wählen einen neuen Bundesvorstand. Die Bedingungen haben sich kaum geändert. Die Trennung von Amt und Mandat, für die ich im Vorfeld der BDK in Karlsruhe und in Karlsruhe selbst eingetreten bin, wird beibehalten.
Für den neu zu wählenden Vorstand gibt es allerdings viel zu tun.

BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN brauchen wieder ein klares linkes Profil

Politik wird in der rot-grünen Bundesregierung endlich wieder gestaltet. Der Reformstau ist überwunden. Einige Verbesserungen konnten erreicht werden, wie in der Einkommenssteuerreform, beim Kindergeld und beim Erziehungsurlaub. Aber nach dem Kosovo-Krieg, der Altautoverordnung und der doppelten Staatsbürgerschaft gelten BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN vielen ihrer ehemaligen WählerInnen als Umfallerpartei. Zum Teil haben in einigen Landesverbänden größere Gruppierungen die Partei verlassen.

Ein Jahr nach dem Krieg, ist es Zeit Bilanz zu ziehen. Es gilt deutlich zu machen, dass es Einsätze ohne UN-Mandat mit uns Grünen in keinem Fall mehr geben wird.

Weitere Auseinandersetzungen zur NATO-Strategie, zur Bundeswehrstrukturreform und zum Fortpflanzungsmedizingesetz stehen unmittelbar bevor.

Jawohl, wir sind der kleinere Koalitionspartner und wir hatten keine anderen Optionen. Das darf uns aber nicht davon abhalten, uns deutlicher zu positionieren und unseren Platz in der bundesdeutschen Parteienlandschaft verlässlich zu definieren.

Grüne Politik verkommt andernfalls zum mehr oder weniger gut verpackten Überraschungsei. Unsere WählerInnen müssen wieder wissen, was sie wählen, wenn sie Grün wählen.

Sonntagsreden zur grünen Umweltpolitik reichen nicht aus

Grüne Rhetorik hat es bis zur Meisterschaft darin gebracht, wortreich Vernebelung zu betreiben. Ich habe bereits in meinem Bewerbungsschreiben für die letzte Bundesvorstandskandidatur 1998 klar gemacht, dass ich dafür eintrete, dass der Parteivorstand kein zusätzlicher Regierungssprecher ist, sondern die Programmatik der Partei zu vertreten hat. Leider hat der Bundesvorstand seine Rolle nach wie vor nicht gefunden.

Ich selbst habe mich in verschiedensten Themenfeldern deutlich positioniert. In der Frauenpolitik habe ich deutlich gemacht, wo Forderungen von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN in den Maßnahmen der Regierung und der zuständigen Bundesministerin nicht berücksichtigt wurden und weshalb es an diesen Stellen auch unsererseits nach wie vor Kritik gibt. Auch beim Atomausstieg habe ich als einziges Mitglied des Bundesvorstandes im Vorfeld der BDK in Karlsruhe gegen den Antrag des Bundesvorstandes gestimmt, der aus meiner Sicht der Position der AKW-Betreiber zu weit entgegengekommen ist.

BündnispartnerInnen zur Durchsetzung frauenpolitischer Forderungen stehen bereit

In der Frauenpolitik sehe ich BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN in der Verpflichtung gegenüber den Wählerinnen, die ihre Erwartungen an eine rot-grüne Regierung vor der Bundestagswahl artikuliert haben. Von diesen Hoffnungen ist bisher nur ein Teil eingelöst worden. So warten wir u.a. immer noch vergeblich auf ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft, auf eine Novellierung des Sozialgesetzbuches und auf wirksame Maßnahmen gegen den rasant zunehmenden Frauenhandel.

Zwar stellen die Grünen nicht die verantwortliche Ministerin, aber der Unmut lädt sich auch bei uns ab. Dagegen hilft nur ein gemeinsames Agieren mit potentiellen BündnispartnerInnen. In den vergangenen 1 ½ Jahren haben wir die Voraussetzungen hierfür aufgebaut. Es gibt Kontakte zum Bundesvorstand der ASF (Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen) zu Gewerkschaften, Kirchen, Wissenschaftlerinnen, Unternehmerinnen und Frauen anderer europäischer grüner Parteien. Ich hatte meinerseits die Gelegenheit, einen Gastredebeitrag auf dem Bundeskongress der ASF zu halten.
Die projektbezogene gemeinsame Arbeit an verschiedenen Themenfeldern hat begonnen.

BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN sind europaweit die einzige Partei, die junge Frauen fördert

Das bundesweite Mentoringprogramm hat bereits in der Bewerbungsphase zu großer Nachfrage unter jungen Frauen geführt. Es konnten 18 Tandems mit ausschließlich hoch qualifizierten Mentorinnen gebildet werden.
Im Juli dieses Jahres wird es abgeschlossen. In verschiedenen Landesverbänden stehen eigene Mentoringprogramme unmittelbar vor dem Start. In den Länderprojekten wird auch die Möglichkeit genutzt, junge Frauen für BÜNDNIS 90 /DIE GRÜNEN zu gewinnen , die sich bereits vielfältig engagieren, sich aber zu einer Parteimitgliedschaft noch nicht entschließen konnten. Ein solcher Weg kann künftig auch besonders für die ostdeutschen Landesverbände hilfreich sein. Hierzu bedarf es einer Unterstützung aus der Bundespartei heraus in der Vorbereitungsphase, die den Landesvorständen bereits signalisiert wurde.


