Internationaler Solidaritätsfonds (ISF)
Bündnis 90/Die Grünen, Postfach 12 01 02, 53043 Bonn
Tel./Fax: 0221/24 93 94, E-mail: isf-umb@t-online.de
Der Solifonds ist in Gefahr!!Liebe Freundinnen und Freunde,
Ihr kennt den Internationalen Solidaritätsfonds (ISF), seit Jahr und Tag bundesweit bekannt als Solifonds, aus der praktischen Zusammenarbeit. Ihr wißt vermutlich auch, daß er ein satzungsgemäßes Organ von Bündnis 90/Die Grünen ist und seine Mittel aus dem Haushalt des Bundesverbandes dieser Partei stammen.
Dieser Haushalt sieht, kaum das die erste Hälfte dieses Haushaltsjahres vorüber ist, mal wieder düster aus. Die Gründe dafür sind unter anderem erhöhte Kosten beim neuen Parteisitz in Berlin, Parteitage, die teurer waren, als veranschlagt und last but not least die finanziellen Auswirkungen von Wahlverlusten. Die Perspektiven für das kommende Haushaltsjahr sehen auch nicht besser aus.
Der Bundesfinanzrat der Partei hat deshalb im vergangenen Juli die Notbremse gezogen und eine Haushaltssperre verfügt, von der der ISF mit 110.000 DM betroffen ist, die Ökofonds mit 220.000 DM. Während die Ökofonds noch über Landesmittel verfügen, bedeutet dieser Beschluß für uns, daß wir zur Mitte des Jahres ohne Geld dastehen und die beiden ausstehenden Sitzungen unseres Vergaberates für dieses Jahr streichen können. Seit Anfang August müssen wir allen mündlichen Anfragen und schriftlich eingehenden Anträgen Absagen erteilen.
Wir sind natürlich ganz und gar nicht einverstanden mit dieser Entscheidung, zumal die Gefahr besteht, daß der ISF zur Sanierung der Parteikasse ganz geopfert wird. Wir haben viele Gründe, die gegen diesen kurzsichtigen Beschluß sprechen und erst recht gegen einen bereits bekannten Vorstoß eines Landesschatzmeisters, den Fonds ganz zu liquidieren. Einige davon möchten wir Euch an dieser Stelle vortragen, verbunden mit der Bitte, sie zu bedenken und Euch gegebenenfalls auf dieser Grundlage bei der Partei zu melden.
- Der ISF geht auf einen Beschluß der Partei zurück, die zusätzliche Wahlkampfkostenerstattung von den Europa-Wahlen 1984 in einen Fonds zu Gunsten der internationalistischen und Dritte-Welt-Bewegung zu investieren. Das waren über fünf Millionen DM und der Fonds fing 1985 an, mit den Zinserträgen aus diesem Vermögen zu arbeiten. Weil das Vermögen aber nicht rechtlich unabhängig von der Partei konstituiert wurde, war es eines Tages weg. Es wurde in den Erwerb eines Parteisitzes, der Villa Wittgenstein, gesteckt, die inzwischen längst wieder verkauft worden ist. Wir mußten uns damals ziemlich auf die Hinterbeine stellen, um unseren Erhalt durchzusetzen, dann schon nicht mehr aus den Zinserträgen, sondern aus einem Haushaltstitel des Bundesverbandes und zuletzt, über den Bundesverband, aus den Abgeordneten-Spenden. In all den Jahren sind wir immer wieder zur Kasse gebeten worden, immer dann, wenn dem Bundesverband das Geld ausgegangen war. In keinem dieser Fälle waren wir für die Defizite mitverantwortlich, zu deren Deckung locker auf unsere Mittel zurückgegriffen wurde. Und nie gab es jenseits der bequemen Art, einer schwachen Parteigliederung einfach was wegzunehmen, wenn der Partei Geld fehlte, eine irgendwie geartete politische Begründung für die Zumutungen. So ist es jetzt wieder. Darüber sind wir begreiflicherweise verärgert, zumal unsere Abrechnungen seit 15 Jahren stimmen, wir sorgfältig und gewissenhaft mit unseren Mitteln umgehen und wir wohl die einzige Gliederung von Bündnis 90/Die Grünen sind, die seit 15 Jahren mit einem gleichbleibenden Verwaltungskostenaufwand auskommt.
- In der Partei ist zurecht die Meinung weit verbreitet, daß sie dringend offensiver auftreten müßte in der Öffentlichkeit, um angesichts der Sympathieeinbußen der letzten Zeit nicht vollends unter die Räder zu kommen. Erst in diesen Tagen hat der neu konstituierte Berliner Kreis diesbezüglich verlauten lassen, daß "die Grünen wieder mehr auf bürgerschaftliches Engagement setzen müßten, den Schlüsselimpuls in ihrer Entstehungsgeschichte." (Frankfurter Rundschau, 30.8.1999) In dieser Situation halten wir es für politisch verfehlt, zwei Instrumente, die Ökofonds und den ISF, zu beschneiden oder gar zu liquidieren, die in hervorragender Weise in die Öffentlichkeit hinein wirken, gerade dort, wo bürgerschaftliches Engagement stattfindet, und auch von jenen Kreisen respektiert und geschätzt werden, die mittlerweile skeptisch oder ablehnend geworden sind gegenüber Bündnis 90/Die Grünen.
