Weniger ist mehr!

Überlegungen zu einer sicherheitspolitisch und technologisch orientierten Modernisierung der Bundeswehr

 

Angelika Beer, verteidigungspolitische Sprecherin

Gliederung:

1. Einleitung

2. Sicherheitspolitische Rahmenbedingungen

3. Für eine Reform der Sicherheitspolitik

4. Folgerungen für die Reform der Bundeswehr

5. Ökonomische Aspekte

6. Zusammenfassung

1. Einleitung

Die rot-grüne Bundesregierung ist mit dem Ziel einer Umorientierung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik angetreten. Der zentrale Satz der Koalitionsvereinbarung lautet: "Deutsche Außenpolitik ist Friedenspolitik". Diese Umorientierung wird zeigen, ob die rot-grüne Regierung aus den Veränderungen seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes die zeitgemäßen Konsequenzen zieht und die sicherheits- und friedenspolitischen Herausforderungen der Gegenwart annimmt. Dies erfordert auch einen Wandel der Bundeswehr.

Die Reform der Streitkräfte muß von einer Stärkung der präventiven Elemente in der Außen- und Sicherheitspolitik begleitet werden. Es liegt im Interesse der Bundesrepublik, die Reform ihrer Streitkräfte in eine Reform der Außen- und Sicherheitspolitik einzubetten. Eine solche präventive Außen- und Sicherheitspolitik umfaßt Elemente wie Konfliktfrüherkennung, internationale Strukturpolitik, Gewalt- und Konfliktprävention, die Förderung der zivilen Konfliktbearbeitung, der Konfliktregelung mit nicht-militärischen Mitteln und die Stärkung Internationalen Rechts sowie internationaler Strukturen und Organisationen wie UNO und OSZE. Ihre Mittel sind Selbsteinbindung, Selbstbeschränkung und die Weiterentwicklung multilateraler Politikansätze. In diesen Kontext müssen die Streitkräfte heute eingebunden werden.

Das heißt für die Aufgabenstellung deutscher Streitkräfte: Eine zeitgemäße Bundeswehr ist nicht Mittel der gewaltsamen Durchsetzung nationaler Interessen. Die Rolle des Militärs ist dabei sich zu verändern: traditionalistische Vorstellungen, die vom Soldaten als Beruf sui generis ausgehen, werden dem Bild des Soldaten mit mehrdimensionalen Aufgaben weichen müssen. Der Abschied von strukturkonservativen Ansätzen für Militärpolitik ist überfällig. Im postnationalen Zeitalter wird Militär multilateral in erster Linie für Zwecke der Stabilisierung internationaler Konfliktlagen und zur Gewaltverhinderung eingesetzt werden. Dies entspricht zwei längerfristigen Trends in den internationalen Beziehungen: der Herausbildung einer Gesellschaftswelt, die die Bedeutung der Staatenwelt relativiert und die Herausbildung der OECD-Welt, in der Konflikte und Interessengegensätze mit diplomatischen und ökonomischen Mitteln bearbeitet werden.

Die grundsätzliche Bindung von Militäreinsätzen an völkerrechtliche Grundsätze ist dabei eine zwingende Notwendigkeit.

Die bundesdeutschen Streitkräfte, ihr Umfang, ihre Fähigkeiten und ihre finanzielle Ausstattung sind heute jedoch - aufgrund der Versäumnisse der letzten 8-10 Jahre - weitgehend noch an den Anforderungen und dem technischen Stand des Kalten Krieges ausgerichtet. Sie wurden nur sehr bedingt an die jüngsten sicherheitspolitischen Entwicklungen, an neue Anforderungen und die technischen Umbrüche des letzten Jahrzehntes angepaßt. Unzureichend strukturelle Reformen haben die Bundeswehr in eine Sackgasse geführt, aus der sie – auch um ihrer Zukunftsfähigkeit willen – wieder herausgeführt werden muß.

Ein Umbau der Bundeswehr muß zu einer deutlichen Verkleinerung der Bundeswehr, einer strukturellen Absenkung des Verteidigungshaushaltes, einer ausgewogeneren Ressourcenverteilung zwischen militärischen und nicht-militärischen Mitteln der Konfliktbearbeitung, sowie zu einer Bundeswehrstruktur führen, die auch über den hier angedachten Zeithorizont hinaus, abrüstungskompatibel bleibt.

Dieser Text konzentriert sich auf die Reform und Modernisierung der Streitkräfte und die Frage, wie diese zu einer Außenpolitik, die Friedenspolitik ist, ihren Beitrag leisten können. Er stellt die Bedeutung, den Vorrang und Notwendigkeit der Schaffung und des Ausbaus nicht-militärischer Mittel für die Krisenvorbeugung, das Krisenmanagement und die Gestaltung einer solchen Außenpolitik nicht in Frage, im Gegenteil: militärisches Krisenmanagement darf nur angewendet werden, wenn die zivilen Mittel nicht erfolgreich oder erschöpfend angewendet wurden und wenn bestimmte, definierte politische und völkerrechtliche Kriterien erfüllt sind.

