Bündnis 90 / Die Grünen Niedersachsen 03. November 2001 Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz
Die entsetzlichen Anschläge vom 11.9.2001, denen mehr als 5000
Menschen aus über 60 Nationen zum Opfer gefallen sind, waren
ein verbrecherischer Anschlag auf die Grundwer-te des menschlichen
Zusammenlebens und die Ziele offener und ziviler Gesellschaften. 1. Wir teilen die Feststellung des UN-Sicherheitsrates, dass die Anschläge vom 11.9.2001 eine Bedrohung des Weltfriedens darstellen. Wir unterstützen die Forde-rung des Sicherheitsrates, dass die Verantwortlichen dieser Anschläge zur Rechen-schaft gezogen werden. 2. Die USA haben sich der Unterstützung vieler Regierungen wie auch der Nachbar-staaten Afghanistans versichert. Die weiteren Schritte der Terrorismusbekämpfung müssen aber unter Autorität der UN und ihres Sicherheitsrates erfolgen. Die Defini-tion von Terrorismus darf nicht beliebig sein und nicht als Vorwand für staatliche Menschenrechtsverletzungen gegen Minderheiten dienen. Wir dürfen dabei nicht zulassen, dass Formen legitimen Widerstands gegen eine Diktatur unter Terroris-musverdacht gestellt werden. 3. Je länger die Kriegshandlungen in Afghanistan anhalten und die Zahl der Opfer steigt, um so gefährdeter ist die zerbrechliche Allianz mit und zwischen den arabi-schen bzw. muslimischen Staaten. Das Risiko von Bürgerkriegen und Gewalttaten steigt an. Es muss verhindert werden, weitere Muslime in die Arme der Extremisten zu treiben. Die Praxis, terroristische und militarisierte Gruppen oder Führungspersonen zu unterstützen und aufzurüsten, wenn sie für die jeweiligen Ziele nützlich waren, muss beendet werden. 4. Millionen Afghanen sind vor den herrschenden Taliban geflohen. Hinzu kommen eine seit drei Jahren andauernde Dürre und die systematischen Menschenrechtsver-letzungen durch die Taliban, die das Land in eine katastrophale Situation geführt haben. Die ohnehin unhaltbare humanitäre Situation der Bevölkerung Afghanistans und der Flüchtlinge innerhalb und außerhalb des Landes verschlechtert sich drama-tisch, ein Massensterben im bevorstehenden Winter ist zu befürchten. Oberstes Ziel der Aktivitäten in Afghanistan und in den Anrainerstaaten muss die Verhinderung einer humanitären Katastrophe sein, für die die Beendigung des Krieges eine Vorrau-setzung ist . 5. Wir unterstützen die Forderung unserer Bundesvorsitzenden
Claudia Roth nach Ein-stellung der US-amerikanischen Bombardements
in Afghanistan. 6. Alle Maßnahmen müssen sich zielgenau und verhältnismäßig
gegen die Terroristen und das unterstützende Taliban-Regime richten,
nicht gegen die afghanische Zivil-bevölkerung. Militärische
Schläge, die immer auch Zivilisten in Mitleidenschaft zie-hen
(sog. "Kollateralschäden"), können Märtyrer
schaffen und dadurch zu weiteren Solidarisierungseffekten gegen die
internationale Allianz beitragen. 7. Zur wirksamen Bekämpfung des Terrorismus ist ein Bündel von Maßnahmen not-wendig. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern eine grundsätzliche Neuausrichtung der Sicherheitspolitik. Dabei muss im Vordergrund stehen, wie neuen globalen Be-drohungen durch Krisenprävention, durch zivile Konfliktbearbeitung, durch Schaf-fung globaler Gerechtigkeit und durch faire Lösung von Regionalkonflikten begeg-net werden kann. Dazu gehört auch, dass sich die Bundesregierung für einen sofor-tigen Stopp von Waffenlieferungen in die Region einsetzt. Um dem Terrorismus den Nährboden zu entziehen, ist die Überwindung
ungerech-ter weltwirtschaftlicher Verhältnisse durch eine ökologisch-soziale
Strukturpolitik nö-tig. Dazu zählen neben einer gerechteren
Handelspolitik auch umfangreiche Schul-denerlasse, die über die
beim Kölner G8-Gipfel initiierten Maßnahmen für die
ärms-ten Länder hinausgehen, ein internationales Insolvenzrecht,
Maßnahmen zur Dämp-fung der Spekulation und die Konfiszierung
kriminell erwirtschafteter oder kriminel-len Zielen dienender Vermögen.
Außerdem fordern wir, dass die Banken Einblicke in Kontobewegungen
ermöglichen. Zudem müssen Steueroasen ausgetrocknet und
aufgehoben werden, die unerkannte Vermögensakkumulationen für
Kriegsfürsten und Terrororganisationen ermöglichen. 8. Die EU muss verstärkt eigene außenpolitische Akzente
setzen und friedenspolitische Initiativen in Krisenregionen vorantreiben.
Dazu gehört auch die Verankerung von Frauenpolitik in die Außen-
und Internationale Politik. 9. Jeder Terrorakt macht die Welt ein Stück unmenschlicher.
Jede derartige Gewalt, die aus der Sicht der Täter "erfolgreich"
ist, stärkt fundamentalistische Strömungen und schwächt
die Kräfte, die demokratische Rechte, Frauenrechte, friedliche
Formen der Konfliktlösung und rechtsstaatliche Strukturen einfordern.
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