Antrag zur Bundesversammlung von
Bündnis90/Die Grünen im März 2000 in Karlsruhe

Antragsteller: Bündnis90/Die Grünen Kreisverband München-Nord
Ansprechpartner: Martin Ottensmann

Die Bundesversammlung fordert die Bundestagsfraktionen und die Bundesregierung auf die beiden folgenden Maßnahmenpakete umzusetzen, um den Weg zu einer humanitäreren Asylrechtspraxis frei zu machen. Diese
Maßnahmen zeigen einen gemeinsamen politischen Ansatz mit der SPD auf.
Die Tatsache, dass diese Anträge gleichlautend ebenso auf der SPD-BDK im Dezember 1999 verabschiedet wurden, wird es erleichtern diese Schritte zum Politikwechsel in der rot-grünen Bundesregierung umzusetzen.
Die weitergehenden Vorstellungen von Bündnis90/Die Grünen gelten natürlich darüber hinaus.

Teil 1
Mehr Menschlichkeit !

Asylrecht behalten - Altfallregelung realisieren

1. Aufhebung der Arbeitsverbote für Flüchtlinge
Arbeitsfähige Flüchtlinge sollten die Möglichkeit erhalten, eine Arbeit auszuüben. Die durch entsprechende Berufslisten aufgeführten Berufsverbote für Flüchtlinge sind zurückzunehmen.

2. Bei einer Europäisierung der Flüchtlingspolitik muss Deutschland für ein großzügiges Asylrecht eintreten.
"Wir setzen uns mit Nachdruck für eine gemeinsame europäische Flüchtlings- und Migrantenpolitik ein, die die Genfer Flüchtlingskonvention und Europäische Menschenrechtskonvention beachtet" (Koalitionsvertrag Oktober 98). Die bevorstehende Europäisierung der Flüchtlingspolitik darf keine "Harmonisierung nach unten" nach sich ziehen. Eine weitere Aushöhlung des in unserer deutschen Verfassung verankerten Asylrechts dürfen wir Grüne nicht zulassen. Viel mehr kommt der deutschen Bundesregierung eine Vorreiterrolle zu, ein humanes Asylrecht europaweit durchzusetzen: neben der Beachtung der Genfer Flüchtlingskonvention muss dies auch eine Erweiterung der Asylgründe (geschlechtsspezifische, nicht-staatliche politische Verfolgung), sowie eine Gewährleistung der rechtsstaatlichen Möglichkeiten umfassen, das nicht hinter die Ansprüche des deutschen Verfahrensrecht zurückfällt.

3. Für ein Europäisches Einwanderungsgesetz
Wir treten für ein Einwanderungsgesetz der Europäischen Union ein, das die Einwanderung aufgrund von festzulegenden Quoten klar und deutlich regelt.

Teil 2
Praxis von Asylanträgen

Die Bündnis90/Die Grünen fordern, die derzeitige unbefriedigende Praxis bei der Behandlung der Asylanträge in Deutschland an der Genfer Flüchtlingskonvention zu orientieren und eine verbesserte Rechtssicherheit für alle am Prozess Beteiligten zu schaffen. Deshalb wird die Bundesregierung aufgefordert, in der Flüchtlingspolitik
folgende Maßnahmen zu ergreifen:

1. Umgehend, wie in der Koalitionsvereinbarung vorgesehen, eine Altfallregelung zu erlassen, nach der Asylsuchenden, die sich seit 1.7.1994 oder länger im Bundesgebiet aufhalten, einschließlich derer, die nach Abschiebung oder erzwungener Ausreise binnen sechs Monaten zurückgekehrt sind und erneut Asylantrag gestellt haben, im Falle der Ablehnung oder des Verzichts auf Asyl ein Bleiberecht in Gestalt einer Aufenthaltsgenehmigung zu gewähren ist, und zwar auch dann, wenn sie Sozialhilfe in Anspruch nehmen und keine private Mietwohnung haben, vorausgesetzt, dass sie sich straffrei geführt haben, wobei Strafen von höchstens 90 Tagessätzen und Strafen wegen ausländerrechtlicher Verstöße außer Betracht bleiben;

2. Das Ausländergesetz dergestalt in Einklang mit der Genfer Flüchtlingskonvention zu bringen, dass alle Personen, die aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung in Deutschland Schutz suchen, gleich, ob die Verfolgung von staatlicher oder sonstiger Seite droht, einen Flüchtlingspass und eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten;

3. In das Asylverfahrensgesetz eine Bestimmung über unsichere Herkunftsländer aufzunehmen, in denen die vom Antragsteller behauptete Verfolgung – widerlegbar – vermutet wird;

4. Die von der Bundesrepublik Deutschland gemachten ausländerrechtlichen Vorbehalte bei der Ratifizierung der Kinderschutzkonvention fallen zu lassen und Kindern von Asylsuchenden oder unbegleitet einreisenden
Flüchtlingen unter 16 Jahren ein Bleiberecht in Gestalt einer Aufenthaltsgenehmigung zu gewähren, wenn nicht gesichert ist, dass sie im Herkunftsland ungefährdet bei ihren Eltern, zumindest einem Elternteil, oder, falls keine Eltern mehr leben, bei den nächsten Angehörigen leben können;

5. Das Ausländergesetz dahin zu ändern, dass Ehegatten und minderjährige Kinder von Asylberechtigten und von Inhabern des Flüchtlingspasses und der Aufenthaltsgenehmigung bei der zuständigen Außenvertretung ein
Visum zum Familiennachzug erhalten;

6. Die Bestimmungen über Familienasyl und Familiennachzug auf die Fälle auszudehnen, in denen Zweifel an der Rechtsgültigkeit der Ehe bestehen, sofern eine eheliche Lebensgemeinschaft eingegangen wurde und die Form
ihrer Eingehung landesüblich ist;

7. Das Asylverfahrensgesetz so zu ändern, dass Asylfolgeanträge nach Rückkehr in das Herkunftsland, erneuter Flucht und Wiedereinreise als Erstanträge behandelt werden;

8. Den § 18 a Asyl-VerfG (Flughafenverfahren) außer Kraft zu setzen;

9. Das Amt des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten abzuschaffen;

10. Das Asylverfahrensgesetz so zu ändern, dass Berufung und Revision gegen Urteile der Verwaltungsgerichte in gleicher Weise zugelassen werden wie nach der Verwaltungsgerichtsordnung;

11. Das Kindergeldgesetz so wiederherzustellen, dass alle Inhaber von Aufenthaltsgenehmigungen, gleich welcher Art, bezugsberechtigt sind.

12. Die letzte Verschärfung des Asylbewerberleistungsgesetzes (§ 1 a) sowie die Bestimmungen in § 3 über Sachleistungen anstelle von Geldleistungen aufzuheben.