2. Sicherheitspolitische Rahmenbedingungen

Nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes hat sich die sicherheitspolitischen Situation für die Bundesrepublik grundlegend gewandelt. Eine existentielle militärisch-konventionelle Bedrohung gibt es nicht mehr und ist auch für eine vorhersehbare Zeit nicht zu erwarten. Die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse machen eine militärische Erweiterung von Herrschaftsräumen zwischen der Staaten der OECD-Welt extrem unwahrscheinlich. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Kooperation und Integration - vermittelt über internationale Institutionen – haben zu einer deutlichen Verregelung der zwischenstaatlichen Beziehungen geführt. An die Stelle militärischer Machtausübung ist die Bearbeitung von Konflikten innerhalb der OECD-Welt im Rahmen internationaler Organisationen oder Regime getreten

Staaten und Bevölkerungsgruppen, die von dieser Entwicklung ausgenommen sind, stellen die geographischen Regionen dar, in den inner- und zwischenstaatliche Gewalt zunehmen. In Europa sind davon vor allem die Transformationsstaaten im ost- und südosteuropäischen Raum betroffen. Daher sehen sich heute die europäischen Staaten durch vielfältige Konfliktursachen bedingter Instabilität in Teilen des europäischen Raumes und an manchen seiner Rändern gegenüber. Diese Konflikte können, sofern im Falle eines gewaltsamen Austrags negative Auswirkungen auf die Zukunft europäischer Sicherheit und den Aufbau einer gesamteuropäischen Friedensordnung haben.

Die Mehrzahl der Risiken für die Sicherheit der Menschen in Deutschland und Europa gehen jedoch nicht mehr von militärisch beeinflußbaren Faktoren aus. Ökonomische und ökologische Krisen, Verknappung der Ressourcen sowie der Zerfall staatlicher Strukturen und ethnopolitisch überformte Konflikte gefährden die Sicherheit der Menschen. Einige der Risiken tragen ein hohes Gewaltpotential in sich, daher sollten Gewaltprävention und -verhinderung zukünftig vorrangige Aufgabe der Politik sein.

Die europäischen Sicherheitsstrukturen von der Europäischen Union über den Europäischen Rat, die OSZE bis hin zur NATO und WEU dienen diesem Interesse und zeigen die gesamte Bandbreite eines politisch-ökonomisch-militärischen Sicherheitsbegriffes auf, aus dem sie erwachsen sind. Die NATO, gegründet als Bündnis zur kollektiven Verteidigung des Territoriums seiner Mitglieder, steht vor grundlegenden Veränderungen. Sie übernimmt zunehmend Aufgaben aus den Bereichen kollektiver und kooperativer Sicherheit, ohne jedoch selbst ein System kollektiver Sicherheit darzustellen.

Die Diskussion über das strategische Konzept der NATO hat unterschiedliche -Auffassungen über die zukünftigen Aufgaben deutlich gemacht: Soll die NATO in Zukunft ihre ursprüngliche Aufgabe der kollektiven Verteidigung zugunsten der Durchsetzung von Interessen über die Bündnisgrenzen hinaus zurückdrängen? Eine solch extensive Auslegung des NATO-Vertrages ist im Bündnis strittig. In Deutschland besteht ein weitgehender Konsens über die Begrenzung der Aufgaben des Bündnisses. Forderungen, militärische Einsätze der Allianz von der Notwendigkeit eines Mandates der Vereinten Nationen oder der OSZE zu entkoppeln, sind ebenfalls umstritten. Über das Problem ihrer völkerrechtlichen Fragwürdigkeit hinaus werfen sie die Frage auf, ob sie nicht zu einer politisch nicht vertretbaren Schwächung der Vereinten Nationen und der OSZE führen oder beitragen.

Im Festhalten der europäischen NATO-Staaten an der Allianz kommt weiterhin deren Interesse an einer gemeinsam organisierten Verteidigung und an der Allianz als Teil der transatlantischen Kooperation zum Ausdruck. Dies reflektiert die Einsicht, daß Sicherheit in gleichem Ausmaß national kaum zu finanzieren ist. Zudem spiegelt sich darin die Auffassung, daß auch künftig der transatlantische Sicherheitsverbund und die transatlantische Kooperation wünschenswert bleibt.

Die Entwicklung der NATO ist dabei ambivalent. Nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes wurde ihre Grundlage in Frage gestellt und die NATO hat sich in einem längeren Prozeß neue Aufgaben gegeben. Prozesse wie die NATO-Osterweiterung sind in Europa kontrovers diskutiert worden. Durch eine kooperative Sicherheitsstrategie, wie zum Beispiel die NATO-Rußland-Charta wurden negative Auswirkungen abgemildert, das Mißtrauen in Europa jedoch nicht völlig beseitigt.

