Internationaler Solidaritätsfonds (ISF)
Bündnis 90/Die Grünen, Postfach 12 01 02, 53043 Bonn
Tel./Fax: 0221/24 93 94, E-mail: isf-umb@t-online.de
<Brief an MdBs und MdEs>
Der Internationale Solidaritätsfonds (ISF) ist gefährdet
seit 1997 kommen die Mittel des ISF aus Deinen und der anderen Abgeordneten Spenden. Damals wurde beschlossen, daß aus der Hälfte der Abgeordneten-Spenden (ca. 750.000 DM), die bis dahin die Ökofonds erhielten, während die andere Hälfte direkt in den Bundeshaushalt der Partei floß und auch heute noch fließt, mit 300.000 DM/Jahr auch der ISF finanziert wird. Die Entwicklung vom ursprünglichen Vermögen, aus dessen Zinsen sich die Vergabesumme des ISF speiste, über den regulären Titel im Haushalt des Bundesverbandes bis zu dieser jüngsten Modalität ist Dir sicherlich bekannt.
Ebenso ist Dir bekannt, daß im Bundeshaushalt für 1999 ein ziemliches Loch klafft und daß der Bundesfinanzrat bei seiner Sitzung am vergangenen 17.Juli deshalb beschlossen hat, die Ökofonds und den ISF mit einer Ausgabensperre für den Rest des Jahres zu belegen, was 220.000 DM bzw. 110.000 DM zur teilweisen Deckung der aufgetretenen Defizite erbringt.
Das bedeutet, daß der ISF seit August diesen Jahres arbeitsunfähig ist, weil er über keine anderen Mittel verfügt, und seither allen Anfragen und Anträgen Absagen erteilen muß. Den Ökofonds geht es ein klein wenig besser, weil sie noch über Landesmittel verfügen.
Der Beschluß des Bundesfinanzrates bedeutet auch, daß Deine Spenden für den Rest des Jahres zur Gänze an den Bundesverband gehen und daß dies auch in Zukunft so sein wird, wenn sich ein bereits kursierender Vorschlag des nordrhein-westfälischen Landesschatzmeisters durchsetzt. (s.Anlage)
Du wirst Dir vorstellen können, daß der Vergaberat des ISF, der sich aus VertreterInnen aus den Bundesländern, dem Bundesvorstand, der Bundestagsfraktion und der Europagruppe zusammensetzt, von dem Beschluß des Bundesfinanzrates gar nicht begeistert ist und schon gar nicht von den Überlegungen, den Fonds eventuell ganz abzuschaffen. Wir wollen die Sache auch nicht auf sich beruhen lassen, sondern uns für eine Rücknahme dieses Beschlusses einsetzen, wozu wir Dich um Unterstützung bitten.
Es gibt gute Gründe dafür, gegen den Beschluß des Bundesfinanzrates und für einen Erhalt des Solifonds in der gegenwärtigen Form zu sein. Einige davon wollen wir im Folgenden nennen.
- Der ISF geht auf einen Beschluß der Partei zurück, die zusätzliche Wahlkampfkostenerstattung von den Europa-Wahlen 1984 in einen Fonds zu Gunsten der internationalistischen und Dritte-Welt-Bewegung zu investieren. Das waren über fünf Millionen DM und der Fonds fing 1985 an, mit den Zinserträgen aus diesem Vermögen zu arbeiten. Weil das Vermögen aber nicht rechtlich unabhängig
von der Partei konstituiert wurde, war es eines Tages weg.
Es wurde in den Erwerb eines Parteisitzes, der Villa Wittgenstein, gesteckt, die inzwischen längst wieder verkauft worden ist. Wir mußten uns damals ziemlich auf die Hinterbeine stellen, um unseren Erhalt durchzusetzen, dann schon nicht mehr aus den Zinserträgen, sondern aus einem Haushaltstitel des Bundesverbandes und zuletzt, über den Bundesverband, aus den Abgeordneten-Spenden. In all den Jahren sind wir immer wieder zur Kasse gebeten worden, immer dann, wenn dem Bundesverband das Geld ausgegangen war. In keinem dieser Fälle waren wir für die Defizite mitverantwortlich, zu deren Deckung locker auf unsere Mittel zurückgegriffen wurde und nie gab es jenseits der bequemen Art, einer schwachen Parteigliederung einfach was wegzunehmen, wenn der Partei Geld fehlte, eine irgendwie geartete politische Begründung für die Zumutungen. So ist es jetzt wieder. Darüber sind wir begreiflicher Weise verärgert, zumal unsere Abrechnungen seit 15 Jahren stimmen, wir sorgfältig und gewissenhaft mit unseren Mitteln umgehen und wir wohl die einzige Gliederung von Bündnis 90/Die Grünen sind, die seit 15 Jahren mit einem gleichbleibenden Verwaltungskostenaufwand auskommt.
- In der Partei ist zurecht die Meinung weit verbreitet, daß sie dringend offensiver auftreten müßte in der Öffentlichkeit, um angesichts der Sympathieeinbußen der letzten Zeit nicht vollends unter die Räder zu kommen. Erst in diesen Tagen hat der neu konstituierte Berliner Kreis diesbezüglich verlauten lassen, daß "die Grünen wieder mehr auf bürgerschaftliches Engagement setzen müßten, den Schlüsselimpuls in ihrer Entstehungsgeschichte." (Frankfurter Rundschau, 30.8.1999) In dieser Situation halten wir es für politisch verfehlt, zwei Instrumente, die Ökofonds und den ISF, zu beschneiden oder gar zu liquidieren, die in hervorragender Weise in die Öffentlichkeit hinein wirken, gerade dort, wo bürgerschaftliches Engagement stattfindet, und auch von jenen Kreisen respektiert und geschätzt werden, die mittlerweile skeptisch oder ablehnend geworden sind gegenüber Bündnis 90/Die Grünen.
