Internationaler Solidaritätsfonds (ISF)
Bündnis 90/Die Grünen, Postfach 12 01 02, 53043 Bonn
Tel./Fax: 0221/24 93 94, E-mail: isf-umb@t-online.de
An die
LandesschatzmeisterInnen
Von Bündnis 90/Die Grünen
Internationaler Solidaritätsfonds (ISF)
Liebe Freundinnen und Freunde,
mit Datum vom 2.9.1999 habt Ihr ein Schreiben des Landesschatzmeisters von Nordrhein-Westfalen, Jo Schroers, erhalten, das aus einem Entwurf für einen Antrag an die nächste BDK besteht, des Inhaltes, daß der ISF abgeschafft werden soll.
Es ist dem Kollegen Schroers natürlich unbenommen, den ISF für überflüssig zu halten. Möchte er andere, in diesem Fall Euch, von seiner Meinung überzeugen, würde man unter normalen Umständen freilich erwarten, daß er dafür ein paar gute Gründe und Argumente aufführt. Dies ist in der Begründung dieses BDK-Antragsentwurfes leider nicht der Fall. Was als Begründung daherkommt, ist eine Sammlung von oberflächlichen Bemerkungen, die von keiner Sachkenntnis getrübt sind, nebst einigen Fehlern, um nicht zu sagen bewußt in die Welt gesetzten Unwahrheiten.
Ihr zählt nicht zu den BDK-Delegierten, welche die Institution ISF nicht einmal kennen, von denen es nach den Mutmaßungen des Kollegen Schroers einige geben soll, sondern habt Euch in den letzten Jahren immer wieder mit dem ISF befaßt. Von daher könnt Ihr den vorliegenden Antragsentwurf sicherlich einordnen.
Weil Ihr nun aber ein Adressatenkreis dieses Entwurfes seid, der wesentlich mitentscheiden wird, ob es den ISF weitergeben wird oder ob er demnächst liquidiert wird, erlauben wir uns im Folgenden einige Bemerkungen und Richtigstellungen zu den Ausführungen des Kollegen Schroers.
- Die Gruppen und Organisationen, die bei uns Anträge stellen, werden, seit Bündnis 90/ Die Grünen in vielen Landtagen, im Bundestag und nunmehr auch in der Bundesregierung sind, mit öffentlichen Geldern nicht besser als davor gefördert. Das BMZE z.B. praktiziert nach wie vor seine bürokratisch gestaltete 1.000 DM-Förderung für entwicklungspolitische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, die einmal pro Jahr vergeben werden kann.
- Entsprechende Landestöpfe hat es bereits vor dem Einzug von Bündnis 90/ Die Grünen in einige Landtage und Landesregierungen gegeben und sie sind seither nicht zugänglicher geworden.
- Bekanntlich ist es Bündnis 90/ Die Grünen nicht gelungen, bei den Koalitionsverhandlungen zur Bildung der Bundesregierung eine mit Bundesmitteln geförderte Stiftung für die entwicklungspolitische Bewußtseinsarbeit in der Bundesrepublik durchzusetzen. In den Koalitiaonsvereinbarungen heißt es dazu nur vague, daß die entwicklungspolitische Arbeit von Nichtregierungsorganisationen (NRO) verstärkt gefördert werden soll. Dieses Vorhaben ist mittlerweile den Sparplänen zum Opfer gefallen, so daß nicht absehbar ist, ob und wann "unsere" AntragsstellerInnen von dieser Seite mehr Mittel bekommen können.
- Zwar fördert der ISF Vorhaben, die zumeist auch von anderen privaten Einrichtungen (vor allem dem Ausschuß für entwicklungsbezogene Bildung und Publizistik der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Stiftung Umverteilen und der Aktion Selbstbesteuerung; eher selten von der Heinrich-Böll-Stiftung oder von anderen politischen Stiftungen) gefördert werden, da er aber keine Bildungseinrichtung und keine Entwicklungshilfeorganisation ist, sondern ein internationales und internationalistisches Instrument der Partei ist, also einen explizit politischen Charakter hat, wird er oft tätig, wo andere Finanzierungsquellen aus politischen Gründen verschlossen bleiben. Jüngstes Beispiel einer solchen Förderung war unsere Unterstützung für die Demonstration gegen den Weltwirtschaftsgipfel in Köln am vergangenen 19.Juni.
- Die Ökofonds sind älter als der ISF, der erst 1984/85 entstanden ist. Die Fonds können sich von ihren Zielsetzungen her nicht gegenseitig substituieren und sie haben es in der Praxis der vergangenen Jahre auch nicht getan, wenngleich sie zusammenarbeiten. Während sich das Angebot der Ökofonds an bundesdeutsche Initiativen in Bereichen wie Geschlechterdemokratie, Umweltschutz, alternative Energie-, Verkehrs- und Abfallpolitik wendet, steht der ISF internationalistischen, Dritte Welt-, entwicklungspolitischen, friedenspolitischen und antirassistischen Gruppen und Organisationen zur Verfügung, sowie im Umfang ca. eines Drittels seiner Mittel Initiativen und Organisationen in den Ländern der Dritten Welt und Osteuropas, die keine deutsche Entwicklungshilfe bekommen.