- Nach 15 Jahren gibt es gegenüber Dutzenden von Gruppen aus dem internationalistischen, Dritte Welt, friedenspolitischen, ökologischen und antirassistischen Spektrum hierzulande und in zahlreichen Ländern der Dritten Welt und Osteuropas, die wir immer wieder unterstützt haben, eine Art von politischem Vertrauensschutz, zumal wir uns über die Jahre hinweg als zuverlässige, flexibel und unbürokratisch arbeitende Partner erwiesen haben. Da kann es dem Ruf der Partei nur schaden, wenn sie Knall auf Fall den Fonds arbeitsunfähig macht oder gar ganz abschafft - und dies ohne politische Begründung, sondern nur, um schnell an Geld zu kommen.
- Die gerade in bündnisgrünen Finanzkreisen weit verbreitete Annahme, die Arbeit des ISF könnte durch öffentliche Mittel der Entwicklungszusammenarbeit oder durch die Tätigkeit der Heinrich-Böll-Stiftung ersetzt werden, erweist sich bei näherem Hinsehen als Mythos. Seit Bündnis 90/ Die Grünen in vielen Parlamenten und Regierungen vertreten sind, ist von dieser Seite die Förderung internationalistischer und entwicklungspolitischer Projekte nicht erhöht und nicht verbessert worden. Der Versuch, in den Koalitionsverhandlungen eine staatlich alimentierte entwicklungspolitische Stiftung für die Inlandsarbeit durchzusetzen, ist gescheitert. Die statt dessen erreichte Koalitionsvereinbarung, daß die entwicklungspolitische Arbeit von Nichtregierungsorganisationen (NRO) stärker gefördert werden soll, ist den Sparbeschlüssen zum Opfer gefallen. Der intensive Versuch, auch nur einen kleinen Teil der ISF-Vergabesumme durch entsprechende Förderungen seitens der Heinrich-Böll-Stiftung zu ersetzen, ist gescheitert, weil die beiden Einrichtungen sich ergänzen und zusammenarbeiten, sich aber nicht gegenseitig substituieren können. Schließlich hat auch der Ausschuß für entwicklungsbezogene Bildung und Publizistik der Evangelischen Kirche in Deutschland, der wichtigste Geldgeber in einem Bereich, in dem auch der ISF tätig ist, nämlich der entwicklungsbezogenen Inlandsarbeit, seine Mittel gekürzt. Mit anderen Worten: wird der ISF liquidiert, entsteht eine Lücke, die nicht anderweitig aufgefüllt werden wird.
- In einem Jahr mal 50.000 DM weniger zu haben, wie dies letztes Jahr der Fall war, als wir der Partei für den Wahlkampf ausgeholfen haben, läßt sich verschmerzen, zumal dies eine Art Kredit war, den wir zurück bekommen haben. Aber wenn wir, wie heuer der Fall, plötzlich Mitte des Jahres völlig arbeitsunfähig gemacht werden, stellt sich die Frage, ob es dem obersten Finanzorgan einer großen Partei ansteht, derartig kurzsichtige und unpolitische Entscheidungen zu fällen.
- Kurzsichtig ist dieser Beschluß auch, weil es auf der Hand liegt, daß mit einer einmaligen Zwangsspende seitens des ISF der strukturell defizitäre Bundeshaushalt nicht nachhaltig saniert werden kann. Seit Jahren leidet der Parteiapparat an politischer Auszehrung, ist zum Beispiel außerstande kontinuierliche internationale Beziehungen aufzubauen und zu pflegen. Daran wird sich nichts ändern, wenn nun auch noch eine der wenigen bündnisgrünen Einrichtungen, die im Ausland bekannt sind, geschlossen werden soll.
Es fallen Euch sicher noch mehr Gründe und Argumente für den Erhalt des ISF und gegen den jüngsten Beschluß des Bundesfinanzrates der Partei ein.
Wir möchten Euch bitten, uns bei unseren Bemühungen um den Erhalt des Solifonds zu unterstützen, indem Ihr Eure Meinung zu dieser Geschichte dem Bundesvorstand und den Landesvorständen (und dort vor allem den LandesschatzmeisterInnen) mitteilt. Die entsprechenden Adressen findet Ihr in der Anlage. Bitte schickt uns Kopien Eurer Schreiben, damit wir einen Überblick bekommen, wer uns wie unterstützt.
Wir danken Euch schon im voraus für Eure Unterstützung und hoffen, daß es unseren gemeinsamen Anstrengungen gelingen möge, den Internationalen Solidaritätsfonds zu retten.
Herzliche und solidarische Grüße
im Auftrag des ISF-Vergaberates
Ulf Baumgärtner
ISF-Koordination
Anlage
Zur Ergänzung hier noch die Namen der SchatzmeisterInnen:Ba-Wü: Harald Dolderer
Bayern: Liane Rohen
Berlin: Werner Hirschmüller
Brandenburg: Peter Schüler
HH: Karsten Kühlmann
Hessen: Hiltrud Hofmann
Meck-Pom: Steffen Prignitz
Nds: Ronald Schütz
NRW: Jo Schroers
Rh-Pfalz: Barbara Hackebeil
Saarland: Helen Blum
Sachsen: Ulli Keller
Sach-Anhalt: Norbert Doktor
Sch-Hol: Klaus Siebert
Thüringen: Heike Besen
Bundesschatzmeister. Dietmar Strehl