- Nach 15 Jahren gibt es gegenüber Dutzenden von Gruppen aus dem internationalistischen, Dritte Welt, friedenspolitischen, ökologischen und antirassistischen Spektrum hierzulande und in zahlreichen Ländern der Dritten Welt und Osteuropas, die wir immer wieder unterstützt haben, eine Art von politischem Vertrauensschutz, zumal wir uns über die Jahre hinweg als zuverlässige, flexibel und unbürokratisch arbeitende Partner erwiesen haben. Da kann es dem Ruf der Partei nur schaden, wenn sie Knall auf Fall den Fonds arbeitsunfähig macht oder gar ganz abschafft - und dies ohne politische Begründung, sondern nur, um schnell an Geld zu kommen.
- Die gerade in bündnisgrünen Finanzkreisen weit verbreitete Annahme, die Arbeit des ISF könnte durch öffentliche Mittel der Entwicklungszusammenarbeit oder durch die Tätigkeit der Heinrich-Böll-Stiftung ersetzt werden, erweist sich bei näherem Hinsehen als Mythos. Seit Bündnis 90/ Die Grünen in vielen Parlamenten und Regierungen vertreten sind, ist von dieser Seite die Förderung internationalistischer und entwicklungspolitischer Projekte nicht erhöht und nicht verbessert worden. Der Versuch, in den Koalitionsverhandlungen eine staatlich alimentierte entwicklungspolitische Stiftung für die Inlandsarbeit durchzusetzen, ist gescheitert. Die statt dessen erreichte Koalitionsvereinbarung, daß die entwicklungspolitische Arbeit von Nichtregierungsorganisationen (NRO) stärker gefördert werden soll, ist den Sparbeschlüssen zum Opfer gefallen. Der intensive Versuch, auch nur einen kleinen Teil der ISF-Vergabesumme durch entsprechende Förderungen seitens der Heinrich-Böll-Stiftung zu ersetzen, ist gescheitert, weil die beiden Einrichtungen sich ergänzen und zusammenarbeiten, sich aber nicht gegenseitig substituieren können. Schließlich hat auch der Ausschuß für entwicklungsbezogene Bildung und Publizistik der Evangelischen Kirche in Deutschland, der wichtigste Geldgeber in einem Bereich, in dem auch der ISF tätig ist, nämlich der entwicklungsbezogenen Inlandsarbeit, seine Mittel gekürzt. Mit anderen Worten: wird der ISF liquidiert, entsteht eine Lücke, die nicht anderweitig aufgefüllt werden wird.
- Bei einer substantiellen Kürzung unserer über die Jahre eh schon wieder und wieder gekürzten Mittel (derzeit 300.000 DM/Jahr) wird das Verhältnis zwischen Vergabesumme und Verwaltungskosten, obwohl diese, wie gesagt, niedrig sind und seit Entstehung des Fonds konstant, schief; d.h. die Verwaltungskosten werden relativ zu hoch.
- In einem Jahr mal 50.000 DM weniger zu haben, wie dies letztes Jahr der Fall war, als wir der Partei für den Wahlkampf ausgeholfen haben, läßt sich verschmerzen, zumal dies eine Art Kredit war, den wir zurück bekommen haben. Aber wenn wir, wie heuer der Fall, plötzlich Mitte des Jahres völlig arbeitsunfähig gemacht werden, stellt sich die Frage, ob es dem obersten Finanzorgan einer großen Partei ansteht, derartig kurzsichtige und unpolitische Entscheidungen zu fällen.
- Kurzsichtig ist dieser Beschluß auch, weil es auf der Hand liegt, daß mit einer einmaligen Zwangsspende seitens des ISF der strukturell defizitäre Bundeshaushalt nicht nachhaltig saniert werden kann. Seit Jahren leidet der Bundesverband an politischer Auszehrung, ist zum Beispiel außerstande kontinuierliche internationale Beziehungen aufzubauen und zu pflegen. Daran wird sich nichts ändern, wenn nun auch noch eine der wenigen bündnisgrünen Einrichtungen, die im Ausland bekannt sind, geschlossen werden soll.
Wir könnten uns denken, daß Du Dich der einen oder anderen dieser Sichtweisen, dem einen oder anderen Argument anschließen kannst und vielleicht auch nicht unbedingt möchtest, daß Deine Spenden ausschließlich für die Finanzierung des Parteiapparates genutzt werden. Wir möchten Dich deshalb bitten, Deine Stimme in dieser Angelegenheit zu unseren Gunsten gegenüber dem Bundesverband und in Deinem Landesverband zu erheben.
Für Rückfragen stehen die Mitglieder des ISF-Vergaberates (s. anliegende Liste) und der Koordinator zur Verfügung. Wir freuen uns über jeden Anruf und jedes Wort der Unterstützung.
Falls Du einen Brief schreibst, wären wir für eine Kopie dankbar, damit wir einen Überblick bekommen, wer uns wie unterstützt.
Wir möchten Dir schon im voraus für Deine Unterstützung danken und grüßen derweil
herzlich und solidarisch
Wilfried Telkämper
Vertreter der Europafraktion
Im ISF-VergaberatAngelika Köster-Loßsack, MdB
Hans-Christian Ströbele, MdB