Karsten Hinrichsen
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1.3.2000

BDK-Antrag zum Atomausstieg

Um Schaden vom deutschen Volk abzuwenden
((Amtseid der MinisterInnen)),
weil Atomkraft voller Zynismus gegenüber unseren Kindern und Kindeskindern ist
((Wortlaut des GRÜNEN Wahlprogramms 1998)),
weil eine Technik, die niemals versagen darf und der gegenüber Menschen niemals versagen dürfen, weil die Folgen nicht beherrschbar sind, nicht verantwortet werden kann
(( Wortlaut des rot/grünen Koa-Vertrags in Schleswig-Holstein)) usw.....

möge die Bundesdelegiertenkonferenz im März 2000 beschließen:

" Die Partei, die Fraktion und die Kabinettsmitglieder werden aufgefordert, die folgenden Regelungen in einem bis zum 31.5. 2000 in den Bundestag einzubringenden Ausstiegsgesetz zu verankern. "
((Eile ist geboten, um den Ausstieg noch bis zum Ende der jetzigen Legislaturperiode abzuschließen.))

1. Die Nutzung der Atomenergie zum Zweck der Energieerzeugung wird geordnet und sicher beendet.
((Wortlaut der Kabinettsvorlage des Bundesumweltministeriums vom 24.1.99 für die Atomgesetzänderung))
2. Das Recht, Leistungsreaktoren zu betreiben, erlischt spätestens 2 Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes."
((Gutachten von Prof. Roßnagel für das Hessische Umweltministerium, in dem er fünf Jahre Restlaufzeit für entschädigungsfrei hält.))


Begründung:

1. Der Atomausstieg muß gesetzlich beendet werden und er kann auch schnell vollzogen werden.

Seit ihrer Gründung haben die Grünen mit Nachdruck immer wieder auf die Gefahren der Atomstromproduktion hingewiesen. Die inhaltlichen Gründe für diese konsequente politische Haltung haben sich durch die Regierungsbeteiligung nicht geändert. (Sie werden stichpunktartig unter Punkt 7 genannt.)
Die Grünen würden sich dem Vorwurf aussetzen, daß sie lediglich aus taktischen Gründen 20 Jahre lang den Sofortausstieg gefordert haben, wenn sie nun Gesamtlaufzeiten von 30 Jahren akzeptieren. Wenn AKWs so gefährlich sind, wie behauptet, ist allein der Sofortausstieg die logische Antwort.
Grüne und SPD haben mit dem Versprechen des Atomausstiegs die Regierungsmehrheit errungen. Es ist die souveräne Entscheidung der Regierung und verfassungsrechtlich legitim, die Atomenergienutzung zu beenden, genauso wie sie mit der Verabschiedung des Atomgesetzes begonnen wurde und wie sie von einer anderen Regierung wieder zugelassen werden könnte. Um letzteres zu verhindern, sind die AKWs in dieser Legislaturperiode stillzulegen, die Brennelemente aus dem Druckbehälter zu entfernen und dieser dann unbrauchbar zu machen.

2. Ziel ist eine entschädigungsfreie Stillegung, sie darf jedoch nicht zur Bedingung für den Atomausstieg werden. ((Wortlaut des GRÜNEN BT-Wahlprogramms 1998))
Wer für einen entschädigungsfreien Ausstieg nach 30 Jahren Gesamtlaufzeit wirbt, verschweigt, daß durch den 19-jährigen Weiterbetrieb der AKWs ebenfalls Kosten entstehen: Tausende zusätzliche Tonnen Atommüll, für deren Entsorgungskosten die kommenden Generationen bezahlen müssen, Kosten durch Leukämie- und Krebserkrankungen durch den sog. Normalbetrieb.
Die Energiewende könnte das wirksamste Bündnis für Arbeit sein, das seit den Zeiten des Wirtschaftswunders aufgelegt wurde. Je früher der ausstieg erfolgt, desto schneller kommt der überfällige Strukturwandel der Energiewirtschaft in Gang: ein enormer Innovationsschub, Hunderttausende von langfristig sicheren Arbeitsplätzen, weltweite Exportchancen in der Solarenergietechnologie.
Die positiven Auswirkungen der Energiewende sind für den Bundeshaushalt und die Bevölkerung unvergleichlich höher als die Entschädigungsumme, die evtl. bei einem Sofortausstieg fällig würde.

3. Konsens ist Nonsens
Seit Anfang der 90er Jahre hat Schröder immer wieder versucht, den Atomausstieg im Konsens zu regeln. Die Betreiber spielen auf Zeit und das absehbare Ergebnis wären lange Restlaufzeiten, die den Betreibern Profite garantieren, die erheblich höher sein werden als die evtl. zu zahlende Entschädigung. Die Gefährdung wäre auf lange Zeit nicht beseitigt. Die Grünen dürfen sich diesem Diktat Schröders - bei Verlust ihrer Glaubwürdigkeit - nicht beugen.

