Einige Argumente gegen die Aufhebung der Trennung von Amt und Mandat

1. Das Grundgesetz sieht vor, daß Parteien an der politischen Willensbildung mitwirken. Das GG sieht hingegen bewußt von einer gedanklichen Verbindung zwischen Parteien und Mandat ab. Die Tatsache, daß
in der politischen Praxis der Parteienstaat die Oberhand gewinnt, ist kein Gegenargument. Im Gegenteil, die selbstherrliche Einvernahme staatli-cher Ressourcen – auch – außerhalb des gesetzlichen Rahmens sowie das nicht minder autokratische Selbstverständnis, eine „Recht“setzung auch außerhalb des durch das GG und entsprechende Gesetze vorgegebenen Rahmens vornehmen zu können (Stichwort u.a.: „Ehre“), zeigt drastisch die Notwendigkeit einer Rückführung der Parteiaufgaben auf den verfassungsmäßigen Auftrag der Mitgestaltung an.

2. Die beiden großen Parteien denken über eine Trennung von Amt und Mandat sowie die Begrenzung von Amtszeiten in Folge der Krise der Parteien und des Filzes zwischen Par-teien und Staat nach. Es wäre paradox und kurzfristig gedacht, wenn die Grünen gegen diesen Trend stimmen würden. Hier wird unsere alte Forderung doch – leider – durch die politische Praxis aktueller denn je. Wir müssen unbedingt vermeiden, den
Strukturfehler der anderen Parteien zu wiederholen.

3. Ein paritätisch besetzter Bundesvorstand würde den BuVo insgesamt nicht stärken, viel-mehr würde dieser in einen öffentlichkeitswirksamen MandatsträgerInnenteil und in ei-nen „nur“-Parteiteil zerfallen. Die Machtkonzentration auf die MandatsträgerInnen und eine entsprechende Abwertung der restlichen Mitglieder wäre vorprogrammiert.

4. Die kritische öffentliche Darstellung umstrittener Regierungs- oder Parlamentsentschei-dungen wäre den Mandatsträgern im BuVo – ganz zu schweigen von Regierungsmitglie-dern – nur durch einen gewaltigen argumentativen Spagat möglich.

5. Mittel- und langfristige Zielsetzungen der Partei, die über eine Präsenz in Parlamenten und die Dauer einer Legislaturperiode hinausgehen, könnten vom BuVo wesentlich schwerer vermittelt werden.

6. Es ist kaum nachzuvollziehen, wie die Mandatsträger gleichzeitig die sehr arbeitsintensive Tätigkeit eines BuVo-Mitgliedes bewältigen wollen. Dieses könnte formal nur durch eine/n Angestellte/n für diese Arbeit
erledigt werden. Die anderen Mitglieder des BuVo haben zwar auch eine/n Mitarbeiter/in, stehen aber gleichzeitig selbst für diese Aufgabe zur Verfügung. Ein Mandatsträger in der selben Funktion würde zwei
MitarbeiterInnen benö-tigen (für die Mandats- und die BuVo-Arbeit) und stünde selbst für beide Aufgaben nur halb zur Verfügung. Das Argument, die beiden Aufgaben würden sich derart ergänzen, daß durch Synergieeffekte dieses Defizit wettgemacht würde, ist wenig überzeugend. Er-stens sehen die Aufgaben in der Tat unterschiedlich aus und zweitens ist eine Effizienz-steigerung in der Größenordnung vollkommen unrealistisch.

7. Das bewährte System der gegenseitigen Kontrolle und der höheren Transparenz würde durch die Zusammenlegung von Amt und Mandat weiter geschwächt. Das Argument, daß sonst viele Entscheidungen in
inoffiziellen Zirkeln gefällt würden, muß eher dazu führen, daß wir eine öffentliche Arbeit dieser Zirkel einfordern.

Dirk Krüger, Köln