- Was eine verbesserte Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung betrifft und den Versuch, den ISF peu à peu durch die Stiftung zu ersetzen, was 1997 praktisch versucht wurde, indem die Mittel des ISF gleich mal um 50.000 DM gekürzt wurden, mit der Maßgabe, daß die Stiftung an den ISF gerichtete Anträge in etwa dieser Höhe berücksichtigen sollte, so ist dieser Versuch, wie Ihr wißt, trotz unserer und der Stiftung Bemühungen während eines ganzen Jahres gescheitert. (vgl. Schreiben von HBS und ISF an den Bundesvorstand vom 8.10.1997 und Protokoll der Bundesfinanzratssitzung am 11.10.97)
- Die politische Kultur in der Bundesrepublik hat sich in der Tat seit Gründung der Partei gehörig verändert. In unserem Bereich sind aus vielen Initiativen von damals NRO geworden, die professioneller arbeiten. Aber dies tun sie eben nicht, weil Problemlagen, auf welche seinerzeit Initiativen hinwiesen, heute Allgemeingut der öffentlichen Diskussion sind. Ganz im Gegenteil: sie tun es und sie tun es intensiver, kontinuierlicher und professioneller weil diese Problemlagen immer noch nicht verankert sind und neue (z.B. im Bereich Flüchtlingspolitik und Rassismus) hinzu gekommen sind. Um ein Beispiel zu nennen: anno 1987/88 gab es eine breite Diskussion zur Verschuldung der Dritten Welt. Heute gibt es nach Jahren der Stille diese Diskussion wieder und dafür gesorgt haben die Erlaßjahrkampagne 2000 und die NRO WEED, deren für diese Bewußtseinsarbeit wichtigen jährlichen Schuldenreports vom ISF gefördert werden.
- Der ISF hat keine "Vergaberäte", sondern einen Vergaberat und der arbeitet nicht "ohne demokratische Kontrolle". Die denunziatorische Absicht dieser Behauptung wird deutlich, wenn man sieht, wie sich der Kollege Schroers selber Lügen straft, indem er in seinem Antragsentwurf die Satzung des ISF zitiert, in der es dazu unter (3) heißt: "Der Vergaberat des ISF setzt sich folgendermaßen zusammen: je eine Person nebst Stellvertretung aus den Landesverbänden mit Stimmrecht (diese werden von den Landesversammlungen gewählt..."
Ebenso verhält es sich mit der Behauptung, es gäbe keine Rechenschaftslegung. Natürlich gibt es die. Die Gelder kommen aus der Bundesparteikasse. Bundeschatzmeister und Bundesfinanzreferent haben einen genauen Überblick über die Bewilligungen und Ausgaben und ohne ihre Unterschrift gibt es keinerlei Überweisung. Die Begünstigten unterschreiben eine Vereinbarung, in der es u.a. heißt: "Die Projektgruppe stellt dem Solifonds zum Stand 31.Dezember eines jeden Jahres...einen Projektfortschritts- bzw. einen Projektabschlußbericht zur Verfügung...Teil des Berichtes ist das Belegen der antragsgemäßen Verwendung der vom Solifonds erhaltenen Projektmittel." Diese Projektabschlußberichte sind jederzeit einsehbar - genauso wie die Vereinbarungen mit den Begünstigten.
Man muß nur wollen.
Die Behauptungen des Kollegen Schoers zur demokratischen Kontrolle und zur Rechenschaftslegung weisen wir also ausdrücklich als unwahr zurück.
Dieses Schreiben ist jetzt recht ausführlich geworden, so daß wir hoffen, Eure Geduld nicht überstrapaziert zu haben. Leider bekommen wir nur selten Gelegenheit, falsche Informationen über uns korrigieren und unsere Standpunkte darlegen zu können. Wir danken Euch deshalb für die Mühe, uns zugehört zu haben. Natürlich wäre es uns lieber gewesen, der Kollege Schroers hätte sich diese Mühe auch gemacht...
Zum Schluß möchten wir Euch bitten, unsere Informationen zur Kenntnis zu nehmen und unsere Argumente abzuwägen. Wir halten sie für ausreichend plausibel und schwerwiegend für eine Entscheidung zu Gunsten des Fortbestandes des Internationalen Solidaritätsfonds von Bündnis 90/Die Grünen.
Für Rückfragen stehen wir zur Verfügung und würden uns über Rückmeldungen Eurerseits freuen.
Herzliche und solidarische Grüße
im Auftrag des ISF-Vergaberates
Ulf Baumgärtner
ISF-Koordination