Die Europäische Union hat im Amsterdamer Vertrag die Weiterentwicklung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) beschlossen. Die Staaten der Europäischen Union wollen die GASP zu einer Gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GESVP) weiterentwickeln. Dies impliziert, sie durch eine militärische Komponente zu ergänzen. Diese soll es der EU ermöglichen, für Fälle, in denen die USA zum Krisen- und Konfliktmanagement nicht zur Verfügung stehen, glaubwürdige, eigenständige militärische Handlungsoptionen für den europäischen Raum aufzubauen. Der europäische Beitrag zur kollektiven Verteidigung sowie zum europäischen Krisenmanagement unter Rückgriff auf die militärischen Mittel der NATO bzw. der USA sollen im Rahmen des NATO-Konzeptes der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität (ESVI) weiterentwickelt und ausgebaut werden.

Darüber hinaus sollen im Kontext der GESVP aber auch Schritt für Schritt aufwachsende Möglichkeiten zu einem eigenständigen Beitrag der EU zum militärischen Krisenmanagement der EU entstehen. Damit sollen die Voraussetzungen für eine eigenständige politisch-militärische Entscheidungsfindung im Rahmen der GASP verbessert werden. Das europäische Gewicht in der NATO soll auf diesem Wege gestärkt werden; Kooperationsmöglichkeiten mit Rußland sollen genutzt werden. Dies muß im Einklang mit einem verstärkten Ausbau der Ausbau der Mittel für Prävention und zivile Konfliktbearbeitung im Rahmen der GASP geschehen.

Auch wenn es in den nächsten 20 Jahre nicht zu einer vollständigen Vergemeinschaftung der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik kommen wird, so soll, wie im Amsterdamer Vertrag vereinbart, doch zumindest das militärische Krisenmanagement (Petersberger Aufgaben) bereits heute zur Gemeinschaftsaufgabe der EU-Staaten werden. Die erforderlichen Kapazitäten und Fähigkeiten sollen auf europäischer Ebene geschaffen und integriert werden. Die europäischen Staaten sollen ihre nationalen Beiträge zu Verteidigung und Krisenmanagement - angepaßt und ausgerichtet an den sicherheitspolitischen Notwendigkeiten, den ökonomischen Fähigkeiten und ihren nationalen Interessen - im Kontext von NATO/ESVI und EU/GESVP koordinieren. Dabei ist darauf zu achten, daß der Aufbau einer gemeinsamen Europäischen Sicherheitspolitik keine destabilisierenden Wirkungen auf die transatlantischen Beziehungen hat.

Für Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland bedeutet dies aus grüner Sicht: In der Mitte eines stabilen Sicherheitsraumes in Europa gelegen, ist Deutschland militärisch nicht direkt bedroht, ist Landesverteidigung immer Bündnisverteidigung. Als ökonomisch stärkster Staat Europas kann es einen seiner Bedeutung und seinem Gewicht entsprechenden, gewichtigen Beitrag zu Bündnisverteidigung und internationalen Krisenmanagement leisten und zugleich durch eine Politik der konstruktiven Selbsteinbindung einen wesentlichen Beitrag zur europäischen Stabilisierungsfunktion der NATO wie auch zum Entstehen einer vergemeinschafteten Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Rahmen der EU und funktionsfähiger, künftiger Mechanismen kollektiver Sicherheit leisten. Deutschland kann daher auf die Fähigkeit zu nationaler Landesverteidigung weitestgehend verzichten. Zugleich erfordert die Gemeinschaftsaufgabe der Bündnisverteidigung und des multilateralen Krisenmanagements, daß Deutschland sich mit politischen, ökonomischen, aber auch militärischen Mitteln beteiligt. Die Politik der Selbsteinbindung und ein angemessener, rechtzeitig verfügbarer bundesdeutscher Beitrag zu präventiver Sicherheitspolitik sowie zum nicht-militärischen und militärischen Krisenmanagement sichern der Bundesrepublik Mitsprache und Einfluß auf die zu treffenden Entscheidungen im internationalen Kontext.

Für die Aufgaben der Bündnisverteidigung und des Krisenmanagements im multilateralen Verbund der NATO- oder EU-Staaten sind sehr ähnliche militärische Fähigkeiten erforderlich. Bündnisverteidigung und Krisenmanagement erfordern die Restrukturierung der Bundeswehr hin zu einer Armee, die angemessene, hervorragend ausgebildete und adäquat ausgestattete Kräfte von geringer Mobilisierungsabhängigkeit in Europa, sowie seinen Rand- und Nachbargebieten zum Einsatz bringen kann. Erforderlich sind Kräfte, die durch hohe Mobilität, technische und operative Überlegenheit, Führbarkeit und flexible Einsatzmöglichkeiten im Kontext multinationaler und internationaler Einsätze gekennzeichnet sind.

Dies ist weder bei den Grünen noch in Deutschland Konsens. Die Hoffnungen auf die Regelung von Konflikten nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes haben sich nur zum Teil erfüllt, zum Teil sind durch gesellschaftlichen Zerfallsprozesse und Nachfolgekämpfe neue brutale Konflikte und Kriege entstanden. Daher stehen wir vor neuen Aufgaben in der Sicherheitspolitik. Wir müssen eine Diskussion über die zukünftige Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland führen, in der geklärt wird, welche sicherheitspolitischen Aufgaben die Gesellschaft zu übernehmen bereit ist.