Berlin liegt in Ostdeutschland

Seit Jahren haben ostdeutsche Mitglieder auf eine personelle Vertretung und den Umzug nach Berlin gesetzt. Die personelle Vertretung unter den zwei gleichberechtigten Vorsitzenden wird uns vermutlich abhanden kommen. Der Umzug nach Berlin ist mittlerweile vollzogen. Der neue Standort schärft den Blick. Schließlich sind die Fragen z.B. der unterschiedlichen Lohnhöhe zum Greifen nahe.
Dennoch ist eine Stellvertreterlösung nach dem Motto "Wir lösen das schon irgendwie für Euch" nicht denkbar. Ostdeutsche müssen auch im neuen Bundesvorstand im Original vertreten sein, um ihre nach wie vor differenzierten und anderen Sichtweisen einzubringen und in der Öffentlichkeit zu vertreten.

Für den Parteiaufbau Ost jedoch ist die Gesamtpartei verantwortlich, nicht die Ossis unter den Bundesvorstandsmitgliedern. Der Parteiaufbau ist vorrangige Aufgabe der BundesgeschäftsführerIn, wie auch der Aufbau anderer strukturschwacher Landesverbände. Der Parteiaufbau muss eingebettet werden in eine Strategie für Ostdeutschland, die durch landesspezifische Maßnahmen anzureichern ist.

Analog zum Gender-Mainstreaming als einem vielversprechenden neuen Ansatz in der Frauenpolitik müssen sich meines Erachtens BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN ein Ost-Mainstreaming verordnen.

Im neuen Bundesvorstand trete ich für ein klares linkes Profil der Partei, für eine aktive Frauenpolitik, die die Erwartungen unserer Wählerinnen erfüllt und für eine ostdeutsche Interessensvertretung an. BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN sind die Partei, der von den WählerInnen die größte Kompetenz bei der Umsetzung der Gleichstellungspolitik zugeschrieben wird. Ich bin sicher, dass wir diese gute Position nutzen und verbessern.

Ich werde bei meiner Wahl dem neuen Bundesvorstand mit dem gleichen Zeitfonds wie bisher zur Verfügung stehen. Für meine Kandidatur bitte ich um Euer Vertrauen und Eure Unterstützung.
Die BAG Frauenpolitik, der Bundesfrauenrat und die LAG Frauenpolitik NRW haben mir ihr Votum gegeben. Nun bitte ich um Eure Stimme.

In diesem Sinne auf ein Wiedersehen in Münster


Angelika Albrecht


Zu meiner Person
48 Jahre, in Cottbus (Brandenburg) geboren, ein erwachsener Sohn, Ev., Dipl.-Ingenieurin und Dipl.-Ingenieurin (FH) , Wirtschaftsmediatorin, Tätigkeiten in verschiedenen Führungspositionen in der Zentrale der DB AG, Verhandlungsführerin gegenüber den Bundesländern zum Ausbau von Nahverkehrsstrecken. Beiträge zum Schienenpersonennahverkehr in verschiedenen Zeitschriften. Vortragstätigkeit im In- und Ausland. Trägerin des Schienenverkehrspreises des Fahrgastverbandes Pro Bahn. Mitbegründerin des Gesprächskreises "Grüne EisenbahnerInnen".

Politischer Werdegang
kirchliches Elternhaus, zu DDR-Zeiten parteilos. Zahlreiche Aktivitäten in der Jungen Gemeinde und zu Wendezeiten.
Seit 1994 Mitglied von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN.
1995/1996 Landesvorstandssprecherin in Berlin.
1996-1998 Beisitzerin im Bundesvorstand, verantwortliches Bundesvorstandsmitglied für die Teile Wirtschaft, Arbeit und Finanzen und Frauenpolitik des Bundestagswahlprogrammes, Mitglied der Fachkommissionen Wirtschaft, Arbeit und Finanzen und Frauenpolitik zu den Koalitionsverhandlungen.
1998 - jetzt Mitglied des Bundesvorstandes, Frauenpolitische Sprecherin, Mitglied des Parteirates, Mitglied des Präsidiums des Länderrates, Mitglied des Präsidiums des Bundesfrauenrates,
zahlreiche Veröffentlichungen zu frauenpolitischen Themen

Sonstiges gesellschaftliches Engagement
Fördermitglied Aktion Sühnezeichen und Friedensdienste.
Mitglied der Arbeitsgruppe " Frauen in der Informationsgesellschaft".
Die Arbeitsgruppe gehört zum Forum Informationsgesellschaft, einer Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie.
Mitglied der Gesellschaft Deutscher Akademikerinnen e.V.
Mitglied des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) und der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands.