ZDF/ Zur Sendung "Kennzeichen D" am Mittwoch, 27. Oktober 1999, 22.25 Uhr /
Bundeswehr unterstützt türkisches Heer beim Aufbau eines C-Waffen-Labors;
Möglicher C-Waffenverstoß der Türkei mit deutschem KampfgasMainz (ots) - Nach Informationen des ZDF-Magazins "Kennzeichen D" unterstützt die Bundeswehr das türkische Heer beim Aufbau eines C-Waffen-Labors. In einem Schreiben der Militärabteilung der Türkischen Botschaft an das Bundesministerium der Verteidigung vom Juni dieses Jahres, das "Kennzeichen D" vorliegt, heißt es: "Das türkische Militär plant, durch die Unterstützung der Bundeswehr durch BWB (Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung; d. Red.) ein chemisch ortsfestes Laboratorium für Ausbildung und Testen [...] zu gründen."
In einem Expertentreffen deutscher und türkischer Offiziere im September dieses Jahres sollte die Zusammenarbeit konkretisiert werden. Wie aus einem Schreiben des Verteidigungsministeriums hervorgeht, sollte dabei unter anderem der "Beschaffungsumfang" und der "Ausbildungsbedarf" festgelegt werden sowie ein "Informationsaustausch über bauliche Anforderungen an ein C-Labor" stattfinden. Im September kam es in diesem Zusammenhang auf Einladung des Verteidigungsministeriums zu einem Treffen zwischen den türkischen Militärs und Vertretern von Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall im Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung in Koblenz.
Die Hilfsorganisation medico international kritisierte gegenüber "Kennzeichen D" scharf diese Rüstungskooperation im C-Bereich. Damit würde die türkische Armee technisch-wissenschaftliches Know-how aus Deutschland erhalten, "um unter Umständen C-Waffen herzustellen".
Nach Recherchen von "Kennzeichen D" liegen ernstzunehmende Hinweise vor, nach denen die Türkei unter Verwendung von deutschem Kampfgas gegen die C-Waffen-Konvention verstoßen hat. Demnach habe am 11. Mai dieses Jahres die türkische Armee in der Nähe von Balikaya südöstlich von Sirnak CS-Gas gegen PKK-Kämpfer eingesetzt, die sich in eine Höhle zurückgezogen hatten. Durch den Angriff waren nach PKK-Angaben 20 Aufständische umgekommen. Bei Untersuchungen der Munitionsreste am Rechtsmedizinischen Institut der LMU München konnte eindeutig CS-Gas festgestellt werden. Die CS-Gas Patronen wurden nach "Kennzeichen D"-Recherchen in Deutschland von Buck und Depyfag hergestellt und wurden mit entsprechenden Genehmigungen des Bundesministeriums für Wirtschaft seit 1995 in zwei Lieferungen als Proben in die Türkei exportiert.
Ein ehemaliges Mitglied der berüchtigten "Spezialteams" des türkischen Militärs bestätigte gegenüber "Kennzeichen D", dass die türkische Armee chemische Waffen im Kampf gegen die PKK eingesetzt habe. Dafür verfüge das türkische Militär über Spezialisten, die nach Bedarf angefordert werden können. Er selbst habe bei Einsätzen teilgenommen, bei denen PKK-Kämpfer sich in Höhlen verschanzt hätten und ein solcher Spezialist angefordert worden sei. Dieser habe sich in Schutzanzug und Gasmaske der Höhle genähert und mit einem Granatwerfer eine chemische Substanz in die Höhle gefeuert. "Und dann ist das alles drin vergast, es hat mit Sicherheit keiner überlebt", erklärte der Ex-Militär gegenüber "Kennzeichen D". Weder der Chemie-Spezialist noch ein Mitglied des Spezialteams wäre im Anschluss an diese Operation in die Höhle gegangen, um einen Kontakt mit der chemischen Substanz zu vermeiden. Der Ex-Militär wurde von einem Experten bei amnesty international als "rundum glaubwürdig" eingestuft .
Gegenüber "Kennzeichen D" bewerten renommierte Völkerrechtsexperten wie Thilo Marauhn vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg die Verwendung von CS-Gas im Kampf gegen die PKK als eindeutigen Verstoß gegen die C-Waffen-Konvention, welche die Türkei 1993 unterzeichnet und 1997 ratifiziert hat. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch fordert gegenüber "Kennzeichen D", dass der Vorfall von der zuständigen UN-Organisation OPCW in Den Haag untersucht wird. Die OPCW kann nur auf Antrag eines Mitgliedsstaates eine Untersuchung einleiten, die klären kann, ob ein Verstoß gegen die C-Waffenkonvention vorliegt. Ernst Jan Hogendoorn von Human Rights Watch in Washington, sagte "Kennzeichen D": "Wenn Deutschland diese Munition der Türkei geliefert hat, dann hat die deutsche Regierung eine Verantwortung, dass dieser Vorfall untersucht wird."
ots Originaltext: ZDF
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