3. Für eine Reform der Sicherheitspolitik

Es liegt im Interesse der Bundesrepublik, die Reform ihrer Streitkräfte in eine Reform der Außen- und Sicherheitspolitik einzubetten. Diese muß auf die Prävention, Einhegung und Minimierung von Gewaltdrohung und Gewaltanwendung in den internationalen Beziehungen ausgerichtet sein. Eine ausgeprägt präventive Sicherheitspolitik mit nicht-militärischen Mitteln liegt jedoch nicht nur im Interesse der Bundesrepublik, sondern knüpft an die außenpolitische Rolle während des Ost-West-Konfliktes an, die in erster Linie durch Selbsteinbindung und eine primär ökonomisch und zivil ausgerichtete Politik begründet war, ist und bleiben sollte.

Präventive Sicherheitspolitik erfordert eine vorausschauende und langfristig orientierte Politik, die ihre Hauptaufgabe in der Reduzierung des Einflusses jener Faktoren sieht, die gewalttätige, kriegerische Auseinandersetzungen hervorrufen oder befördern und somit die Sicherheit der Bundesrepublik und den Frieden in Europa direkt oder indirekt gefährden können. Solche Faktoren sind u.a. wirtschaftliche und soziale Ungerechtigkeit, Unfreiheit (z.B. Menschenrechtsverletzungen), soziale Not und innerstaatliche wie zwischenstaatliche Gewalt. Sicherheitspolitik wird zu Friedenspolitik, zu einem Prozeß der Friedensgestaltung, wenn sie kontinuierlich bemüht ist, diese Faktoren zu minimieren und dies unter (weitgehendem) Verzicht auf den Einsatz von Mitteln tut, die ihrerseits die Wirksamkeit dieser Faktoren verstärken könnten. Das Gebot der Gewaltminimierung gilt also selbstverständlich auch für das eigene Handeln.

Der Zweck einer präventiven Sicherheitspolitik für die Bundesrepublik Deutschland ist eine langfristig angelegte Politik zur Reduzierung und Vermeidung der Gewalt und zur Herstellung von politischer Ordnung die Frieden in der internationalen Politik realisieren hilft. Friedenspolitik ist dann nicht nur der sparsame und sinnvolle oder ausbleibende Gebrauch der eigenen Streitkräfte. Vorausgehen muß die Bemühungen um nationale Rechtsordnungen sowie regionale und internationale Strukturen, die den Frieden sicherer machen. Dazu müssen national und international Instrumente geschaffen und weiterentwickelt werden, die das frühzeitige Erkennen von sich anbahnenden Konflikten und Krisen und ihrer möglichst gewaltlose Regelung und Bearbeitung sichern. Und die Nutzung und Förderung wissenschaftlicher Erkenntnisse, die beides stärken und korrigieren helfen, um Kosten für Versuch und Irrtum in der Politik zu minimieren.

Internationale Strukturpolitik heißt dann konkret auf einer langfristigen Zeitachse, ein dauerhaftes internationales Friedens- und Sicherheitssystem demokratischer Staaten auf der Basis kollektiver Sicherheit zu fördern, in der bei aller multikultureller und notwendiger Vielfältigkeit ein Kernkatalog von Menschenrechten gilt, internationales Völkerrecht die Rechtssicherheit erhöht und eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung zu einem Ausgleich beiträgt. Alle Faktoren zusammen sollen die Voraussetzungen für einen friedlichen Interessen- und Konfliktaustrag verbessern. Dies entspricht unserer Politik Völkerrecht, Menschenrechte, Demokratie und die Vereinten Nationen als internationales kollektives Sicherheitssystem zu stärken, auch wenn klar ist, daß die VN über Jahrzehnte weiter Mängel aufweisen werden. Hier setzt mittelfristige Strukturpolitik ein, die regionale Organisationen unterstützt, die Regional die gleichen Zwecke verfolgen kann gegen alle Widerstände. Und später, wenn die Zeit reif ist, die Möglichkeit bieten, sie im Rahmen der VN zusammenzufassen. Kurzfristig ist dies eine Politik, die mit den vorhandenen nationalen Mitteln Kooperation und Integration in europäischen Strukturen fördert.

Das Element Gewaltprävention zielt langfristig auf die Stärkung regionaler und internationaler kollektiver Sicherheit und der Instrumentarien der Agenda für den Frieden. Mittelfristig sind daher nichtmilitärische Druckmittel wie Sanktionsmechanismen, Embargopolitik zu fördern, sowie positive Anreize wie im Rahmen von internationaler Strukturpolitik und wirtschaftlicher Unterstützung und eine maßvolle Menschenrechtspolitik, die den Rechtsschutz für Menschen in den Mittelpunkt stellt. Dafür müssen wir die Instrumentarien zur Früherkennung und rechtzeitigen Bearbeitung von Konflikten auf nationaler und internationaler Ebene schaffen, und soweit in Ansätzen vorhanden, stärken. Kurzfristig wollen wir vor allem die nationalen Mittel und Instrumentarien einer präventiven Außen- und Sicherheitspolitik entwickeln und verbessern.

