"Nein zum Fischer-Plan! Für einen fairen GRÜNEN Parteitag!"

Zu den Leitantrag-Eckpunkten des GRÜNEN Bundesvorstandes zum Sonderparteitag am 13.5. und zum Fischer-Plan erklären die InitiatorInnen der GRÜNEN Anti-Kriegs-Initiative, Ilka Schröder und Uli Cremer:

"Die Eckpunkte des Bundesvorstandes stehen unter dem Motto: Kritik ist nicht erwünscht! Sie pervertieren die Aussage "alle anderen Positionen zu respektieren", wenn den PazifistInnen in der Partei höhnisch zugerufen wird, man werde "die grundsätzliche Orientierung am Pazifismus ... nicht aufgeben.". Inhaltlich wird die Fortsetzung der bisherigen Kosovo-Regierungspolitik als "tragfähige Basis für einen großen Teil der Partei" ausgegeben. Dem entspricht die unfaire, ausgrenzende Anlage des Parteitages. Bisher sind lediglich gesetzte Beiträge für die Regierungslinie vorgesehen, die Abgeordneten um Christian Ströbele und die GRÜNE Anti-Kriegs-Initiative sollen ihre Positionen dagegen nicht im entsprechenden Rahmen darstellen können. Soll so "die Grundlage des gegenseitigen Respekts" aussehen, auf der wir "gut weiter zusammen arbeiten können und sollten"?

Die Eckpunkte verniedlichen den Krieg als "humanitäre Intervention". Wer in der gegenwärtigen Situation den Krieg mit all seinen Folgen für die Zivilbevölkerung und die Umwelt nicht als solchen beschreibt, verharmlost die Zerstörungen, die die NATO-Bombardements in Jugoslawien anrichten.

Abgesehen davon, daß Krieg nie das langfristig friedvolle Zusammenleben der Menschen fördern kann, zieht der Bundesvorstand keinerlei Konsequenzen aus der eigenen Analyse, daß die humanitäre Katastrophe durch die NATO-Kriegseinsätze beschleunigt wurde. Wer meint, "auf militärischen Druck gegen die serbische Seite" nicht verzichten zu können, hat nicht realisiert, daß sich die eigenen militärischen Allmachtfantasien der ersten Kriegstage als trügerisch erwiesen haben: "Humanitäre Hilfe" haben die NATO-Angriffe nicht geleistet, die Vertreibungen wurden systematisiert.

Die Forderung, die politische Ebene gegenüber der militärischen zu stärken (wer fordert das nicht?), trägt nicht besonders weit. Die Überlegung, eine mehrtägige Feuerpause für Hilfslieferungen zu fordern, ist unzureichend, zumal es in der Logik von Feuerpausen liegt, daß danach die Bombardements wieder aufgenommen werden. Es würden wieder die Mittel eingesetzt, die bereits in den letzten Wochen zur Lösung des Konflikts nichts beitragen konnten.

In der Konsequenz bejaht der Antrag den bisherigen Kurs der Bundesregierung und stellt sich hinter den Fischer-Plan. Aus unserer Sicht handelt es sich bei diesem Plan um ein Wiederkäuen altbekannter NATO-Positionen. Es ist ein Neuaufguß des Rambouillet-Vertrages, der bekanntlich nicht zuletzt an der NATO-Forderung nach Stationierung einer NATO-Truppe mit Bewegungsfreiheit in ganz Jugoslawien scheiterte. Unsere Kritik am Fischer-Plan betrifft folgende Punkte:

è Der Plan rückt keineswegs die UNO als Konfliktvermittlungsinstanz ins Zentrum, sondern die Rolle der UNO beschränkt sich darauf, Aktivitäten, die die NATO ohnehin vorhat, mit einer Legitimation zu versehen. Es geht also um die Instrumentalisierung der UNO.

è Der Plan sieht ein Kapitel VII Mandat für den Truppeneinsatz im Kosovo vor, die Zustimmung der beiden lokalen Konfliktparteien ist also nicht zwingend.

è Als Truppen sind nach wie vor NATO-Einheiten ergänzt um Truppen anderer Länder vorgesehen, sonst wäre die Erwähnung "no double key" (einheitlicher Befehlsstrang) unnötig. Es ist bekannt, daß die USA der UNO keine Truppen
unterstellt, also soll es sich wohl um einen NATO-Kommandostrang handeln. NATO-Truppen aus den USA, F, GB und D sind jedoch in dem Konflikt Kriegspartei und taugen nicht als neutrale Überwachungskräfte. Neu ist nur das Label: Jetzt kann auch UNO statt NATO auf den Helmen stehen.

è Der Plan übersieht, daß D als Kriegsteilnehmer keine neutrale Vermittlungsrolle spielen kann. Solange man selbst mitschießt, ist Zurückhaltung bei der Vermittlung angezeigt.

è Der Plan sieht wie gehabt vor, daß die andere Seite den ersten Schritt tun soll: Nur wenn sich die jugoslawischen Verbände zurückziehen, wird eine 24stündige Feuerpause ins Auge gefaßt. Bundesregierung und NATO würden jedoch politische Größe zeigen, wenn sie selbst den ersten Schritt gehen würden, indem sie die Luftangriffe gegen Jugoslawien einstellen. Nicht nur Belgrad kann den Konflikt beenden. Mit der Bibel könnte man die Bundesregierung fragen: "Was siehst Du aber den Splitter in Deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in Deinem Auge?" (Matthäus 7, 3)
Es ist zu befürchten, daß die gesamte politische Initiative am Ende nur eine innenpolitische Wirkung hat und dazu dient, die Akzeptanz für den Einsatz von Bodentruppen zu erhöhen, nach dem Motto "Wir haben alles versucht, nun müssen leider Truppen geschickt werden".

Wir lehnen den NATO-Angriffskrieg nach wie vor ab. Er entbehrt jeder rechtlichen Grundlage und seine humanitäre Motivation scheint äußerst fragwürdig. Denn wenn es um konkrete Unterstützung für Flüchtlinge geht, verstummen die NATO-Staaten. Statt dessen hat ein unerträgliches Geschachere um Aufnahmequoten eingesetzt.

Wir fordern, daß die NATO-Staaten als ersten Schritt ihr Bombardement sofort einstellen, um ein Signal für einen Waffenstillstand aller in Kosovo/a handelnden militärischen und paramilitärischen Einheiten der jugoslawische Regierung und der UCK zu geben. Von Seiten der jugoslawischen Regierung fordern wir einen sofortigen Stop der brutalen Vertreibungspolitik und der Menschenrechtsverletzungen, die durch nichts zu rechtfertigen sind. Ziel muß eine vollständige Entmilitarisierung Kosovo/as sein. Wir ermutigen alle an den Vertreibungen beteiligten jugoslawischen Soldaten und Polizisten zu desertieren und fordern von den deutschen Behörden bedingungslose Aufnahme dieser Personen."

Hamburg / Berlin 29.4.99