Antrag des Kreisverbandes Dortmund an die Bundesdelegierten- Konferenz
(Beschluß der MV v. 5.5.1999)


Helfen statt bomben!

Nein zum Krieg gegen Jugoslawien - Für zivile Konfliktlösung im Kosovo

Seit dem 24. März 1999 befindet sich Deutschland im Krieg.
Zusammen mit seinen Verbündeten begannen deutsche Kampfflugzeuge ihren Überfall auf Jugoslawien. In eklatanter
Verletzung des Völkerrechts führen die NATO-Truppen einen Angriffskrieg gegen einen souveränen Staat.
Dies verstößt gegen das Völkerrecht und die Charta der Vereinten Nationen, gegen die deutsche Verfassung, sowie den Zwei-plus-vier- Vertrag.

Es bestreitet niemand, daß es einen schweren Konflikt im Kosovo gibt. Zweifellos trägt Serbien seit Jahren die Hauptverantwortung für die Konflikteskalation. Mord und Vertreibung sind durch nichts zu rechtfertigen, ebensowenig wie die Diskriminierung von Bevölkerungsgruppen. Unmißverständlich verurteilen wir an dieser Stelle die vom Milosevic-Regime begangenen Menschenrechtsverletzungen. Wir stellen aber fest, daß die einseitige Einmischung der westlichen Staaten, die Unterstützung und Bewaffnung der UCK aus diesem Konflikt im Kosovo erst einen Bürgerkrieg gemacht hat. Dieser Bürgerkrieg trägt die häßlichen Züge eines jeden Krieges und kennt Täter und Opfer auf beiden Seiten.

Es bestehen berechtigte Zweifel an den vorgegebenen, humanitären Zielen dieses Krieges:

• Die NATO eskaliert durch ihre Bombardierungen die Situation im Kosovo noch weiter, die sie vorgibt lösen zu wollen.

• Es werden in großem Ausmaß auch zivile Ziele angegriffen, darunter chemische Fabriken – die Folgen für die Bevölkerung sind nicht berechenbar, in den meisten Fällen katastrophal.

• Die humanitäre Lage in Krisen und Katastrophengebieten, die Situation von Flüchtlingen und Vertriebenen und ihre Menschen- und Selbstbestimmungsrechte spielen in der westlichen Politik in der Regel kaum eine Rolle – auch da wo mit relativ wenig Mitteln effektive Hilfe geleistet werden könnte.

• In vielen Fällen, wie bei der Vertreibung der Serben aus der Krajina im heutigen Kroatien oder beim verheerenden Krieg der türkischen Armee gegen die Kurden in der Türkei werden die Verbrechen mit westlicher Unterstützung verübt.

Ansätze zu einer unmilitärischen Beilegung des Konflikts wurden nicht ernsthaft verfolgt. Unter anderem:

• war nach Aussagen von OSZE-Vertretern ein Erfolg der OSZE- Mission im Kosovo wahrscheinlich gar nicht erwünscht gewesen (s. Willy Wimmers, CDU-Abgeordneter und Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, Deutschlandfunk- Interview v. 12.1.1999,“junge Welt“ v. 26.3.1999)

• fanden in Frankreich keine echten Verhandlungen statt. Statt in gemeinsamen Verhandlungen nach Kompromissen zu suchen, wurden die Parteien getrennt und wurde ultimativ die Unterzeichnung eines von den NATO-Staaten formulierten
Abkommen gefordert.

• wurden Chancen präventiver Diplomatie und Möglichkeiten positiver Anreize (Gratifikation und materielle Anreize statt
militärischer Drohung) nicht genutzt:

• scheiterte ein mögliches Abkommen mit Jugoslawien, das den politischen Teil des Entwurfs akzeptierte hatte, daran, daß die NATO neutrale Truppen und Beobachter kategorisch ablehnten;

• fehlten die Garantien dafür, daß eine weitgehende Autonomie des Kosovos nicht der erste Schritt zur Abspaltung der Provinz ist.

