Antrag des Kreisverbandes Dortmund an die BDK:


Konsequenzen aus falschen Lageberichten ziehen

Das Auswärtige Amt hat bis in den März 1999 gegenüber deutschen Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten in
amtlichen Auskünften erklärt, daß es keine ethnischen Säuberungen und keine systematischen Vertreibungen von Kosovo-
Albanern gäbe, sondern die Zivilbevölkerung Opfer von Übergriffen einzelner sei und von Übergriffen zwischen UCK und
jugoslawischer Armee und Polizei, man aber nicht davon sprechen könne, daß „eine explizit an die albanische Volkszugehörigkeit anknüpfende politische Verfolgung ... im Kosovo ... festzustellen (ist)“...

Im guten Glauben an die Richtigkeit dieser Amtlichen Auskunft hatten die deutschen Asylgerichte geurteilt, es gebe kein
staatliches Verfolgungsprogramm des Milosovic-Regimes gegen Kosovo-Albaner; diesen drohe auch sonst im Kosovo wegen ihrer Volkszugehörigkeit keine politische Verfolgung durch die serbisch dominierte Staatsmacht.

Nachdem aber der am 24. März 1999 begonnene Luftkrieg der NATO-Staaten gegenüber der deutschen Öffentlichkeit und dem Deutschen Bundestag gerechtfertigt werden mußte, sprach das Auswärtige Amt von „Völkermord“, „Deportationen“ und „ethnischen Säuberungen“, die das Milosevic-Regime nicht erst seit Kriegsbeginn, sondern schon seit langem gegen Kosovo-Albaner verübe.

Das Auswärtige Amt in der Verantwortung von J. Fischer hat somit nicht nur „mit gespaltener Zunge“ geredet, es hat Beihilfe zur Abschiebung von Menschen in Gefahrengebiete geleistet . Dies darf nicht ohne Konsequenzen bleiben.

Die Verantwortlichen sind zur Rechenschaft zu ziehen und im Rahmen der (materiellen) Wiedergutmachung der Betroffenen, auch finanziell regreßpflichtig zu machen.

Darüber hinaus fordern wir die Beantwortung der von der Deutschen Sektion der internationalen Association Of Lawyers Against Nuclear Arms (IALANA) aufgeworfenen Fragen:


• Haben alle diese Richterinnen und Richter, die seit Jahren im Vertrauen auf die Richtigkeit der Lageberichte" und der Amtlichen Auskünfte des Auswärtigen Amtes Recht gesprochen haben und mit diesen Verfahren vertraut sind, den "Lagebericht" vom 19. November 1998 sowie die amtlichen Auskünfte des Auswärtigen Amtes vom 28. Dezember 1998, vom 8, 12. und 22. Januar 1999 sowie vom 15. März 1999 falsch gelesen, falsch verstanden und falsch verarbeitet?

• Wenn die Amtlichen Auskünfte des Auswärtigen Amtes vor dem 24. März 1999, also vor Beginn der NATO-Luftangriffe, von den Gerichten inhaltlich falsch verstanden worden wären, warum hat dann das AA die Gerichte nicht darauf aufmerksam gemacht?

• Und: Hätte es in einem solchen Fall nicht das oberste Ziel des den Weisungen des Bundesinnenministeriums unterstehenden
Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten, der die Bundesrepublik in den Asylverfahren regelmäßig vertritt, sein müssen, auf diese für die Asylbewerber folgenschwere und katastrophale Fehleinschätzung der Gerichte im Blick auf die Auskunftslage hinzuweisen und im Verfahren auf Klarstellung zu dringen? Statt dessen hat der Bundesbeauftragte bis vor kurzem gegen alle erstinstanzliche Urteile, in denen das zuständige Bundesamt zur Anerkennung des asylsuchenden Kosovo-Albaners verpflichtet worden war, Berufung eingelegt und dabei maßgeblich auf die von IALANA zitierten "Lageberichte" und Amtlichen Auskünfte des Auswärtigen Amtes hingewiesen.