Die konstruktive Gewaltbearbeitung ist das zu entwickelnde Kernstück der präventiven Außen- und Sicherheitspolitik einer grünen Partei. Sie zielt auf die Entwicklung, Einrichtung und Nutzung von Institutionen, Instrumentarien, Strategien und Handlungskonzepten, die der Verhinderung und Eindämmung von Gewalt, bzw. der Transformation von gewaltsamer Eskalation dienen.

Die Handlungskonzepte für eine "Präventiven Sicherheitspolitik" müssen parallelen zu einer neuen Verteidigungs- und Rüstungskontrollpolitik entwickelt werden. Dabei ist die "präventive Sicherheitspolitik konzeptionell maßgebend für die Felder Verteidigungs- und Rüstungskontrollpolitik. Die Kommission "Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr gibt uns die Chance dazu. Insbesondere darf die "Präventive Sicherheitspolitik" nicht zu einem Alibi für die notwendigen Kompromisse im Verhältnis zur herkömmlichen Politik verkommen. Daher müssen für eine ernsthafte "Präventive Sicherheitspolitik" nationale und internationale Instrumente geschaffen werden, mit denen sich der Wert einer solchen Politik im Gegensatz zur bisherigen Praxis von Außen- und Sicherheitspolitik feststellen läßt.

Allerdings auch dann sollte man nicht erwarten, daß man damit nun alle gewaltsamen Konflikte der Welt verhindern könne. Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik bewegen sich nicht mehr im nationalen Rahmen. Internationale Rahmenbedingungen sind sowohl von Deutschland als auch von einer deutschen grünen Partei kaum oder wenig beeinflußbar. Doch kommt es darauf an, auch vor einem kurz- und mittelfristigen Zeithorizont die Rolle des Militärs in der internationalen Politik, insbesondere wenn die Bundesrepublik Deutschland beteiligt ist, zu reduzieren. Eine solche Politik ist auch im Interesse der Soldaten der Bundeswehr, denen ein Einsatz nur zu zu muten ist, wenn man vorher alles getan, um ihn zu verhindern.

Gerade der Kosovo-Konflikt, seine gewaltsame Austragungsform und auch die Fehler und Mängel der Politik der NATO haben gezeigt, daß eine Reform der Außen- und Sicherheitspolitik dringend notwendig ist. Mag der eine oder andere international und national den Kosovo-Einsatz als den Musterfall für zukünftige Politik verstehen, wir sollten alles daran setzen, daß er in jeder Hinsicht ein Ausnahmefall bleibt. Gerade deswegen es notwendig, daß grüne Politik friedenspolitische Akzente setzt.

4. Folgerungen für die Reform der Bundeswehr

Die heutige Verteilung der materiellen und finanziellen Ressourcen auf die Teilstreitkräfte der Bundeswehr und deren Ausrüstung geht auf Entscheidungen und Notwendigkeiten der fünfziger Jahre zurück - die Bundeswehr wurde zur Abwehr eines konventionell überlegenen Angriffs auf bundesdeutschem Territorium im Rahmen der NATO ausgestaltet. Eine grundlegende Reform und Anpassung an die neuen sicherheitspolitischen Gegebenheiten und Anforderungen nach Ende des Kalten Krieges und dem Wegfall der Bedrohung durch einen solchen Angriff steht weiterhin aus. Die Bundeswehr ist deshalb noch immer vorrangig für den unwahrscheinlichsten aller Einsätze, die Landesverteidigung, strukturiert und ausgerüstet. Für die wahrscheinlicheren Einsätze des Krisenmanagements, aber auch für die künftigen Formen der Bündnisverteidigung sind diese Strukturen und Ausrüstung zumindest wenig effizient.

Jede rationale Neubestimmung der sicherheitspolitischen Aufgabenstellung im Verbund mit einer technischen Modernisierung der Bundeswehr führt zu einer deutlichen Reduzierung sowohl im Hinblick auf die Zahl der erforderlichen Großwaffensysteme als auch zu signifikanten Rationalisierungoptionen bei Struktur und Organisation der Bundeswehr. Diese dürften durch die kommende "Revolution in Business Affairs", die durchgängige Anwendung modernster Technik zur Rationalsierung von Organisations- und Geschäftsabläufen im Militärischen, also auf gut Deutsch eine längst überfällige Verwaltungsreform zusätzlich verstärkt werden.

Für die Bündnisverteidigung erscheint ein bundesdeutscher Beitrag im Umfang eines Korps sowie entsprechender Kräfte von Marine und Luftwaffe als dem Gewicht und der Bedeutung der Bundesrepublik wie auch der Politik der Selbsteinbindung angemessen. Niemand außer den USA leistet in der NATO mehr. Für die Beteiligung an multinationalem Krisenmanagement erlaubt dies den kontinuierlichen, dauerhaften Einsatz von maximal zwei Brigadeäquivalenten oder den kurzzeitigen Einsatz einer verstärkten Division. Dies entspricht in etwa den Beiträgen Großbritanniens und Frankreichs. Mehr sollte die Bundesrepublik auch aus Gründen der Selbsteinbindung nicht offerieren. Es entspricht auch jenen Vorstellungen vom künftigen Umfang der Bundeswehr, der von Rüstungsfachleuten aus den USA (RAND) und in der NATO im Blick auf den künftigen Bündnisbeitrag der Bundesrepublik für hinlänglich gehalten wird. Ein Einsatz im Dienst der Vereinten Nationen in Bataillonsstärke sollte parallel möglich sein.