Das erste was auf der Strecke blieb ist die Wahrheit. Die Berichterstattung ist geprägt von Einseitigkeit und Propaganda.
Die serbische Seite wird dämonisiert und in der Person “Milosovic“ personifiziert. Doch es ist kein “Krieg gegen Milosevic“ sondern gegen ein ganzes Land, der Opfer in der gesamten Bevölkerung fordert.

Es werden täglich Bilder von Flüchtlingen gezeigt, doch wird dabei wie so oft ausgeblendet, daß nicht nur serbische Einheiten im Kampf sind, daß unter den Flüchtlingen in großer Zahl auch serbische Familien sind und daß viele aus den Städten auf der Flucht vor den Angriffen der Raketen und Kampfflugzeugen sind. In großer Besorgnis um die Bevölkerung Jugoslawiens – in Kosovo wie im übrigen Land, mit Empörung und Scham über den Einsatz deutscher Truppen in einem Land das erst vor einem halben Jahrhundert den Terror der deutschen Wehrmacht erdulden mußte. Voll Zorn über die einseitige Berichterstattung und Propaganda in den westlichen Medien fordern wir:

• Die sofortige Einstellung der Kampfhandlungen gegen Jugoslawien

• Rückzug aller NATO-Truppen vom Balkan

• Raum für echte Vermittlung im Konflikt durch neutrale Staaten und Institutionen

• Keine Auslandseinsätze der Bundeswehr

• Flüchtlingen, die nicht freiwillig in Sicherheit und Würde an ihre Herkunftsorte zurückkehren können oder wollen, ist unbeschränkt Asyl zu gewähren

• Asylgewährung für Deserteure

• Strafverfahren vor dem Gerichtshof in Den Haag gegen Kriegsverbrecher – gleich von welcher Seite

Wir mißbilligen, daß unsere Grünen Regierungsmitglieder und die Mehrheit der Grünen Abgeordneten die politische Grundlage für die deutsche Beteiligung geschaffen haben.

Völlig unvereinbar mit unseren politischen Grundsätzen ist:

• daß Deutschland zum ersten mal seit Ende des 2. Weltkrieges an einem Angriffskrieg beteiligt ist, und das ausgerechnet unter einer rot-grünen Regierung;

• daß durch die NATO-Luftangriffe die Auseinandersetzungen eskaliert wurden, mit katastrophalen Folgen gerade für die Kosovo- Albaner, deren Schutz angeblich das Ziel war;

• daß in dem Gebiet, in das die Kosovo-Flüchtlinge zurückkehren sollen, abgereicherte Uran-Munition eingesetzt wird, die die betroffene Region mit giftigen Uran-Partikeln verseucht und die Gesundheit der BewohnerInnen für längere Zeit erhebliche Risiken aussetzen wird;

• daß durch die Bombardierung von Raffinerien und chemischen Industrieanlagen nicht nur Jugoslawien, sondern auch das Gebiet benachbarter Staaten ökologisch verseucht wird;

• daß Jugoslawien durch Zerstörung seiner Infrastruktur „in die Steinzeit zurückgebombt“ wird;

• daß das Außenministerium ethnische Unterdrückung im Kosovo nur dann als gegeben sieht, wenn Krieg geführt werden soll, aber nicht wenn über Asyl für Flüchtlinge aus dem Kosovo entschieden wird;

• daß geostrategische Überlegungen der USA entscheiden, ob Menschenrechtsverletzungen, wie die Unterdrückung ethnischer Minderheiten, ignoriert (Beispiel: Türkei) oder mit Bombardierungen bestraft, ob bewaffnete Aufstandsbewegungen als Freiheitskämpfer oder als Terroristen bewertet werden.

Wir verurteilen die Mitwirkung bündnisgrüner Mandats- und Amtsträger bei der Mitwirkung des Bundesrepublik Deutschland am NATO-Krieg gegen Jugoslawien. Die Zustimmung zu diesen militärischen Aktionen widerspricht grundsätzlichen grünen Positionen und ist weder vom Bundestagswahlprogramm, noch vom Koalitionsvertrag mit der SPD gedeckt.

