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Dieser Artikel erschien am Freitag 21. September 2001 im Schwäbischen
Tagblatt (Lokalzeitung für Tübingen):

Der Krieg, die Grünen und ich

Als Pazifist Mitglied der Grünen? In diesen Tagen scheint dies ein Widerspruch zu sein. Seit ein paar Monaten bin ich Mitglied bei den Grünen und bei deren Jugendverband, der Grünen Jugend. In dieser Zeit habe ich neue Einblicke in die aktuelle politische Lage und das Handeln grüner PolitikerInnen erhalten. Meine ursprünglich unkritisch-naive Einstellung gegenüber der Politik der Grünen und der rot-grünen Bundesregierung hat sich durch diese Einblicke in ein kritisch-distanziertes Verhältnis zu grünen SpitzenpolitikerInnen und aktueller grüner Politik gewandelt.
Auch mir war klar, dass Regierungsbeteiligung in einer Bundesregierung große Kompromisse erfordert. Den Koalitionsvertrag sah ich als einen solchen zwar großen, aber vertretbaren Kompromiss an. Doch wenn man z.B.
den friedenspolitischen Abschnitt des Koalitionsvertrags mit dem Regierungshandeln vergleicht, fällt es schwer, Gemeinsamkeiten zu finden.

Die Grünen sind unter anderem aus der Friedensbewegung hervorgegangen. Ihre pazifistische Einstellung hat der Partei viele SymphatisantInnen, WählerInnen, UnterstützerInnen und Mitglieder gebracht. Doch diese wurden
und werden durch die Regierungsbeteiligung auf Bundesebene in zunehmendem Maße von der Partei enttäuscht und wenden sich ab.
Der Beschluss des Parteirats und der großen Mehrheit der Bundestagsfraktion, der Feststellung des Bündnisfalles zuzustimmen, wird von vielen als Befürwortung der neuen NATO-Interventions-Strategie gewertet. Das ist meiner Ansicht nach nicht der Fall. Die Mehrheit der Partei ist in dieser Frage (noch) nicht auf "Fischer-Kurs". Der Beschluss hat deshalb so große Zustimmung bei den grünen Gremien gefunden, weil er ein Wischi-Waschi-Kompromiss ist, dem fast alle zustimmen können, da man ihn unterschiedlich interpretieren kann.

Der Tübinger Abgeordnete Winfried Hermann hat dem Beschluss nicht zugestimmt und hat sich klar gegen militärische Vergeltungsschläge ausgesprochen. Seine Position und die Äußerungen vieler anderer Grüner geben Anlass zur Hoffnung, dass die Grünen nicht von der Antikriegspartei zu einer Kriegspartei werden.

Frederico Elwing

 

 

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