Technologisch modernisierte, erheblich kleinere Streitkräfte leisten bei der Erfüllung der künftigen Aufgaben der Bundeswehr im neuen sicherheitspolitischen Umfeld sicherheitspolitisch, bündnispolitisch und militärisch deutlich mehr als die heutige Bundeswehr bei Verzicht auf eine solche Reform in Zukunft je leisten könnte. Die Modernisierung muß Vorrang vor der Aufrechterhaltung "beeindruckender" Zahlen erhalten. Ein kleine, moderne, "intelligente" Bundeswehr leistet mehr als ein gepanzerter Dinosaurier. Bei einer systematischen technologischen Modernisierung kann der Gesamtumfang der Bundeswehr (je nach Detailstruktur) über 8-12 Jahre auf 200.000 oder wahrscheinlich sogar 150.000 Soldaten abgesenkt werden.

Die Entwicklung multinationaler Stäbe im Kontext von NATO und EU, die Konzentration auf die ähnlichen Anforderungen von Bündnisverteidigung und Krisenmanagement sowie die technische Möglichkeit, Stäbe mit zentral gewonnenem Lagebild zur Führung, Einsatzplanung und Einsatzdurchführung zu versorgen, ermöglicht eine grundsätzliche Überprüfung der heute noch vorhandenen Führungsebenen und Stäbe nach Zahl und Art. Für Einsatzstäbe sind die Entwicklungskriterien Multinationalität, teilstreitkraftübergreifende Führungsfähigkeit, Konzentration der Führung, Verringerung der Zahl der Führungsebenen sowie die Trennung von Einsatz- und Friedensführung.

Eine konstruktive Rolle für eine Umstrukturierung der Bundeswehr können neue technologische Entwicklungen spielen. Sie können durch eine innovative Anwendung für die neuen Aufgaben dazu beitragen, daß die Bundeswehr reduziert werden kann und dennoch besser ihrer Aufgabenstellung gerecht wird. Dies erfordert jedoch den Verzicht auf überholte Technologien und Bewaffnung und eine neue Schwerpunktsetzung.

Die für die Aufgaben Bündnisverteidigung und Krisenmanagement erforderlichen Streitkräfte sind am Einsatz im multinationalen Kontext ausgerichtet. Um die reibungslose Kooperation zu gewährleisten ist Interoperabilität zwischen den Bündnisarmeen unabdingbar. Dies macht es erforderlich, sich an der technologischen Ausstattung und Leistungsfähigkeit der Streitkräfte der wichtigsten Bündnispartner zu orientieren, gleichzeitig bedeutet jedoch, daß nicht alle Entwicklungen nachvollzogen werden müssen. Da der amerikanische Partner nicht nur in der NATO, sondern auch als Lead-Nation bei Einsätzen des internationalen Krisenmanagements in den meisten Fällen beteiligt sein wird, ist mit Blick auf die Interoperabilität die technologische Entwicklung bei den amerikanischen Streitkräfte von besonderer Bedeutung.

Eine Duplizierung der Strukturen aber wäre schädlich. Erstens wäre es eine immense Ressourcenverschwendung ohne Aussicht auf Erfolg, wenn die europäischen Staaten versuchen würden, den technologischen Vorsprung der USA aufzuholen. Darüberhinaus könnte es zu Spannungen im transatlantischen Verhältnis kommen, da von Seiten der Vereinigten Staaten befürchtet werden könnte, daß europäische Strukturen als Konkurrenz geplant sind. Dies ist zu vermeiden. Europa soll und will keine Supermacht werden.

Die technologische Entwicklung ermöglicht eine Modernisierung von Führung, Aufklärung und Kommunikation (C4ISR), die den so ausgerüsteten Streitkräften eine Informationsdominanz gewähren. Alle Bereiche - Doktrin, Struktur, Organisation, Logistik, die militärische Kultur und auch das soldatische Selbstverständnis – werden von den daraus folgenden Veränderungen erfaßt. Dank der technologischen Entwicklung werden erheblich kleinere Streitkräfte mit wesentlich höherer Effizienz eingesetzt werden können.

Als Ergebnis der Bundeswehrplanung seit Ende des Ost-West-Konfliktes kann festgehalten werden: Die Bundeswehr wird nach Struktur und finanziellen Ressourcen zwischen den Anforderungen der Vergangenheit (Abwehr eines massiven Angriffs überlegener, gepanzerter Kräfte auf das Territorium der Bundesrepublik und/oder ihrer Verbündeten) und den Anforderungen der Gegenwart (Bündnisverteidigung und Krisenmanagement an den und jenseits der Bündnisgrenzen) zerrissen werden, sollte sie nicht grundsätzlich reformiert werden. Der in der Bestandsaufnahme des Bundesverteidigungsministeriums aufgezeigte Lösungsweg für dieses Problem – eine deutliche Steigerung des Verteidigungshaushaltes mit dem Ziel technischer Modernisierung bei relativ weitgehender Erhaltung von Struktur und Umfang der Bundeswehr – ist aus haushaltspolitischen Gründen verschlossen. Er hätte längerfristig negative Auswirkungen auf die technologische und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik. Und: Er ist sicherheitspolitisch weder notwendig noch ratsam.