Wir unterstützen die 7 Grünen MdB, die auch am 26. März 1999 trotz enormen politischen Drucks der Kriegslogik widerstanden und ihre Zustimmung zum Kosovo-Beschluß des Bundestages verweigert haben.

Wir fordern die unsere Regierungsmitglieder und Abgeordneten auf – ohne Rücksicht auf Regierungsbeteiligung – ihre Unterstützung der völkerrechtswidrigen NATO-Politik zu beenden, zur Beschlußlage der Grünen Partei zurückzukehren und ihren Einfluß zu benutzen, den Angriffskrieg gegen Jugoslawien sofort und bedingungslos zu beenden. Wenn sie dazu nicht bereit sind, fordern wir sie auf, ihr Amt niederzulegen oder ihr Mandat zurückzugeben.

Außer einem sofortigem Stopp der Angriffe fordern wir die Wiedergutmachung der angerichteten Schäden. Die Mittel für
deutsche Reparationszahlungen sollen aus dem Etat des “Verteidigungsministeriums” bezahlt werden.

Nur in einem Aufbauprogramm für die gesamte Balkanregion einschließlich der Bundesrepublik Jugoslawien sehen wir die
Chance für eine dauerhafte Friedenssicherung. Die Option eines EU-Beitritts für alle betroffenen Staaten der Region innerhalb eines absehbaren Zeitfensters ist dabei mit den Partnerländern der Europäischen Union auszuhandeln.
Wir setzen uns dafür ein, der Bundesrepublik Jugoslawien Soforthilfe bei der Beseitigung der akuten Zerstörungen anzubieten. Voraussetzungen hierfür sind die Einhaltung von Menschenrechten, Minderheitenschutz, Garantie von demokratischen Grundprinzipen sowie die Akzeptanz einer internationalen Polizeitruppe unter UNO- Mandat im Kosovo. Dieses Angebot ist über alle Informationsmedien (z.B. Rundfunk- und Fernsehstationen in benachbarten Ländern, Satellit, Internet, Flugblättern) gezielt auch an die jugoslawische Bevölkerung weiterzuleiten.

An die Stelle einer militarisierten Außenpolitik und militärischer Scheinstärke muß zivile Stärke treten. Weil die militärische Seite des modernen Unfriedens nur das Symptom und Folge vormilitärischen Unfriedens ist, sind Alternativen unmilitärischer Verteidigung in der ganzen Spannbreite gewaltfreier und ziviler Konfliktlösung jenseits von NATO und Bundeswehr zu entwickeln. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lehnen militärische Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung ab und sie verzichten darauf, künftig politische Ziele außerhalb des geltenden Rechts zu erreichen.

Wenn die Menschenrechte Standard der Außenpolitik sind, darf es kein zweierlei Maß geben. Bündnispartner oder befreundete Länder müssen mit der gleichen Elle gemessen werden, wie „feindliche“ Regime. Die zivile Logik der Menschenrechte verbietet es, Menschen und ihre Rechte mit militärischen Mitteln zu verletzen oder gar zu vernichten. Die Luftschläge der NATO, die auch - eigentlich vor allem - Unschuldige verwunden und töten, verletzen die zivile Logik und das ihr folgende humanitäre Gebot.

Wir verlangen eine Stärkung der Friedens- und Konfliktforschung. Ihre Ergebnisse müssen in politisches Handeln eingebracht werden. Friedenserziehung und interkulturelles Lernen werden auch zum Abbau alter und neuer Feindbilder immer wichtiger. Hierbei ist die Einbeziehung ausländischer MitbürgerInnen (Migranten, Flüchtlinge) unerläßlich, da diese häufig zur Rekrutierung und finanziellen Unterstützung für neue kriegerische Auseinandersetzungen in ihrem Heimatland herangezogen werden.