4. Der Charme eines schnellen Atomausstiegs
Bei einem Atomausstieg, der in 2 Jahren vollzogen ist, würde die Klärung sehr vieler Detailfragen überflüssig, weil sie sich erübrigen würde: Transporte, WAA, Sicherheitsstandards, zu entsorgende Atommüllmenge usw.

5. Nibelungentreue und taktische Argumente
Im Koalitionsvertrag ist zwar der entschädigungsfreie Ausstieg (entgegen dem Wahlprogramm der Grünen) vereinbart. Doch die SPD mißachtet ihrerseits die Vereinbarungen des Koa-Vertrags fortlaufend. Sie hat im Januar 1999 die von Trittin eingebrachte Atomgesetzänderung blockiert, obwohl "der vorgelegte Entwurf sich streng an die Koalitionsvereinbarung vom 20. Oktober 1998 und an die Koalitionsabsprache vom 13. Januar 1999 hält" (zitiert aus Trittins Anschreiben).
Trittins heutiges taktisches Argument für 30 Jahre Gesamtlaufzeit: "Die Bundesregierung hat zum ersten Mal eine abgestimmte einheitliche Position zum Atomausstieg, allerdings mit einem Kompromiss bei den Fristen" überzeugt nicht. Er birgt die Gefahr eines SuperGaus, den ein GRÜNER Umweltminister zu verantworten hätte. Er garantiert einen unnötig langen Bestandsschutz für die AKWs (zum Vergleich: der Gesellschaftervertrag für das AKW Stade wurde für eine Betriebsdauer von nur 17 Jahren geschlossen).

6. Die Höhe einer evtl. zu zahlenden Entschädigung
Ein Atomausstiegsgesetz ist gut zu begründen, weil sich die Höhe der Entschädigung nach dem Gefährdungspotential für die Allgemeinheit und die Umwelt richtet. Die Rechte aus Artikel 2 GG (Leben und körperliche Unversehrtheit) und die sich aus Artikel 14 GG ergebende Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums sind gegeneinander abzuwägen. Als maximale Höhe der Entschädigung nennt das Atomgesetz den Zeitwert der Anlagen. Das sind derzeit ca. 20 Mrd. DM.

7. Gründe für den Sofortausstieg
Die Atomkraftwerke werden bis zum Ende der jetzigen 14. Wahlperiode abgeschaltet, weil
- deren Betrieb gemäß § 17 (5) Atomgesetz (AtG) eine erhebliche Gefährdung der Beschäftigten, Dritter und der Allgemeinheit darstellt
- die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden gemäß § 7 (2) 1 AtG nicht getroffen ist
- in Verletzung des Generationenvertrags Tausenden von Generationen die Hypothek der radioaktiven Abfälle aufgebürdet wird
- die anfallenden Reststoffe nicht gemäß § 9 a AtG schadlos verwertet bzw. geordnet beseitigt werden können. (Die falsch deklarierten Brennelemente aus der WAA Sellafield belegen sehr deutlich, daß es sich bei den Wiederaufarbeitungsanlagen letztlich nur um ausländische Zwischenlager handelt; denn die AKW-Betreiber haben bislang nur wenige MOX-BE eingesetzt)
- es kein Endlager gibt, weshalb die Betreiber auch nach 30 Jahren Atomenergienutzung eine dem Atomgesetz genügende Atommüllentsorgung nicht nachweisen können
- die Sicherheit der Transport- und Lagerbehälter bis heute nicht nachgewiesen wurde (ein Verbot der Atommülltransporte ist also keine Verstopfungsstrategie sondern Durchsetzung des Atomgesetzes.)
- Kernschmelzunfälle in deutschen AKWs gemäß der offiziellen "Deutschen Risikostudie Kernkraftwerke - Phase B" mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 % in 50 Jahren eintreten und die Schäden bis zu 10 Billionen DM (= 2,5-Fache des jährlichen Bruttosozialprodukts Deutschlands) betragen können ((Angaben des Bundesumweltministeriums))
- die Weiterverbreitung (Proliferation) von nuklearwaffen-fähigem Material nicht auszuschließen ist
- die Atomenergienutzung die Wende zu einer sozial und wirtschaftlich gerechten, die endlichen Ressourcen schonenden Energieversorgung blockiert
- der Uranabbau weitgehend auf dem Gebiet entrechteter Ureinwohner erfolgt
- Atomanlagen Ziel terroristischer und kriegerischer Angriffe sowie von Sabotage sein können
- die Atomenergienutzung Gefahren für die freiheitliche Demokratie birgt, die mit dem Begriff "Atomstaat" beschrieben werden
- die Nutzung des Eigentums (AKW) durch wenige Betreiber im Schadensfall faktisch die Enteignung vieler Millionen Menschen zur Folge hätte.


UnterzeichnerInnen:

Karsten Hinrichsen (KV Steinburg), Ralf Henze (KV Mannheim), Sylvia Kotting-Uhl (KV Odenwald-Kraichgau) u.a.