• Wann wird das Auswärtige Amt einen neuen "Lagebericht" herausgeben und den Asylgerichten zur Verfügung stellen, in dem es seine - in der IALANA-Presseinformation vom 22. April 1999 ausführlich dokumentierten - früheren Ausführungen ausdrücklich korrigiert und bedauert?

• Wird des AA an das Bundesamt herantreten, um eine Neubescheidung der - auf der Basis der jetzigen Verlautbarungen
des AA - zu Unrecht abgelehnten Asylbewerber anzuregen?


Anlage

Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. Oktober 1998 (Az: 22 BA 94, 34252):
"Die den Klägern in der Ladung zur mündlichen Verhandlung angegebenen Lageberichte des Auswärtigen Amts vom 6. Mai, 8. Juni und 13. Juli 1996 lassen einen Rückschluß auf eine Gruppenverfolgung ethnischer Albaner aus dem Kosovo nicht zu.
Nicht einmal eine regionale Gruppenverfolgung, die allen ethnischen Albanern aus einem bestimmten Teilgebiet des Kosovo
gilt, läßt sich mit hinreichender Sicherheit feststellen. Das gewaltsame Vorgehen des jugoslawischen Militärs und der Polizei
seit Februar 1998 bezog sich auf separatistische Aktivitäten und ist kein Beleg für eine Verfolgung der gesamten ethnischen Gruppe der Albaner aus dem Kosovo oder einem Teilgebiet desselben. Es handelte sich bei den jugoslawischen Gewaltaktionen und Gewaltexzessen seit Februar 1998 um ein selektives gewaltsames Vorgehen gegen die militärische Untergrundbewegung (insbesondere der UCK) und - deren Umfeld in deren Operationsgebieten. ... Ein staatliches Verfolgungsprogramm, das sich auf die gesamte ethnische Gruppe der Albaner bezieht, besteht nach wie vor nicht." (ebd., S. 9)

Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 4. Februar 1999 (Az.: A 14 S 22276/98):
"Die dem Senat vorliegenden Erkenntnisse stimmen darin überein, daß die zeitweise befürchtete humanitäre Katastrophe für die albanische Zivilbevölkerung ... nach dem Abflauen der Kämpfe Im Anschluß an die Ende 1998 mit der serbischen Führung getroffene Übereinkunft (Lagebericht Serbien des Auswärtigen Amtes vom 18.11.1996) abgewendet werden konnte und daß sich seit dem sowohl die Sicherheitslage wie auch die Lebensbedingungen der albanisch-stämmigen Bevölkerung spürbar gebessert haben. ... Namentlich in den größeren Städten verläuft das öffentliche Leben
zwischenzeitlich wieder in relativ normalen Bahnen (vgl. hierzu Auswärtiges Amt v. 12.1.1999 an VG Trier, v. 28.12.1998 an OVG Lüneburg und vom 23.12.1999 an VGH Kassel), auch wenn sich die Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen auf Grund einzelner Gewalttaten zwischenzeitlich erhöht haben. ... Auch einzelne Fälle exzessiver Gewalttaten gegen die Zivilbevölkerung, die, wie etwa in Racak in der Weltöffentlichkeit der serbischen Seite zur Last gelegt werden und große Empörung ausgelöst hatte ..., lassen nach Zahl und Häufigkeit derartiger Exzeßtaten unter den gegebenen Umständen nicht den Schluß zu, daß deshalb jeder im Kosovo lebende Albaner mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt ist und mithin auch jeder Rückkehrer von Tod und schwersten Verletzungen bedroht sei." (ebd., S. 9 f)

Urteil des 7. Senats des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Februar: 1999 (AZ.: 7 UK 537/98.A) - zitiert nach der bisher allein vorliegenden gerichtlichen Pressemitteilung vom 5.2.99 - :