Es sollte deshalb zu den grundlegenden Aspekten und Aufgaben von Streitkräfte gehören, daß sie

Ziel einer derart ausgerichteten Reform der Bundeswehr ist es deshalb

bereitzustellen

* die Bundeswehr zu befähigen, einen Beitrag zu einer gesamteuropäischen Politik der Stabilität in kooperativer Atmosphäre und zum Aufbau eines Systems kollektiver Sicherheit zu leisten;

* die bundesdeutschen Streitkräfte an die Herausforderungen der veränderten sicherheitspolitischen Lage und der technischen Entwicklung anzupassen;

* sie aufgabenorientiert an Bündnisverteidigung und multilateralem Krisenmanagement auszurichten;

* für ein den neuen Aufgaben angepaßtes Modell der Inneren Führung und der politischen Kontrolle über die Streitkräfte und ihrer Einsätze zu sorgen;

*darauf zu achten, daß die reformierten Streitkräfte künftige Abrüstungs- und Rüstungskontrollmöglichkeiten nicht durch ihre Struktur behindern; ein parallel zu verfolgendes Konzept präventiver Rüstungskontrolle kann dabei die Risiken künftiger technischer Modernisierung der Streitkräfte minimieren;

* sicherzustellen, daß ein effektiver und interoperabel gestalteter Mix zivilgesellschaftlicher, nicht-militärischer und militärischer Mittel der Konfliktbearbeitung auf nationaler Ebenen entsteht.

Dabei ist es dafür Sorge zu tragen, daß die Aufgaben der Bundeswehr nicht auf Aufgaben der Inneren Sicherheit und Kriminalitätsbekämpfung erweitert werden, sondern auf Aufgaben internationaler Sicherheit zu begrenzen;

Auf der internationalen Ebene ist vorrangig darauf zu achten, daß bei der Entwicklung der sicherheitspolitischen Dimension der Europäischen Union der Ausbau nicht-militärischer Instrumente nicht zugunsten des Neuaufbaus eines militärischen Instrumentariums vernachlässigt wird. Der Zivilmacht-Charakter der Europäischen Union darf nicht verloren gehen.

Gelingt es, die Bundeswehr nach den o.g. Gesichtspunkten zu reformieren, so werden künftig erheblich kleinere, nichtsdestoweniger aber signifikant leistungsfähigere und kostengünstigere Streitkräfte einen deutschen militärischen Beitrag zur Sicherheit in Europa erbringen. Diese Streitkräfte werden zukunftsfähig sein und ihre Umgestaltung wird von einer hohen Planungssicherheit geprägt sein.

5. Ökonomische Aspekte

Die Erbschaft der konservativ-liberalen Regierung wiegt schwer, da insbesondere der ehemalige Verteidigungsminister Volker Rühe die Bundeswehr in ein doppeltes Dilemma geführt hat. Auf der einen Seite hat der die strukturellen Reformen versäumt. Gleichzeitig hat er die Bundeswehr unterfinanziert. . Ein weiteres Festhalten an der alten Struktur der Bundeswehr führt in eine finanzpolitischen Sackgasse und ist zudem sicherheits-, bündnis- und friedenspolitisch kontraproduktiv. Diese - aus finanzpolitisch Gründen verursachten - fatalen Versäumnisse können nur durch eine konsequente Umorientierung aufgeholt werden.

Die Modernisierung der Bundeswehr schafft die Voraussetzung, um die Streitkräfte auf Dauer wieder zukunftsfähig und finanzierbar zu machen. Die Reduzierung der Streitkräfte führt einerseits zu Kosteneinsparungen im Hinblick auf Betrieb, Unterhaltung, Infrastruktur und durch reduzierte Beschaffungsnotwendigkeiten. Zum anderen sind die erforderlichen technischen Modernisierungen und die damit verbundenen Neubeschaffungen sehr kostenintensiv und müssen zunächst parallel zu den Kosten der Umstrukturierung aufgebracht werden. Proportional steigt der investive Anteil am Verteidigungshaushalt künftig deutlich an. Kurzfristige, größere Einsparungen im Verteidigungshaushalt sollten deshalb zunächst nicht erwartet werden. Auf längere Sicht ist aber sowohl mit signifikanten Kostenersparnissen aus der Verkleinerung der Streitkräfte zu rechnen als auch mit einer Bundeswehr, deren verbesserte Leistungsfähigkeit und Anpassung an die sicherheitspolitischen Aufgaben der Zukunft sie zu einem erheblich effizienteren Instrument der Sicherheitspolitik macht. Die Aufrechterhaltung eines mechanisierten Massenheeres ist politisch und militärisch unzweckmäßig, kostet erheblich mehr und nimmt den Streitkräften die Zukunftsfähigkeit.

