ZDF-Interview mit Ludger Volmer
Der Staatsminister im Gespräch mit Patricia Schäfer
Der Staatsminister im Auswärtigen Amt äußerte sich im Morgenmagazin zur deutschen Politik gegenüber Indonesien und den Chancen auf eine Entsendung von UN-Truppen nach Ost-Timor. ZDF.MSNBC dokumentiert das Interview im Wortlaut.
PATRICIA SCHÄFER: Nach Menschenrechtsgruppen fordern nun auch die großen Kirchen in Deutschland ein
schnelles Eingreifen der UNO in Ost-Timor. Warum sperrt sich die Bundesregierung dagegen?
LUDGER VOLMER: Die Bundesregierung sperrt sich überhaupt nicht dagegen. Wir haben auf allen Ebenen versucht, die indonesische Regierung dazu zu bewegen, den Greueltaten ein Ende zu machen. Parallel versuchen wir auf internationaler Ebene, insbesondere auf der Ebene der UNO, politische Bündnisse zusammenzubekommen für eine Form des Eingreifens, die die indonesiche Regierung zum Einlenken bringt. Die Vorwürfe, die ich aus Ihrer Frage
entnehme, sind völlig unberechtigt.
PATRICIA SCHÄFER: Letztlich ist es aber wirklich eine Frage von Tagen, es muss schnell gehen, wenn man wirklich verhindern will, dass in Ost-Timor ein Genozid stattfindet. Im Kosovo hat die Staatengemeinschaft auch eingegriffen, im Namen der Menschenrechte. Nimmt denn die Verantwortung für die Menschenrechte ab mit der geographischen Entfernung?
LUDGER VOLMER: Nein, die Verantwortung bleibt bestehen, aber man muss sehen, welche Möglichkeiten man
real hat. Es gibt Widerstände in der UNO gegen ein Eingreifen, dem nicht die indonesische Regierung zustimmt. Man würde nie ein Mandat im Sicherheitsrat bekommen, wenn die indonesische Regierung nicht zustimmt. Das haben China und Rußland angekündigt. So etwas wäre nämlich ein Kampfeinsatz. Und ein Einsatz mit Zustimmung der
indonesischen Regierung, ein Kapitel 6 Einsatz - ein Blauhelm-Einsatz-, ist zur Zeit nicht möglich, weil eben diese
Zustimmung fehlt. Deshalb richtet sich die Hauptanstrengung der Staatengemeinschaft darauf, Präsidenten Habibi zu
dieser Zustimmung zu bewegen.
Ich bin der Meinung, dass man dafür auch Wirtschaftssanktionen androhen müsste. Außenminister Fischer, auch andere Staaten, haben sich in dieser Richtung geäußert. Da gäbe es viel zu tun. Aber auch dafür braucht man Bündnisse, damit solche Wirtschaftssanktionen effektiv sind. Das kann man zwar im staatlichen Alleingang tun, aber
das wäre dann höchstens ein Nadelstich.
PATRICIA SCHÄFER: Australien hat das bereits getan. Deutschland ist der größte Wirtschaftspartner Indonesiens. Warum kann die Bundesregierung nicht sagen: Wir als größter und damit mächtiger Faktor können da sofort von uns aus tätig werden?
LUDGER VOLMER: Weil das privatwirtschaftliche Beziehungen sind, in die wir nicht ohne weiteres eingreifen
können. Wir können nur die staatlich-vermittelte Wirtschaftspolitik beeinflussen, das ist etwa die Finanzpolitik des IWF und der Weltbank. Und in dieser Richtung sind wir auch tätig geworden. IWF und Weltbank geben Indonesien hohe Kredite, diese wiederum sind Voraussetzungen dafür, dass Privatkredite fließen. An dieser Stelle ist Indonesien
politisch verwundbar. Wir plädieren dafür, Indonesien finanzpolitische Sanktionen anzudrohen.
Darüber hinaus könnte man, und das ist ein Vorschlag, den man diskutieren muss, etwa der indonesischen
Fluggesellschaft die Lande- und Startrechte in der Bundesrepublik entziehen. Und was ich das wichtigste finde, auch wenn es zur Zeit nur symbolisch aussieht: Die alte Regierung Helmut Kohl hat der damals schon diktarorischen indonesischen Regierung Waffen der ehemaligen Nationalen Volksarmee, insbesondere Kriegsschiffe, geschickt, die nun das Militärpotential der indonesischen Regierung verstärken. Und das mindeste, was wir tun können, ist, zu verhindern, dass es Ersatzteillieferungen gibt für diese Schiffe.
PATRICIA SCHÄFER: Aber auch das spricht doch für ein schnelles Handeln, oder?
LUDGER VOLMER: Wir können nicht alleine handeln. Wir können nicht die Bundeswehr nach Ost-Timor
schicken. Ich warne auch davor, dass alle Hobby-Strategen meinen, abenteuerliche Vorschläge machen zu müssen.
Die Bundesrepublik handelt, sie handelt im Rahmen der Europäischen Union. Dort hat Portugal zur Zeit eine Art
Federführung. Wir unterstützen Portugal. Die die Europäische Union handelt mit ihren Vertretern im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Unsere Positionen dazu sind eindeutig. Aber wichtiger dazu sind vielleicht die Meinungen der
Anliegerstaaten des Süd-Pazifiks. Es hat sich in der internationalen Sicherheitspolitik so eine Art Regionalprinzip durchgesetzt, das ist auch der Unterschied zwischen dem Eingreifen im Kosovo und dem Süd-Pazifik. Hier sieht Australien sich besonders in der Verantwortung, was wir sehr begrüßen. Und wir hoffen, dass wir die Voraussetzungen schaffen, dass Australien und Thailand mit Blauhelmen eingreifen können. Aber Voraussetzung dafür ist die Zustimmung der indonesischen Regierung. Wir üben Druck aus, aber wir haben nicht die Möglichkeit auf den
Knopf zu drücken und dann funktioniert alles.
10. September 1999