"Der 7. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes hat mit heute bekannt gemachter Grundsatzentscheidung festgestellt, daß Albanern aus dem Kosovo bei einer Rückkehr nach Jugoslawien weder in ihrer Heimatregion noch im übrigen Staatsgebiet eine staatliche Gruppenverfolgung droht.... Ein staatliches Programm mit dem Ziel physischer Vernichtung
oder gewaltsamer Vertreibung der Kosovo-Albaner liege den Übergriffen und Exzessen der jugoslawischen Sicherheitsbehörden gegenüber Kosovo- Albanern erkennbar nicht zugrunde. Des auf die Abwehr von gewaltsamen Sezessionsbestrebungen der UCK gerichtete Vorgehen der serbischen Sicherheitskräfte sei dem Grunde nach legitim; hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß Übergriffe und Exzesse generell beabsichtigt seien, gebe es nicht."

Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vorn 24. Februar 1999 (Az: 14 A 3840/94.A):

"Für ein geheimes Programm oder einen auf serbischer Seite vorhandenen stillschweigenden Konsens, das albanische Volk zu vernichten, zu vertreiben oder sonst in der vorstehend beschriebenen extremen Weise zu verfolgen, liegen keine
hinreichend sicheren Anhaltspunkte vor. ... Wenn die serbische Staatsmacht ihre Gesetze durchsetzt und dadurch zwangsläufig Druck auf die sich vom Staat abkehrende und eine Boykotthaltung einnehmende albanische Volksgruppe ausübt, geht die objektive Zielrichtung dieser Maßnahmen eben nicht auf eine programmatische Verfolgung dieser Bevölkerungsgruppe... Selbst wenn der serbische Staat wohlwollend In Kauf nimmt oder gar beabsichtigt, daß ein Teil der Bürger, der in einer solchen Situation für sich keine Perspektiven sieht oder Zwangsmaßnahmen entgehen will, ins Ausland ausweicht, stellt dies kein auf die Gesamtheit der albanischen Bevölkerungsmehrheit (im Kosovo) zielendes Verfolgungsprogramm dar." (ebd., S 44 f) "Wenn im übrigen der (jugoslawische) Staat auf die Separatismusbestrebungen mit konsequenter und harter Durchführung der Gesetze sowie mit antiseparatistischen Maßnahmen reagiert, denen sich ein Teil der Betroffenen ins Ausland entzieht, ist dies kein vom jugoslawischen Staat programmatisch gesteuerter Vorgang, der auf die Ausgrenzung und Vertreibung der Minderheit abzielt, sondern im Gegenteil auf ein Sicheinfügen dieses Volkes in den Staatsverband." (ebd., S. 51) "Auch die Ereignisse seit Februar/März 1998 lassen ein Verfolgungsprogramm wegen aIbanischer Volkszugehörigkeit nicht erkennen. Die Maßnahmen der bewaffneten serbischen Kräfte sind in erster Linie auf die Bekämpfung der UCK und deren vermutete Anhänger und Unterstützer gerichtet." (ebd., S. 55)

Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 11. März 1999 (Az: 13 A 3894/94.A):
"Albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo waren und sind in der Bundesrepublik Jugoslawien keiner regionalen oder
landesweiten Gruppenverfolgung ausgesetzt." (Leitsatz 1)
"Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Annahme einer Gruppenverfolgung der Kosovo-Albaner ist auf der Grundlage
aktueller Erkenntnisse hinreichend - und zwar verneinend - geklärt. Es besteht daher weder Anlaß noch Notwendigkeit zu weiterer Beweiserhebung durch Einholung von Auskünften, Stellungnahmen und Gutachten...
Auch eine Einzelverfolgung wegen Gruppenzugehörigkeit... kann der Senat aus der Lage im Kososvo für die Zeit der Ausreise des Klägers und die Gegenwart nicht ableiten... ." (ebd., S. 60)