Der Abbau von ca. elf Brigaden des Heeres, drei Geschwadern der Luftwaffe und eines Marinefliegergeschwaders z. B. würde allein jährliche Betriebskosteneinsparungen (dazu gehören Personalkosten, Materialkosten, Infrastruktur und Allgemeine Betriebskosten) für diese Verbände in Höhe von ca. 11-15 Milliarden Mark ermöglichen. Darin nicht enthalten sind Einsparungen aus dem Verzicht auf zukünftige Modernisierungen und Beschaffungen für diese abzubauenden Verbände. Eine solche Reform der Streitkräfte setzt enorme Summen zur Gestaltung einer modernen und zukunftsfähigen Bundeswehr im Rahmen europäischer Strukturen und die Mittel für eine präventive Sicherheitspolitik frei.

Trotz kostenträchtiger technologischer Modernisierung darf deshalb damit gerechnet werden, daß eine nach klaren Vorgaben reformierte und neustrukturierte Bundeswehr mit finanziellen Mitteln auskommt, die im Maximum ein nominell gleichbleibendes Plafond des Epl. 14 voraussetzen. Es ist durchaus möglich, daß ein solcher Umbau schneller billiger wird und früher zu signifikanten Einsparungen führt.

6. Zusammenfassung

Will deutsche Außenpolitik Friedenspolitik sein, so muß sie ihre nicht-militärischen und ihre militärischen Instrumente so aus-, auf- und umbauen, daß diese dem Ziel einer systematischen Verminderung gewaltfördernder Faktoren effektiv dienen können. Es stünde der Bundesrepublik gut an, wenn sie bei der Entwicklung und Ausweitung der politischen, nicht-militärischen und zivilgesellschaftlichen Handlungsmöglichkeiten präventiver Außen- und Sicherheitspolitik die Rolle der Lead-nation übernehmen würde. Dazu müssen die verschiedenen Instrumente aufeinander abgestimmt sein – im deutschen wie im europäischen Kontext. Diese Anforderung muß auch für die Umgestaltung der Streitkräfte gelten. Die Modernisierung der Bundeswehr ist sicherheitspolitisch notwendig, technisch möglich und haushaltspolitisch wünschenswert und sie ist in eine Konzeption präventiver Außen- und Sicherheitspolitik integrierbar. Sie ist längst überfällig. Sie stellt sicher, daß die Bundesrepblik künftig im transatlantischen wie im europäischen Kontext einen ihrem Gewicht und ihren Interessen angemessenen Beitrag zu den Gemeinschaftsaufgaben Bündnisverteidigung und Krisenmanagement leisten kann. Sie verhindert, daß die Bundeswehr durch mangelnden politischen Reformwillen und/oder mangelnde finanzielle Ressourcen vor eine Zerreißprobe gestellt wird. Eine solche grundlegende Reform der Streitkräfte kann nicht mit den bisherigen Neustrukturierungen verglichen werden. Sicherheitspolitisches Umfeld, Aufgabenstellung, technologische Möglichkeiten und die beschränkte Verfügbarkeit finanzieller Ressourcen ergeben insgesamt stark veränderte Rahmenbedingungen. Tiefgreifende Veränderungen sind angesichts des globalen ökonomischen, gesellschaftlichen und technologischen Wandels unausweichlich. Zu erwarten ist, daß eine Reform zumindest 8-12 Jahre in Anspruch nehmen wird. Dies erscheint realistisch. Nicht alle technologischen Entwicklungen sind heute schon exakt vorhersehbar. Jede Reform muß daher für evolutionäre und überraschende Entwicklungen offen bleiben und Zeit vorsehen. Großbritannien und Frankreich haben für ihre Streitkräftereformen - bei damals noch ungesicherteren Kenntnissen über die technologische Entwicklung - 10-15 Jahre eingeplant. Über 8-12 Jahre kann zu der Entwicklung in diesen beiden wichtigsten europäischen Partnerstaaten aufgeschlossen werden. Nicht zuletzt erlaubt ein solcher Zeitraum aber auch eine sozial - und wirtschaftlich verträgliche Umsetzung der notwendigen Reform.

Wie ausführlich dargestellt, muß eine solche Reform der Streitkräfte in eine friedenspolitischen Konzeption integriert sein, will sie dazu beitragen, in Zukunft menschliches Leiden zu vermeiden oder zumindest zu verringern.

Um den Anspruch zu erfüllen, den wir uns als Grüne selbst gestellt haben, müssen wir uns klar darüber sein, daß wir vor einer der schwierigsten Aufgaben in unserer Geschichte stehen. Wir haben in den letzten Monaten gesehen, daß die Instrumente für eine effektive Konfliktbearbeitung und Gewaltverhinderung nicht ausreichend sind. Wenn wir nicht bereit sind, alle Instrumente, auch die militärischen, die zur Konfliktbearbeitung zur Verfügung stehen zu reformieren und entsprechend anzupassen, besteht die Gefahr, daß wir die Chance eines deutschen Beitrags zum Wandel der internationalen Beziehungen verpassen.

September 1999